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Kann der Christ Marxist sein? Muß er Kapitalist sein? - stiftung-utz.de

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HUMANUMV<strong>er</strong>öffentlichungen <strong>d<strong>er</strong></strong> Int<strong>er</strong>nationalen Stiftung Humanuni<strong>Kann</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> <strong>Marxist</strong> <strong>sein</strong>?Muß <strong>er</strong> <strong>Kapitalist</strong> <strong>sein</strong>?


KANN DER CHRIST MARXIST SEIN?MUSS ER KAPITALIST SEIN?H<strong>er</strong>ausgegeben für dieInt<strong>er</strong>nationale Stiftung Humanunivon Arthur F. UtzWBV • BONNSCEENTIA HUMANA INSTITUT • BONN


CIPKurztitelaufnahme <strong>d<strong>er</strong></strong> Deutschen Bibliothek<strong>Kann</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> <strong>Marxist</strong> <strong>sein</strong>? Muß <strong>er</strong> <strong>Kapitalist</strong> <strong>sein</strong>? / Hrsg.für d. Int<strong>er</strong>nat. Stiftung Humanuni von Arthur F. Utz — Bonn: WBV;Bonn: Scientia-Humana-Institut, 1982.(Humanuni) ISBN 3-923202-01-6NE: Utz, Arthur [Hrsg]1982' © WBV • H. Weiskirch Buchv<strong>er</strong>trieb und V<strong>er</strong>lag GmbHD-5300 Bonn 3, Finkenb<strong>er</strong>gstr. 61Gesamth<strong>er</strong>stellung: wico grafik GmbH, 5205 Sankt Augustin 1/Bonn


INHALTSVERZEICHNISArthur F. UtzVorwort 7Arthur F. UtzZur Einführung 9Oswald von Nell-Breuning<strong>Marxist</strong>ische Weltanschauung: Ist das marxistische Wirtschaftssystemvon <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltanschauung trennbar? 13Diskussionsb<strong>er</strong>icht 28Arthur F. UtzGemeinsames und V<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nes in <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischenund christlichen Wirtschaftsanalyse 39Diskussionsb<strong>er</strong>icht 58Wilhelm F. KaschGibt es eine christliche Option für ein Wirtschaftssystem?72Diskussionsb<strong>er</strong>icht 90Alfred KloseIst die Alt<strong>er</strong>native zum Marxismus für <strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en <strong>d<strong>er</strong></strong>Kapitalismus? 96Diskussionsb<strong>er</strong>icht 119Arthur F. UtzGedanken im Rückblick auf die Diskussion 123P<strong>er</strong>sonenv<strong>er</strong>zeichnis 135Autoren und Diskussionsteilnehm<strong>er</strong> 137


die Tonbandaufnahme gehalten. Manchmal war ich gezwungen,die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Re<strong>de</strong> grammatikalisch nicht vollen<strong>de</strong>ten Sätze in eigenformuli<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Fassung (ohne Anführung) zu int<strong>er</strong>preti<strong>er</strong>en. Irgendwelchedadurch entstan<strong>de</strong>nen Unvollkommenheiten wolle manmir gütigst nachsehen. Die Ref<strong>er</strong>enten <strong>er</strong>hielten <strong>de</strong>n ihrem Ref<strong>er</strong>atzugehörigen Diskussionsb<strong>er</strong>icht zur Genehmigung zugeschickt.D<strong>er</strong> Dank <strong>d<strong>er</strong></strong> Stiftung gilt natürlich in <strong>er</strong>st<strong>er</strong> Linie <strong>de</strong>n Ref<strong>er</strong>enten,dann ab<strong>er</strong> auch <strong>de</strong>n Teilnehm<strong>er</strong>n <strong>de</strong>s Symposiums. Dankschul<strong>de</strong>t die Stiftung auch Frau Hedwig Weiskirch für ihre un<strong>er</strong>müdlicheorganisatorische Tätigkeit in <strong>d<strong>er</strong></strong> Vorb<strong>er</strong>eitung und Abwicklung<strong>de</strong>s Symposiums. Nicht un<strong>er</strong>wähnt darf die Arbeit vonDr. Brigitta Gräfin von Galen bleiben, die meine Diskussionsb<strong>er</strong>ichtesorgfältig mit <strong>de</strong>n vom Tonband abgeschriebenen Textenv<strong>er</strong>glich, um Abweichungen mein<strong>er</strong>seits zu v<strong>er</strong>hin<strong>d<strong>er</strong></strong>n.Daß das Buch in zeitlich so großem Abstand vom Symposium<strong>er</strong>scheint, ist Umstän<strong>de</strong>n zuzuschreiben, die nicht in mein<strong>er</strong>Hand lagen.Arthur F. UtzPräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>sVorstan<strong>de</strong>s <strong>d<strong>er</strong></strong> Stiftung8


Arthur F. UtzZUREINFÜHRUNGBeinhaltet <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus ein Wirtschaftssystem?Und ist „Kapitalismus" noch ein sinnvolles Diskussionsobjekt?Den Entwurf eines Wirtschaftssystems sucht man umsonst beiK. Marx. Sein Schrifttum <strong>er</strong>schöpft sich in <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismuskritik,wobei man, wie im V<strong>er</strong>lauf <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion h<strong>er</strong>vorgehoben wur<strong>de</strong>,nicht weiß, ob <strong>er</strong> mehr das private Eigentum an Produktionsmittelno<strong>d<strong>er</strong></strong> die Arbeitsteilung kritisi<strong>er</strong>te. Die Arbeitsteilung zukritisi<strong>er</strong>en, be<strong>de</strong>utet naturgemäß einen Rückfall in die sich selbstv<strong>er</strong>sorgen<strong>de</strong>Hauswirtschaft. Die Neomarxisten haben darum diesenGegenstand <strong>d<strong>er</strong></strong> Kritik nicht aufgenommen. Was sie ab<strong>er</strong> allebeseelt, ist die Kritik am privaten Produktionsmitteleigentum.Damit ist grundsätzlich die Weiche für eine Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaftgestellt. Nun gibt es all<strong>er</strong>dings v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Arten vonZentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft, selbst auch solche, die in begrenztemMaße die private Disposition üb<strong>er</strong> Produktionsmittel integri<strong>er</strong>en(z. B. Jugoslawien). Von einem eigentlichen privaten Eigentumsrechtkann ab<strong>er</strong> nicht gesprochen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Es han<strong>de</strong>ltsich lediglich um eine V<strong>er</strong>teilung <strong>d<strong>er</strong></strong> Dispositionsgewalt üb<strong>er</strong> Kapitalund üb<strong>er</strong> einen Teil <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>nehmensgewinne. Wenn manin <strong>de</strong>n zentral v<strong>er</strong>walteten Wirtschaften von einem Eigentumsrechtsprechen will (wie vornehmlich im Agrarsektor), dann nurvon einem solchen von Staatsgna<strong>de</strong>n. D<strong>er</strong> Staat betrachtet dasProduktionsmitteleigentum nicht als ein ihm vorgegebenes, mit<strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>nes Recht. Er setzt es lediglich pragmatischein, um <strong>sein</strong> ökonomisches Ziel zu <strong>er</strong>reichen. Dieses Ziel mag dieallgemeine Wohlfahrt <strong>sein</strong>. Diese ist ab<strong>er</strong> <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t durch dieStaatsgewalt, keineswegs das Resultat frei<strong>er</strong> Entscheidungen, dieaus <strong>de</strong>m Gesellschaftskörp<strong>er</strong> kommen. Darum gibt es auch keinevon <strong>d<strong>er</strong></strong> Staatsgewalt unabhängigen Gew<strong>er</strong>kschaften, diese sindvielmehr staatliche Institutionen. Daran än<strong>d<strong>er</strong></strong>t auch die vonwestlichen Neomarxisten v<strong>er</strong>teidigte Demokratisi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirt-9


schaft nichts. Auch hi<strong>er</strong> sind Wirtschaft und Gesellschaft v<strong>er</strong>politisi<strong>er</strong>t,wenngleich in eigen<strong>er</strong> Art. Dies wird auch von <strong>de</strong>n Neomarxistenzugegeben, sogar gefor<strong>d<strong>er</strong></strong>t, weil es für sie eine Unt<strong>er</strong>scheidungvon Wirtschaft und Politik nicht gibt.Ist nun diese Wirtschaft ohne privates Produktionsmitteleigentumw<strong>er</strong>tneutral, d. h. besitzt sie kein<strong>er</strong>lei weltanschauliche Note?Dies war die <strong>er</strong>ste entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion, von <strong>d<strong>er</strong></strong>enBeantwortung es abhängt, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> <strong>Marxist</strong> <strong>sein</strong> kann imSinn marxistisch orienti<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Ökonomie. Es war natürlich unv<strong>er</strong>meidlich,daß in <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion üb<strong>er</strong>haupt das V<strong>er</strong>hältnis vonÖkonomie und Weltanschauung zur Sprache kam. Es sei ab<strong>er</strong>schon hi<strong>er</strong> darauf hingewiesen, daß die bei<strong>de</strong>n Fragen keineswegsüb<strong>er</strong>einstimmen, d. h. ein<strong>er</strong>seits ob das marxistische Wirtschafts<strong>de</strong>nkenmit <strong>d<strong>er</strong></strong> Prämisse <strong>d<strong>er</strong></strong> grundsätzlichen Ablehnung und <strong>d<strong>er</strong></strong>lediglich pragmatischen An<strong>er</strong>kennung <strong>de</strong>s privaten Produktionsmitteleigentumsvom <strong>Christ</strong>en üb<strong>er</strong>nommen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann, undan<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seits ob Ökonomie und Weltanschauung, allgemein betrachtet,separat diskuti<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n können. Bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Lesung <strong>d<strong>er</strong></strong>Diskussionsb<strong>er</strong>ichte dürfte dies<strong>er</strong> Hinweis hilfreich <strong>sein</strong>.Wie ist nun die zweite Frage zu v<strong>er</strong>stehen: Muß <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> <strong>Kapitalist</strong><strong>sein</strong>?Wie man bei <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong>sten Frage statt von Marxismus klar<strong>er</strong> vonZentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft gesprochen hätte, so könnte manauch hi<strong>er</strong> anstelle von Kapitalismus <strong>de</strong>n klar<strong>er</strong>en Begriff „Marktwirtschaft"o<strong>d<strong>er</strong></strong> noch <strong>de</strong>utlich<strong>er</strong> „Soziale Marktwirtschaft" v<strong>er</strong>wen<strong>de</strong>n.Nun läuft ab<strong>er</strong> die Diskussion um die Wirtschaftsordnungheute unt<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Zeichen <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismuskritik, in <strong>d<strong>er</strong></strong>marxistische Elemente V<strong>er</strong>wendung fin<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>n Begriffen„Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft" und „Soziale Marktwirtschaft"wür<strong>de</strong> man vielleicht einige wirtschaftspolitisch Int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>te ansprechen,man käme ab<strong>er</strong> mit all <strong>de</strong>nen nicht ins Gespräch, dieunt<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Begriffspaar „Marxismus — Kapitalismus" diskuti<strong>er</strong>en.Es bleibt uns also nichts an<strong>d<strong>er</strong></strong>es übrig, als ebenso wie das marxistischeWirtschafts<strong>de</strong>nken auch <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Kapitalismus neuzu <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>en, frei von <strong>sein</strong>en geschichtlich bedingten Belastungen.Historisch ist <strong>d<strong>er</strong></strong> Begriff nicht fest umrissen, weshalb ihn dieWirtschaftstheoretik<strong>er</strong> für die Forschung als unbrauchbar be-10


zeichnen. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion <strong>de</strong>s Symposiums wur<strong>de</strong> teilweise vorgeschlagen,man solle bess<strong>er</strong> von „kapitalistisch<strong>er</strong> Wirtschaftsweise"sprechen. Ab<strong>er</strong> damit entgeht man <strong>de</strong>m Dilemma nicht. Wasist dann unt<strong>er</strong> „kapitalistisch" zu v<strong>er</strong>stehen? Man fällt vom Substantivins Adjektiv. Wenn man z. B. anstelle von Nihilismusvon nihilistisch<strong>er</strong> V<strong>er</strong>haltensweise sprechen wür<strong>de</strong>, dann müßteman trotz<strong>de</strong>m zunächst <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>en, was Nihilismus ist.Schließlich wird allgemein <strong>er</strong>klärt, <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus habe sichentwickelt, <strong>er</strong> habe wirtschaftspolitische Elemente aufgenommen,die die üblen Erscheinungen <strong>de</strong>s anfänglichen Kapitalismusbeseitigt hätten, wir hätten darum keinen Kapitalismus mehr. Offenbarhat man ab<strong>er</strong> nicht alles abstreifen wollen, was <strong>d<strong>er</strong></strong> geschichtlicheKapitalismus in sich trug. Und das ist die Marktwirtschaftmit ihrem privatrechtlichen Produktionsmitteleigentum,die man nicht missen möchte. Je<strong>d<strong>er</strong></strong>, <strong>d<strong>er</strong></strong> heute von Marktwirtschaftspricht, weiß, daß es sie als reines System nur in <strong>d<strong>er</strong></strong> Theoriegibt. Daß dieses theoretische Gebil<strong>de</strong> zugleich auch praktischdas <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt dienlichste System sei, war <strong>d<strong>er</strong></strong> Irrtum<strong>d<strong>er</strong></strong> damaligen Theoretik<strong>er</strong>. Wir haben ab<strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Praxis alsi<strong>de</strong>elle Orienti<strong>er</strong>ung dieses System imm<strong>er</strong> noch vor Augen. Esmuß <strong>de</strong>mnach doch etwas im Kapitalismus enthalten <strong>sein</strong>, das wirnicht v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en möchten. Was uns belastet, ist ein<strong>er</strong>seits das ominöseWort Kapitalismus, mit <strong>de</strong>m sich soviel soziales Elend <strong>d<strong>er</strong></strong>industriellen Revolution <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>d<strong>er</strong></strong>ts v<strong>er</strong>bin<strong>de</strong>t, an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seits<strong>d<strong>er</strong></strong> Begriff „System" (kapitalistisches Wirtschaftssystem),weil wir mit diesem Begriff ein Koop<strong>er</strong>ationsganzes unt<strong>er</strong>stellen,das nach ein<strong>er</strong> Regel naturgesetzlich<strong>er</strong> Art funktioni<strong>er</strong>t. Dagegenkann man sich in <strong>d<strong>er</strong></strong> moralischen, also in <strong>d<strong>er</strong></strong> Handlungsordnungein System vorstellen, das durchaus nicht nach einem naturwissenschaftlich<strong>er</strong>faßbaren Gesetz die einzelnen Handlungen bestimmt,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n diesen lediglich eine Grundnorm vorgibt, diemit Klugheit angewandt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n muß. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Geschichte <strong>d<strong>er</strong></strong> Moraltheologiewur<strong>de</strong> viel gestritten üb<strong>er</strong> die Moralsysteme <strong>de</strong>s Tutiorismus,<strong>de</strong>s Laxismus, <strong>de</strong>s Probabilismus, <strong>de</strong>s Semiprobabilismus.Dagegen haben die Schül<strong>er</strong> <strong>de</strong>s Thomas von Aquin das System<strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Klugheit gestellt, das nicht etwa die Aufhebungjeglichen Systemgedankens be<strong>de</strong>utet, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n ein echtes Sy-11


stem ist, weil es formuli<strong>er</strong>baren Normen folgt, die all<strong>er</strong>dings jenach Situation eine v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne, v<strong>er</strong>antwortbare Anwendung <strong>er</strong>for<strong>d<strong>er</strong></strong>n.Wenn wir also unt<strong>er</strong> Kapitalismus ein Koop<strong>er</strong>ationsganzesvon wirtschaftlich Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n v<strong>er</strong>stehen, die grundsätzlich,d. h. soweit wie es nach klugem Ermessen möglich ist, <strong>d<strong>er</strong></strong> auf<strong>de</strong>m privaten Produktionsmitteleigentum b<strong>er</strong>uhen<strong>de</strong>n Marktwirtschaft<strong>de</strong>n Vorzug geben, dann können wir auch heute mitruhigem sozialen Gewissen vom kapitalistischen Wirtschaftssystemsprechen und es befürworten, ohne <strong>de</strong>m V<strong>er</strong>dikt zu v<strong>er</strong>fallen,wir plädi<strong>er</strong>ten für ein System <strong>d<strong>er</strong></strong> Ausbeutung <strong>de</strong>s Arbeitnehm<strong>er</strong>sund <strong>de</strong>s Klassenkampfes. In diesem Sinn ist die Frage gemeint:Muß <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> <strong>Kapitalist</strong> <strong>sein</strong>? An <strong>de</strong>m Wort „muß" darfman sich nicht stoßen, nach<strong>de</strong>m man sich klar gemacht hat, daßin <strong>de</strong>m dargestellten Sinn <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus kein streng umrissenesAktionsschema vorgibt, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n nichts an<strong>d<strong>er</strong></strong>es darstellt als eineanalog gültige Handlungsnorm, zu <strong>d<strong>er</strong></strong>en V<strong>er</strong>wirklichung es jenach Lage viele Wege geben kann.12


Oswald von Nell-BreuningMARXISTISCHE WELTANSCHAUUNG:IST DAS MARXISTISCHE WIRTSCHAFTSSYSTEMVON DER WELTANSCHAUUNG TRENNBAR?Auf die Frage, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> <strong>Marxist</strong> <strong>sein</strong> kann o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Kapitalist</strong><strong>sein</strong> muß, wird wohl je<strong>d<strong>er</strong></strong> von uns wie aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Pistole geschossenmit NEIN reagi<strong>er</strong>en. Eine an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Frage ist, ob wir alle unt<strong>er</strong> <strong>Marxist</strong>und <strong>Kapitalist</strong>, <strong>er</strong>st recht unt<strong>er</strong> <strong>Kapitalist</strong>«* und Marxismusdasselbe v<strong>er</strong>stehen, und namentlich, wenn im Zusammenhang uns<strong>er</strong>esThemas von Weltanschauung die Re<strong>de</strong> ist, ob wir einig darinsind, was genau wir unt<strong>er</strong> „Weltanschauung" v<strong>er</strong>stehen, und speziellbei marxistisch<strong>er</strong> Weltanschauung, was wir zu <strong>d<strong>er</strong></strong>en Bestandteilenzählen, sei es in <strong>de</strong>m Sinn, was Marx selbst wirklich gedachtund gemeint habe, sei es, was in <strong>de</strong>n vielen V<strong>er</strong>sionen vonMarxismus weltanschauliche Dignität beansprucht und was nicht.Um alles das zu klären und uns üb<strong>er</strong> Be<strong>de</strong>utung und Sinngehalt<strong>d<strong>er</strong></strong> von uns gebrauchten sprachlichen Ausdrucksmittel soweit zuv<strong>er</strong>ständigen, daß es uns gelingt, nicht aneinan<strong>d<strong>er</strong></strong> vorbeizure<strong>de</strong>n,nicht das eine Mal im sprachlichen Ausdruck üb<strong>er</strong>einzustimmen,tatsächlich ab<strong>er</strong> ganz Gegensätzliches zu meinen, das an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Maleinan<strong>d<strong>er</strong></strong> lebhaft zu wi<strong>d<strong>er</strong></strong>sprechen, tatsächlich ab<strong>er</strong> in <strong>de</strong>m, waswir meinen, üb<strong>er</strong>einzustimmen, dazu müßten wir wohl einigeWochen beisammenbleiben. Vielleicht wäre diese Zeit sogar gutangelegt, <strong>de</strong>nn ich glaube, wir wür<strong>de</strong>n damit auch <strong>d<strong>er</strong></strong> öffentlichenDiskussion einen großen Dienst <strong>er</strong>weisen; wir wür<strong>de</strong>n vielunnützen Wortstreit ausräumen und dadurch die Gegenpositiongegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Marxismus und <strong>sein</strong>en Repräsentanten <strong>er</strong>heblichstärken.Weltanschauung: was ist damit gemeint? — Wir v<strong>er</strong>stehen uns<strong>er</strong>eBun<strong>de</strong>srepublik Deutschland als weltanschaulich-pluralistischen,ab<strong>er</strong> keineswegs als w<strong>er</strong>tneutralen Staat. Wie hängen Weltanschauungund W<strong>er</strong>tüb<strong>er</strong>zeugung zusammen? Lassen sie sichklar unt<strong>er</strong>schei<strong>de</strong>n? Gibt es zwischen ihnen eine trennscharfe13


Grenze? Wenn Ja: wo liegt sie? Was ist noch und was ist nichtmehr „weltanschaulich"? — Die SPD legt genau diese Unt<strong>er</strong>scheidungihrem Grundsatzprogramm zugrun<strong>de</strong>. Die einen w<strong>er</strong>fen ihrvor, damit etabli<strong>er</strong>e sie für sich eine „Üb<strong>er</strong>-Weltanschauung", diean<strong>d<strong>er</strong></strong>en, eine solche „«wi<strong>er</strong>-weltanschauliche" Position endige unv<strong>er</strong>meidlichim W<strong>er</strong>tnihilismus. Diese staatsrechtlichen bzw. parteipolitischenDiskussionen zeigen, wie wenig klar ist, was wirunt<strong>er</strong> Weltanschauung v<strong>er</strong>stehen.Nun soll ich unglücklich<strong>er</strong> Mensch vor Ihnen die marxistischeWeltanschauung entfalten und anschließend mich darüb<strong>er</strong> äuß<strong>er</strong>n,ob das „marxistische Wirtschaftssystem" sich von dies<strong>er</strong>Weltanschauung trennen lasse. Auf die Einladung habe ich meinevorbehaltlose Zusage gegeben, all<strong>er</strong>dings mit <strong>d<strong>er</strong></strong> 'res<strong>er</strong>vatio mentalis',daß es für mich das marxistische Wirtschaftssystem ebensoweniggibt wie das kapitalistische, so daß auch üb<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong>en Trennbarkeito<strong>d<strong>er</strong></strong> unlösliche V<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>nheit mit dies<strong>er</strong> o<strong>d<strong>er</strong></strong> jen<strong>er</strong> Weltanschauungsich nichts aussagen läßt. Ich hoffe, statt <strong>de</strong>s Wirtschaftssystemsdie Marx'sche Gesellschaftskritik einschmuggeln zukönnen und zu dürfen, dies umsomehr, als im Zusammenhangmit <strong>de</strong>m Würzburg<strong>er</strong> Syno<strong>de</strong>nbeschluß „Kirche und Arbeit<strong>er</strong>schaft"ich in dies<strong>er</strong> Frage heftig angegriffen wor<strong>de</strong>n bin; soschwebte mir vor, hi<strong>er</strong> wür<strong>de</strong> ich Gelegenheit haben, mich dagegenzur Wehr zu setzen. Im Briefwechsel mit <strong>de</strong>m Einla<strong>d<strong>er</strong></strong> undPräsi<strong>de</strong>nten <strong>d<strong>er</strong></strong> Stiftung stellte sich jedoch h<strong>er</strong>aus, daß es ihm umdie Marx'sche o<strong>d<strong>er</strong></strong> marxistische Ökonomie zu tun ist, spezifischum die „Trennung <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s von <strong>de</strong>n Produktionsmitteln",und so habe ich v<strong>er</strong>sprochen, ich wolle mich bemühen, diesemThema Int<strong>er</strong>esse abzugewinnen. Wie weit es mir gelungen ist,w<strong>er</strong><strong>de</strong>n Sie sehen.Also zur „marxistischen Weltanschauung"! — An <strong>er</strong>st<strong>er</strong> Stelle<strong>de</strong>nkt man an das Geschwist<strong>er</strong>paar dialektisch<strong>er</strong> und historisch<strong>er</strong>Mat<strong>er</strong>ialismus, <strong>de</strong>nn dazu bekennen sich wohl alle <strong>Marxist</strong>en,und diese bei<strong>de</strong>n „Ismen" gelten allgemein als das Proprium o<strong>d<strong>er</strong></strong>Distinktivum <strong>de</strong>s Marxismus, d. i. als das, was ihn von allem, wasnicht Marxismus ist, unt<strong>er</strong>schei<strong>de</strong>t.Daß Karl Marx ein glühen<strong>d<strong>er</strong></strong> Hass<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Religion war, sowohl<strong>d<strong>er</strong></strong> jüdischen, aus <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong> vom Vat<strong>er</strong> hinausgezwungen, als auch14


<strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen, in die <strong>er</strong> hineingezwungen wor<strong>de</strong>n war, ist bekannt;auch an <strong>sein</strong>em p<strong>er</strong>sönlichen Atheismus ist nicht zu zweifeln.Ob <strong>sein</strong> „Mat<strong>er</strong>ialismus" etwas damit zu tun hat, ob <strong>er</strong> ontologischzu v<strong>er</strong>stehen ist, d. i. alles Immat<strong>er</strong>ielle leugnet, o<strong>d<strong>er</strong></strong> —zum min<strong>de</strong>sten im Zusammenhang mit Dia- und Histo-Mat — lediglich„Ökonomismus" besagt, ist nicht ebenso klar, vielleichtab<strong>er</strong> auch gar nicht wichtig.D<strong>er</strong> „historische Mat<strong>er</strong>ialismus" wäre treffen<strong>d<strong>er</strong></strong> als ökonomisch<strong>er</strong>Det<strong>er</strong>minismus zu bezeichnen. V<strong>er</strong>steht man diesen Det<strong>er</strong>minismusextrem, dann schließt <strong>er</strong> alle Freiheit und V<strong>er</strong>antwortungaus und <strong>er</strong>weist sich damit als weltanschauliche Doktrin,Marx selbst int<strong>er</strong>preti<strong>er</strong>t ihn mehrfach restriktiv; alsdann besagt <strong>er</strong>weltanschaulich nichts und b<strong>er</strong>ichtigt nur die Vorstellung von <strong>d<strong>er</strong></strong>Geschichte, wie ich sie noch gel<strong>er</strong>nt habe, als eine Abfolge vonSchlachten, durch die Län<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong>ob<strong>er</strong>t, und von Prinzessinnenheiraten,durch die sie zusammengeheiratet wur<strong>de</strong>n. Entgegen dies<strong>er</strong>V<strong>er</strong>einseitigung <strong>de</strong>n gewichtigen Einfluß h<strong>er</strong>vorzuheben, <strong>de</strong>nökonomische Tatsachen und Gegebenheiten auf <strong>de</strong>n Lauf <strong>d<strong>er</strong></strong>Weltgeschichte ausgeübt haben und heute ausüben, ist gewiß keineweltanschauliche V<strong>er</strong>irrung. Inwieweit <strong>er</strong>nst zu nehmen<strong>de</strong><strong>Marxist</strong>en <strong>de</strong>n ökonomischen Det<strong>er</strong>minismus dogmatisch strengv<strong>er</strong>stehen, muß ich offen lassen. Auch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Leute re<strong>de</strong>n von„Sachzwängen".Größ<strong>er</strong>e Schwi<strong>er</strong>igkeit b<strong>er</strong>eitet <strong>d<strong>er</strong></strong> dialektische Mat<strong>er</strong>ialismus —Hegel v<strong>er</strong>stand sich mit <strong>sein</strong><strong>er</strong> i<strong>de</strong>alistischen Dialektik bewußt als<strong>Christ</strong>; ob zu Recht o<strong>d<strong>er</strong></strong> zu Unrecht weiß ich nicht. Wenn ab<strong>er</strong>Marx diese i<strong>de</strong>alistische Dialektik mat<strong>er</strong>ialistisch „umstülpt", sosehe ich darin nichts, was mit <strong>de</strong>m christlichen Glauben o<strong>d<strong>er</strong></strong> ein<strong>er</strong>Abkehr von ihm zu tun hätte. Stringent v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n schließt<strong>d<strong>er</strong></strong> Diamat je<strong>de</strong> Eschatologie, also auch die christliche aus. ObMarx <strong>sein</strong>e klassenlose Gesellschaft eschatologisch v<strong>er</strong>steht, istumstritten. Wenn Ja, dann ist <strong>sein</strong> Diamat inn<strong>er</strong>lich wi<strong>d<strong>er</strong></strong>sprüchlich.'Ex absurdis sequitur quodlibet', aus inn<strong>er</strong>lich Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>sprüchlichemfolgt alles Beliebige; eben <strong>de</strong>swegen folgt nichts daraus, alsoauch nichts weltanschaulich Schlimmes. — An<strong>d<strong>er</strong></strong>s v<strong>er</strong>hält es sich,wenn man die Dialektik nicht dogmatisch streng v<strong>er</strong>steht, sie vielmehrähnlich wie vorh<strong>er</strong> <strong>de</strong>n Histomat auf die Ebene <strong>d<strong>er</strong></strong> schlich-15


ten Erfahrungstatsachen h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>holt; dann besagt sie nichts an<strong>d<strong>er</strong></strong>es,als daß wir imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> von <strong>de</strong>m einen Straßengraben in<strong>de</strong>n an<strong>d<strong>er</strong></strong>en fallen, und daß wir uns schw<strong>er</strong> tun, auf <strong>de</strong>n Straßendammzu kommen und auf die Dau<strong>er</strong> die rechte Fahrspur einzuhalten.Ich v<strong>er</strong>mute all<strong>er</strong>dings, daß üb<strong>er</strong>zeugte <strong>Marxist</strong>en <strong>de</strong>n Diamatdogmatisch strikt int<strong>er</strong>preti<strong>er</strong>en und ihm damit weltanschaulichenRang zu<strong>er</strong>kennen. So v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n und <strong>er</strong>st recht in V<strong>er</strong>bindungmit Marx'sch<strong>er</strong> Eschatologie wäre <strong>er</strong> mit „ewigen" Wahrheiten,seien es V<strong>er</strong>nunft- o<strong>d<strong>er</strong></strong> Offenbarungswahrheiten, absolutunv<strong>er</strong>einbar.Soviel zu <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Marxismus repräsentativen Stichworten.Im Sinne dies<strong>er</strong> bei<strong>de</strong>n o<strong>d<strong>er</strong></strong> auch nur eines dies<strong>er</strong> bei<strong>de</strong>ndogmatisch strikt int<strong>er</strong>preti<strong>er</strong>ten Prinzipien kann man als logisch<strong>de</strong>nken<strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch, und <strong>er</strong>st recht als gläubig<strong>er</strong> <strong>Christ</strong> unmöglich„<strong>Marxist</strong>" <strong>sein</strong>.Viel wesentlich<strong>er</strong> als diese bei<strong>de</strong>n „Ismen", die man — all<strong>er</strong>dingsnur gegen <strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>nschaftlichen Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>spruch üb<strong>er</strong>zeugt<strong>er</strong> <strong>Marxist</strong>en— von ihr<strong>er</strong> angemaßten weltanschaulichen Höhe auf dieEbene schlicht<strong>er</strong> Erfahrungstatsachen h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>holen und restlosv<strong>er</strong>harmlosen kann, scheint mir die Marx'sche Anthropologie undim Zusammenhang damit <strong>sein</strong>e Epistemologie zu <strong>sein</strong>. Wenn uns<strong>er</strong>ekatholische Soziallehre wesentlich metaphysische Anthropologieist, dann liegt hi<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gegensatz o<strong>d<strong>er</strong></strong> Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>spruchzwischen einem sich weltanschaulich v<strong>er</strong>stehen<strong>de</strong>n Marxismusund uns.Damit sind wir bei Marxens I<strong>de</strong>ologielehre, die engstens zusammenhängtmit <strong>sein</strong>em ökonomischen Det<strong>er</strong>minismus. — Sprachlichuns<strong>er</strong>em kritischen Realismus täuschend ähnlich, so daß bei<strong>d<strong>er</strong></strong>seitsmanchmal das Mißv<strong>er</strong>ständnis entsteht, man befin<strong>de</strong> sichmiteinan<strong>d<strong>er</strong></strong> in vollem Einklang, läßt diese Lehre, wie Marx siemeint und v<strong>er</strong>steht, ausschließlich die ökonomischen Tatsachenund die daraus sich <strong>er</strong>geben<strong>de</strong> Int<strong>er</strong>essenlage gelten. Wir alle —ausgenommen selbstv<strong>er</strong>ständlich <strong>er</strong> und <strong>sein</strong>e Apologeten —kranken von uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Int<strong>er</strong>essenlage h<strong>er</strong> an „falschem Bewußt<strong>sein</strong>".Alle uns<strong>er</strong>e ethischen, rechtlichen, wissenschaftlichen,künstl<strong>er</strong>ischen, philosophischen und <strong>er</strong>st recht religiösen Vorstellungensind von dah<strong>er</strong> <strong>de</strong>t<strong>er</strong>mini<strong>er</strong>t, haben mit objektiv<strong>er</strong> Wahr-16


heit nichts zu tun, sind bloße Epiphänomene <strong>d<strong>er</strong></strong> ökonomischenGegebenheiten und „wälzen sich" mit diesen fort und fort imm<strong>er</strong>wie<strong>d<strong>er</strong></strong> um. Ewig gelten<strong>de</strong> Wahrheiten, also auch die Wahrheit<strong>de</strong>s Da<strong>sein</strong>s Gottes, sind damit unv<strong>er</strong>einbar. (Daß man auch von<strong>d<strong>er</strong></strong> Dialektik h<strong>er</strong> zu <strong>de</strong>m gleichen Ergebnis kommen kann, habenwir vorhin gesehen). — Wür<strong>de</strong> Marx sich begnügen, uns daran zu<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n, wie anfällig wir für Wunsch<strong>de</strong>nken sind, und uns anhalten,ständig I<strong>de</strong>ologiev<strong>er</strong>dacht nicht gegen an<strong>d<strong>er</strong></strong>e, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n gegenuns selbst wachzuhalten, dann täte <strong>er</strong> uns einen unschätzbarenDienst. — Sehe ich recht, dann ist diese Lehre vom „falschen Bewußt<strong>sein</strong>"g<strong>er</strong>a<strong>de</strong>zu das K<strong>er</strong>nstück <strong>de</strong>s weltanschaulichen Marxismus<strong>d<strong>er</strong></strong> neo-marxistischen Dogmatik<strong>er</strong> und Theoretik<strong>er</strong>.In eklatantem Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>spruch zu uns<strong>er</strong>em Schöpfungsglaubensteht Marxens Lehre üb<strong>er</strong> uns<strong>er</strong>e „Menschw<strong>er</strong>dung". — Nicht dadurchseien wir Menschen, daß Gott uns als solche <strong>er</strong>schaffen hat;noch viel wenig<strong>er</strong> bin ich dies<strong>er</strong> konkrete Mensch, weil Gottmich als diesen geschaffen und mich „bei meinem Namen g<strong>er</strong>ufen"hat; Mensch wird man nach Marx vielmehr dadurch, daßman sich in die gesellschaftliche Arbeit, d. i. in die Au<strong>sein</strong>an<strong>d<strong>er</strong></strong>setzungmit <strong>d<strong>er</strong></strong> Natur, <strong>d<strong>er</strong></strong> wir uns<strong>er</strong>e Subsistenzmittel abringen,einordnet und sich an dies<strong>er</strong> Arbeit beteiligt; dadurch allein wirdman Mensch, d. i. „v<strong>er</strong>tretbares" Glied, je<strong>d<strong>er</strong></strong>zeit auswechselbares„Ersatzteil" <strong>de</strong>s Produktionsmittelapparates „menschliche Gesellschaft".In diesem mit uns<strong>er</strong>em Schöpfungsglauben unv<strong>er</strong>einbarenSinn ist nach Marx <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch „Schöpf<strong>er</strong> <strong>sein</strong><strong>er</strong> selbst". DasErgebnis dieses Schöpfungsaktes ab<strong>er</strong> ist kein individuelles Wesen;noch viel wenig<strong>er</strong> ist es eine P<strong>er</strong>son; es ist ausschließlich einExemplar <strong>de</strong>s abstrakten Gattungsbegriffs „Mensch"; <strong>d<strong>er</strong></strong> „konkrete"Mensch gilt und zählt nichts und wird <strong>er</strong>barmungslos indie Fundamente <strong>d<strong>er</strong></strong> künftigen klassenlosen Gesellschaft (in <strong>d<strong>er</strong></strong>Sowjetunion während <strong>d<strong>er</strong></strong> vorläufigen „sozialistischen" Phase indie Fundamente <strong>d<strong>er</strong></strong> endgültigen „kommunistischen" Phase) eingestampft;die Gesellschaft, das Kollektiv <strong>d<strong>er</strong></strong> Exemplare dieses abstraktenGattungsbegriffs, ist alles.Gott liebt <strong>de</strong>n konkreten Menschen; <strong>Christ</strong>us hat <strong>sein</strong> Blut v<strong>er</strong>gossenfür je<strong>de</strong>n einzelnen konkreten Menschen. Marx und <strong>d<strong>er</strong></strong>weltanschauliche Marxismus kennen nur <strong>de</strong>n abstrakten Men-17


sehen. Diese Feststellung von Papst Johannes Paul IL in „Re<strong>de</strong>mptorhominis" trifft haargenau <strong>de</strong>n N<strong>er</strong>v <strong>d<strong>er</strong></strong> "marxistischen Weltanschauung".Von dies<strong>er</strong> anthropologischen Ub<strong>er</strong>schätzung <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichenArbeit durch Karl Marx habe ich in mein<strong>er</strong> Studienzeit nie etwasgehört; schlagen Sie die damalige Lit<strong>er</strong>atur nach, gleichviel ob wissenschaftlicho<strong>d<strong>er</strong></strong> populär; Sie fin<strong>de</strong>n nichts davon, um so mehrab<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> <strong>sein</strong>e ökonomische W<strong>er</strong>tung <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit; mit <strong>d<strong>er</strong></strong>en Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>legungwollte man Marx schlagen. Zu allem Unglück stellteman sie auch noch falsch dar, d. h. man üb<strong>er</strong>las das, was dasSchlüsselwort ist, nämlich „gesellschaftlich notwendige Arbeit"(selbst Hoboff muß das üb<strong>er</strong>lesen haben; an<strong>d<strong>er</strong></strong>s ist <strong>sein</strong>e Gleichsetzung<strong>d<strong>er</strong></strong> Marx'schen Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre mit <strong>d<strong>er</strong></strong> scholastischenunv<strong>er</strong>ständlich). Offenbar konnte man sich unt<strong>er</strong> „gesellschaftlichnotwendig" nichts <strong>de</strong>nken und v<strong>er</strong>kannte dah<strong>er</strong> völlig <strong>sein</strong>e Tragweite.— Marx behauptet nicht, wie es imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> dargestelltwird und ich es g<strong>er</strong>n als „vulgarisi<strong>er</strong>ten Vulgärmarxismus" v<strong>er</strong>spotte,das Erzeugnis sei so viel „w<strong>er</strong>t", wie menschliche Arbeitdarin steckt (damit wür<strong>de</strong> <strong>er</strong> nur Ricardo wie<strong>d<strong>er</strong></strong>holen); Marxlehrt vielmehr, das Erzeugnis sei so viel w<strong>er</strong>t, wie es „gesellschaftlichnotwendige Arbeit" in sich enthalte. Damit gibt <strong>er</strong> ein Rätselauf; was ist „gesellschaftlich notwendige Arbeit?" Das kann be<strong>de</strong>uten,soviel Arbeit (Arbeitszeit), wie <strong>d<strong>er</strong></strong> fortgeschrittenste Betrieb(„Spitzenbetrieb") benötigt, um es zu produzi<strong>er</strong>en; ebensogutkann es be<strong>de</strong>uten, die Arbeit (Arbeitszeit), wie <strong>d<strong>er</strong></strong> rückständigsteBetrieb („Marginalbetrieb") dazu benötigt, <strong>d<strong>er</strong></strong> noch mitgeschlepptw<strong>er</strong><strong>de</strong>n muß, um <strong>de</strong>n Gesamtbedarf nach diesem Erzeugniszu <strong>de</strong>cken. Das können äuß<strong>er</strong>st v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Mengen vonArbeit <strong>sein</strong>. Man kann sich auch noch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Deutungen aus<strong>de</strong>nken.Was Marx sich darunt<strong>er</strong> vorstellt, hat <strong>er</strong> nie v<strong>er</strong>raten; auchdie von ihm so scharf h<strong>er</strong>ausgestellte Antithese von Gebrauchsw<strong>er</strong>tund Tauschw<strong>er</strong>t gibt darüb<strong>er</strong> keinen Aufschluß. Wie <strong>de</strong>mauch sei, g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> von ihm bekämpften „kapitalistischen"Wirtschaftsweise sind es nicht die Kosten, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n ist es dieKnappheit, die <strong>de</strong>n („Markt"-)Preis bestimmt. Das wissen selbstv<strong>er</strong>ständlichalle marxistischen Wirtschaftswissenschaftl<strong>er</strong>. In <strong>d<strong>er</strong></strong>Sowjetunion müssen sie sich Lippenbekenntnissen zu dies<strong>er</strong> Ar-18


eitsw<strong>er</strong>tlehre o<strong>d<strong>er</strong></strong> diesem „W<strong>er</strong>tgesetz" unt<strong>er</strong>ziehen; bei unssind sie frei, zu sagen, was sie <strong>de</strong>nken. So kann <strong>de</strong>nn ein angesehen<strong>er</strong>marxistisch<strong>er</strong> Wirtschaftswissenschaftl<strong>er</strong> (Karl Kühne, Ökonomieund Marxismus) ausdrücklich <strong>er</strong>klären, für das Marx'scheGedankengebäu<strong>de</strong> sei die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre vollkommen entbehrlich;mit ihr habe <strong>er</strong> sich nur unnötige Schwi<strong>er</strong>igkeiten eingebrockt.An<strong>d<strong>er</strong></strong>e, mehr philosophisch int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>te <strong>Marxist</strong>en, dieglauben, unbedingt an <strong>sein</strong><strong>er</strong> Arbeitsw<strong>er</strong>t- o<strong>d<strong>er</strong></strong> Mehrw<strong>er</strong>tlehrefesthalten zu sollen, rätseln v<strong>er</strong>geblich, was für einen „W<strong>er</strong>t" Marx<strong>de</strong>nn meine; wenn dies<strong>er</strong> W<strong>er</strong>t keine ökonomische Dimensionhabe, dann müsse <strong>er</strong> eben irgend ein<strong>er</strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en W<strong>er</strong>tkategorie angehören.— An die Marx'sche Arbeitsw<strong>er</strong>t- und Mehrw<strong>er</strong>tlehrehaben wir viel v<strong>er</strong>gebliche Liebesmüh v<strong>er</strong>schwen<strong>de</strong>t; selbst wennsie zuträfe, wäre sie weltanschaulich ohne je<strong>de</strong>s Int<strong>er</strong>esse.Um etwas ganz an<strong>d<strong>er</strong></strong>es han<strong>de</strong>lt es sich, wenn man aus <strong>de</strong>mfalsch gesehenen empirischen Sachv<strong>er</strong>halt rechtliche Ansprücheh<strong>er</strong>leitet. In<strong>de</strong>m man ihm juridisch-ethische Implikationen zuschreibt,üb<strong>er</strong>schreitet man <strong>de</strong>n B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Erfahrungstatsachenund <strong>d<strong>er</strong></strong> dafür zuständigen Fachwissenschaft, hi<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftswissenschaft.Bei dies<strong>er</strong> Grenzüb<strong>er</strong>schreitung können sich weltanschaulicheIrrtüm<strong>er</strong> einschleichen. Soweit ich sehe, ist das andies<strong>er</strong> Stelle glücklich<strong>er</strong>weise nicht geschehen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n han<strong>de</strong>lt essich lediglich um einen logischen Fehlschluß, lei<strong>d<strong>er</strong></strong> um einen solchen,<strong>d<strong>er</strong></strong> auch uns imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> unt<strong>er</strong>läuft, um nicht zu sagen,um einen in uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Moraltheologie traditionellen Fehlschluß aus<strong>de</strong>m von Leo XIII. in „R<strong>er</strong>um novarum" (Ziff. 8) kanonisi<strong>er</strong>tenklassischen Axiom 'fructus sequitur laborem sicut effectus causam'.— Wohlv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n, dieses Axiom hat durchaus einen v<strong>er</strong>nünftigenund zutreffen<strong>de</strong>n Sinn; nur <strong>sein</strong> V<strong>er</strong>ständnis und dieauf dieses V<strong>er</strong>ständnis gestützte Anwendung sind fehl<strong>er</strong>haft. D<strong>er</strong>Fehl<strong>er</strong> besteht darin, daß man aus diesem „Kausalitätsprinzip <strong>d<strong>er</strong></strong>Arbeit" ein „Recht auf <strong>de</strong>n vollen Arbeits<strong>er</strong>trag" h<strong>er</strong>leitet, daskonsequent durchgeführt <strong>de</strong>n noch-nicht und <strong>de</strong>n niemalsArbeits- und Erw<strong>er</strong>bsfähigen <strong>de</strong>n Anspruch auf Unt<strong>er</strong>haltsmittelund damit das Lebensrecht streitig machen wür<strong>de</strong>. Niemandwagt, diese absur<strong>de</strong> Konsequenz zu ziehen; je<strong>d<strong>er</strong></strong>, <strong>de</strong>m man sieentgegenhält, auch <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Marxist</strong>, weist sie mit Entrüstung zurück.19


Damit ist es ab<strong>er</strong> nicht getan; es muß klargestellt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, was <strong>d<strong>er</strong></strong>echte und ursprüngliche Sinn dieses Axioms ist und welcheschlüssigen Folg<strong>er</strong>ungen <strong>er</strong> trägt; das gilt für uns<strong>er</strong>e Diskussionmit marxistischen und an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Gegn<strong>er</strong>n; das gilt an <strong>er</strong>st<strong>er</strong> Stellefür uns selbst, braucht ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong> nicht weit<strong>er</strong> v<strong>er</strong>folgt zu w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.So sind wir von Marxens anthropologisch<strong>er</strong> Ub<strong>er</strong>schätzung <strong>d<strong>er</strong></strong>Arbeit zu <strong>sein</strong><strong>er</strong> Arbeitsw<strong>er</strong>t- und Mehrw<strong>er</strong>tlehre und damit unv<strong>er</strong>m<strong>er</strong>ktvon <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischen Weltanschauung hinüb<strong>er</strong>geglittenzu <strong>de</strong>m, was <strong>er</strong> zur Grundlage <strong>sein</strong><strong>er</strong> Kritik an <strong>d<strong>er</strong></strong> bestehen<strong>de</strong>nWirtschaftsweise macht bzw. nach <strong>d<strong>er</strong></strong> Meinung <strong>de</strong>s soebenangeführten marxistischen Wirtschaftswissenschaftl<strong>er</strong>s zu <strong>de</strong>mNagel gemacht hat, an <strong>de</strong>m <strong>er</strong> ungeschickt<strong>er</strong>weise diese <strong>sein</strong>e Kritikaufhängt.Bewußt v<strong>er</strong>mei<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>n Ausdruck „Kapitalismuskritik", <strong>de</strong>nnMarx kritisi<strong>er</strong>t „das Kapital" (so <strong>sein</strong> Buchtitel), nicht <strong>de</strong>n Kapitalismus;das Wort „Kapitalismus" kommt, wenn ich nicht irre, in<strong>sein</strong>em Schrifttum üb<strong>er</strong>haupt nicht vor. (Pius XII. v<strong>er</strong>mied es geflissentlichund hat geglaubt, es sei ihm gelungen, <strong>er</strong> habe dasWort niemals gebraucht; das war ein Irrtum; es ist ihm einigemaldurchg<strong>er</strong>utscht.).Marxens Analyse <strong>de</strong>s Wirtschaftsprozesses beschränkt sich auf<strong>de</strong>n Produktionsprozeß, d. i. auf die H<strong>er</strong>stellung von Sachgüt<strong>er</strong>n;Produktionskräfte, Produktionsmittel, Produktionsweise, dassind die ständig bei ihm wie<strong>d<strong>er</strong></strong>kehren<strong>de</strong>n Wört<strong>er</strong>. D<strong>er</strong> B<strong>er</strong>eich<strong>d<strong>er</strong></strong> Dienstleistungen v<strong>er</strong>schwin<strong>de</strong>t dahint<strong>er</strong> völlig. (Auch darinbesteht eine üb<strong>er</strong>raschen<strong>de</strong> Üb<strong>er</strong>einstimmung mit uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Argumentationsweise,mit <strong>d<strong>er</strong></strong> wir das Eigentum begrün<strong>de</strong>n; auch siekennt nur das sachenrechtliche Eigentum, d. i. die Rechtsmachtbezüglich „räumlich begrenzt<strong>er</strong> Teile <strong>d<strong>er</strong></strong> Körp<strong>er</strong>welt", und läßtquasidingliche und obligatorische Rechte trotz <strong>d<strong>er</strong></strong>en heute üb<strong>er</strong>ragen<strong>d<strong>er</strong></strong>Be<strong>de</strong>utung völlig auß<strong>er</strong> acht.)Im Produktionsprozeß besteht unbestreitbar und unbestrittendie „Trennung <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s von <strong>de</strong>n Produktionsmitteln". Daßsich das nicht beheben läßt, es sei <strong>de</strong>nn, wir wären b<strong>er</strong>eit, uns<strong>er</strong>eWirtschaft auf Ein-Mann- und Familien-Betriebe zurückzuschrauben,die schlecht<strong>er</strong>dings nicht imstan<strong>de</strong> wären, die heutige Menschenzahlzu <strong>er</strong>nähren und wozu die meist zur Megalomanie nei-20


gen<strong>de</strong>n <strong>Marxist</strong>en am all<strong>er</strong>wenigsten geneigt wären, sei nur beiläufigangem<strong>er</strong>kt und nicht weit<strong>er</strong> v<strong>er</strong>tieft. Marx glaubt als Ursachedies<strong>er</strong> Trennung die Einführung <strong>de</strong>s Privateigentums an <strong>de</strong>nProduktionsmitteln ent<strong>de</strong>ckt zu haben; diesem „Sün<strong>de</strong>nfall" gibt<strong>er</strong> die Schuld an allem; diesen Sün<strong>de</strong>nfall will <strong>er</strong> rückgängig machen.Ins Positive gewen<strong>de</strong>t be<strong>de</strong>utet diese <strong>sein</strong>e Kritik die For<strong>d<strong>er</strong></strong>ungo<strong>d<strong>er</strong></strong>, wenn Sie so wollen, <strong>sein</strong> „Wirtschaftssystem": Beseitigung<strong>d<strong>er</strong></strong> Trennung <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s von <strong>de</strong>n Produktionsmitteln,Wirtschaft ohne Privateigentum an <strong>de</strong>n Produktionsmitteln.Uns<strong>er</strong>e Marx-Kritik o<strong>d<strong>er</strong></strong> richtig<strong>er</strong> gesagt uns<strong>er</strong>e Apologie gegenMarx, wie ich sie in mein<strong>er</strong> Schulzeit noch gel<strong>er</strong>nt habe, hatdas dahin v<strong>er</strong>z<strong>er</strong>rt und entstellt: Marx will das Eigentum abschaffen;das Eigentum ist naturrechtlich geboten und durch Gottes 7.Gebot geschützt; also ist Marxens Lehre v<strong>er</strong>w<strong>er</strong>flich und wi<strong>d<strong>er</strong></strong>göttlich.— Selbstv<strong>er</strong>ständlich hat Marx niemals das Eigentumsrechtabschaffen wollen. Eigentum, und zwar privates p<strong>er</strong>sönlichesEigentum an V<strong>er</strong>brauchs- und Gebrauchsgüt<strong>er</strong>n besteht inallen kommunistischen Staaten fort und niemand <strong>de</strong>nkt daran, esabzuschaffen. Es geht ausschließlich um die Produktionsmittel,hi<strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings nicht nur um die körp<strong>er</strong>haften (mat<strong>er</strong>iellen) technischenProduktionsmittel, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n um die ganze Welt vonRechtsgebil<strong>de</strong>n, von Beh<strong>er</strong>rschungs- und Ausschluß-Rechten,man <strong>de</strong>nke an Kartellquoten, an Sp<strong>er</strong>rpatente usw. usw. — Wiediese Wirtschaft ohne Privateigentum an Produktionsmitteln zuorganisi<strong>er</strong>en, wie sie in Betrieb zu setzen und in Funktion zu haltensei, darüb<strong>er</strong> sagt Marx nichts. (In dies<strong>er</strong> Hinsicht befin<strong>de</strong>t <strong>er</strong>sich in Ub<strong>er</strong>einstimmung mit Papst Pius XL, <strong>de</strong>m ich nachrühme,<strong>er</strong> habe in Bezug auf Beschreibung <strong>sein</strong><strong>er</strong> „B<strong>er</strong>ufsständischen Ordnung"sich die gleiche kluge Zurückhaltung auf<strong>er</strong>legt wie Marxbezüglich <strong>sein</strong><strong>er</strong> klassenlosen Gesellschaft.) Sich <strong>de</strong>n Kopfdarüb<strong>er</strong> zu z<strong>er</strong>brechen, wie <strong>d<strong>er</strong></strong> Trennung <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s von <strong>de</strong>nProduktionsmitteln abzuhelfen sei, hat Marx <strong>sein</strong>en Schül<strong>er</strong>n undTestamentsvollstreck<strong>er</strong>n üb<strong>er</strong>lassen.Bezeichnen wir eine Wirtschaftsweise, bei <strong>d<strong>er</strong></strong> die Produktionsmittelganz o<strong>d<strong>er</strong></strong> doch üb<strong>er</strong>wiegend in Privateigentum stehen, alsPrj'ratkapitalismus, dann wäre eine Wirtschaftsweise, bei <strong>d<strong>er</strong></strong> siealle o<strong>d<strong>er</strong></strong> doch die meisten und wichtigsten in Staatseigentum ste-21


hen, als Staatskapitalismus zu bezeichnen. Gleichviel, ob dieUb<strong>er</strong>führung <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktionsmittel in Staatseigentum die Trennung<strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s von <strong>de</strong>n Produktionsmitteln aufhebt o<strong>d<strong>er</strong></strong>nicht g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> im Gegenteil sie v<strong>er</strong>schärft und v<strong>er</strong>tieft, diese Lösungkann nach Marx höchstens für die von ihm als vorüb<strong>er</strong>gehend angesehenePhase <strong>d<strong>er</strong></strong> „Diktatur <strong>de</strong>s Proletariats" in Betracht kommen,wenn o<strong>d<strong>er</strong></strong> solange das Proletariat sich <strong>de</strong>s Staatsapparatesbemächtigt hat und sich <strong>sein</strong><strong>er</strong> als Instrument zur Liquidi<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Kapitalist</strong>enklasse bedient. Endlösung kann <strong>d<strong>er</strong></strong> Staatskapitalismusnicht <strong>sein</strong>, da <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat „abst<strong>er</strong>ben" und nur eine „V<strong>er</strong>waltungvon Sachen" übrig bleiben soll; worin diese V<strong>er</strong>waltung vonSachen bestehen, wie sie organisi<strong>er</strong>t o<strong>d<strong>er</strong></strong> konstrui<strong>er</strong>t und wie siefunktioni<strong>er</strong>en soll, darüb<strong>er</strong> <strong>er</strong>fahren wir nichts. — Da Marx unt<strong>er</strong>„Staat" wohl alle hoheitlichen, mit Zwangsgewalt ausgestattetenSozialgebil<strong>de</strong> v<strong>er</strong>steht und sie alle unt<strong>er</strong>schiedslos abst<strong>er</strong>ben lassenwill, darf man wohl sagen, Ub<strong>er</strong>führung <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktionsmittelaus Privateigentum in Gemeineigentum könne nicht <strong>sein</strong>e Absichto<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>sein</strong> Ziel <strong>sein</strong>; nur an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Formen von Gemeinwirtschaft(vgl. Art. 15 GG) seien für ihn diskutabel. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> diskuti<strong>er</strong>tsie nicht, <strong>er</strong> hat keine Vorschläge, kein Mo<strong>de</strong>ll eines „Wirtschaftssystems"dafür anzubieten.Offenbar ab<strong>er</strong> empfin<strong>de</strong>n manche <strong>Marxist</strong>en es als unbefriedigend,daß die marxistisch-leninistischen Staaten kein<strong>er</strong>lei Neigungzeigen, abzust<strong>er</strong>ben, vielmehr entschlossen scheinen, dieDiktatur <strong>de</strong>s Proletariats, sprich <strong>d<strong>er</strong></strong> oligarchisch strukturi<strong>er</strong>tenkommunistischen Partei, und damit zugleich <strong>de</strong>n von ihr betriebenenStaatskapitalismus endgültig beizubehalten. — Wenn nunUb<strong>er</strong>führung <strong>de</strong>s Eigentums an <strong>de</strong>n Produktionsmitteln aus privatenHän<strong>de</strong>n in die Hand <strong>de</strong>s Staates o<strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> hoheitlich<strong>er</strong>Zwangsgemeinschaften nicht die (End-)Lösung <strong>sein</strong> kann, mußman dann nicht konsequent<strong>er</strong>weise je<strong>de</strong> Art von Eigentum anProduktionsmitteln üb<strong>er</strong>haupt beseitigen? Das ist offenbar dieFrage, die manche <strong>Marxist</strong>en quält und die sich hint<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Fragenach <strong>de</strong>m o<strong>d<strong>er</strong></strong> nach einem „marxistischen Wirtschaftssystem"v<strong>er</strong>birgt.Wir selbst, ausgesprochen<strong>er</strong>maßen Kettei<strong>er</strong>, haben uns um Behebungo<strong>d<strong>er</strong></strong> zum min<strong>de</strong>sten fühlbare Mil<strong>d<strong>er</strong></strong>ung dies<strong>er</strong> „Tren-22


nung" bemüht. Wir glaubten, eine Lösung gefun<strong>de</strong>n zu haben in<strong>d<strong>er</strong></strong> Produktivgenossenschaft, in <strong>d<strong>er</strong></strong> die gleichen Menschen, die inihr arbeiten, auch eigentumsmäßig (streng genommen müßteman all<strong>er</strong>dings sagen: v<strong>er</strong>mögensmä&ig) an <strong>de</strong>m Unt<strong>er</strong>nehmen beteiligtsind. Diese Lösung hat gewiß viel für sich; lei<strong>d<strong>er</strong></strong> sind ihreErfolge beklagensw<strong>er</strong>t enttäuschend. Die Grün<strong>de</strong> dieses Miß<strong>er</strong>folgssind bekannt; grundsätzlich lassen sie sich ausräumen, ab<strong>er</strong>die Aussicht, daß es gelingt, ist entmutigend g<strong>er</strong>ing.Für <strong>Marxist</strong>en, für die das Privateigentum an Produktionsmitteln<strong>d<strong>er</strong></strong> „Sün<strong>de</strong>nfall" ist, be<strong>de</strong>utet ab<strong>er</strong> selbst die v<strong>er</strong>mögensmäßigeBeteiligung <strong>d<strong>er</strong></strong> Genossen am Produktionsmittelapparat <strong>d<strong>er</strong></strong>Genossenschaft imm<strong>er</strong> noch zu viel Privateigentum; sie wür<strong>de</strong>nauch dann, wenn die Produktivgenossenschaften sich viel <strong>er</strong>folgreich<strong>er</strong><strong>er</strong>wiesen hätten, nach an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Lösungen suchen. Das bekannteste,zweifellos <strong>er</strong>nst<strong>er</strong> Betrachtung w<strong>er</strong>te Beispiel dafür istdie jugoslawische Lösung, die all<strong>er</strong>dings weitgehend mit <strong>de</strong>n gleicheno<strong>d<strong>er</strong></strong> ähnlichen Schwi<strong>er</strong>igkeiten zu ringen hat wie uns<strong>er</strong>eProduktivgenossenschaften. D<strong>er</strong> wesentliche Fortschritt im Sinnedies<strong>er</strong> <strong>Marxist</strong>en üb<strong>er</strong> die Produktivgenossenschaften hinaus istdies<strong>er</strong>: es gibt auch keine v<strong>er</strong>mögensmäßige Beteiligung mehr; dasUnt<strong>er</strong>nehmen o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Betrieb (bei<strong>de</strong> Bezeichnungen sind in diesemFall zutreffend und dah<strong>er</strong> auswechselbar) gehört gewiss<strong>er</strong>maßensich selbst, ähnlich etwa, wie uns<strong>er</strong>e Kirchen sich selbst gehören.(D<strong>er</strong> Köln<strong>er</strong> Dom ist grundbuchlich eingetragen auf „Die hoheDomkirche", nicht etwa auf das hwst. Domkapitel; dieses istnicht Eigentüm<strong>er</strong>, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n nimmt für die Eigentüm<strong>er</strong>in, d. i. dieDomkirche, <strong>d<strong>er</strong></strong>en Rechte gegenüb<strong>er</strong> Dritten wahr. In ält<strong>er</strong><strong>er</strong>Theologie und Kanonistik wur<strong>de</strong> wohl <strong>d<strong>er</strong></strong> Titelheilige als Eigentüm<strong>er</strong><strong>de</strong>s Gotteshauses angesehen. Wie <strong>de</strong>m auch sei, in diesenund allen Fällen ähnlich<strong>er</strong> Art ist „Eigentum" nicht im Sinne von§ 903 BGB, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n in einem sehr viel weit<strong>er</strong>en und unbestimmtenSinn gemeint.Lassen wir <strong>de</strong>n Himmel und <strong>sein</strong>e Heiligen aus <strong>de</strong>m Spiel undbeschränken uns auf <strong>de</strong>n irdischen Erfahrungsb<strong>er</strong>eich, dann müssenwir feststellen: sobald es mehr als einen Menschen auf <strong>d<strong>er</strong></strong>Welt gibt, kommen wir mit <strong>de</strong>m 'usus communis' allein nichtmehr aus, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n bedürfen zusätzlich <strong>d<strong>er</strong></strong> 'administratio et dis-23


pensatio particularis'. — Ganz primitiv ausgedrückt: es muß v<strong>er</strong>läßlichg<strong>er</strong>egelt und für je<strong>d<strong>er</strong></strong>mann <strong>er</strong>sichtlich <strong>sein</strong>, „w<strong>er</strong> was zubefummeln hat". Zu <strong>d<strong>er</strong></strong> metaphysisch begrün<strong>de</strong>ten Befugnis <strong>de</strong>sMenschen als v<strong>er</strong>nunftbegabtes Wesen üb<strong>er</strong> Gegenstän<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> v<strong>er</strong>nunftlosenSchöpfung zu schalten und zu walten, muß die Ausscbließungsbefugnishinzukommen, kraft <strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> ich an<strong>d<strong>er</strong></strong>en wehrenkann, auf Dinge zuzugreifen, an <strong>de</strong>nen nur ich und ohne meineZustimmung kein an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> befugt ist, diese Üb<strong>er</strong>legenheit <strong>de</strong>sv<strong>er</strong>nunftbegabten Geschöpfes üb<strong>er</strong> Gegenstän<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> v<strong>er</strong>nunftlosenSchöpfung auszuüben. Nur so kann diese Befugnis, sobaldmehr als ein Mensch da ist, sinnvoll ausgeübt und die vom Schöpf<strong>er</strong>allen Menschen zugewiesene Sachgüt<strong>er</strong>welt <strong>er</strong>sprießlich undfriedlich gen<strong>utz</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, um <strong>d<strong>er</strong></strong> Natur die mat<strong>er</strong>iellen Unt<strong>er</strong>haltsmittelabzuringen, auf die <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch als Geist-Leib-Wesenschon zur Erhaltung <strong>sein</strong>es physischen Da<strong>sein</strong>s und noch mehrfür ein kulturelles Leben unabweislich angewiesen ist; vgl. dieSombartsche Formel „Kulturfunktion <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>haltsfürsorge".Im weitesten Sinne gefaßt ist je<strong>de</strong> Institution, die das gewährleistet,„Eigentumsrecht". — Das, was sowohl <strong>d<strong>er</strong></strong> Jurist als auch <strong>d<strong>er</strong></strong>Mann auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Straße sich unt<strong>er</strong> „Eigentum" <strong>de</strong>nkt o<strong>d<strong>er</strong></strong> vorstellt,ist nur eine <strong>d<strong>er</strong></strong> vielen juristisch-technischen Modalitäten, mittels<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> sich dieses unv<strong>er</strong>zichtbare Ziel <strong>er</strong>reichen läßt; vgl. dasSelbstzitat Pius' XI. in „Quadragesimo anno" Ziff. 49, Fn. 31 aus<strong>d<strong>er</strong></strong> Zeit, da <strong>er</strong> noch Historik<strong>er</strong> war.Auch die Unt<strong>er</strong>nehmen o<strong>d<strong>er</strong></strong> Betriebe <strong>d<strong>er</strong></strong> jugoslawischen Arbeit<strong>er</strong>selbstv<strong>er</strong>waltungmüssen wissen und sich darauf v<strong>er</strong>lassenkönnen, welche Produktionsmittel ihnen zu Gebote stehen, üb<strong>er</strong>die nur sie zu v<strong>er</strong>fügen haben und in die nicht je<strong>d<strong>er</strong></strong> beliebige ihnenhineinre<strong>de</strong>n o<strong>d<strong>er</strong></strong> gar hineingreifen kann; sie müssen wissen,w<strong>er</strong> sie mit Rohstoffen o<strong>d<strong>er</strong></strong> Vorprodukten belief<strong>er</strong>n kann undmüssen sich darauf v<strong>er</strong>lassen können, daß nicht je<strong>d<strong>er</strong></strong>mann nachBelieben ihnen ihre Erzeugnisse wegnehmen und sich „aneignen"(sie!) darf. Diese rechtlichen Sich<strong>er</strong>ungen, wie imm<strong>er</strong> sie rechtstechnischgestaltet und benannt <strong>sein</strong> mögen, <strong>er</strong>füllen genau dieFunktion <strong>de</strong>s Eigentumsrechts. Beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s <strong>de</strong>utlich tritt das in Erscheinung,wenn es darum geht, ein solches Unt<strong>er</strong>nehmen zugrün<strong>de</strong>n. Woh<strong>er</strong> die Mittel dazu nehmen? Soll das nicht auf ge-24


walttätige Weise (Raub o<strong>d<strong>er</strong></strong> Bürg<strong>er</strong>krieg) geschehen, dann setztdas eine rechtliche Regelung voraus, sei es die Rechtsfigur <strong>de</strong>s Eigentumso<strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>e, beispielsweise Rechtsfiguren <strong>de</strong>s Feudalrechts,die im Ergebnis die gleiche Funktion <strong>er</strong>füllen. In Jugoslawienstellt die Staatsbank Kredite zur V<strong>er</strong>fügung — typisch „kapitalistisch".Wenn das Unt<strong>er</strong>nehmen sich <strong>er</strong>weit<strong>er</strong>n o<strong>d<strong>er</strong></strong> mo<strong>d<strong>er</strong></strong>nisi<strong>er</strong>enwill, v<strong>er</strong>fügt es entwe<strong>d<strong>er</strong></strong> üb<strong>er</strong> eigene Erträge (die selbstv<strong>er</strong>ständlichnicht „Profite" heißen dürfen), die es behalten und fürdiesen Zweck v<strong>er</strong>wen<strong>de</strong>n („investi<strong>er</strong>en") darf, o<strong>d<strong>er</strong></strong> es muß sichwie<strong>d<strong>er</strong></strong>um an die Staatsbank wen<strong>de</strong>n, die genau wie uns<strong>er</strong>e Geschäftsbankenihre Bedingungen stellt und sich üb<strong>er</strong> die Kreditwürdigkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> Antragstell<strong>er</strong> v<strong>er</strong>gewiss<strong>er</strong>t. Daß die Staatsbankmanchmal politische statt ökonomische Maßstäbe anlegt, stehtauf einem an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Blatt, än<strong>d<strong>er</strong></strong>t ab<strong>er</strong> an <strong>de</strong>m Gesagten nichts. Allevorgenannten Transaktionen kann man in die v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nartigstenrechtlichen V<strong>er</strong>kleidungen stecken und, wenn man daraufW<strong>er</strong>t legt, das Wort „Eigentum" tabuisi<strong>er</strong>en, faktisch än<strong>d<strong>er</strong></strong>t sichgegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Privatkapitalismus nichts, auß<strong>er</strong> daß in noch höh<strong>er</strong>emGrad als bei uns die Letztentscheidung imm<strong>er</strong> weit<strong>er</strong> von<strong>de</strong>n Nächstbeteiligten und Nächstbetroffenen weg zu zentralenStellen hinaufgezogen wird.Realistisch <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> marxistische Wirtschaftswissenschaftl<strong>er</strong>sind <strong>de</strong>nn auch einsichtig genug, um ganz unbefangen von Eigentumzu sprechen und als einziges Sachproblem zu sehen: wie gestaltenwir die v<strong>er</strong>mögensrechtlichen Rechtsfiguren und die mittelsihr<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>stellen<strong>de</strong>n rechtlichen Strukturen sowohl <strong>de</strong>smikro- als auch <strong>de</strong>s makro-ökonomischen Geschehens so, daß sieeinen ge<strong>de</strong>ihlichen Ablauf <strong>de</strong>s Sozialprozesses <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft tunlichst<strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>n und ihn so wenig wie möglich <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>en, undmöglichst wenig Gelegenheiten o<strong>d<strong>er</strong></strong> Handhaben bieten zu Mißbrauch,sei es zur Störung <strong>de</strong>s Ablaufs, sei es zur Ausbeutung <strong>d<strong>er</strong></strong>schwäch<strong>er</strong>en o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> gewissenhaft<strong>er</strong>en Teilnehm<strong>er</strong> amWirtschaftsprozeß.In alle <strong>de</strong>m ist nichts Weltanschauliches zu ent<strong>de</strong>cken auß<strong>er</strong> <strong>de</strong>nob<strong>er</strong>sten Maßstäben, an <strong>de</strong>nen <strong>d<strong>er</strong></strong> Sinn <strong>de</strong>s Lebens und <strong>de</strong>mzufolgedie Maßnahmen gemessen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, die man zu <strong>sein</strong><strong>er</strong> V<strong>er</strong>wirklichungtreffen will. Die meisten <strong>Marxist</strong>en üb<strong>er</strong>nehmen diesbe-25


züglich die /j^<strong>er</strong>aZ-kapitalistischen Maßstäbe eines praktischenMat<strong>er</strong>ialismus (Mammonismus), all<strong>er</strong>dings mit einem gewichtigenUnt<strong>er</strong>schied. Die Lib<strong>er</strong>al-<strong>Kapitalist</strong>en wollen das Ziel <strong>d<strong>er</strong></strong>Freiheit durch unbeschränkte Freiheit all<strong>er</strong> Teilnehm<strong>er</strong> an <strong>de</strong>mindividualistisch-mechanistisch v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>nen Wirtschaftsprozeß<strong>er</strong>reichen (Mo<strong>de</strong>ll <strong>d<strong>er</strong></strong> kinetischen Gastheorie; Gay-Lussac-MariotteschesGesetz). Das ist <strong>d<strong>er</strong></strong> rechte Straßengraben. Die <strong>Marxist</strong>enund lei<strong>d<strong>er</strong></strong> auch nicht wenige freiheitlich-<strong>de</strong>mokratische Sozialistenmeinen, um die Freiheit als Ziel zu <strong>er</strong>reichen, bedürfe esweitestgehen<strong>d<strong>er</strong></strong> Beschränkung <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit auf <strong>de</strong>m Wege, d. i.ein hohes Maß an Dirigismus; nur so sei und bleibe die Wirtschaftein Sozialprozed, während sie an<strong>d<strong>er</strong></strong>nfalls in extremen Individualismusentarte. Das ist <strong>d<strong>er</strong></strong> linke Straßengraben.Obwohl es hi<strong>er</strong> um nichts g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong>es geht als um die Freiheitund damit die Eigenv<strong>er</strong>antwortung und Selbstentfaltung <strong>de</strong>s Menschen,lassen sich im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Maßnahmen die Anteile vonFreiheit und obrigkeitlich<strong>er</strong> Regelung nicht weltanschaulich bestimmenund festschreiben. Alle Üb<strong>er</strong>legungen, die wir darüb<strong>er</strong>anstellen, wie von uns zu treffen<strong>de</strong> Maßnahmen tatsächlich wirken,zu welchen Ergebnissen sie führen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, ob dies<strong>er</strong> o<strong>d<strong>er</strong></strong> jen<strong>er</strong>Eingriff wirklich un<strong>er</strong>läßlich o<strong>d<strong>er</strong></strong> g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> noch ausreichendist, sind nicht mehr als mehr o<strong>d<strong>er</strong></strong> wenig<strong>er</strong> gut begrün<strong>de</strong>te Mutmaßungen,keine schlüssig sich <strong>er</strong>geben<strong>de</strong>n Folg<strong>er</strong>ungen. Wo imm<strong>er</strong>wir Entscheidungen treffen und nicht ein<strong>de</strong>utige, <strong>de</strong>n konkretenFall zweifelsfrei und genau treffen<strong>de</strong> und ihn regeln<strong>de</strong> Geboteo<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>bote uns <strong>d<strong>er</strong></strong> Entscheidung entheben, entschei<strong>de</strong>nwir unt<strong>er</strong> Ungewißheit. Es kann und soll uns<strong>er</strong> entschie<strong>de</strong>n<strong>er</strong> Willeund uns<strong>er</strong> nachdrückliches Bestreben <strong>sein</strong>, <strong>d<strong>er</strong></strong> recht v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>nenFreiheit zu dienen. — Ob eine Maßnahme, zu <strong>d<strong>er</strong></strong> wir unsentschließen, im Ergebnis die Freiheit geför<strong>d<strong>er</strong></strong>t o<strong>d<strong>er</strong></strong> ganz gegenuns<strong>er</strong>e Absicht sie beeinträchtigt hat, wissen wir einig<strong>er</strong>maßenzuv<strong>er</strong>lässig <strong>er</strong>st im nachh'mt'm, zu voll<strong>er</strong> Gewißheit darüb<strong>er</strong> gelangenwir in vielen Fällen üb<strong>er</strong>haupt nie.Kurz zum Schluß kommend möchte ich sagen:Im A/eto-Okonomischen sind ein Marxismus, <strong>d<strong>er</strong></strong> sich selbst alsWeltanschauung <strong>er</strong>nst nimmt, und Theismus, <strong>er</strong>st recht christli-26


eh<strong>er</strong> Offenbarungsglaube, absolut unv<strong>er</strong>einbar; im Ökonomischengibt es kein „System", son<strong>d<strong>er</strong></strong>n nur Syndrome.Je nach uns<strong>er</strong>en imm<strong>er</strong> ungewissen Mutmaßungen darüb<strong>er</strong>, wiedie von uns zu treffen<strong>de</strong>n Maßnahmen „einschlagen", welcheAufnahme sie fin<strong>de</strong>n und welche Wirkung sie auslösen, können<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Marxist</strong> und <strong>d<strong>er</strong></strong> Theist (<strong>d<strong>er</strong></strong> gläubige <strong>Christ</strong>) das eine Mal fürextrem gegensätzliche Ziele genau die gleichen Mittel, das an<strong>d<strong>er</strong></strong>eMal für völlig üb<strong>er</strong>einstimmen<strong>de</strong> Ziele extrem gegensätzliche Mittelals <strong>er</strong>folgv<strong>er</strong>sprechend ansehen, und kann ihr Gewissen ihnenvorschreiben, sie einzusetzen.W<strong>er</strong> in Fragen dies<strong>er</strong> Art mit dogmatisch<strong>er</strong> Sich<strong>er</strong>heit auftritt,disqualifizi<strong>er</strong>t sich damit nur selbst als Ignorant; w<strong>er</strong> sich mit zurückhalten<strong>d<strong>er</strong></strong>Vorsicht äuß<strong>er</strong>t, <strong>de</strong>n sollte man nicht <strong>d<strong>er</strong></strong> Halbheito<strong>d<strong>er</strong></strong> Unentschie<strong>de</strong>nheit zeihen; vielmehr sollte man <strong>sein</strong><strong>er</strong> intellektuellenRedlichkeit Achtung <strong>er</strong>weisen.27


Diskussionsb<strong>er</strong>icht*)P. P. Müll<strong>er</strong>-Schmidt int<strong>er</strong>preti<strong>er</strong>t einen Gedanken <strong>de</strong>s Ref<strong>er</strong>atesvon O. von Nell-Breuning, <strong>d<strong>er</strong></strong> entsprechend <strong>d<strong>er</strong></strong> Intention <strong>de</strong>sSymposiums im Mittelpunkt stehen müßte. O. von Nell-Breuninghat bezüglich <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentumsfrage <strong>er</strong>klärt, man könne die richtigeDefinition <strong>de</strong>s Eigentums nur imm<strong>er</strong> im konkreten Fall lösen entsprechend<strong>d<strong>er</strong></strong> grundsätzlichen Zielsetzung <strong>de</strong>s Eigentums, die besteAusbeute <strong>d<strong>er</strong></strong> Er<strong>de</strong>ngüt<strong>er</strong> im Sinne <strong>de</strong>s Gemeinwohls zu garanti<strong>er</strong>en.Die juristische Formuli<strong>er</strong>ung sei darum keine Weltanschauungsfrage.P. P. Müll<strong>er</strong>-Schmid v<strong>er</strong>mutet nun, daß sich hint<strong>er</strong>diesem Gedanken ein Stück Marxismus v<strong>er</strong>b<strong>er</strong>ge. Es schien ihm,als ob O. von Nell-Breuning als grundsätzlichen Träg<strong>er</strong> <strong>de</strong>s Eigentumsrechtsdie Gesellschaft bezeichne, weil die völlige Distanzi<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> juristischen Organisation von je<strong>de</strong>m konkret anthropologischenElement, das heißt von <strong>de</strong>n konkret in allen Zeiten existi<strong>er</strong>en<strong>de</strong>nP<strong>er</strong>sonen, keinen Hinweis dafür bietet, w<strong>er</strong> grundsätzlichbevorzugt die (wenngleich eingeschränkte) Dispositionsgewaltüb<strong>er</strong> Sachgüt<strong>er</strong> innehabe. Wenn niemand grundsätzlich alsEntscheidungsträg<strong>er</strong> benannt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann, dann ist, wenigstensimplizite, als Subjekt <strong>d<strong>er</strong></strong> Entscheidung die Gesellschaft als Ganzesangesprochen. W<strong>er</strong> im Namen <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft spricht un<strong>de</strong>ntschei<strong>de</strong>t, ist eine juristische Figur, die ab<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong>seits auswechselbarist. Sie hat keinen Bezug zu ein<strong>er</strong> grundsätzlichen Legitimi<strong>er</strong>ung.Sie ist darum weltanschaulich irrelevant. P. P. Müll<strong>er</strong>-Schmid <strong>er</strong>klärt nun, daß man vom Marxismus aus zur gleichenSchlußfolg<strong>er</strong>ung wie O. von Nell-Breuning komme.O. von Nell-Breuning antwortet darauf, <strong>er</strong> betrachte die ganzeEigentumsfrage im Marxismus als einen „Hokuspokus". Theoretischmöge <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft alsEntscheidungsträg<strong>er</strong> auskommen. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit sei <strong>d<strong>er</strong></strong>*) Im Hinblick auf die große zeitliche Distanz zwischen <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion und <strong>d<strong>er</strong></strong>Vorlage <strong>de</strong>s Diskussionsb<strong>er</strong>ichts wünscht O. von Nell-Breuning zu bem<strong>er</strong>ken, daß<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>öffentlichung nur mit Vorbehalt zustimme. Ich habe all<strong>er</strong>dings die vonihm kritisi<strong>er</strong>ten Stellen b<strong>er</strong>einigt, dabei sogar auf Tonband aufgenommene Sätzevon an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Diskussionsredn<strong>er</strong>n gestrichen, weil <strong>er</strong> sich bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Lesung <strong>de</strong>s Diskussionsb<strong>er</strong>ichtsdamit nicht einv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n <strong>er</strong>klärte.28


<strong>Marxist</strong> jedoch v<strong>er</strong>nünftig<strong>er</strong>. Er sähe ein, daß es im Konkretenum die Menschen gehe. In <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Sicht gebe es auf je<strong>de</strong>nFall die Gesellschaft als Subjekt nicht. Subjekt seien die von Gottgeschaffenen Menschen in ihr<strong>er</strong> p<strong>er</strong>sonalen Wür<strong>de</strong> und in ihr<strong>er</strong>Beziehung zum Gemeinwohl. Das Gemeinwohl habe Dienstfunktionfür die gesellschaftlich geeinten P<strong>er</strong>sonen.H. Willg<strong>er</strong>odt wies darauf hin, daß man in irgen<strong>de</strong>in<strong>er</strong> Weiseschließlich auf ein disponi<strong>er</strong>en<strong>de</strong>s Rechtssubjekt stoßen müßte.Auf das jugoslawische System kurz eingehend, <strong>er</strong>klärt <strong>er</strong>, daßzwar die Betriebe gewisse selbständige Entscheidungen treffen,daß ab<strong>er</strong> in letzt<strong>er</strong> Instanz eben doch <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat die Planung vornehme,so daß es nicht völlig unbestimmt sei, w<strong>er</strong> eigentlich Eigentüm<strong>er</strong>ist. Auch im Marxismus müßten <strong>de</strong> facto imm<strong>er</strong> konkreteMenschen entschei<strong>de</strong>n. Es komme ab<strong>er</strong> darauf an, ob sie imNamen <strong>de</strong>s Kollektivs entschei<strong>de</strong>n.Damit hat H. Willg<strong>er</strong>odt <strong>de</strong>n Fing<strong>er</strong> auf die eigentliche Problematikgelegt: In welchem Namen und somit auf welch<strong>er</strong> Zielentscheidungvollzieht sich die Investition <strong>de</strong>s Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>s? DieseFrage ist weltanschaulich<strong>er</strong> Natur, <strong>de</strong>nn sie hängt innigst zusammenmit <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son in <strong>d<strong>er</strong></strong> Zielbestimmung <strong>sein</strong><strong>er</strong>Handlungen, auch <strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichen.E. Heintel meint, daß man an sich Philosophie und Wirtschaftstheorietrennen könne. Methodisch sei die Wirtschaftw<strong>er</strong>tneutral, weil sie ein<strong>er</strong> natürlichen o<strong>d<strong>er</strong></strong> sachlichen Gesetzmäßigkeit,einem gewissen Det<strong>er</strong>minismus unt<strong>er</strong>liege. D<strong>er</strong> <strong>Marxist</strong><strong>er</strong>kläre ab<strong>er</strong>, daß <strong>er</strong> die Gesetzmäßigkeit für sich habe, daß <strong>er</strong> sievorantreibe, während sie <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Kapitalist</strong> hin<strong>d<strong>er</strong></strong>e. Und hi<strong>er</strong>in komme<strong>sein</strong>e Weltanschauung zum Zuge. D<strong>er</strong> Marxismus trete aufGrund <strong>sein</strong><strong>er</strong> Weltanschauung auch auf wirtschaftlichem Gebietmit missionarischem Geiste auf. So sehr man darum Weltanschauungund Wirtschaft au<strong>sein</strong>an<strong>d<strong>er</strong></strong>halten könne und auch müsse, sokönne man doch im Hinblick auf <strong>de</strong>n Marxismus, auch <strong>de</strong>n <strong>d<strong>er</strong></strong>Praxis, die Trennung nicht mehr aufrecht<strong>er</strong>halten.H. Willg<strong>er</strong>odt warnt davor, Ökonomisches und Philosophischesvollkommen separat zu diskuti<strong>er</strong>en. Die Jugoslawen haben zwarauf rein empirischem Wege festgestellt, daß die Wirtschaft ohnePrivateigentum die nötige Produktivität v<strong>er</strong>missen lasse — hi<strong>er</strong>auf29


hatte A. Klose in <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion sehr <strong>de</strong>utlich hingewiesen —.Dennoch entschie<strong>de</strong>n sich die Jugoslawen nicht für die private Eigentumsordnung,weil sie die Wie<strong>d<strong>er</strong></strong>einführung <strong>de</strong>s Privateigentumsals Sün<strong>de</strong>nfall betrachten. In dies<strong>er</strong> Einschätzung sei, wennauch v<strong>er</strong>dünnt, <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus mit <strong>sein</strong><strong>er</strong> Weltanschauung zu <strong>er</strong>kennen.O. von Nell-Breuning möchte auf keinen Fall so v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n <strong>sein</strong>,daß <strong>er</strong> die fachwissenschaftlich ökonomische und die philosophischeBetrachtung au<strong>sein</strong>an<strong>d<strong>er</strong></strong>reiße, <strong>er</strong> betont vielmehr, daß manje<strong>de</strong> einzelne Frage unt<strong>er</strong> bei<strong>de</strong>n Aspekten würdigen müsse. Jedochmüßten bei<strong>de</strong> methodisch saub<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Die eine Frage sei „Was geschieht, wenn . . .", die an<strong>d<strong>er</strong></strong>e „Wozu,zu welchem Ziel". Diese letzte Frage bewege sich im weltanschaulichenRaum. Die <strong>er</strong>ste Frage habe mit Weltanschauung nichts zutun. Wenn wir üb<strong>er</strong> die <strong>er</strong>ste Frage re<strong>de</strong>n, dann gehe es nur darum,ob das in <strong>d<strong>er</strong></strong> Praxis von <strong>de</strong>n <strong>Marxist</strong>en <strong>er</strong>stellte Wirtschaftssystemfunktioni<strong>er</strong>e. Wenn <strong>d<strong>er</strong></strong> Politik<strong>er</strong> darüb<strong>er</strong> entschei<strong>de</strong>, welcheWirtschaftsordnung <strong>er</strong> einführen wolle, dann müsse <strong>er</strong> sichzwar an die <strong>er</strong>ste Frage „Was, wenn" halten, doch richte <strong>er</strong> <strong>sein</strong>eEntscheidung naturgemäß nach <strong>de</strong>n W<strong>er</strong>ten ein, die <strong>er</strong> v<strong>er</strong>wirklichenwolle. Insof<strong>er</strong>n folgen die Politik<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong> Weltanschauung.Auf <strong>d<strong>er</strong></strong> ökonomischen Ebene müßte man sich ab<strong>er</strong> fragen, ob dasSystem üb<strong>er</strong>haupt ohne privates Eigentum funktioni<strong>er</strong>e. Eigentumgebe es auf je<strong>de</strong>n Fall. Ob dieses nun das Privateigentum o<strong>d<strong>er</strong></strong>öffentliches Eigentum sei, sei eine an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Frage. „Wir brauchendort, wo mehr<strong>er</strong>e Menschen sind, eine Ordnung, in <strong>d<strong>er</strong></strong> je<strong>d<strong>er</strong></strong>weiß, worüb<strong>er</strong> <strong>er</strong> zu v<strong>er</strong>fügen hat, und f<strong>er</strong>n<strong>er</strong>, daß je<strong>d<strong>er</strong></strong> so viel Sich<strong>er</strong>heithat, daß <strong>er</strong> das Nötige zum Leben hat und in Freiheit<strong>sein</strong> Leben gestalten kann". Ob dies nun mit privatrechtlicheno<strong>d<strong>er</strong></strong> mit öffentlichrechtlichen Figuren <strong>er</strong>reicht w<strong>er</strong><strong>de</strong>, hänge von<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n ab. Zur Zeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Königin Elisabeth habe die Annahmebestan<strong>de</strong>n, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Grund und Bo<strong>de</strong>n ihr Eigentum sei. Essei ab<strong>er</strong> nicht daran gedacht wor<strong>de</strong>n, daß sie sämtliche Englän<strong>d<strong>er</strong></strong>vom englischen Bo<strong>de</strong>n hätte v<strong>er</strong>treiben können. Sie konnte <strong>de</strong>nEnglän<strong>d<strong>er</strong></strong>n nicht v<strong>er</strong>bieten, auf diesem Bo<strong>de</strong>n zu leben. „Alle, diedie Län<strong>d<strong>er</strong></strong>eien <strong>d<strong>er</strong></strong> Lords, die ihr<strong>er</strong>seits nicht Eigentüm<strong>er</strong>, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nLehensh<strong>er</strong>rn waren, bebauten, hatten ihre feste Sich<strong>er</strong>ung30


auf ihrem Grund und Bo<strong>de</strong>n, ab<strong>er</strong> nicht auf <strong>de</strong>m Wege uns<strong>er</strong>es juristischenEigentumsbegriffs, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n im feudalrechtlichen System.Naturrechtliche Kategorie ist, daß ohne freie Lebensabsich<strong>er</strong>ungmenschliches Leben nicht möglich ist. Von dies<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nist die Frage, wie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltgeschichte die entsprechen<strong>de</strong>juristische Form zur V<strong>er</strong>wirklichung gefun<strong>de</strong>n w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kannund wor<strong>de</strong>n ist.Das wissen die Historik<strong>er</strong>. Das hat Pius XL, als <strong>er</strong>noch Historik<strong>er</strong> war, gewußt und spät<strong>er</strong> als Papst auch ausgesprochen.Gegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>n intellektuellen Neomarxisten, die allem,was nach Eigentum riecht, aus <strong>de</strong>m Wege gehen wollen, behaupteich, dies ist Unsinn. Letzten En<strong>de</strong>s kommen sie am Eigentumnicht vorbei. Die einzige praktische Frage ist: Welche Güt<strong>er</strong> befin<strong>de</strong>nsich bess<strong>er</strong> in privatem Eigentum und welche sind bess<strong>er</strong>in öffentlichem Eigentum?"Von ein<strong>er</strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Seite, nämlich <strong>de</strong>m Begriff <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit, greiftM. Honeck<strong>er</strong> das Problem <strong>d<strong>er</strong></strong> Trennung von Wirtschaftssystemund Weltanschauung in <strong>d<strong>er</strong></strong> Praxis auf. G<strong>er</strong>a<strong>de</strong> im Marxismus seioffenbar, wie eng sich die weltanschauliche Konzeption <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitauf das Wirtschaftssystem auswirke. „Die These, daß <strong>d<strong>er</strong></strong>Mensch Schöpf<strong>er</strong> <strong>sein</strong><strong>er</strong> selbst ist, daß also die Arbeit die Menschw<strong>er</strong>dung<strong>de</strong>s Menschen bewirkt, hat ihre <strong>de</strong>utlichen Folgen fürdie Organisation <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit. Hängt nicht etwa <strong>de</strong>swegen das Zentralv<strong>er</strong>waltungs<strong>de</strong>nkenmit dies<strong>er</strong> weltanschaulichen W<strong>er</strong>tung zusammen?"O. von Nell-Breuning antwortet hi<strong>er</strong>auf: „Wie ich schon gesagthabe, gibt es für mich kein marxistisches Wirtschaftssystem. Undda es dieses für mich nicht gibt, <strong>de</strong>swegen kann ich auch darüb<strong>er</strong>nichts aussagen. Ich kann auch <strong>de</strong>shalb nicht sagen, ob es mit irgen<strong>de</strong>twasan<strong>d<strong>er</strong></strong>em v<strong>er</strong>einbar ist o<strong>d<strong>er</strong></strong> nicht, ob es sich aus <strong>de</strong>man<strong>d<strong>er</strong></strong>en h<strong>er</strong>aus<strong>de</strong>stilli<strong>er</strong>en läßt o<strong>d<strong>er</strong></strong> umgekehrt. Wir könnenhöchstens unt<strong>er</strong>suchen, in welch<strong>er</strong> Weise Leute, die bestimmte typischeMarxsche I<strong>de</strong>en pflegen, daraus eine Vorliebe für gewisseArten von Wirtschaftsorganisation entwickeln. Das wür<strong>de</strong> ich alsdurchaus wahrscheinlich ansehen. Denn dies liegt auch psychologischnahe. Ab<strong>er</strong> trotz<strong>de</strong>m gilt für mich: Dieses Wirtschaftssystemunt<strong>er</strong>suche ich nicht danach, aus welch<strong>er</strong> Geschmacksvorliebeman sich dafür entschie<strong>de</strong>n hat, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n ich unt<strong>er</strong>suche es dar-31


aufhin, was es ist, ob es funktioni<strong>er</strong>t, ob es <strong>de</strong>n Menschen g<strong>er</strong>echtwird o<strong>d<strong>er</strong></strong> nicht."H. Willg<strong>er</strong>odt wen<strong>de</strong>t <strong>sein</strong><strong>er</strong>seits hi<strong>er</strong> ein, daß die Ökonomen,min<strong>de</strong>stens seit Walt<strong>er</strong> Euchens Int<strong>er</strong><strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz <strong>d<strong>er</strong></strong> Ordnungen,von <strong>de</strong>m Irrtum geheilt seien, daß die Lösung ökonomisch<strong>er</strong> Abstimmungsproblemeein rein ökonomisches Problem wäre. Von<strong>d<strong>er</strong></strong> reinen Technologie <strong>d<strong>er</strong></strong> Ökonomie aus komme man zu fundamentalv<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Ergebnissen, je nach<strong>de</strong>m man das Privateigentumund die p<strong>er</strong>sönliche Entscheidungsmöglichkeit annehmeo<strong>d<strong>er</strong></strong> nicht. „Die Ökonomen, auch die am<strong>er</strong>ikanischen, trennennicht, wie es scheint, in die bloß rein technologische Frage unddie Frage <strong>d<strong>er</strong></strong> darüb<strong>er</strong> hinaus gehen<strong>de</strong>n W<strong>er</strong>te."Auf die Bem<strong>er</strong>kung von O. von Nell-Breuning, daß entsprechend<strong>sein</strong><strong>er</strong> Grundthese <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>scheidung von Ökonomieund Weltanschauung die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre für <strong>de</strong>n Marxismusentbehrlich und w<strong>er</strong>tneutral sei, wen<strong>de</strong>t P. Koslowski ein: „G<strong>er</strong>a<strong>de</strong>die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre ist <strong>d<strong>er</strong></strong> entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Punkt <strong>d<strong>er</strong></strong> Au<strong>sein</strong>an<strong>d<strong>er</strong></strong>setzungmit <strong>d<strong>er</strong></strong> Grenzn<strong>utz</strong>enschule. Die Au<strong>sein</strong>an<strong>d<strong>er</strong></strong>setzungmag historisch<strong>er</strong> Natur <strong>sein</strong>, thematisch ist sie ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> nochpräsent. Dahint<strong>er</strong> v<strong>er</strong>birgt sich eine philosophische, näh<strong>er</strong>hin metaphysischeThematik: D<strong>er</strong> Gegensatz von Nominalismus undRealismus, <strong>d<strong>er</strong></strong> hi<strong>er</strong> unmittelbar in die ökonomische Bestimmungvon W<strong>er</strong>t mit eingeht. Es scheint mir übrigens, daß die katholischeSoziallehre hi<strong>er</strong> mit einem realistischen Vorurteil op<strong>er</strong>i<strong>er</strong>t,insof<strong>er</strong>n sie <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre, was offenbar O. von Nell-Breuning selbst betonte, v<strong>er</strong>haftet ist. D<strong>er</strong> wirtschaftliche W<strong>er</strong>tstammt nur zu einem kleinen Teil aus <strong>d<strong>er</strong></strong> im Produkt realisi<strong>er</strong>tenArbeit, zu einem großen Teil aus Zufall, Konventionen und vieleman<strong>d<strong>er</strong></strong>en. An diesem Beispiel dürfte klar zu machen <strong>sein</strong>, daßdie Trennung von Weltanschauung und Ökonomie nichtmöglich ist". P. Koslowski <strong>er</strong>klärt weit<strong>er</strong>, daß es einen Punkt in<strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichen Entscheidung gibt, an <strong>de</strong>m je<strong>de</strong> ökonomischeÜb<strong>er</strong>legung üb<strong>er</strong> das „Wenn — dann" v<strong>er</strong>sagt, nämlich dort, woes um die Abschätzung <strong>de</strong>s im Dunkeln <strong>d<strong>er</strong></strong> Zukunft liegen<strong>de</strong>nRisikos geht, d. h. um das Risiko <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit: „Allgemein ist eineex ante Bestimmung schwi<strong>er</strong>ig, wie sich die Effizienzvorteile zureventuellen Beschränkung <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit v<strong>er</strong>halten. Wir mögen32


vielleicht <strong>er</strong>messen, daß ein nicht-marktwirtschaftlich<strong>er</strong> Eingriffwirtschaftliche Effizienzgewinne <strong>er</strong>bringt, wir wissen ab<strong>er</strong> nicht,welche Freiheitsräume in unabsehbar<strong>er</strong> Zeit eingeschränkt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Aus <strong>de</strong>m Dilemma kommt man nur mit ein<strong>er</strong> philosophischenEinstellung h<strong>er</strong>aus, in<strong>de</strong>m man Schw<strong>er</strong>punkte in <strong>d<strong>er</strong></strong> Risikoabwägungauf Grund eines philosophisch gebil<strong>de</strong>ten Menschenbil<strong>de</strong>ssetzt."O. von Nell-Breuning kommt, in <strong>d<strong>er</strong></strong> Ub<strong>er</strong>zeugung, daß man aneinan<strong>d<strong>er</strong></strong>vorbei re<strong>de</strong>, auf <strong>sein</strong>e schon vorh<strong>er</strong> gemachte Unt<strong>er</strong>scheidungzurück: die Üb<strong>er</strong>legung üb<strong>er</strong> das „Wenn — dann" unddie Entscheidung zu einem bestimmten Han<strong>de</strong>ln. Die Entscheidungfalle im Hinblick auf das gewollte und v<strong>er</strong>antwortete unddamit weltanschaulich geprägte Ziel und schließe auch die Inkaufnahme<strong>de</strong>ssen ein, was aus <strong>de</strong>m „Wenn — dann" folge.Die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre, so sagt O. von Nell-Breuning äuß<strong>er</strong>e sichüb<strong>er</strong>haupt nicht üb<strong>er</strong> <strong>de</strong>n inn<strong>er</strong>en, moralischen W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit.„Sie stellt ökonomische Behauptungen auf, die, mit V<strong>er</strong>laub zu sagen,Unsinn sind. Ich glaube nicht, daß es einen einzigen marxistischenÖkonomen gibt, <strong>d<strong>er</strong></strong> das hält, was als Marx'sche Arbeitsw<strong>er</strong>tlehrevulgär v<strong>er</strong>treten wird. Die einen sehen in ihr die Lehre<strong>d<strong>er</strong></strong> Preisbildung. Die an<strong>d<strong>er</strong></strong>en negi<strong>er</strong>en grundweg diesen Zusammenhang.Was soll dann damit gemeint <strong>sein</strong>? Es ist üb<strong>er</strong>haupt un<strong>de</strong>fini<strong>er</strong>bar,also eine Sache, die in sich keinen Sinn hat. Hi<strong>er</strong> v<strong>er</strong>magich keine weltanschauliche Dignität zu <strong>er</strong>kennen. In dieMarxsche Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre hat man juristische Implikationenhineinmystifizi<strong>er</strong>t, diese ab<strong>er</strong> sind wie<strong>d<strong>er</strong></strong>um Unsinn. Imm<strong>er</strong>hin,trotz ihr<strong>er</strong> Unsinnigkeit gehören sie <strong>de</strong>m W<strong>er</strong>tb<strong>er</strong>eich an und insof<strong>er</strong>nhaben sie einen Schimm<strong>er</strong> von weltanschaulich<strong>er</strong> Dignität."P. Koslowski <strong>er</strong>wi<strong>d<strong>er</strong></strong>t darauf, daß die ökonomische Diskussionüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>n W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit notwendig<strong>er</strong>weise damit zusammenhängt,was man für sie zu zahlen gewillt ist, daß darum die juristischeImplikation mitgegeben ist. Wenn die Arbeit <strong>d<strong>er</strong></strong> einzigew<strong>er</strong>tschaffen<strong>de</strong> Faktor ist, gibt es keinen Gewinn mehr als Risikoprämie.„Das mag ökonomisch falsch <strong>sein</strong>, es ist ab<strong>er</strong> sozial äuß<strong>er</strong>stwirksam."33


zepti<strong>er</strong>en, daß wir Grün<strong>de</strong> dies<strong>er</strong> höh<strong>er</strong>en Dignität haben, dieüb<strong>er</strong>zeugend dartun können, daß eine bestimmte ökonomischeEntscheidung v<strong>er</strong>w<strong>er</strong>flich ist, wie zum Beispiel die Gefährdung<strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Freiheit. Es <strong>er</strong>hebt sich ab<strong>er</strong> noch die Frage, obdie menschliche Freiheit nicht im gleichen, sogar noch höh<strong>er</strong>enGra<strong>de</strong> gefähr<strong>de</strong>t ist durch eine lib<strong>er</strong>al-kapitalistische Wirtschaftals durch eine kollektivistische. In manchen Fällen wird man nurdie Wahl zwischen zwei v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n großen Übeln haben. Dasmarxistische Postulat, das Privateigentum an Produktionsmittelnrestlos auszuschließen, wür<strong>de</strong> ich auch unt<strong>er</strong> weltanschaulichenGesichtspunkten prüfen. Hinsichtlich <strong>d<strong>er</strong></strong> Frage jedoch, ob dasPrivateigentum an Produktionsmitteln, so wie es sich in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gegenwartausgewirkt hat, <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Freiheit nicht mehrhin<strong>d<strong>er</strong></strong>lich als för<strong>d<strong>er</strong></strong>lich sei, befin<strong>de</strong> ich mich im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Mutmaßungen.In diesem B<strong>er</strong>eich haben wir niemals Gewißheit.Wenn wir nämlich Gewißheit hätten, gäbe es keine menschlicheFreiheit, <strong>de</strong>nn diese schließt die Gewißheit aus."Marxismus und TheologieIm Hinblick auf die marxistisch orienti<strong>er</strong>ten <strong>Christ</strong>en, vorabTheologen, meinte O. von Nell-Breuning: „Ich begreife nicht, wiees möglich ist, daß Menschen, die die christliche Offenbarungkennen und gar noch als Theologen studi<strong>er</strong>t haben, sich vomMarxismus b<strong>er</strong>auschen lassen können. Die fundamentalen Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>sprücheund Irrtüm<strong>er</strong> schlagen einem doch ins Gesicht. Manbraucht gar nicht <strong>Christ</strong> zu <strong>sein</strong>, ein logisch <strong>de</strong>nken<strong>d<strong>er</strong></strong> Menschkann die Unannehmbarkeit <strong>de</strong>s Marxismus <strong>er</strong>kennen. D<strong>er</strong> Dogmatik<strong>er</strong>Marx und <strong>d<strong>er</strong></strong> Revolutionär Marx sind nicht unt<strong>er</strong> einenHut zu bringen. Wenn <strong>d<strong>er</strong></strong> ökonomische Det<strong>er</strong>minismus stimmt,kann man keine Revolution machen. Wenn <strong>d<strong>er</strong></strong> dialektische Mat<strong>er</strong>ialismu<strong>sein</strong> absolutes Prinzip ist, dann gibt es kein En<strong>de</strong>, alsoauch keine klassenlose Gesellschaft als Endprodukt ein<strong>er</strong> Entwicklung,die klassenlose Gesellschaft wäre nur ein Schritt imp<strong>er</strong>manenten dialektischen Prozeß."Ch. Walth<strong>er</strong> wen<strong>de</strong>t dagegen ein, daß mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Trennung vonÖkonomie und Weltanschauung <strong>d<strong>er</strong></strong> historische Mat<strong>er</strong>ialismus le-36


Es sei nicht zu üb<strong>er</strong>sehen, daß die Wirklichkeit selbst, die wir entgegenhalten,nicht frei von Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>sprüchen ist.H. ]. Türk kann sich mit <strong>de</strong>m Gedanken nicht befreun<strong>de</strong>n, daßwir neben <strong>de</strong>n Marxismus ein ähnlich faszini<strong>er</strong>en<strong>de</strong>s theologischesTheorie- und Praxissystem stellen. Er hält es mehr mit <strong>d<strong>er</strong></strong>Argumentationsweise von O. von Nell-Breuning, nämlich empirisch<strong>de</strong>m Marxismus zu Leibe zu rücken, auch wenn dies auf linkeStu<strong>de</strong>nten keinen Eindruck mache.O. von Nell-Breuning <strong>er</strong>klärt, daß <strong>er</strong> sich nicht vorstellen könne,worin die Faszination <strong>de</strong>s Marxismus läge. Ub<strong>er</strong> die philosophischeH<strong>er</strong>kunft könne <strong>er</strong> sich nicht äuß<strong>er</strong>n, da <strong>er</strong> hi<strong>er</strong>zu nichtkompetent sei. Ihm sei es gemäß <strong>de</strong>m ihm gestellten Thema einzigdarauf angekommen, zu zeigen, daß es ein marxistisches Wirtschaftssystemnicht gebe, genauso wenig wie ein kapitalistisches.„Bei<strong>de</strong> sind für mich Syndrome, die historisch kontingent miteinan<strong>d<strong>er</strong></strong>zusammengetroffen sind, die ab<strong>er</strong> nicht in einem inn<strong>er</strong>enKonnex eines Systems stehen — vielleicht ist das also eine systemtheoretischeFaszination. Ein marxistisches Wirtschaftssystemgibt es für mich nicht, und speziell Marx sagt, soweit mir bekanntist, darüb<strong>er</strong> nichts aus."


Arthur F. UtzGEMEINSAMES UND VERSCHIEDENES IN DERMARXISTISCHEN UND IN DER CHRISTLICHENWIRTSCHAFTSANALYSEDie Anziehungskraft <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischen Analyse für die TheologenZum Unt<strong>er</strong>schied vom rein empirischen Standpunkt ist aus philosophisch-ontologisch<strong>er</strong>Sicht die moralische Wirklichkeit <strong>de</strong>sMenschen von einem absoluten und ewig gültigen Sein aus aufgebaut.Dies gilt nicht nur von <strong>d<strong>er</strong></strong> individuellen Moral, die sich <strong>d<strong>er</strong></strong>Theologe ohne V<strong>er</strong>wurzelung <strong>de</strong>s Imp<strong>er</strong>ativs in Gott nicht vorstellenkann. Es gilt ebenfalls von <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft und ihr<strong>er</strong> geschichtlichenEntwicklung, d. h. von <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschheit insgesamt.In imposant<strong>er</strong> Weise hat Augustinus die Geschichte <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschheitals die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Geschichte sich manifesti<strong>er</strong>en<strong>de</strong> göttliche Vorsehungund Prä<strong>de</strong>stination dargestellt. D<strong>er</strong> eigentliche Gegn<strong>er</strong>dies<strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit fundi<strong>er</strong>ten Absolutheitslehre, die eineBegründung <strong>de</strong>s Konkreten und Zufälligen zu geben v<strong>er</strong>mag, istnicht etwa <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n <strong>d<strong>er</strong></strong> I<strong>de</strong>alismus Kant'sch<strong>er</strong>Prägung. D<strong>er</strong> absolute Imp<strong>er</strong>ativ Kants ist inhaltlos und darumauch unwirklich, i<strong>de</strong>alistisch. Seinen Inhalt <strong>er</strong>hält <strong>er</strong> aus <strong>d<strong>er</strong></strong> konkretenWelt, hört ab<strong>er</strong> damit auf, kategorisch zu <strong>sein</strong>. Die Freiheit,an die sich <strong>d<strong>er</strong></strong> absolute Imp<strong>er</strong>ativ richtet, hat nicht Fleischund Blut. Sie ist absolut nur gedacht. Die Freiheit <strong>de</strong>s wirklichenMenschen hat mit dies<strong>er</strong> gedachten Freiheit nichts mehr zu tun.Die gedachte Freiheit kann nur als Denkexp<strong>er</strong>iment dienen, anhand<strong>de</strong>ssen <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch in <strong>d<strong>er</strong></strong> Erfahrung die Wirklichkeit abtastet,um festzustellen, inwieweit <strong>er</strong> sich noch frei „fühlt".Dagegen beginnt <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus mit <strong>de</strong>m wirklichen Sein dies<strong>er</strong>Welt, in <strong>de</strong>m <strong>er</strong> das Absolute zu fin<strong>de</strong>n glaubt. Es ist das absoluteGesetz <strong>d<strong>er</strong></strong> geschichtlichen Entwicklung, die von <strong>d<strong>er</strong></strong> These alsaugenblicklichem Zustand zur Antithese als <strong>de</strong>ssen Gegenspielund zur Synthese als <strong>de</strong>m neuen Sein voranschreitet. Die Freiheitist in diesen Prozeß einv<strong>er</strong>woben. Ihr obliegt die Aufgabe, <strong>de</strong>nFortgang <strong>d<strong>er</strong></strong> geschichtlichen Gesetzmäßigkeit zu garanti<strong>er</strong>en,39


d. h. von <strong>d<strong>er</strong></strong> Antithese in die Synthese üb<strong>er</strong>zuführen. D<strong>er</strong> Marxismusv<strong>er</strong>fügt hi<strong>er</strong>bei —wenigstens in <strong>sein</strong><strong>er</strong> Gedankenwelt —üb<strong>er</strong> ein eigenes, absolut gültiges Krit<strong>er</strong>ium: <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>s geschichtlichenAnfangs.D<strong>er</strong> Theologe sieht die Aufgabe <strong>de</strong>s <strong>Christ</strong>en in <strong>d<strong>er</strong></strong> getreuenFortführung <strong>de</strong>s Erlösungsw<strong>er</strong>kes <strong>Christ</strong>i. Auch <strong>er</strong> hat einen historischenAusgangspunkt: die durch <strong>Christ</strong>us <strong>er</strong>folgte Befreiung<strong>de</strong>s Menschen aus <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>strickung mit dies<strong>er</strong> Welt. Das ist einkompromißloses Krit<strong>er</strong>ium, mittels <strong>de</strong>ssen die Entwicklung <strong>d<strong>er</strong></strong>Kirche beurteilt wird. In diesem Sinn wird das Motto formuli<strong>er</strong>t:„Ecclesia Semp<strong>er</strong> reformanda". Für die Theologie <strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiungist dieses Krit<strong>er</strong>ium <strong>d<strong>er</strong></strong> einzige Paramet<strong>er</strong>, um gesellschaftlicheOrdnungsfragen konkret anzugehen. Alle Probleme <strong>d<strong>er</strong></strong> gesellschaftlichenOrdnung dürfen gemäß <strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiungstheologie nurim Lichte dieses Krit<strong>er</strong>iums, nicht ab<strong>er</strong> rational und empirisch gelöstw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utete V<strong>er</strong>strickung mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Sün<strong>de</strong>. Vielmehrmüssen sie direkt und unv<strong>er</strong>mittelt angegangen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n imSinn <strong>d<strong>er</strong></strong> Gebote, die <strong>Christ</strong>us formuli<strong>er</strong>t hat. Dementsprechendfällt dann auch die Kritik am Kapitalismus aus.Marxismus und das im Sinn <strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiungstheologie v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>ne<strong>Christ</strong>entum sind zwei Weisen kompromißlosen Ordnungs<strong>de</strong>nkens,ausgehend von einem unabän<strong>d<strong>er</strong></strong>lichen Apriori, gegendas es naturgemäß keine Einwän<strong>de</strong> gibt. Die marxistische Analysestammt aus dies<strong>er</strong>, die christliche aus <strong>d<strong>er</strong></strong> göttlichen Welt. In manchenPunkten <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismuskritik treffen sich, nicht ohneÜb<strong>er</strong>raschung, bei<strong>de</strong>.Im folgen<strong>de</strong>n soll in <strong>de</strong>m V<strong>er</strong>gleich von marxistisch<strong>er</strong> undchristlich<strong>er</strong> Kapitalismuskritik unt<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Namen „christlich" jedochnicht ausgesprochen die Int<strong>er</strong>pretation <strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiungstheologenv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Vielmehr wird „christlich" in <strong>de</strong>m Sinnv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n, wie es <strong>d<strong>er</strong></strong> gesamten christlichen Tradition entspricht,in Distanz also von <strong>d<strong>er</strong></strong> b<strong>er</strong>eits marxistisch gefärbten Int<strong>er</strong>pretation,wie sie sich z. B. bei <strong>de</strong>m italienischen Salesian<strong>er</strong> Giulio Girardi,<strong>de</strong>n französischen Dominikan<strong>er</strong>n Jean Cardonnel und PaulBlanquart o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>m französischen Franziskan<strong>er</strong> Raymond Dom<strong>er</strong>guefin<strong>de</strong>t.40


I. Das gemeinsame Objekt: <strong>d<strong>er</strong></strong> kritisi<strong>er</strong>te KapitalismusD<strong>er</strong> Kapitalismus, <strong>d<strong>er</strong></strong> kritisch unt<strong>er</strong> die Lupe genommen wird,ist <strong>d<strong>er</strong></strong> tatsächliche, geschichtlich gewor<strong>de</strong>ne und in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeitvorfindliche Kapitalismus mit allen <strong>sein</strong>en Unebenheitenund Mängeln. Die Frage, ob ein Kapitalismus ohne diese Makelmöglich ist und wie <strong>er</strong> <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n müßte, ist für die <strong>er</strong>steBegegnung mit <strong>de</strong>m Kapitalismus zweitrangig. All<strong>er</strong>dings wäre eigentlichg<strong>er</strong>a<strong>de</strong> diese Frage von wesentlich<strong>er</strong> Be<strong>de</strong>utung, weil <strong>er</strong>stvon dies<strong>er</strong> g<strong>er</strong>einigten Kapitalismusi<strong>de</strong>e aus das V<strong>er</strong>dikt üb<strong>er</strong> <strong>de</strong>ntatsächlichen Kapitalismus gefällt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n dürfte.D<strong>er</strong> Kapitalismus, wie <strong>er</strong> tatsächlich sich vorfin<strong>de</strong>t, ist eineWettbew<strong>er</strong>bswirtschaft, in <strong>d<strong>er</strong></strong> die V<strong>er</strong>fügungsgewalt üb<strong>er</strong> dieProduktionsmittel einem Eigentüm<strong>er</strong> zusteht, <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>sein</strong><strong>er</strong>seits vonMotiven geleitet <strong>sein</strong> kann, die in gewissem Sinn (sof<strong>er</strong>n nicht b<strong>er</strong>eitsrechtliche Schranken bestehen) von <strong>de</strong>n sozialen Folgen <strong>d<strong>er</strong></strong>Entscheidung keine Notiz nehmen, da das <strong>er</strong>ste Int<strong>er</strong>esse <strong>de</strong>s in<strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz stehen<strong>de</strong>n Kapitaleigentüm<strong>er</strong>s die Maximi<strong>er</strong>ung<strong>de</strong>s Gewinnes ist. In <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s <strong>Marxist</strong>en ist diese Handlungsweiseein offenbar<strong>er</strong> V<strong>er</strong>stoß gegen die Humanität. Vomchristlichen Standpunkt aus <strong>er</strong>scheint sie ebenfalls so und nochmehr als ein V<strong>er</strong>stoß gegen die Liebe zum Nächsten, die uns alsob<strong>er</strong>stes Gebot aufgetragen wor<strong>de</strong>n ist. Im Umgang mit <strong>de</strong>m Mitmenschenmüßte doch vordingliches Anliegen die Sorge um <strong>de</strong>nMitmenschen, nicht um die Sache, in diesem Fall um das Kapitaleigentum<strong>sein</strong>.D<strong>er</strong> Mensch, <strong>d<strong>er</strong></strong> hi<strong>er</strong> als Maßstab <strong>d<strong>er</strong></strong> Beurteilung eines konkretenSachv<strong>er</strong>haltes, ein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>haltensweise in ein<strong>er</strong> bestimmtenUmwelt unt<strong>er</strong>stellt wird, ist <strong>d<strong>er</strong></strong> nach absoluten Normen han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>o<strong>d<strong>er</strong></strong> han<strong>de</strong>ln sollen<strong>de</strong> Mensch. Im Marxismus ist es <strong>d<strong>er</strong></strong>Mensch mit <strong>sein</strong>en natürlichen Strebungen, die ihn vor <strong>d<strong>er</strong></strong> Einführung<strong>de</strong>s Privateigentums im originären Zustand auszeichneten.Für <strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en ist es <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch, <strong>d<strong>er</strong></strong> sich gemäß <strong>de</strong>n in <strong>d<strong>er</strong></strong>Natur angelegten Strebungen, d. h. naturrechtlich korrekt v<strong>er</strong>hältund <strong>d<strong>er</strong></strong> Gna<strong>de</strong> Gottes, die <strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Erlösung <strong>er</strong>halten hat, folgt.Zwischen <strong>d<strong>er</strong></strong> naturrechtlichen und <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischen Auffassung41


vom Menschen scheinen auffallen<strong>de</strong> Konv<strong>er</strong>genzen zu bestehen.Tatsächlich hat K. R. Popp<strong>er</strong> dies behauptet. Doch sind die Diff<strong>er</strong>enzen<strong>er</strong>kenntnistheoretisch enorm v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n. Es sei hi<strong>er</strong> daraufnur hingewiesen. 1Die Indienstnahme von Arbeitskräften im reinen Arbeitsv<strong>er</strong>tragsv<strong>er</strong>hältnisschafft unt<strong>er</strong> Umstän<strong>de</strong>n eine schw<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>tragen<strong>de</strong>Abhängigkeit <strong>de</strong>s Arbeitnehm<strong>er</strong>s vom Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> und Eigentüm<strong>er</strong>von Produktionsmitteln. Die Arbeitskraft wird ähnlich<strong>de</strong>m Kapital auf <strong>de</strong>m Warenmarkt gehan<strong>de</strong>lt. Faßt man dazunoch die Zahlenv<strong>er</strong>hältnisse von Arbeitnehm<strong>er</strong>n und Produktionsmitteleigentüm<strong>er</strong>nins Auge, dann <strong>er</strong>gibt sich das Bild <strong>d<strong>er</strong></strong>Klassengesellschaft, d. h. ein<strong>er</strong> Gesellschaft, in <strong>d<strong>er</strong></strong> wenige bestimmenund viele in unt<strong>er</strong>geordnet<strong>er</strong> Stellung dienen. Zwar ist in <strong>d<strong>er</strong></strong>Unt<strong>er</strong>ordnung unt<strong>er</strong> Direktive noch keine moralische Unstimmigkeitzu suchen. Jedoch han<strong>de</strong>lt es sich hi<strong>er</strong> nicht um eine Unt<strong>er</strong>ordnung<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitnehm<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> eine das Gesamtwohl intendi<strong>er</strong>en<strong>de</strong>Autorität, die im Sinne all<strong>er</strong> han<strong>de</strong>lt, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n vielmehrum eine Unt<strong>er</strong>ordnung unt<strong>er</strong> eine rein mat<strong>er</strong>iell bevorzugte undihre Int<strong>er</strong>essen suchen<strong>de</strong> Gesellschaftsschicht.Diese Klassengesellschaft steht als <strong>d<strong>er</strong></strong> große Skandal im Zentrumsowohl <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischen wie auch <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Kapitalismuskritik.Während <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Marxist</strong> jegliches private Produktionsmitteleigentumals V<strong>er</strong>ursach<strong>er</strong> von Klassengegensätzen ansieht,ist <strong>de</strong>m <strong>Christ</strong>en, sof<strong>er</strong>n <strong>er</strong> das Produktionsmitteleigentum an<strong>er</strong>kennt,die schwi<strong>er</strong>ige Aufgabe üb<strong>er</strong>tragen, die Klassengesellschaftentwe<strong>d<strong>er</strong></strong> vom Kapitalismus (= Wettbew<strong>er</strong>bswirtschaft aufgrundprivatrechtlichen Produktionsmitteleigentums) ganz zu trenneno<strong>d<strong>er</strong></strong> sie zumin<strong>de</strong>st zu entschärfen.Dem Kapitalismus wird auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Vorwurf gemacht, daß <strong>er</strong>mehr <strong>de</strong>m Gewinnstreben <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Kapitalist</strong>en als ein<strong>er</strong> gesun<strong>de</strong>n gesellschaftlichenBedarfs<strong>de</strong>ckung diene. D<strong>er</strong> Vorwurf zielt vor allemauf die kapitalistische Entwicklungshilfe ab und trifft im beson<strong>d<strong>er</strong></strong>endie multinationalen Kapitalgesellschaften.1Siehe P. P. Müll<strong>er</strong>-Schmid, Emanzipatorische Sozialphilosophie und pluralistischesOrdnungs<strong>de</strong>nken. Stuttgart 1976, 154 ff.42


Solange man nicht üb<strong>er</strong>legt, wie man es bess<strong>er</strong> machen könnte,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n einfach das Faktum <strong>d<strong>er</strong></strong> kapitalistischen Investitionsweisebetrachtet, kommen sowohl marxistische wie auch christlicheKritiken, trotz ihr<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Prämissen, üb<strong>er</strong>ein.Angesichts dies<strong>er</strong> Ub<strong>er</strong>einstimmung in <strong>d<strong>er</strong></strong> Kritik <strong>de</strong>s Kapitalismusstellt sich ab<strong>er</strong> die Frage, ob ein <strong>Christ</strong> die Vorwürfe vomMarxismus entlehnen darf, als ob sie von Grund auf die gleichenwären wie diejenigen, die vom christlichen Standpunkt aus formuli<strong>er</strong>tw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Das Mißv<strong>er</strong>ständnis, daß wir mit uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Kapitalismuskritikauf <strong>de</strong>n Schult<strong>er</strong>n von Karl Marx stän<strong>de</strong>n, ist v<strong>er</strong>ursachtdurch eine völlige Mißkennung <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong>kenntnistheoretischenVoraussetzungen, von <strong>de</strong>nen je v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Marxist</strong> und <strong>d<strong>er</strong></strong><strong>Christ</strong> ausgehen. Die Erkenntnismetho<strong>de</strong>n sind trotz äuß<strong>er</strong><strong>er</strong> Gemeinsamkeitenzutiefst v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n.II. Gemeinsames und V<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nes in <strong>d<strong>er</strong></strong> Metho<strong>de</strong>Analyse<strong>d<strong>er</strong></strong>Die b<strong>er</strong>eits in <strong>d<strong>er</strong></strong> Einführung angesprochene Rückbesinnungauf eine ursprüngliche V<strong>er</strong>haltensweise gehört offenbar zum allgemeinmenschlichen Räsoni<strong>er</strong>en üb<strong>er</strong> das, was natürlich und waswi<strong>d<strong>er</strong></strong>natürlich ist. Was wollte eigentlich <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch, als <strong>er</strong> zuwirtschaften begann? Solange <strong>er</strong> allein war, dachte <strong>er</strong> an nichts an<strong>d<strong>er</strong></strong>esals an die Deckung <strong>sein</strong>es existentiellen Bedarfs. Als <strong>er</strong> mitan<strong>d<strong>er</strong></strong>en zusammen lebte und <strong>de</strong>n Vorzug <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsteilung <strong>er</strong>fuhr,mußte <strong>er</strong> in <strong>sein</strong>em Mitmenschen voraussetzen, daß auch <strong>er</strong>die gleiche Intention habe, wenn <strong>er</strong> arbeitete. Sie tauschten alsoeinzig ihre Arbeit aus. Dies<strong>er</strong> Tausch in ein<strong>er</strong> stationären Wirtschaftschloß je<strong>de</strong>n Gedanken an Gewinn aus, wie <strong>er</strong> im Sinn <strong>de</strong>s<strong>Kapitalist</strong>en steht, nämlich aus Geld Ware und aus dies<strong>er</strong> mehrGeld zu machen. So <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistische Gedankengang. Marx nahmnaturgemäß zugleich an, daß die läng<strong>er</strong>e Arbeitszeit im Tausch<strong>de</strong>s Objektes auch höh<strong>er</strong> bew<strong>er</strong>tet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n müsse.Die christliche Bew<strong>er</strong>tung dieses primitiven Sachv<strong>er</strong>haltes <strong>de</strong>s<strong>er</strong>sten Tausches in ein<strong>er</strong> stationären Wirtschaft geht mit <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischeninsof<strong>er</strong>n einig, als auch sie keinen Raum für einen Ge-43


winn <strong>er</strong>kennt. Thomas von Aquin 2 stellte die Frage, ob ein Kaufmann<strong>de</strong>n Preis ein<strong>er</strong> Ware, die <strong>er</strong> auf einem Markt eingekaufthat, auf einem an<strong>d<strong>er</strong></strong>en, in <strong>de</strong>m höh<strong>er</strong>e Preise für die gleiche Warebezahlt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, im gleichen V<strong>er</strong>hältnis <strong>er</strong>höhen, also einen Gewinnmachen dürfe. Grundsätzlich stand für ihn fest, daß <strong>d<strong>er</strong></strong>Kaufmann an sich nur <strong>sein</strong>e Arbeit, die Transportkosten, b<strong>er</strong>echnenkönne. Er gestattete ihm all<strong>er</strong>dings, sich an die Preise <strong>de</strong>szweiten Marktes anzupassen, doch mit <strong>d<strong>er</strong></strong> ausdrücklichen Bem<strong>er</strong>kung,daß <strong>er</strong> kein Gewinnmotiv haben dürfe.Natürlich muß auch <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> an sich begreifen, daß eine Ware,die mehr Arbeit kostete, auch mehr w<strong>er</strong>t sei. Doch wird mitdiesem Sachv<strong>er</strong>halt nicht die Konsequenz v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>n, daß imTausch die in läng<strong>er</strong><strong>er</strong> Arbeitszeit produzi<strong>er</strong>te Ware <strong>de</strong>swegenauch zu diesem W<strong>er</strong>t getauscht w<strong>er</strong><strong>de</strong>. Vielmehr steht in <strong>d<strong>er</strong></strong>christlichen Bew<strong>er</strong>tung <strong>d<strong>er</strong></strong> Gebrauchsn<strong>utz</strong>en im Vor<strong>d<strong>er</strong></strong>grund.Das heißt, man tauscht eine produzi<strong>er</strong>te Ware, die man nicht o<strong>d<strong>er</strong></strong>je<strong>de</strong>nfalls im V<strong>er</strong>gleich zu ein<strong>er</strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Ware, wenig<strong>er</strong> braucht,gegen eine an<strong>d<strong>er</strong></strong>e, die einem nützlich<strong>er</strong> <strong>er</strong>scheint, wobei es nichtsausmacht, daß man für die Eigenproduktion mehr Arbeit aufgewandthat als <strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>e für <strong>sein</strong> Angebot. Ja, man schenkt üb<strong>er</strong>hauptdas, was gemäß <strong>de</strong>m allgemeinen Standard als Luxus zu betrachtenist, <strong>de</strong>mjenigen, <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>ssen bedarf, unbesehen <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsleistung,die man vollbracht hat. Dies<strong>er</strong> altchristliche Gedankehat bei Marx ein gewisses Echo gefun<strong>de</strong>n in <strong>d<strong>er</strong></strong> Maxime: „Je<strong>de</strong>mnach <strong>sein</strong>en Bedürfnissen".Die christliche Analyse <strong>de</strong>s naturhaften W<strong>er</strong>turteils ist ab<strong>er</strong>nicht wie bei Marx mit <strong>de</strong>m V<strong>er</strong>zicht auf Privateigentum v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>n.Das heißt, das Prinzip <strong>d<strong>er</strong></strong> Solidarität mit <strong>de</strong>m Mitmenschensteht noch vor <strong>d<strong>er</strong></strong> Frage, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> einzelne mit <strong>de</strong>m Mitmenschenprivates o<strong>d<strong>er</strong></strong> kommunes Eigentum teilen soll. Es ist lediglich diemoralische Formuli<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Schöpfungsordnung, daß die mat<strong>er</strong>iellenGüt<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Welt zum N<strong>utz</strong>en <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschheit geschaffenwor<strong>de</strong>n sind. Thomas von Aquin hat die christliche Tradition inzwei Artikeln systematisch geordnet. In <strong>de</strong>m <strong>er</strong>sten Artikel (S.Theol. II-II 66.1) fragt <strong>er</strong> allgemein, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch eine natürliche2S. Theol. II-II 77,4.44


se v<strong>er</strong>mischte, durchforscht hat. Den V<strong>er</strong>such, <strong>de</strong>n homo Justusin <strong>sein</strong><strong>er</strong> W<strong>er</strong>tung, was G<strong>er</strong>echtigkeit zu <strong>sein</strong> hat, aufzuspüren,hat neu<strong>er</strong>dings John Rawls (A Theory of Justice, 1972, <strong>de</strong>utsch: EineTheorie <strong>d<strong>er</strong></strong> G<strong>er</strong>echtigkeit, 1975) gemacht. Die Prinzipien <strong>d<strong>er</strong></strong>G<strong>er</strong>echtigkeit w<strong>er</strong><strong>de</strong>n an einem Denkmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s originären Menschenfestgestellt. D<strong>er</strong> Gedanke ähnelt <strong>de</strong>m von Locke, <strong>d<strong>er</strong></strong> im realenMenschen <strong>de</strong>n von Lei<strong>de</strong>nschaften g<strong>er</strong>einigten Naturzustand<strong>de</strong>s Menschen zu <strong>er</strong>mitteln v<strong>er</strong>suchte. Im Grun<strong>de</strong> stimmt dieseBetrachtungsweise mit <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>s Aristoteles üb<strong>er</strong>ein, <strong>d<strong>er</strong></strong> das vomrectus appetitus geleitete W<strong>er</strong>turteil unt<strong>er</strong>suchte, all<strong>er</strong>dings ohneMoral und Recht so zu trennen, wie es Rawls glaubte tun zu müssen,um die gesellschaftlichen Zwischenbeziehungen im Sinn <strong>d<strong>er</strong></strong>Freiheit zu koordini<strong>er</strong>en. Das Bemühen Rawls', im (wenngleichauch nur hypothetischen) Urzustand <strong>de</strong>s Menschen univ<strong>er</strong>sal gültigeNormen <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Lebens zu fin<strong>de</strong>n, beweist dieUnmöglichkeit, <strong>de</strong>m metaphysischen Anliegen <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichenV<strong>er</strong>nunft zu entgehen. In irgen<strong>de</strong>in<strong>er</strong> Weise kommt je<strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialethik<strong>er</strong>zu ein<strong>er</strong> irgendwie metaphysisch orienti<strong>er</strong>ten Naturrechtslehrezurück, sof<strong>er</strong>n <strong>er</strong> nicht wie <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus das moralischeGrundbewußt<strong>sein</strong> <strong>de</strong>s Menschen in <strong>de</strong>n mat<strong>er</strong>ialistisch-historischenProzeß einv<strong>er</strong>webt.Thomas von Aquin hat trotz <strong>d<strong>er</strong></strong> Be<strong>de</strong>utung, die <strong>er</strong> <strong>de</strong>m originärenStatus <strong>de</strong>s Menschen im Paradies zuschrieb, <strong>sein</strong>e Analysekonkret<strong>er</strong> sozial<strong>er</strong> Wirklichkeit nicht an <strong>de</strong>n originären Statusangeknüpft. In Fortführung <strong>de</strong>s aristotelischen Naturbegriffs hat<strong>er</strong> bewußt die Abstraktionslehre ausgebaut und die Natur v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>nals eine je<strong>de</strong>n Status üb<strong>er</strong>greifen<strong>de</strong> univ<strong>er</strong>sal gültigeNorm. Entsprechend <strong>sein</strong>em Normbegriff kann die Gesellschaft— entgegen <strong>d<strong>er</strong></strong> Kontrakttheorie, wie sie sich bei Th. Hobbes, J.Locke, J. J. Rousseau, Rawls und <strong>de</strong>n mo<strong>d<strong>er</strong></strong>nen, <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>alistischenFreiheitsbegriff Kants v<strong>er</strong>pflichteten Autoren fin<strong>de</strong>t — nicht vonrein methodologisch konzipi<strong>er</strong>ten Prinzipien geordnet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Die Metho<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Kontrakttheorie ist ein leicht<strong>er</strong> Weg, um <strong>d<strong>er</strong></strong>konkret unumgänglichen Notwendigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Güt<strong>er</strong>abwägungauszuweichen. All<strong>er</strong>dings muß man <strong>d<strong>er</strong></strong> Methodologie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Praxi<strong>sein</strong>en ihr gebühren<strong>de</strong>n Platz einräumen. Die schärfsten Gegn<strong>er</strong><strong>de</strong>s Methodologismus sind die <strong>Marxist</strong>en, weil sie gemäß ihr<strong>er</strong>46


Prämissen nicht begreifen, daß die Fragen <strong>d<strong>er</strong></strong> g<strong>er</strong>echten Zuteilungfunktionalisi<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n könnten. Die Philosophen und Theologen<strong>d<strong>er</strong></strong> Entwicklungslän<strong>d<strong>er</strong></strong> sehen die Benachteiligung undAusbeutung ihr<strong>er</strong> Län<strong>d<strong>er</strong></strong> g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> im Funktionalismus <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaftbegrün<strong>de</strong>t. Darum ihre Sympathie für die marxistischeAnalyse. Doch brauchte es nicht <strong>de</strong>n Rückgriff auf Marx, um zueinem inhaltlich gültigen Krit<strong>er</strong>ium <strong>d<strong>er</strong></strong> g<strong>er</strong>echten V<strong>er</strong>teilung zugelangen. Zu<strong>de</strong>m v<strong>er</strong>mag die marxistische Analyse, die wegen ihresrein geschichtlichen Ansatzes und auch wegen <strong>d<strong>er</strong></strong> nur stückweisenErfassung <strong>de</strong>s W<strong>er</strong>turteils <strong>de</strong>s originären Menschen, nichtdas zu leisten, was man von ein<strong>er</strong> Analyse <strong>de</strong>s Humanum <strong>d<strong>er</strong></strong>wirtschaftlichen Beziehungen <strong>er</strong>wartet. Braucht es die Betrachtung<strong>de</strong>s <strong>er</strong>sten Tauschaktes, um zu <strong>er</strong>kennen, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch<strong>de</strong>n Mitmenschen nicht als Mittel <strong>de</strong>s Gewinns, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n als Partn<strong>er</strong>gemeinsam<strong>er</strong> Bedarfs<strong>de</strong>ckung zu betrachten hat? Mit welchemRecht kann man behaupten, <strong>d<strong>er</strong></strong> originäre Tauschakt, in<strong>de</strong>m nur Arbeit ausgetauscht wird, habe normativen Charakt<strong>er</strong>?Warum soll das Streben nach Gewinnmaximi<strong>er</strong>ung ein für alleMal <strong>de</strong>m V<strong>er</strong>dikt v<strong>er</strong>fallen? Warum soll <strong>d<strong>er</strong></strong> Zins für alle Zeitenmit <strong>de</strong>m Makel <strong>d<strong>er</strong></strong> Bosheit und Ung<strong>er</strong>echtigkeit behaftet <strong>sein</strong>?Als Thomas von Aquin die Frage nach <strong>de</strong>n Preisunt<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n auf<strong>de</strong>n v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Märkten behan<strong>de</strong>lte, dachte <strong>er</strong> an <strong>sein</strong>e wirtschaftlicheUmwelt. Es wäre ihm nie eingefallen, <strong>sein</strong>e Äuß<strong>er</strong>ungbezüglich <strong>de</strong>s g<strong>er</strong>echten Preises als für alle möglichen Wirtschaftsformengültig zu behaupten. Er kannte nun eimal nur <strong>sein</strong>e Zeitmit <strong>d<strong>er</strong></strong> stationären Wirtschaft. Das Zinsv<strong>er</strong>bot war eine Selbstv<strong>er</strong>ständlichkeitbei einem Darlehen, in <strong>de</strong>m es nur um Konsumgüt<strong>er</strong>ging, die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Konsumption v<strong>er</strong>schwin<strong>de</strong>n, also kein<strong>er</strong>leiFrucht tragen können. Das Geld wur<strong>de</strong> ganz <strong>de</strong>n im Konsum v<strong>er</strong>brauchtenGüt<strong>er</strong>n gleichgestellt.Selbst die Analyse <strong>de</strong>s originären Tauschaktes, wie sie <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismusvornimmt, ist nicht <strong>er</strong>schöpfend. Sie gilt höchstens für<strong>de</strong>n Tausch <strong>d<strong>er</strong></strong> minimal nötigen Existenzmittel, setzt also eineWirtschaft im primitivsten Stadium voraus. Im Grun<strong>de</strong> haben diebei<strong>de</strong>n Tauschen<strong>de</strong>n Gebrauchsgegenstän<strong>de</strong> getauscht. Je<strong>de</strong>m <strong>d<strong>er</strong></strong>bei<strong>de</strong>n kam es darauf an, etwas zum Leben Notwendiges zu <strong>er</strong>halten.Die primäre Bew<strong>er</strong>tung war <strong>d<strong>er</strong></strong> subjektive N<strong>utz</strong>en, nicht die47


Arbeit. Geht man ab<strong>er</strong> vom subjektiven Gebrauchsw<strong>er</strong>t aus, dann<strong>er</strong>gibt sich ein ganz an<strong>d<strong>er</strong></strong>es Krit<strong>er</strong>ium für die weit<strong>er</strong>e Entwicklung.Die Bew<strong>er</strong>tung nach <strong>de</strong>m subjektiven Gebrauchsw<strong>er</strong>t <strong>er</strong>gibtsich b<strong>er</strong>eits aus <strong>de</strong>m Motiv, warum <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch üb<strong>er</strong>haupt zu arbeitenanfing, bevor <strong>er</strong> an <strong>de</strong>n Tausch dachte. Im Grun<strong>de</strong> v<strong>er</strong>fälltMarx einem Ontologismus, wenn <strong>er</strong> <strong>de</strong>n W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong> einzelnen Warenach <strong>d<strong>er</strong></strong> eingesetzten Produktionskraft Arbeit bemißt, sosehr <strong>er</strong><strong>de</strong>n wirtschaftlichen Gesamtw<strong>er</strong>t nach <strong>de</strong>m sozialen N<strong>utz</strong>en bestimmt,d. h. die Arbeit auf die Gesellschaft als Ganzem bezieht,unt<strong>er</strong> diesem sozialistischen Gesichtspunkt also ebenfalls dieNachfrage kennt.Schon Augustinus hat sich von an<strong>d<strong>er</strong></strong>em Blickpunkt aus gegendie ontologische W<strong>er</strong>tbestimmung gewandt, in<strong>de</strong>m <strong>er</strong> <strong>de</strong>n individuellenN<strong>utz</strong>en <strong>d<strong>er</strong></strong> Güt<strong>er</strong> als Maßstab angab: „Die Art <strong>d<strong>er</strong></strong> Schätzungeines je<strong>de</strong>n Dinges ist je nach <strong>sein</strong>em Gebrauch v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n,<strong>d<strong>er</strong></strong>art, daß wir sinnlose Wesen <strong>de</strong>n Sinnenwesen vorziehen, undzwar so weitgehend, daß, wenn wir es könnten, wir sie völlig aus<strong>d<strong>er</strong></strong> Naturordnung beseitigen wür<strong>de</strong>n, sei es aus Unkenntnis ihresStandortes in ihr [in <strong>d<strong>er</strong></strong> Naturordnung], sei es trotz klar<strong>er</strong> Erkenntnis,weil wir sie hint<strong>er</strong> uns<strong>er</strong>e Annehmlichkeiten stellen.W<strong>er</strong> hätte zuhause nicht lieb<strong>er</strong> Brot als Mäuse o<strong>d<strong>er</strong></strong> Silb<strong>er</strong>münzenan Stelle von Flöhen? Was ist dann V<strong>er</strong>wun<strong>d<strong>er</strong></strong>liches daran, wennbei <strong>d<strong>er</strong></strong> Einschätzung von Menschen, <strong>d<strong>er</strong></strong>en Natur doch wahrhaftigeine so große Wür<strong>de</strong> besitzt, ein Pf<strong>er</strong>d höh<strong>er</strong> gew<strong>er</strong>tet wird al<strong>sein</strong> Sklave, ein Schmuckstück mehr als eine Magd? So weicht dieSchauweise <strong>de</strong>s nur Betrachten<strong>de</strong>n in <strong>d<strong>er</strong></strong> freien Urteilsgestaltungweit ab von <strong>d<strong>er</strong></strong> Not <strong>de</strong>s Bedürftigen o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Lust <strong>de</strong>s Begi<strong>er</strong>igen"(De Citivate Dei, lib. 11, c.16; CSEL 40, 535).Das Produkt <strong>de</strong>s Menschen ist nicht nur v<strong>er</strong>gegenständlichteArbeit. Es ist in <strong>er</strong>st<strong>er</strong> Linie ein Objekt <strong>d<strong>er</strong></strong> Bedarfs<strong>de</strong>ckung. SeinW<strong>er</strong>t ist darum in all<strong>er</strong><strong>er</strong>st<strong>er</strong> Linie <strong>d<strong>er</strong></strong> subjektive Gebrauchsw<strong>er</strong>t.Daß Marx die originäre Bew<strong>er</strong>tung <strong>de</strong>s Produktes beim <strong>er</strong>stenTausch ansetzt, rührt dah<strong>er</strong>, daß <strong>er</strong> nur die zwischenmenschlicheBeziehung in die wirtschaftliche Betrachtung einbezieht. Das nurmetaphysisch <strong>er</strong>faßbare Wesen <strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichen Handlungmußte ihm entgehen, weil <strong>er</strong> kein metaphysisches Wesen <strong>de</strong>sMenschen (metaphysisch im dargelegten Sinne) <strong>er</strong>kennt. Zum48


metaphysischen Wesen <strong>de</strong>s Menschen gehört, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch alsEinzelmensch und P<strong>er</strong>son <strong>sein</strong>e Existenzsich<strong>er</strong>ung und Entfaltungsucht. Diese fin<strong>de</strong>t <strong>er</strong> nur auf <strong>de</strong>m Weg üb<strong>er</strong> subjektiv bestimmteGebrauchsw<strong>er</strong>te.Ganz offenbar reicht die Analyse <strong>de</strong>s geschichtlich <strong>er</strong>sten Zustan<strong>de</strong>snicht aus, um die <strong>de</strong>m Wesen <strong>de</strong>s Menschen entsprechen<strong>de</strong>V<strong>er</strong>haltensweise zu <strong>er</strong>kennen. Die marxistische Analyse muß,um eine Wahrheits<strong>er</strong>kenntnis zu lief<strong>er</strong>n, in die metaphysischeumgewan<strong>de</strong>lt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Das heißt: sie muß aufhören, mit <strong>de</strong>m historischenMat<strong>er</strong>ialismus v<strong>er</strong>kettet zu <strong>sein</strong>. Das ab<strong>er</strong> ist keinemarxistische, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n b<strong>er</strong>eits eine naturrechtliche Analyse, wiesie in <strong>d<strong>er</strong></strong> katholischen Soziallehre zugrun<strong>de</strong>gelegt wird. Vom katholischenStandpunkt aus ist darum die marxistische Analysenicht nur als unbrauchbar, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch als <strong>de</strong>m christlichenNormen<strong>de</strong>nken konträr zu beurteilen. Das Gleiche gilt all<strong>er</strong>dingsauch von mo<strong>d<strong>er</strong></strong>nen Metho<strong>de</strong>n, die hypothetisch mit einem originärenZustand <strong>de</strong>s Menschen op<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en. Auch sie haben nur Erkenntnisw<strong>er</strong>t,wenn man sie als metaphysisches Eindringen in dieTiefen <strong>d<strong>er</strong></strong> praktischen, d. h. <strong>d<strong>er</strong></strong> w<strong>er</strong>ten<strong>de</strong>n V<strong>er</strong>nunft auffaßt. Indiesem Fall ab<strong>er</strong> geht es nicht mehr an, die formale von <strong>d<strong>er</strong></strong> mat<strong>er</strong>ialenG<strong>er</strong>echtigkeit zu trennen, d. h. die G<strong>er</strong>echtigkeit zu funktionalisi<strong>er</strong>en.III. Gemeinsamkeiten und Diff<strong>er</strong>enzen in <strong>d<strong>er</strong></strong>EigentumsfrageWirtschaftliches Han<strong>de</strong>ln darf von <strong>sein</strong><strong>er</strong> Zweckbestimmungaus nicht auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Basis <strong>de</strong>s privaten Eigentumsrechts <strong>de</strong>s wirtschaften<strong>de</strong>nSubjekts <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Darin kommen marxistischeund christliche Anschauungen üb<strong>er</strong>ein. D<strong>er</strong> Mensch setzt <strong>sein</strong>eLeistungskraft zur Bearbeitung eines in <strong>d<strong>er</strong></strong> Natur befindlichenObjektes im Hinblick auf <strong>sein</strong>e Existenzsich<strong>er</strong>ung und Entfaltungein. Ob dies nun auf <strong>de</strong>m Wege üb<strong>er</strong> Gemein- o<strong>d<strong>er</strong></strong> Privatbesitz<strong>er</strong>folgen muß, ist zunächst nicht ausgemacht. Mit dies<strong>er</strong> allgemeinenErfahrungstatsache beginnt je<strong>de</strong> Philosophie <strong>de</strong>s Wirtschaf-49


tens. Auch im Fall <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsteilung braucht das private Eigentumsrechtnicht unbedingt ins Spiel zu kommen. Gemäß ihr<strong>er</strong> inn<strong>er</strong>enBestimmung steht, wie b<strong>er</strong>eits gesagt, die nicht v<strong>er</strong>nunftbegabteWelt im Dienst <strong>d<strong>er</strong></strong> gesamten Menschheit. Die N<strong>utz</strong>nießungist grundsätzlich sozial bestimmt. Das Prinzip <strong>d<strong>er</strong></strong> Solidarität,nicht das <strong>d<strong>er</strong></strong> kommutativen G<strong>er</strong>echtigkeit, ist darum ob<strong>er</strong>stesHandlungsprinzip. Die V<strong>er</strong>teilung, auch die Zuteilung für <strong>er</strong>brachteLeistung, ist einem allgemein gesellschaftlichen Ziel unt<strong>er</strong>stellt.4Gemäß welchem Organisationsprinzip nun die reale V<strong>er</strong>wirklichungdieses Grundprinzips <strong>d<strong>er</strong></strong> Solidarität zu <strong>er</strong>folgen hat, ist eineFrage, die nicht einzig von <strong>d<strong>er</strong></strong> W<strong>er</strong>tordnung aus, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n nurim Zusammenhang mit <strong>de</strong>m tatsächlichen V<strong>er</strong>halten <strong>de</strong>s Menschengelöst w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann. Hi<strong>er</strong> schei<strong>de</strong>n sich die Wege marxistischenund christlichen Denkens in entschei<strong>de</strong>n<strong>d<strong>er</strong></strong> Weise. D<strong>er</strong>Marxismus, <strong>d<strong>er</strong></strong> keine metaphysische Abstraktion kennt, kann dieUnt<strong>er</strong>scheidung zwischen W<strong>er</strong>t und op<strong>er</strong>ationellem Prinzip <strong>d<strong>er</strong></strong>W<strong>er</strong>tv<strong>er</strong>wirklichung nicht mitmachen. Folg<strong>er</strong>ichtig zu <strong>sein</strong>em <strong>er</strong>kenntnistheoretischenStandpunkt ist je<strong>de</strong> funktionale Mediatisi<strong>er</strong>unginhuman. Aus <strong>de</strong>mselben Grund kann <strong>er</strong> die Arbeit nur alsSelbstv<strong>er</strong>wirklichung begreifen, während für <strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en die Arbeitein Mittel ist, sich jene Güt<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>w<strong>er</strong>ben o<strong>d<strong>er</strong></strong> zu b<strong>er</strong>eiten,die <strong>er</strong> zur Selbstv<strong>er</strong>wirklichung braucht. Die Arbeit ist darum zunächstnur um ihr<strong>er</strong> Dienstfunktion willen Selbstv<strong>er</strong>wirklichung.Es gibt im christlichen Denken nur eine einzige menschliche Tätigkeit,die ausschließlich Selbstv<strong>er</strong>wirklichung ist: die Kontemplation,in <strong>d<strong>er</strong></strong> Ausdruckweise Taul<strong>er</strong>s: „Dein Erkennen ist <strong>de</strong>inhöchstes Schaffen", o<strong>d<strong>er</strong></strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Formuli<strong>er</strong>ung <strong>de</strong>s Evangeliums,wonach höchstes Gut ist, <strong>de</strong>n Vat<strong>er</strong> im Himmel zu <strong>er</strong>kennen und<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n <strong>er</strong> gesandt hat.Wie sollen nun die Menschen ihre produktive Tätigkeit organisi<strong>er</strong>en,daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Auftrag <strong>er</strong>füllt wird, daß alle leben und sich entfal-4Für dieses, je<strong>de</strong>m Wirtschaftssystem vorgelag<strong>er</strong>te W<strong>er</strong>t<strong>de</strong>nken ist die Enzyklika„Laborem ex<strong>er</strong>cens" von Johannes Paul II. typisch. W<strong>er</strong> dort Hinweise auf dieMarktwirtschaft o<strong>d<strong>er</strong></strong> auf <strong>de</strong>n Labourismus sucht, ist falsch b<strong>er</strong>aten. Vgl. A. F. Utz,Die Wür<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit als Norm <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsordnung. In: WirtschaftspolitischeBlätt<strong>er</strong>, Wien 1982, H. 2, 14-18.50


elassen ist, daß die P<strong>er</strong>son an <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung ihr<strong>er</strong> ewigenB<strong>er</strong>ufung nicht gehin<strong>d<strong>er</strong></strong>t wird. D<strong>er</strong> Staat hat keine Kompetenz,Lebensdogmen zu formuli<strong>er</strong>en. Dies besagt nicht, daß damitschon <strong>d<strong>er</strong></strong> Pluralismus <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltanschauungen und <strong>d<strong>er</strong></strong> Sittennachgewiesen wäre. D<strong>er</strong> Pluralismus <strong>d<strong>er</strong></strong> W<strong>er</strong>te, und damit dieNicht-Einmischung <strong>d<strong>er</strong></strong> staatlichen Macht in die moralische Gestaltung<strong>d<strong>er</strong></strong> gesellschaftlichen V<strong>er</strong>hältnisse, <strong>er</strong>gibt sich <strong>er</strong>st auf <strong>d<strong>er</strong></strong>empirischen Ebene, d. h. aus <strong>d<strong>er</strong></strong> soziologisch nachweisbaren Vielzahlvon Lebensanschauungen. Selbst in ein<strong>er</strong> weltanschaulichgleich gestalteten Gesellschaft hat zumin<strong>de</strong>st die Gewissensfreiheitnoch imm<strong>er</strong> ihren vollb<strong>er</strong>echtigten Platz. Wenn im christlichenMittelalt<strong>er</strong> die Gewissensfreiheit diese Hochachtung nichtgenoß wie heute, dann sind dafür die damaligen gesellschaftlichenV<strong>er</strong>hältnisse und vor allem das g<strong>er</strong>inge V<strong>er</strong>ständnis für die Psychologie<strong>de</strong>s Glaubensaktes v<strong>er</strong>antwortlich. Die Ansicht, daßman <strong>de</strong>n Glauben nicht ohne Sün<strong>de</strong> v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en könne, mag reintheoretisch stimmen. Es steht dann ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> noch in Frage, obein Mensch, <strong>d<strong>er</strong></strong> beispielsweise katholisch getauft und aufgewachsenist, wirklich <strong>sein</strong>en Glauben v<strong>er</strong>loren hat, wenn <strong>er</strong> <strong>er</strong>klärt, <strong>er</strong>könne dies o<strong>d<strong>er</strong></strong> jenes nicht glauben. Das menschliche Seelenlebenist zu v<strong>er</strong>wickelt, als daß man aus einem äuß<strong>er</strong>en Bekenntnis o<strong>d<strong>er</strong></strong>ein<strong>er</strong> äuß<strong>er</strong>en Absage an ein bestimmtes Glaubensbekenntnisschon auf <strong>de</strong>n V<strong>er</strong>lust <strong>sein</strong>es üb<strong>er</strong>natürlichen Glaubens schließendürfte. Für diesen Sachv<strong>er</strong>halt hatte das Mittelalt<strong>er</strong> noch nicht dienötige Psychologie zur V<strong>er</strong>fügung.Aus <strong>de</strong>m p<strong>er</strong>sonalen Entscheidungsrecht <strong>er</strong>gibt sich für dieWirtschaftsordnung die grundlegen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s subjektiven,individuellen Gebrauchsw<strong>er</strong>tes und damit auch die Orienti<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> Produktion auf diesen p<strong>er</strong>sonal bestimmten W<strong>er</strong>t. Dies beinhaltetdie For<strong>d<strong>er</strong></strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaft, die ihr<strong>er</strong>seits nur auf<strong>d<strong>er</strong></strong> Basis <strong>de</strong>s privaten Produktionsmitteleigentums Bestand habenkann.D<strong>er</strong> subjektive, individuelle Gebrauchsw<strong>er</strong>t wird vom Marxismushintangestellt zugunsten eines allgemeinen gesellschaftlichenN<strong>utz</strong>ens. D<strong>er</strong> Marxismus hat hi<strong>er</strong>bei <strong>de</strong>n Vorteil, daß <strong>sein</strong>e Planung,die imm<strong>er</strong> eine Gesamtplanung ist und im wesentlichenmit <strong>d<strong>er</strong></strong> zentralv<strong>er</strong>walteten Wirtschaft üb<strong>er</strong>einkommt — wenn-52


gleich es v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Lock<strong>er</strong>ungen in <strong>d<strong>er</strong></strong> Zentralv<strong>er</strong>waltung gebenmag (Jugoslawien, „Humane Wirtschafts<strong>de</strong>mokratie" nach O.Sik usw.) —, nicht im Spannungsv<strong>er</strong>hältnis individuell<strong>er</strong> und öffentlich<strong>er</strong>Int<strong>er</strong>essen steht. Das ist nur möglich bei Ausschluß <strong>de</strong>sprivaten Produktionsmitteleigentums. Dies trifft auch für dieVorstellung O. Siks zu, <strong>d<strong>er</strong></strong> die Unt<strong>er</strong>nehmen in <strong>d<strong>er</strong></strong> Form vonStiftungen konzipi<strong>er</strong>t, in <strong>de</strong>nen sich die Betriebsangehörigen lediglichals Eigentüm<strong>er</strong> „empfin<strong>de</strong>n" können, 5 es ab<strong>er</strong> nicht sind.Vom christlichen P<strong>er</strong>sonbegriff aus ist je<strong>de</strong>nfalls ein Wirtschaftssystem,das grundsätzlich das private Produktionsmitteleigentumausschließt, nicht vorstellbar. D<strong>er</strong> Arbeitsv<strong>er</strong>trag, <strong>de</strong>m dieses Privateigentumzugrun<strong>de</strong> liegt, kann darum nicht als illegitim bezeichnetw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Im übrigen bringt <strong>er</strong> manche Vorteile (z. B. festenLohnabschluß), so sehr <strong>er</strong> <strong>de</strong>n Arbeitnehm<strong>er</strong> mehr als <strong>d<strong>er</strong></strong>Gesellschaftsv<strong>er</strong>trag ins Abhängigkeitsv<strong>er</strong>hältnis bringt. Die Befreiung<strong>de</strong>s Arbeitnehm<strong>er</strong>s von <strong>d<strong>er</strong></strong> Abhängigkeit im Sinn <strong>de</strong>s BetriebskollektivsO. Siks birgt in sich nicht g<strong>er</strong>inge Risiken für <strong>de</strong>nArbeitnehm<strong>er</strong> und zu<strong>de</strong>m eine Menge von Konfliktstoff (Aufteilung<strong>de</strong>s Unt<strong>er</strong>nehmens<strong>er</strong>trages an die v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Leistungen,an die Investitionen und Fonds).D<strong>er</strong> empirische Gesichtspunkt. — Das tatsächliche V<strong>er</strong>halten <strong>d<strong>er</strong></strong>Menschen ist alles an<strong>d<strong>er</strong></strong>e, als was die W<strong>er</strong>tordnung eigentlich dikti<strong>er</strong>t.Ob Arbeitgeb<strong>er</strong> o<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitnehm<strong>er</strong>, alle <strong>de</strong>nken an ihre Int<strong>er</strong>essen.Die individuelle Int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>theit, auch wenn sie sich altruistischäuß<strong>er</strong>t, ist ein Motiv, das aus <strong>de</strong>m tatsächlichen Menschennicht auszurotten ist. Durchweg wirkt dieses Int<strong>er</strong>esse alsInt<strong>er</strong>esse am eigenen N<strong>utz</strong>en. Je<strong>de</strong>nfalls ist dies das Schw<strong>er</strong>gewicht,das an <strong>d<strong>er</strong></strong> ursprünglichen sittlichen Anlage nach untenzieht. D<strong>er</strong> Einbau eines solchen Motivs in ein gesamtheitlichesGesellschafts<strong>de</strong>nken ist ethisch nicht unproblematisch. Das Gewinnstrebenim Besitzen<strong>de</strong>n, das sorgfältige Abwägen <strong>de</strong>s Arbeitnehm<strong>er</strong>s,ob nicht <strong>d<strong>er</strong></strong> Mitarbeit<strong>er</strong> von <strong>sein</strong><strong>er</strong> Leistung profiti<strong>er</strong>t,das peinliche Bemühen <strong>d<strong>er</strong></strong> Steu<strong>er</strong>zahl<strong>er</strong>, <strong>de</strong>m Staat möglichst wenig,auf keinen Fall zuviel zu zahlen, scheint irgendwie die Qualifizi<strong>er</strong>ung<strong>de</strong>s Egoismus zu v<strong>er</strong>dienen. Kein Zweifel, <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch,'Humane Wirtschafts<strong>de</strong>mokratie, Ein dritt<strong>er</strong> Weg. Hamburg 1979, 373.53


durchaus v<strong>er</strong>tretbar, daß das Motiv <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinnmaximi<strong>er</strong>ung alsInstrument eingesetzt wird, um die möglichst produktive Unt<strong>er</strong>nehmungstätigkeitin <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz mit an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>nzu stimuli<strong>er</strong>en. Das System <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaft hört damitnicht auf o<strong>d<strong>er</strong></strong> soll gemäß staatlich zu formuli<strong>er</strong>en<strong>de</strong>n Ordnungsnormennicht aufhören, <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt zu dienen.Das Motiv <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinnmaximi<strong>er</strong>ung kommt nur zum Tragen,wenn Wettbew<strong>er</strong>b besteht. Wettbew<strong>er</strong>b setzt ab<strong>er</strong> grundsätzlichdie An<strong>er</strong>kennung <strong>de</strong>s Produktiveigentums voraus. Gewiß kannman sich aus<strong>de</strong>nken, daß Unt<strong>er</strong>nehmen, die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Form von Stiftungenbestehen, gegenseitig in Konkurrenz stehen. Soll dieseKonkurrenz im Sinn <strong>de</strong>s möglichst produktiven Einsatzes <strong>de</strong>s Kapitalsdurchgehalten v/<strong>er</strong><strong>de</strong>n, dann ist Voraussetzung, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> eineo<strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Mitarbeit<strong>er</strong>, wenn ihm die Investitionstätigkeit<strong>de</strong>s Kollektivs nicht paßt, aussch<strong>er</strong>en kann, um als Eigenunt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>die Innovationen zu schaffen, die <strong>sein</strong>em p<strong>er</strong>sönlichenUrteil gemäß produktiv<strong>er</strong> sind. Ein solch<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> wür<strong>de</strong>dann vom Ertrag wenig<strong>er</strong> für <strong>de</strong>n eigenen Konsum entnehmenund in <strong>sein</strong>em Unt<strong>er</strong>nehmen investi<strong>er</strong>en. Die An<strong>er</strong>kennung <strong>de</strong>sProduktiveigentums schließt nicht ein, daß alle Unt<strong>er</strong>nehmen aus<strong>Kapitalist</strong>en und aus im Arbeitsv<strong>er</strong>trag stehen<strong>de</strong>n Arbeitnehm<strong>er</strong>nzusammengesetzt sind. Es ist ab<strong>er</strong> v<strong>er</strong>langt, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Wettbew<strong>er</strong>bin <strong>sein</strong><strong>er</strong> letzten Analyse im Produktiveigentum v<strong>er</strong>ank<strong>er</strong>t ist.Wird <strong>d<strong>er</strong></strong> Ausweg aus <strong>de</strong>m Kollektivunt<strong>er</strong>nehmen in das p<strong>er</strong>sönlichgeführte Privatunt<strong>er</strong>nehmen v<strong>er</strong>sp<strong>er</strong>rt, dann fehlt <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenzein wesentliches Element. Einem solchen individuell geführtenPrivatunt<strong>er</strong>nehmen kann man die Kapitalaufnahme nichtv<strong>er</strong>wehren. Es muß in <strong>d<strong>er</strong></strong> Lage <strong>sein</strong>, Teilhab<strong>er</strong> am Kapital mitzubeteiligen,und zwar sowohl bezüglich <strong>d<strong>er</strong></strong> Investitionstätigkeitwie auch bezüglich <strong>d<strong>er</strong></strong> Rendite. Das heißt, w<strong>er</strong> das Produktionsmitteleigentumfür das Individuum an<strong>er</strong>kennt, muß auch die Kapitalgesellschaftenbejahen. Es sei ab<strong>er</strong> nochmals betont, daß damitdie gesamte Wirtschaft nicht in <strong>Kapitalist</strong>en und abhängigeArbeitnehm<strong>er</strong> aufgeteilt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n müsse. Ob es nun für einen Arbeitnehm<strong>er</strong>angenehm<strong>er</strong> ist, in einem Unt<strong>er</strong>nehmenskollektivo<strong>d<strong>er</strong></strong> in einem „kapitalistischen" Unt<strong>er</strong>nehmen zu arbeiten, ist eineFrage, die hi<strong>er</strong> nicht zu <strong>er</strong>ört<strong>er</strong>n ist. Er mag bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Vielheit55


von Unt<strong>er</strong>nehmensv<strong>er</strong>fassungen wählen, wo <strong>er</strong> arbeiten will. Imübrigen gibt es v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Formen <strong>d<strong>er</strong></strong> Kollektivunt<strong>er</strong>nehmen,vor allem solche, in <strong>de</strong>nen <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitnehm<strong>er</strong> durch Sparen <strong>sein</strong>enAnteil am Kapital sucht, und solche, in <strong>de</strong>nen <strong>er</strong> keinen Eigentumsanteilbesitzt wie z. B. in <strong>de</strong>m von O. Sik konzipi<strong>er</strong>ten Kollektivunt<strong>er</strong>nehmen.Daß letzt<strong>er</strong>e Form ihre eigenen Schwi<strong>er</strong>igkeitenhat, wur<strong>de</strong> von v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Wirtschaftswissenschaftl<strong>er</strong>nbehan<strong>de</strong>lt. Dies Problem hat so lange keine wirtschaftsethischeRelevanz, als es neben diesen Kollektivunt<strong>er</strong>nehmen noch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e,mit <strong>de</strong>m Produktionsmitteleigentum v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>ne Unt<strong>er</strong>nehmensv<strong>er</strong>fassungengibt.Schlußfolg<strong>er</strong>ung1. Die christliche Soziallehre ist insoweit mit <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistischenAuffassung einig, daß am Anfang all<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>legungen üb<strong>er</strong> dieWirtschaft nicht die methodologische Frage nach einem Regelsystemetwa <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz, auch vor allem nicht <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenzvon Eigentüm<strong>er</strong>n steht, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n die Frage nach <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>sWirtschaftens, nach <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt. Von diesem Gesichtspunktaus kritisi<strong>er</strong>en <strong>Marxist</strong>en und <strong>Christ</strong>en <strong>de</strong>n tatsächlichenKapitalismus. Im Marxismus ist Grundlage <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Zielorienti<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft <strong>d<strong>er</strong></strong> historische Mat<strong>er</strong>ialismus. Nachchristlich<strong>er</strong> Auffassung ist es die von Gott gewollte Schöpfungsordnung.2. Die christliche Soziallehre trennt sich vom Marxismus durchihre <strong>er</strong>kenntnistheoretische Einstellung, da sie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Mittelordnung,die zur V<strong>er</strong>wirklichung <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt führensoll, einen Funktionalismus wie die Marktwirtschaft mit <strong>de</strong>m inihr enthaltenen Gewinnstreben <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> zu legitimi<strong>er</strong>enimstan<strong>de</strong> ist, entgegen <strong>de</strong>m Marxismus, <strong>d<strong>er</strong></strong> von <strong>sein</strong><strong>er</strong> Erkenntnistheorieaus eine solche Mediatisi<strong>er</strong>ung nicht kennt, sogar ablehnenmuß.3. D<strong>er</strong> P<strong>er</strong>sonbegriff ist in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Weltanschauungengrundsätzlich v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n. Die P<strong>er</strong>son hat im christlichen V<strong>er</strong>ständnisEigenständigkeit im gesellschaftlichen Ganzen. D<strong>er</strong> Ma-56


t<strong>er</strong>ialismus <strong>de</strong>s Marxismus kann diese Eigenständigkeit nicht annehmen.4. D<strong>er</strong> christliche Begriff <strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son for<strong>d<strong>er</strong></strong>t eine Wirtschaftsordnung,in <strong>d<strong>er</strong></strong> die freie, individuell bestimmte Konsumfreiheitsowie die freie V<strong>er</strong>fügung üb<strong>er</strong> Produktionsmittel gewahrt sind,und zwar in <strong>d<strong>er</strong></strong> Weise, daß das private Eigentum gegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>möffentlichen Priorität hat, soweit nicht die allgemeine Wohlfahrtin Frage gestellt wür<strong>de</strong>. Die For<strong>d<strong>er</strong></strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> privatrechtlichen Eigentumsordnungwird noch <strong>er</strong>härtet durch die B<strong>er</strong>ücksichtigung<strong>d<strong>er</strong></strong> untilgbaren Neigung <strong>de</strong>s <strong>er</strong>bsündigen Menschen, mehr für dasEigene als für das Kommune int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t zu <strong>sein</strong>.5. Sof<strong>er</strong>n man unt<strong>er</strong> Kapitalismus eine Marktwirtschaft v<strong>er</strong>steht,in <strong>d<strong>er</strong></strong> das private Recht auf ProduktionsmitteleigentumGrundlage <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz ist, kann man sagen, daß christlichesWirtschafts<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>m Kapitalismus zuneigt, wobei Kapitalismusnicht mit <strong>de</strong>m lib<strong>er</strong>alen Kapitalismus zu v<strong>er</strong>wechseln, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nals freiheitliches Wirtschaftssystem zu v<strong>er</strong>stehen ist, das sehrwohl soziale Komponenten zu integri<strong>er</strong>en v<strong>er</strong>mag. D<strong>er</strong> Ausdruck„Syndrom" mag dafür hingenommen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, da darin Elementev<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n<strong>er</strong> Systeme ihren Platz haben, jedoch nur unt<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong>Bedingung <strong>d<strong>er</strong></strong> Grundnorm, <strong>de</strong>n privaten Investitor im Rahmen<strong>de</strong>s Gemeinwohls in <strong>sein</strong><strong>er</strong> Vorrangstellung gegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>m öffentlichenSektor anzu<strong>er</strong>kennen. Da ein solches „Syndrom" ein<strong>er</strong>gesamtheitlichen Grundnorm unt<strong>er</strong>steht, kann man mit Rechtvon einem kapitalistischen Wirtschaftssystem sprechen. In diesemSinn ist die öft<strong>er</strong>s gebrauchte Bezeichnung „kapitalistische Wirtschaftsweise"zu v<strong>er</strong>stehen.57


Diskussionsb<strong>er</strong>ichtDie starke Betonung <strong>de</strong>s privaten Eigentums in <strong>d<strong>er</strong></strong> Darstellung<strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaft und die Kennzeichnung <strong>de</strong>s Kapitalismus al<strong>sein</strong>es Wirtschaftssystems, für das die Option für <strong>de</strong>n privaten Eigentüm<strong>er</strong>ein signifikantes Charakt<strong>er</strong>istikum <strong>d<strong>er</strong></strong> Ordnung ist,hat die Frage wachg<strong>er</strong>ufen, ob damit das sogenannte kapitalistischeWirtschaftssystem nicht üb<strong>er</strong>zeichnet sei. R. Hettlage stelltdah<strong>er</strong> die Frage, wie es um die vielen an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Formen von Eigentumim Kapitalismus stehe, d. h. ob <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus nicht mehreine Mischform, <strong>de</strong>nn ein eigentlich uniformes System sei. In gleich<strong>er</strong>Weise äuß<strong>er</strong>t sich A. Klose. In <strong>d<strong>er</strong></strong> mo<strong>d<strong>er</strong></strong>nen Marktwirtschaftsei es wie ähnlich in <strong>de</strong>m b<strong>er</strong>eits angeführten Beispiel <strong>d<strong>er</strong></strong> englischenKönigin Elisabeth <strong>de</strong>nkbar, „daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat das Ob<strong>er</strong>eigentumo<strong>d<strong>er</strong></strong> das Eigentum an <strong>de</strong>n gesamten Produktionsmitteln innehatund die Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> entsprechend ein Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>eigentum.Wenn sich sonst nichts än<strong>d<strong>er</strong></strong>t als <strong>d<strong>er</strong></strong> Rechtsbegriff, wür<strong>de</strong>dies wirtschaftlich durchaus nichts ausmachen. An diesem extremenBeispiel läßt sich wohl zeigen, daß die rechtliche Konstruktionin je<strong>d<strong>er</strong></strong> Richtung hin möglich wäre. Ich meine, die Frage <strong>d<strong>er</strong></strong>rechtlichen Konstruktion sei zweitrangig, wenn nur die V<strong>er</strong>fügbarkeitund die V<strong>er</strong>antwortung rechtlich ausreichend gesich<strong>er</strong>tsind."Ich (A. F. Utz) <strong>er</strong>wi<strong>d<strong>er</strong></strong>te darauf, daß ich selbstv<strong>er</strong>ständlich <strong>de</strong>mkapitalistischen Wirtschaftssystem vielfältige Eigentumsformenzu<strong>er</strong>kenne. Wenn man ab<strong>er</strong> <strong>de</strong>m System auf <strong>de</strong>n Grund ginge,dann müsse man ein Kennzeichen angeben, das das wesentlicheDistinktivum gegenüb<strong>er</strong> allen an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Systemen darstelle. Unddas sei die Option für das Privateigentum an Produktionsmitteln,wobei noch gar nicht ausgemacht sei, daß dieses Privateigentumschon juristisch durchformuli<strong>er</strong>t sei. Es komme wesentlich daraufan, daß die Wirtschaftsgesellschaft dort, wo auf privatem Eigentumsrechtb<strong>er</strong>uhen<strong>de</strong> Initiative im Rahmen <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesamtwohlfahrtmöglich ist, auch realisi<strong>er</strong>t wird. Das Subsidiaritätsprinzip besageauch nicht, daß in je<strong>de</strong>m Fall die klein<strong>er</strong>e gesellschaftliche Einheitdie Priorität <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns habe, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n nur dort, wo sie die von58


ihr <strong>er</strong>wartete Leistung zu <strong>er</strong>bringen v<strong>er</strong>mag (sei es aus eigenenKräften, sei es mit Hilfe zur Initiative).Gegenüb<strong>er</strong> A. Klose, nach <strong>de</strong>ssen Ansicht die juristische Konstruktionzweitrangig sei, <strong>er</strong>klärte ich, die Fixi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>antwortlichkeitensollte so geschehen, daß Fehlentscheidungen in<strong>d<strong>er</strong></strong> Disposition unmittelbar durch eigenen Kapitalv<strong>er</strong>lust undnicht <strong>er</strong>st durch administrative Int<strong>er</strong>vention sanktioni<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Dies ab<strong>er</strong> v<strong>er</strong>langt in letzt<strong>er</strong> Analyse die juristische Konstruktion<strong>de</strong>s Privateigentums.Hinsichtlich <strong>de</strong>s Wettbew<strong>er</strong>bs, <strong>d<strong>er</strong></strong> durch das private Produktionsmitteleigentum<strong>sein</strong>e ganze Schärfe <strong>er</strong>hält, stellt H. D. Mundorfdie Frage, ob nicht g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Wettbew<strong>er</strong>b dazu angetan sei,daß ein<strong>er</strong> <strong>de</strong>n an<strong>d<strong>er</strong></strong>en v<strong>er</strong>dränge, so daß das Gemeinwohl <strong>de</strong>nN<strong>utz</strong>en aus <strong>d<strong>er</strong></strong> privaten Eigentumsordnung nicht zu ziehen v<strong>er</strong>möge,<strong>de</strong>n man eigentlich von ihr <strong>er</strong>warte.Tatsächlich ist „Kapitalv<strong>er</strong>geudung", um <strong>de</strong>n marxistischenAusdruck für dieses Phänomen zu gebrauchen, unv<strong>er</strong>meidlich.Im Grun<strong>de</strong> ist sie indirekt gewollt, nämlich als Sanktion für falscheInvestitionen. Man könnte nur noch fragen, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> Investitorwirklich als <strong>d<strong>er</strong></strong> Schuldige für falsche Investitionen zu bezeichnenist, während unt<strong>er</strong> Umstän<strong>de</strong>n die Undurchsichtigkeit <strong>de</strong>sMarktes die größ<strong>er</strong>e Schuld trägt.R. Hettlage greift an <strong>de</strong>n N<strong>er</strong>v <strong>d<strong>er</strong></strong> dargestellten Legitimi<strong>er</strong>ung<strong>de</strong>s privaten Eigentums: Das Mißtrauen gegen das Pflichtbewußt<strong>sein</strong><strong>de</strong>s Menschen im Hinblick auf die Gemeinwohlv<strong>er</strong>wirklichung.Die Entscheidung für <strong>de</strong>n privaten Eigentüm<strong>er</strong> könne dieGemeinwohlv<strong>er</strong>wirklichung nicht garanti<strong>er</strong>en. Die private Eigentumsordnung<strong>er</strong>mögliche lediglich das Vortasten an das im vorauseigentlich nie bestimmbare Gemeinwohl. Es stelle sich dah<strong>er</strong> dieFrage, ob nicht auch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e konkurrenzi<strong>er</strong>en<strong>de</strong> Eigentumsformenin dieses Vortasten mit einbezogen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n sollten.In <strong>d<strong>er</strong></strong> Tat v<strong>er</strong>mag auch die private Eigentumsordnung die V<strong>er</strong>wirklichung<strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt nicht zu garanti<strong>er</strong>en. Imm<strong>er</strong>hinhat sie das stärkste anthropologische Argument für sich.Sie braucht ab<strong>er</strong> einen höh<strong>er</strong>en Ordnungsfaktor, <strong>de</strong>n Staat. Dashaben alle Ordolib<strong>er</strong>alen <strong>de</strong>utlich unt<strong>er</strong>strichen. Im übrigen heißt„privat" nicht unbedingt „individuell". Man kann sich zwischen59


individuellem Eigentumsrecht und <strong>de</strong>m staatlichen Eigentum eineVielfalt von privaten Eigentumsformen vorstellen. G<strong>er</strong>a<strong>de</strong> inEntwicklungslän<strong>d<strong>er</strong></strong>n bietet sich die genossenschaftliche Form alsbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>s wirksam an.Das Recht auf Privateigentum ist kein Naturrecht wie etwa dasRecht auf Leben. Es ist ein Ordnungsprinzip, das nach kulturellen,sozialen und wirtschaftlichen Üb<strong>er</strong>legungen <strong>er</strong>st <strong>sein</strong>e Anwendungfin<strong>de</strong>t.A. Klose weist zur Erhärtung dieses Gedankens auf die kleinenKulturen hin, etwa die von Jobannes Messn<strong>er</strong> oft ziti<strong>er</strong>te Eskimogesellschaft,die zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n Urformen, also in <strong>de</strong>n geschlossenenKulturkreisen, kein Privateigentum kannte. Nur in <strong>de</strong>nentwickelten Industriegesellschaften sei das Privateigentum entwickeltwor<strong>de</strong>n. A. Klose fragt dah<strong>er</strong>, ob das Privateigentum auchund vor allem das private Produktionsmitteleigentum, auf Grund<strong>de</strong>s empirischen Befun<strong>de</strong>s als notwendig zu bezeichnen sei.Als Antwort hi<strong>er</strong>auf ist zu sagen, daß das Privateigentum anProduktionsmitteln in <strong>d<strong>er</strong></strong> Figur eines individuellen Rechts fürdie entwickelten Industriegesellschaften wohl die angemessenste,wenngleich nicht absolut notwendige Form ist. Die rumänischeZadruga, die nicht auf <strong>de</strong>m individuellen Recht basi<strong>er</strong>te, hat gutfunktioni<strong>er</strong>t. Man kann üb<strong>er</strong>haupt hinsichtlich <strong>de</strong>s individuellenEigentumsrechts keine absolute Norm aufstellen. Im Senegal sucheman, wie <strong>d<strong>er</strong></strong> Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Ob<strong>er</strong>sten G<strong>er</strong>ichtshofes <strong>er</strong>klärte,eine Neuformung <strong>d<strong>er</strong></strong> für die dortige Kultur zu individualistischenFormuli<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> UNO-Menschenrechts<strong>er</strong>klärung. ImZug <strong>d<strong>er</strong></strong> zunehmen<strong>de</strong>n Arbeitsteilung, wie sie sich in <strong>de</strong>n Industriegesellschaftenentwickelt, wird sich all<strong>er</strong>dings <strong>d<strong>er</strong></strong> Trend zurIndividualisi<strong>er</strong>ung aufdrängen. Man kann dies als eine naturrechtlicheo<strong>d<strong>er</strong></strong> bess<strong>er</strong> naturgemäße Entwicklung bezeichnen.A. Rausch<strong>er</strong> weist auf die <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentumsfrage vorgelag<strong>er</strong>tenanthropologischen Elemente hin: Die Eigeninitiative als Ausdruck<strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>sönlichkeit, die wie die Familie für <strong>de</strong>n Aufbau <strong>d<strong>er</strong></strong>Kultur von höchst<strong>er</strong> Be<strong>de</strong>utung sei. Das Gemeinwohl sei keine insich bestehen<strong>de</strong> Größe, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n v<strong>er</strong>wirkliche sich in <strong>de</strong>n Glie<strong>d<strong>er</strong></strong>n<strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft. Auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat sei im Hinblick auf die gesellschaftlicheOrdnung zu sehen und nicht As ein für sich beste-60


hen<strong>de</strong>s Machtgebil<strong>de</strong>. Ihm obliege, die vielfältigen im Gesellschaftskörp<strong>er</strong>sich regen<strong>de</strong>n Eigeninitiativen zu ordnen. „Wenndie Aufgabe <strong>de</strong>s Gemeinwohls nicht eine selbständige, sozusagenEigengröße ist, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n hingeordnet auf die Glie<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaftund <strong>de</strong>s Staates, dann muß natürlich auch das öffentlicheEigentum in dies<strong>er</strong> Ausrichtung gesehen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, das heißt in Unt<strong>er</strong>ordnungunt<strong>er</strong> die Ziele <strong>d<strong>er</strong></strong> Einzelnen. Die Einzelnen sind alsodie Träg<strong>er</strong> und nicht etwa <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat. Von hi<strong>er</strong> aus wür<strong>de</strong> ich eineEgalisi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentumsbegriffe, wie sie in <strong>d<strong>er</strong></strong> früh<strong>er</strong>en Diskussionvorgetragen wur<strong>de</strong>, nicht mitvollziehen können, als ob e<strong>sein</strong><strong>er</strong>lei sei, ob man sage privat o<strong>d<strong>er</strong></strong> öffentlich, Hauptsache sei Eigentum.Was heißt das übrigens Hauptsache Eigentum, wennnichts dahint<strong>er</strong> steht?"Bezüglich <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Legitimi<strong>er</strong>ung <strong>de</strong>s Eigenint<strong>er</strong>esses meintA. Rausch<strong>er</strong>, daß das Eigenint<strong>er</strong>esse sich<strong>er</strong>lich im Hinblick auf <strong>de</strong>n<strong>er</strong>bsündigen Zustand <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Natur ein kräftig<strong>er</strong><strong>er</strong> Leistungsstimulussei als das Int<strong>er</strong>esse <strong>de</strong>s Einzelnen am Gemeinwohl.Er möchte ab<strong>er</strong> doch noch tief<strong>er</strong> loten, nämlich in die Eigenv<strong>er</strong>antwortlichkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son, die sich<strong>er</strong>lich auch Thomas vonAquin im Auge gehabt habe. Auf die Frage, in welch<strong>er</strong> Weise <strong>d<strong>er</strong></strong>N<strong>utz</strong>ungszweck <strong>d<strong>er</strong></strong> Er<strong>de</strong>ngüt<strong>er</strong> am besten v<strong>er</strong>wirklicht wird,antwortet A. Rausch<strong>er</strong>: „Die private Eigentumsordnung ist diejenige,die mit <strong>de</strong>n g<strong>er</strong>ingsten V<strong>er</strong>lusten auskommt. Die zentraleV<strong>er</strong>waltungswirtschaft hat viel größ<strong>er</strong>e V<strong>er</strong>luste, nur treten diesewenig<strong>er</strong> zutage."H. Willg<strong>er</strong>odt kommt eingehend auf die geharnischten Äuß<strong>er</strong>ungenvon Marx zum privaten Eigentum zu sprechen. Marx sehein <strong>de</strong>m aus <strong>de</strong>m Kapitaleigentum h<strong>er</strong>vorgehen<strong>de</strong>n und vom Eigentüm<strong>er</strong>kassi<strong>er</strong>ten Gewinn eine Ausbeutung <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s.Ab<strong>er</strong> selbst die Gew<strong>er</strong>kschaften, vorab die am<strong>er</strong>ikanischen, hättenv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n, daß ein Unt<strong>er</strong>nehmen ohne Gewinn <strong>de</strong>m Unt<strong>er</strong>ganggeweiht sei und Arbeitslosigkeit schaffe. Wenn Marx annehme,daß die Aneignung von Gewinn private Aneignung gesellschaftlich<strong>er</strong>bracht<strong>er</strong> Leistung sei, so könne heute g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> das Gegenteilfestgestellt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n: Die gesellschaftliche Aneignung privat<strong>er</strong>Leistung, wenigstens dort, wo Wettbew<strong>er</strong>b h<strong>er</strong>rscht. „Wenneine Unt<strong>er</strong>nehmung Pioni<strong>er</strong>leistungen eines Initiators in ihre61


Produktion üb<strong>er</strong>nimmt, dann schwin<strong>de</strong>t im Zug <strong>d<strong>er</strong></strong> Preissenkung<strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinn, <strong>d<strong>er</strong></strong> eigentlich <strong>de</strong>m Pioni<strong>er</strong> zukommt, langsamdahin, so daß die Allgemeinheit, die nichts dazu beigetragen hat,in <strong>de</strong>n Genuß dieses privaten Leistungs<strong>er</strong>folges kommt. Das istsozusagen das sozialistische Element ein<strong>er</strong> funktioni<strong>er</strong>en<strong>de</strong>n wettbew<strong>er</strong>blichenMarktwirtschaft." H. Willg<strong>er</strong>odt hat hi<strong>er</strong>mit eine Illustration<strong>de</strong>ssen gegeben, was schon Thomas von Aquin alsGrund <strong>d<strong>er</strong></strong> privaten Eigentumsordnung angeführt hat, daß nämlichdie Schaffung sozial<strong>er</strong> W<strong>er</strong>te <strong>de</strong>n Weg am sich<strong>er</strong>sten üb<strong>er</strong> dieInitiative <strong>de</strong>s privaten Eigentüm<strong>er</strong>s nimmt.Bei Marx sei, so <strong>er</strong>klärt H. Willg<strong>er</strong>odt, nicht ganz klar, ob <strong>er</strong>mehr <strong>de</strong>m privaten Eigentum o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsteilung <strong>de</strong>n Kampfansage. In <strong>de</strong>n ält<strong>er</strong>en Schriften, zum Beispiel „Deutsche I<strong>de</strong>ologie",sei es eh<strong>er</strong> die Arbeitsteilung, <strong>d<strong>er</strong></strong> Marx die Entfremdung zuschreibe.„Man muß sich wohl fragen, wie sich Marx die Aufhebung<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsteilung vorstellt und ob es irgen<strong>de</strong>inen <strong>Marxist</strong>engibt, <strong>d<strong>er</strong></strong> die Arbeitsteilung aufheben möchte und die darausentstehen<strong>de</strong>n Folgen in Kauf zu nehmen b<strong>er</strong>eit wäre. Die Abschaffung<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsteilung ist unmöglich. Je<strong>de</strong> Arbeitsteilungschließt in sich gewisse H<strong>er</strong>rschaftsv<strong>er</strong>hältnisse, die auch mit <strong>d<strong>er</strong></strong>Beseitigung <strong>de</strong>s privaten Kapitaleigentüm<strong>er</strong>s nicht aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltzu schaffen sind. Mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Demokratisi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft wirddie Situation nicht bess<strong>er</strong>. Wir können nur v<strong>er</strong>suchen, gewisseHärten aufzuweichen. Doch vollzieht sich dies teilweise automatisch.Es ist zum Beispiel an das Wohnungswesen zu <strong>de</strong>nken.Heute wohnen viel wenig<strong>er</strong> Leute zur Miete als früh<strong>er</strong>, weil dieMöglichkeiten für die breiten Massen, sich ein Eigenheim zu <strong>er</strong>w<strong>er</strong>ben,stark <strong>er</strong>weit<strong>er</strong>t wor<strong>de</strong>n sind."Gewiß bestehen an sich, wie H. Willg<strong>er</strong>odt ausführte, auf Grund<strong>de</strong>s Eigentums an Sachkapital mehr Möglichkeiten zur Begründungvon Machtv<strong>er</strong>hältnissen. Doch müsse man auch hi<strong>er</strong> dieDinge konkret analysi<strong>er</strong>en. Und hi<strong>er</strong>bei <strong>er</strong>gebe sich, daß das sogenannteFremdkapital vollständig entmachtet sei. „Das sind dieSparguthaben, die in Milliar<strong>de</strong>nhöhe <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft, das heißt<strong>de</strong>n Unt<strong>er</strong>nehmen und <strong>de</strong>m Staat, geliehen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Wir hattenbis vor kurzem, übrigens heute noch, bei <strong>de</strong>n täglich fälligen Sparguthabennegative Zinsen, so daß die Spar<strong>er</strong> — und das sind oft62


die kleinsten Leute —, die bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Sparkasse zu drei bis vi<strong>er</strong> Prozenteinzahlen, bei ein<strong>er</strong> Inflation von fünf bis sieben Prozentkräftig ausgebeutet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n und dazu noch von diesem Ausbeutungsbetragje<strong>de</strong>s Jahr Steu<strong>er</strong>n bezahlen müssen. Das Bun<strong>de</strong>sv<strong>er</strong>fassungsg<strong>er</strong>ichthat in <strong>sein</strong><strong>er</strong> höh<strong>er</strong>en Weisheit entschie<strong>de</strong>n, daßdies unbeachtet <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns <strong>d<strong>er</strong></strong> Spar<strong>er</strong> so bleiben solle. Das von<strong>de</strong>n Arbeit<strong>er</strong>n nicht konsumi<strong>er</strong>te, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n <strong>er</strong>sparte Einkommenwird so ausgebeutet, und das sind gigantische Beträge. D<strong>er</strong> größteTeil <strong>de</strong>s Geldkapitals <strong>d<strong>er</strong></strong> Bun<strong>de</strong>sregi<strong>er</strong>ung gehört <strong>de</strong>n Arbeitnehm<strong>er</strong>n,entgegen weit v<strong>er</strong>breiteten an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Vorstellungen."Es sei unumwun<strong>de</strong>n einzugestehen, <strong>er</strong>klärt H. Willg<strong>er</strong>odt, daßdie an Kapitalsammelstellen konzentri<strong>er</strong>ten Sparkapitalien <strong>de</strong>nbetreffen<strong>de</strong>n Instituten eine ähnliche Machtposition v<strong>er</strong>schaffen,wie sie <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat im Staatskapitalismus innehabe. „Im allgemeinenab<strong>er</strong> macht sich eine Gesetzmäßigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> funktioni<strong>er</strong>en<strong>de</strong>nMarktwirtschaft bem<strong>er</strong>kbar, wonach <strong>d<strong>er</strong></strong> imm<strong>er</strong> reichlich<strong>er</strong> v<strong>er</strong>fügbareFaktor Kapital machtlos<strong>er</strong> wird. Die Diskussion üb<strong>er</strong> dieüb<strong>er</strong>bor<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Macht <strong>de</strong>s Kapitals ist 1850 noch aktuell gewesen,sie ist es heute nicht mehr. Zumin<strong>de</strong>st bei uns (nicht weltwirtschaftlich)muß man eh<strong>er</strong> Mitleid mit <strong>de</strong>n armen <strong>Kapitalist</strong>en haben,wenn sie kleine Leute sind."Man sollte sich nicht, sagt H. Wülg<strong>er</strong>odt, üb<strong>er</strong> die Senkung <strong>de</strong>sZinses bis zum Nullpunkt zu sehr freuen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n die Attraktivität<strong>de</strong>s Sparens und <strong>de</strong>s privaten Int<strong>er</strong>esses möglichst <strong>er</strong>halten,weil die Folgen <strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichen Entscheidung <strong>de</strong>n Eigentüm<strong>er</strong>direkt, ohne <strong>de</strong>n Umweg üb<strong>er</strong> irgendwelche Behör<strong>de</strong>n, sanktioni<strong>er</strong>en.„V<strong>er</strong>fügung üb<strong>er</strong> Eigentum muß v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>n <strong>sein</strong> mit<strong>d<strong>er</strong></strong> Haftung für die Folgen <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>fügung üb<strong>er</strong> dieses Eigentum.Sonst bekäme die V<strong>er</strong>antwortungslosigkeit freie Bahn. Aus gutemGrun<strong>de</strong> läßt man <strong>de</strong>swegen Beamte nicht beliebig auß<strong>er</strong>halb Etatsusw. mit Staatseigentum wirtschaften. D<strong>er</strong> Fortschritt setzt naturgemäßauch Exp<strong>er</strong>imente voraus, das heißt Leute, die etwas riski<strong>er</strong>en.Einem Beamten <strong>er</strong>laubt man dies nicht, arbeitet <strong>er</strong> doch mitfrem<strong>de</strong>m Geld. Es sollte min<strong>de</strong>stens dort, wo auf Kosten Frem<strong>d<strong>er</strong></strong>gewirtschaftet und ein Risiko eingegangen wird, die Zustimmung<strong>d<strong>er</strong></strong>jenigen eingeholt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, die die Institutionen finanzi<strong>er</strong>en,und das ist in Aktiengesellschaften <strong>d<strong>er</strong></strong> Fall. Wenn kein Eigentü-63


m<strong>er</strong> <strong>de</strong>n Disponenten kontrolli<strong>er</strong>en kann, auf welchem Weg solldann die Haftung bew<strong>er</strong>kstelligt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n? In <strong>d<strong>er</strong></strong> Sowjetunionwird dieses Problem übrigens heftig diskuti<strong>er</strong>t. Auf Betriebsebenehat man längst die Lösung gefun<strong>de</strong>n. Betriebsleit<strong>er</strong>, die schlechtdisponi<strong>er</strong>en, müssen eine Gehaltskürzung in Kauf nehmen. Erfolgslohnist da die Maxime <strong>de</strong>s Tages. Bis ins Zentralkomitee istdiese Parole noch nicht durchgedrungen, weil sich dort ein reinpolitisch<strong>er</strong>, also kein wirtschaftlich<strong>er</strong> Ausleseprozeß vollzieht.Die Gefahr, daß politische Sanktionen an die Stelle von ökonomischentreten, ist einem kollektivistischen System sozusagen inhärent.Die politische Sanktion ist üb<strong>er</strong>wiegend unmenschlich. Deswegenist ein System ohne Privateigentum an Produktionsmittelnund damit ohne ausreichen<strong>de</strong> Möglichkeit, Haftung wirtschaftlichzu <strong>er</strong>zwingen, gleichzeitig ein System <strong>d<strong>er</strong></strong> Unmenschlichkeit.Die Konzentrationslag<strong>er</strong> gehören zu einem System ohne Privateigentuman Produktionsmitteln. Deswegen liegt auch die V<strong>er</strong>mutungnahe, daß freiwillig, das heißt ohne politischen Zwang, dasPrivateigentum nicht abgeschafft wird."H. Willg<strong>er</strong>odt macht anschließend auf eine Ung<strong>er</strong>eimtheit aufm<strong>er</strong>ksam,nämlich auf das kollektivistische Gebaren von Bürg<strong>er</strong>nin Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n mit Marktwirtschaft: die kollektivistische Produktionvon Bildungskapital, sogenanntem Humankapital, und zugleichdie private Aneignung <strong>d<strong>er</strong></strong> Früchte dieses Kapitals. Eine im V<strong>er</strong>hältniszur Gesamtheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Bürg<strong>er</strong> zahlenmäßig kleine Gruppe <strong>er</strong>hältdie V<strong>er</strong>günstigung, auf Kosten <strong>d<strong>er</strong></strong> Steu<strong>er</strong>zahl<strong>er</strong>, und zwarvornehmlich <strong>d<strong>er</strong></strong> breiten Schichten, sich ein Bildungskapital anzueignen,mit <strong>de</strong>m sie in ihrem B<strong>er</strong>uf ein hohes Einkommen bezieht.Die diesem entsprechen<strong>de</strong>n steu<strong>er</strong>lichen Auflagen stehen inkeinem V<strong>er</strong>gleich zu <strong>de</strong>n Lasten, die die Frühv<strong>er</strong>dien<strong>er</strong> für dieseAka<strong>de</strong>mik<strong>er</strong>schicht getragen haben. Es sei, so sagt H. Willg<strong>er</strong>odt,bish<strong>er</strong> noch nieman<strong>de</strong>m eingefallen, dieses Privatkapital, das ausöffentlichen Mitteln stammt, zu sozialisi<strong>er</strong>en, ausgenommen dieDDR und die an<strong>d<strong>er</strong></strong>en sozialistischen Staaten. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Sowjetunionw<strong>er</strong><strong>de</strong> bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Auswan<strong>d<strong>er</strong></strong>ung von hochqualifizi<strong>er</strong>ten jüdischenFachleuten eine Abstandszahlung v<strong>er</strong>langt.H. ]. Türk weist auf die vielgefäch<strong>er</strong>te Dispositionsgewalt hin,die wir in <strong>d<strong>er</strong></strong> heutigen Wirtschaft haben, wobei <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentüm<strong>er</strong>64


im klassischen Sinn kaum in Erscheinung trete, und <strong>er</strong> stellt dieFrage, ob man nicht bess<strong>er</strong> <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Eigentums grundsätzlich<strong>er</strong>weit<strong>er</strong>e.Ohne Zweifel kommt es heute tatsächlich zu einem üb<strong>er</strong>wiegen<strong>de</strong>nTeil auf <strong>de</strong>n Manag<strong>er</strong> an, <strong>d<strong>er</strong></strong>, wie es scheint, in <strong>d<strong>er</strong></strong> These,in <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>m Eigentumsrecht die Priorität zugesprochen wird, kaumins Blickfeld tritt. Irgendwo ab<strong>er</strong> muß für die Dispositionen einTräg<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Haftung namhaft gemacht w<strong>er</strong><strong>de</strong>n können. Diesemo<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>ssen V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong>n muß die Kontrollfunktion zu<strong>er</strong>kannt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n,wie dies auch in <strong>de</strong>n Kapitalgesellschaften <strong>d<strong>er</strong></strong> Fall ist. A.Rausch<strong>er</strong> hat darum die Frage aufgeworfen, w<strong>er</strong> <strong>de</strong>nn zu gut<strong>er</strong>Letzt hint<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Reihe <strong>d<strong>er</strong></strong> vielen Manag<strong>er</strong> stehe. Man wird auf<strong>de</strong>n Träg<strong>er</strong> <strong>de</strong>s eigentlichen Eigentumsrechts nicht v<strong>er</strong>zichtenkönnen, wenn man <strong>de</strong>n Staat als Eigentüm<strong>er</strong> ausschließen will.Selbst dann, wenn man formell <strong>de</strong>n Staat nicht als Eigentüm<strong>er</strong>,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n einfach als <strong>de</strong>n ob<strong>er</strong>sten Regulator <strong>d<strong>er</strong></strong> Dispositionen benennenwür<strong>de</strong>, müßte man ihn als Substitut eines imaginären Eigentüm<strong>er</strong>sbetrachten. Die Auffassung, daß das Privateigentumdas entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kennzeichen ein<strong>er</strong> Marktwirtschaft ist, darfnicht mit ein<strong>er</strong> rein mittelständischen Wirtschaft i<strong>de</strong>ntifizi<strong>er</strong>tw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. All<strong>er</strong>dings ist in dies<strong>er</strong> Auffassung eine gewisse Sympathiefür <strong>de</strong>n Eigenunt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> beschlossen, da man sich eine auf<strong>de</strong>m Privateigentum gegrün<strong>de</strong>te Marktwirtschaft nicht ohne einekräftige Eigenunt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>schaft vorstellen kann. Dies ist auchdurch die Erfahrung bestätigt. In diesem Sektor <strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n vieleInitiatoren. Die Martwirtschaft braucht zu ihr<strong>er</strong> steten Auffrischungaufsteigen<strong>de</strong>, v<strong>er</strong>antwortungsbewußte Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>, diedie Risikob<strong>er</strong>eitschaft mit eigen<strong>er</strong> Haftung an <strong>de</strong>n Tag legen.In <strong>d<strong>er</strong></strong> Frage <strong>d<strong>er</strong></strong> Legitimation <strong>de</strong>s Privateigentums an Produktionsmittelnist von grundlegen<strong>d<strong>er</strong></strong> Be<strong>de</strong>utung das <strong>er</strong>kenntnistheoretischeNiveau, von <strong>de</strong>m aus diese Legitimation vorgenommenw<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann. Was damit gemeint ist, sei kurz an einem an<strong>d<strong>er</strong></strong>enObjekt beleuchtet, aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Begründung <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialnatur <strong>de</strong>s Menschen.Ist die Sozialität <strong>de</strong>s Menschen metaphysisch<strong>er</strong> Art, so daßman sagen kann, <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch sei <strong>sein</strong><strong>er</strong> Natur nach sozial, <strong>er</strong> könnealso nie, in keinem Zeitraum und unt<strong>er</strong> keinen Umstän<strong>de</strong>n, alssozial ungebun<strong>de</strong>n v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, keine Empirie könne dar-65


um jemals die Sozialität <strong>de</strong>s Menschen als historisch gewor<strong>de</strong>nund zeitlich v<strong>er</strong>gänglich nachweisen? Nur auf dies<strong>er</strong> metaphysischenBasis kann man von <strong>d<strong>er</strong></strong> eigentlichen Sozialnatur <strong>de</strong>s Menschensprechen. Bis heute ist dies<strong>er</strong> Beweis noch nicht <strong>er</strong>brachtwor<strong>de</strong>n. Dennoch behaupten alle Autoren im Anschluß an Aristotelesund unt<strong>er</strong> Hinweis auf die sowohl moralische wie physischeAbhängigkeit <strong>de</strong>s Menschen von <strong>sein</strong><strong>er</strong> sozialen Umwelt, <strong>d<strong>er</strong></strong>Mensch sei wesentlich sozial. Diese Argumentation basi<strong>er</strong>t ab<strong>er</strong>lediglich auf ein<strong>er</strong> wissenschaftlichen Autorität (Aristoteles) undauf <strong>d<strong>er</strong></strong> Erfahrung <strong>de</strong>s täglichen Lebens. Sie ist ab<strong>er</strong> kein stringent<strong>er</strong>philosophisch<strong>er</strong>, das heißt metaphysisch<strong>er</strong> Beweis, <strong>d<strong>er</strong></strong> nötigwäre, um vom sozialen Wesen <strong>de</strong>s Menschen sprechen zu können.Wie steht es nun um das private Recht auf Eigentum? Wenn e<strong>sein</strong> metaphysisches Recht wäre, dann müßte man beweisen, daßdie P<strong>er</strong>son als solche ein Recht auf Privateigentum hat, und zwardie P<strong>er</strong>son nicht nur im allgemeinen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n im Sinne eines konkretenIndividuums. Bezüglich <strong>d<strong>er</strong></strong> o<strong>d<strong>er</strong></strong> bestimmt<strong>er</strong> Konsumgüt<strong>er</strong>könnte man dies wohl annehmen. Denn Güt<strong>er</strong>, die im Gebrauchv<strong>er</strong>braucht w<strong>er</strong><strong>de</strong>n wie Nahrungsmittel, können nur individuellprivat <strong>sein</strong>. Doch ist damit üb<strong>er</strong> die Quantität <strong>d<strong>er</strong></strong> Konsumgüt<strong>er</strong>,die privat besessen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, noch nichts ausgesagt. Bezüglich<strong>de</strong>s Ub<strong>er</strong>flusses an Konsumgüt<strong>er</strong>n hat Thomas von Aquin<strong>er</strong>klärt, <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentüm<strong>er</strong> sei rechtlich v<strong>er</strong>pflichtet, diesen <strong>de</strong>n Armenzu üb<strong>er</strong>lassen. Die Produktivgüt<strong>er</strong> sind in ihr<strong>er</strong> ganzen Substanzsozial belastet. Man kann darum <strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son ein a priori gültigesAusschlußrecht nicht zugestehen. Das Ausschlußrecht grün<strong>de</strong>tauf <strong>d<strong>er</strong></strong> zwar empirischen, ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong>hin univ<strong>er</strong>sal gültigenTatsache, daß, wie schon gesagt, das Eigenwohl <strong>de</strong>m Int<strong>er</strong>esse <strong>de</strong>sMenschen näh<strong>er</strong> steht als das Gemeinwohl, je<strong>de</strong>nfalls dort, wo<strong>d<strong>er</strong></strong> Einzelne nicht hautnah, wie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Familie, <strong>de</strong>m Kollektivv<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>n ist. Wo nun die Schei<strong>de</strong> zwischen eigenint<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>temund gemeinwohlint<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>tem V<strong>er</strong>halten ist, läßt sich allgemeingültignicht sagen. Dieses Urteil ist <strong>de</strong>m klugen Ermessen <strong>d<strong>er</strong></strong>praktischen V<strong>er</strong>nunft üb<strong>er</strong>lassen. All<strong>er</strong>dings stellt sich hi<strong>er</strong> sofortdie Frage: Welch<strong>er</strong> praktischen V<strong>er</strong>nunft? Dort, wo die Gesellschaftauf Grund ihr<strong>er</strong> Kultur kein im Sinn <strong>de</strong>s sozialen Frie<strong>de</strong>ns66


und <strong>de</strong>s sozialen Fortschritts funktioni<strong>er</strong>en<strong>de</strong>s System <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>teilung<strong>d<strong>er</strong></strong> Dispositionsgewalt aufweist, liegt es nahe, die Int<strong>er</strong>essen<strong>de</strong>s Einzelnen zu stimuli<strong>er</strong>en, das heißt die private Eigentumsordnungeinzuführen. Diese <strong>er</strong>gibt sich gewiss<strong>er</strong>maßen von selbst, dadafür das Eigenint<strong>er</strong>esse, das imm<strong>er</strong> lebendig ist, sorgt. Die Eigentumsordnungsteht natürlich unt<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Prämisse, daß auf dieseWeise die N<strong>utz</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> mat<strong>er</strong>iellen Güt<strong>er</strong> am produktivsten undbesten garanti<strong>er</strong>t wird. Das Ausschlußrecht ist darum nur relativ,bezogen auf das allgemeine Wohl. Aus <strong>d<strong>er</strong></strong> vielfältigen Möglichkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>teilung <strong>de</strong>s Dispositionsrechts kann man ab<strong>er</strong> nichtauf die grundsätzliche Gleichw<strong>er</strong>tigkeit all<strong>er</strong> Möglichkeitenschließen. Ub<strong>er</strong> al'en historisch üb<strong>er</strong>lief<strong>er</strong>ten Ordnungsmechanismenmehr kollektiv<strong>er</strong> Art steht die individuelle Eigentumsform,da diese grundsätzlich ein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>haltensweise <strong>de</strong>s Menschen entspricht,die <strong>de</strong>n v<strong>er</strong>antwortungsvollen, weil mit eigenem Risikov<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>nen Leistungswillen am sich<strong>er</strong>sten stimuli<strong>er</strong>t. In diesemSinn ist die Option für die privatrechtliche Wirtschaftsordnungzu v<strong>er</strong>stehen. Es han<strong>de</strong>lt sich also nicht um ein aus <strong>de</strong>m Wesen<strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son abgeleitetes, also nicht um ein metaphysisches Prinzip,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n um eine kluge Orienti<strong>er</strong>ungsnorm im Hinblick auf einallgemein menschliches Phänomen. Die private Eigentumsordnungist eine Kompromißlösung zwischen <strong>de</strong>m absoluten Imp<strong>er</strong>ativ<strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt und <strong>d<strong>er</strong></strong> realen V<strong>er</strong>haltensweise <strong>de</strong>sMenschen. Kompromiß besagt hi<strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings nicht ein Aushan<strong>de</strong>lnvon zwei gleichgestellten Alt<strong>er</strong>nativen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n die rücksichtsvolleAnwendung eines apriorischen Imp<strong>er</strong>ativs auf einenicht abzuän<strong>d<strong>er</strong></strong>n<strong>de</strong> Sachlage, im Bestreben, die garanti<strong>er</strong>te V<strong>er</strong>wirklichung<strong>de</strong>s Imp<strong>er</strong>ativs zu <strong>er</strong>reichen.Wie mächtig die Neigung nach Eigentum und Gewalt im Menschenwirkt, haben die Führ<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> französischen Revolution an<strong>de</strong>n Tag gelegt. Sie sind mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Absicht ans W<strong>er</strong>k gegangen, diekrassen Eigentums- und Gewaltv<strong>er</strong>hältnisse von Grund auf zu reformi<strong>er</strong>en.Tatsächlich haben sie nicht nur die feudalen Eigentumsrechtean sich g<strong>er</strong>issen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n sich auch noch selbst gea<strong>de</strong>lt.Selbstv<strong>er</strong>ständlich ist die Eigentumsform, wie wir sie in <strong>de</strong>nabendländischen Demokratien kennen, wie schon <strong>er</strong>wähnt, nichtdie sozialethisch einzig mögliche. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Praxis wird man auf die67


kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen V<strong>er</strong>hältnisseRücksicht nehmen müssen, worauf Ch. Walth<strong>er</strong> beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s hinwies.Das Individualrecht ist nicht das A und O <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentumsv<strong>er</strong>teilung.Die rumänische Zadruga ist nur ein Beispiel hi<strong>er</strong>für.Entschei<strong>de</strong>nd ab<strong>er</strong> ist die Frage, welchem Trend <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschfolgt, wenn die Arbeitsteilung wächst und die Üb<strong>er</strong>sichtlichkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>teilung abnimmt. Hi<strong>er</strong> wird sich <strong>d<strong>er</strong></strong> Drang <strong>de</strong>s Individuumsnach V<strong>er</strong>wirklichung <strong>sein</strong><strong>er</strong> eigenen Int<strong>er</strong>essen als <strong>d<strong>er</strong></strong> besteGarant <strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichen Effizienz, sowohl was <strong>de</strong>n Arbeit<strong>sein</strong>satzals auch was die V<strong>er</strong>antwortung in <strong>d<strong>er</strong></strong> Disposition üb<strong>er</strong>Kapital angeht, <strong>er</strong>weisen. Dabei sind natürlich die Negativwirkungen<strong>de</strong>s Privateigentums nicht aus <strong>de</strong>m Auge zu v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en, woraufwie<strong>d<strong>er</strong></strong>um Ch. Walth<strong>er</strong> betont hinwies. Man darf <strong>de</strong>n Individualdrangnicht mystifizi<strong>er</strong>en, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n soll auch „kritisch mit uns<strong>er</strong>emEigentumsbegriff umgehen" (Ch. Walth<strong>er</strong>). Im Hinblick aufdie grauenhaften Eigentumsv<strong>er</strong>hältnisse in Lateinam<strong>er</strong>ika könnteman, so <strong>er</strong>klärt Ch. Walth<strong>er</strong>, die Zweifel <strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiungstheologenan <strong>d<strong>er</strong></strong> Institution <strong>de</strong>s Privateigentums im Kapitalsektor v<strong>er</strong>stehen.Im Anschluß an diese Bem<strong>er</strong>kungen wies ich (A. F. Utz) auf spanischeWirtschaftspolitik<strong>er</strong> hin, die sich bezüglich ein<strong>er</strong> Kopie<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>utschen Marktwirtschaft sehr skeptisch geäuß<strong>er</strong>t haben.H. Willg<strong>er</strong>odt warnt jedoch davor, daraus <strong>de</strong>n Schluß zu ziehen,daß das Gegenteil von Marktwirtschaft die natürliche Wirtschaftsordnungwäre. „D<strong>er</strong> Urtyp von Wirtschaftsordnungen, abgesehenvon selbstgenügsamen Bau<strong>er</strong>nhöfen, war die Marktwirtschaft,weil alle Voraussetzungen dazu fehlten, das Gegenteil einzuführen,nämlich eine funktionale Lenkung. Was in diesen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>nam meisten fehlt, ist ein funktioni<strong>er</strong>en<strong>d<strong>er</strong></strong> Staat. Die Behauptung,sie hätten nicht die Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>, die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Lage wären, eineMarktwirtschaft zu <strong>er</strong>richten, muß durch die Gegenfrage <strong>er</strong>gänztw<strong>er</strong><strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>nn die korrekten Beamten vorhan<strong>de</strong>n sind,die eine Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft halbwegs effizient machenkönnen trotz <strong>d<strong>er</strong></strong> ohnehin vorhan<strong>de</strong>nen Strukturnachteile dies<strong>er</strong>Wirtschaftsordnung. Korrekte Beamte sind <strong>d<strong>er</strong></strong> knappste Faktor,<strong>de</strong>n es üb<strong>er</strong>haupt gibt. Die primitiven Marktwirtschaften warennahezu in allen diesen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n, selbst in Südam<strong>er</strong>ika, auch zwi-68


sehen <strong>de</strong>n Indios, vorhan<strong>de</strong>n. Gewiß war <strong>d<strong>er</strong></strong> Inkastaat eine Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft,die all<strong>er</strong>dings auf einem Niveau funktioni<strong>er</strong>te,das heute diesen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n und <strong>de</strong>n H<strong>er</strong>ren von <strong>d<strong>er</strong></strong> sogenanntenBefreiungsbewegung wohl nicht schmecken wür<strong>de</strong>. DieAlt<strong>er</strong>native zur Marktwirtschaft ist doch <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat, <strong>d<strong>er</strong></strong> mit <strong>sein</strong><strong>er</strong>Gewalt die Bevölk<strong>er</strong>ung zu ihrem Glück prügelt o<strong>d<strong>er</strong></strong> zur Expansion,wie die Teilnahme Kubas an afrikanischen und sonstigen imp<strong>er</strong>ialistischenUnt<strong>er</strong>nehmungen beweist. Es ist zweifelhaft, obdie Kuban<strong>er</strong> heute, wenn sie frei entschei<strong>de</strong>n dürften, sich dieseArt Befreiung wählen wür<strong>de</strong>n. Die V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiungstheologiesehen wohl nicht richtig, mit welchem Disziplini<strong>er</strong>ungsapparatsie die Leute von <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaft, die es dort in rudimentär<strong>er</strong>Form üb<strong>er</strong>all gibt, zu ein<strong>er</strong> zentral geleiteten Ordnungführen müssen. Was Spanien angeht, so steht je<strong>de</strong>nfalls fest, daß,je mehr Franco in Richtung Marktwirtschaft gelock<strong>er</strong>t hat, dieWirtschaftswachstumsraten um so mehr stiegen. Faule Leute gibtes natürlich auch in <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaft. Diese ist ab<strong>er</strong> so effizient,daß sie einen <strong>er</strong>heblichen Grad von Faulheit v<strong>er</strong>kraftenkann. Die Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft ist so ineffizient, daß sie,wenn sie auf das gleiche Wohlfahrtsniveau kommen will, die Leutevon morgens bis abends zu Son<strong>d<strong>er</strong></strong>schichten v<strong>er</strong>urteilen muß.Es ist ganz offenbar, daß die Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft auf dieMenschennatur wenig<strong>er</strong> Rücksicht nimmt."P. Koslowski <strong>er</strong>gänzt die von H. Willg<strong>er</strong>odt geäuß<strong>er</strong>ten Gedankendurch <strong>de</strong>n Hinweis auf die Be<strong>de</strong>utung <strong>d<strong>er</strong></strong> Offenlegung <strong>d<strong>er</strong></strong>Gewinne in ihr<strong>er</strong> Beziehung zur Unt<strong>er</strong>nehmenskapazität. D<strong>er</strong>Manag<strong>er</strong> in ein<strong>er</strong> Wirtschaft mit Produktionsmitteleigentumkönne dies<strong>er</strong> Offenlegung nicht entgehen. Dagegen v<strong>er</strong>suchtendie Manag<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft, diese Offenlegungzu umgehen, da sonst unt<strong>er</strong> Umstän<strong>de</strong>n ihr Plansoll <strong>er</strong>höht wür<strong>de</strong>.Sie seien vielmehr daran int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t, stille Res<strong>er</strong>ven zu bil<strong>de</strong>n,um bei Plansoll<strong>er</strong>füllungen flexibl<strong>er</strong> zu <strong>sein</strong>.P. Koslowski rückt ab<strong>er</strong> noch einen weit<strong>er</strong>en Gedanken ins Gespräch,<strong>d<strong>er</strong></strong> die Problematik Kapitalismus o<strong>d<strong>er</strong></strong> Lib<strong>er</strong>alismus b<strong>er</strong>eitsunint<strong>er</strong>essant w<strong>er</strong><strong>de</strong>n läßt: Die Wachstumskritik <strong>d<strong>er</strong></strong> Grünen.Diese Frage v<strong>er</strong>diene <strong>de</strong>swegen B<strong>er</strong>ücksichtigung, weil ihrdas sozialethische Anliegen zugrun<strong>de</strong> liege, daß das Ziel gesell-69


schaftlich<strong>er</strong> Koop<strong>er</strong>ation gar nicht primär die Ausschöpfung wirtschaftlich<strong>er</strong>Möglichkeiten sei, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n die humane Gestaltung<strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft. Damit hat P. Koslowski die Prämisse ange<strong>de</strong>utet,von <strong>d<strong>er</strong></strong> aus das Eigentumsrecht und mit ihm auch die Sorge umdie Effizienz die Legitimi<strong>er</strong>ung <strong>er</strong>hält: Das total human v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>neGemeinwohl.O. von Nell-Breuning kommt nochmals auf die zentrale Fragezurück, nämlich die Kapitalismuskritik. Sowohl die <strong>Marxist</strong>en alsauch die Theologen, die <strong>de</strong>n Kapitalismus kritisi<strong>er</strong>en, kritisi<strong>er</strong>tenetwas, was es üb<strong>er</strong>haupt nicht gebe. Die Kritik könnte sich höchstensauf die vorkapitalistische Wirtschaft beziehen. In <strong>d<strong>er</strong></strong> vorkapitalistischenWirtschaft sei je<strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinn <strong>de</strong>s einen ein V<strong>er</strong>lust<strong>de</strong>s an<strong>d<strong>er</strong></strong>en gewesen. Die vorkapitalistische Wirtschaft sei <strong>de</strong>swegennicht auf einen grünen Zweig gekommen, weil sie vom Profitstrebengeleitet gewesen sei. In <strong>d<strong>er</strong></strong> kapitalistischen Wirtschaft— wenn man uns<strong>er</strong>e Wirtschaft mal so nennen wolle — sei <strong>d<strong>er</strong></strong>Gewinn <strong>de</strong>s einen min<strong>de</strong>stens möglich<strong>er</strong>weise auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinn<strong>de</strong>s an<strong>d<strong>er</strong></strong>en. Wenn Siemens Gewinne mache, dann hieße diesnicht ohne weit<strong>er</strong>es, daß Siemens <strong>sein</strong>e Arbeit<strong>er</strong> ausgebeutet hätte.Wenn Siemens V<strong>er</strong>luste mache, habe dies für die rund dreihun<strong>d<strong>er</strong></strong>ttausendArbeit<strong>er</strong> v<strong>er</strong>hängnisvolle Folgen. Und <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinnvon Siemens komme <strong>de</strong>n maßgeblichen H<strong>er</strong>ren bei Siemenskaum wesentlich zun<strong>utz</strong>e. Die Quote sei minimal wie auch die<strong>d<strong>er</strong></strong> Aktionäre. D<strong>er</strong> Gewinn sei üb<strong>er</strong>haupt nicht das Ziel, um dases <strong>de</strong>n Manag<strong>er</strong>n gehe, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n nur die conditio sine qua non fürdie Erreichung <strong>de</strong>s Zieles. „D<strong>er</strong> Manag<strong>er</strong> von Siemens setzt sichnicht dafür ein, daß einige Mark mehr Bilanzgewinn <strong>er</strong>scheinen,vielmehr dafür, daß das Haus Siemens, das eine große Geschichtehat, diese <strong>sein</strong>e Geschichte <strong>er</strong>folgreich fortsetze". In diesem Bestrebenhabe sich Siemens <strong>d<strong>er</strong></strong> Elektronik angenommen, ein kostengela<strong>de</strong>nesUnt<strong>er</strong>nehmen, von <strong>de</strong>m man <strong>er</strong>warte, daß es aufDau<strong>er</strong> fonwirke. Die marxistische Kapitalismuskritik re<strong>de</strong>t darumam Objekt vorbei. Auf ein<strong>er</strong> völlig an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Ebene stän<strong>de</strong> dieDiskussion, ob diese dynamische, expansive Wirtschaft „kapitalistisch"o<strong>d<strong>er</strong></strong> „labouristisch" organisi<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n müsse, o<strong>d<strong>er</strong></strong> ob die„freie V<strong>er</strong>kehrswirtschaft" o<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> „Dirigismus" als Ordnungsformzu befürworten sei. Daß die extrem freie V<strong>er</strong>kehrswirt-70


schaft unmöglich sei, haben die OrdoLib<strong>er</strong>alen längst <strong>er</strong>kannt.Eine extrem dirigistische Wirtschaft sei logisch, nicht ab<strong>er</strong> praktischmöglich. Wir stän<strong>de</strong>n also vor <strong>d<strong>er</strong></strong> Aufgabe <strong>de</strong>n Ausgleichzwischen diesen bei<strong>de</strong>n zu fin<strong>de</strong>n.71


Wilhelm F. KaschGIBT ES EINE CHRISTLICHE OPTION FÜRWIRTSCHAFTSSYSTEM?EINI. Zur systembil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Funktion <strong>d<strong>er</strong></strong> Option fürgrundlegen<strong>de</strong>NormenEs gibt keinen christlichen H<strong>er</strong>zschlag und keine christlicheV<strong>er</strong>dauung, keinen christlichen Schweißausbruch und keinenchristlichen Geschlechtstrieb. Diese und an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Funktionen uns<strong>er</strong><strong>er</strong>Körp<strong>er</strong> sind relativ bewußt<strong>sein</strong>sunabhängige und darum weitgehend<strong>de</strong>utungsjenseitige ontische Daten menschlich<strong>er</strong> Existenz.Wir v<strong>er</strong>danken Aristoteles die Definition und Entfaltung <strong>d<strong>er</strong></strong>Einsicht, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch ein fwo? ITOXITIXOV, ein animal socialeist. D<strong>er</strong> Sache nach be<strong>de</strong>utet dies, daß <strong>de</strong>m Menschen quaMenschen eine ebenfalls dominant <strong>de</strong>utungsjenseitige soziale Naturzu eigen ist. Buschmänn<strong>er</strong> und Univ<strong>er</strong>sitätsprofessoren müssenbei<strong>de</strong>, ob sie wollen o<strong>d<strong>er</strong></strong> nicht, ihre Fortpflanzung sich<strong>er</strong>n,und zu <strong>d<strong>er</strong></strong> Polarität <strong>d<strong>er</strong></strong> Geschlecht<strong>er</strong> sich v<strong>er</strong>halten. Sie fin<strong>de</strong>nsich also schon in diesem Intimb<strong>er</strong>eich kraft ihr<strong>er</strong> Natur in sozialenBeziehungen stehend. Sie müssen ab<strong>er</strong> auch arbeiten. Abgelöstvon gattungsspezifisch<strong>er</strong> Nahrung, nackt, darum prinzipiell unbehaust,müssen sie für Nahrung, Kleidung und Wohnung sorgen.Eben dies heißt arbeiten. Die Arbeit steig<strong>er</strong>t ihr<strong>er</strong>seits <strong>de</strong>nsozialen Bezug. Sie begrün<strong>de</strong>t die Notwendigkeit von Int<strong>er</strong>aktiono<strong>d<strong>er</strong></strong> Zusammenarbeit und führt <strong>de</strong>mentsprechend auch zu Abgrenzungund Feindschaft. Es entstehen aus ihr die Notwendigkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> Konstitui<strong>er</strong>ung von Gemeinschaft und die Notwendigkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> Konstitui<strong>er</strong>ung von Transzen<strong>de</strong>nz. Im Int<strong>er</strong>esse <strong>d<strong>er</strong></strong> Sich<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeits<strong>er</strong>gebnisse organisi<strong>er</strong>t sich Gemeinschaft undüb<strong>er</strong>schreitet das Bewußt<strong>sein</strong> <strong>de</strong>s Hi<strong>er</strong> und Jetzt <strong>de</strong>s Augenblickes.Damit öffnet sich ein unendlich<strong>er</strong> Weg.Ist das Gesagte zutreffend, sehen wir vor uns vi<strong>er</strong> aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Natur<strong>de</strong>s Menschen h<strong>er</strong>vorgehen<strong>de</strong> und darum relativ <strong>de</strong>utungsunab-72


hängige Grundmust<strong>er</strong> menschlichen Sozialv<strong>er</strong>haltens, die wir inAnlehnung an die von Bonhoeff<strong>er</strong> angeführten vi<strong>er</strong> Mandate Gottes>Arbeit, Obrigkeit, Ehe, Kirche< Arbeit, Ehe, Gesellschaftsordnung,Kontingenzbemeist<strong>er</strong>ung nennen wollen. Als Funktionen<strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Lebendigkeit stehen sie in Beziehung zumGattungsv<strong>er</strong>halten an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> höh<strong>er</strong><strong>er</strong> Säug<strong>er</strong> und zum Teil auchvon Vögeln. Sie unt<strong>er</strong>schei<strong>de</strong>n sich von diesen ab<strong>er</strong> dadurch, daß<strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch <strong>sein</strong> V<strong>er</strong>halten als Gestaltung spezifisch<strong>er</strong> Formen indiesen vorgegebenen B<strong>er</strong>eichen vollziehen muß. Weil insof<strong>er</strong>nNichtnotwendigkeit im Spiel ist, möchte ich die menschliche Sozialnaturein ontisches Datum zweit<strong>er</strong> Ordnung nennen.Natürlich <strong>er</strong>gibt sich aus <strong>de</strong>m ontischen Datum zweit<strong>er</strong> Ordnungso etwas wie eine praktische Ontologie. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong>st die Hochreligionenlief<strong>er</strong>n Grundlagen für Systeme, d. h. normative Zielvorstellungeneines Selbst in Welt, das auf Grund dies<strong>er</strong> Zielvorstellungengenötigt ist, nicht nur <strong>sein</strong> Da<strong>sein</strong> son<strong>d<strong>er</strong></strong>n <strong>sein</strong>e I<strong>de</strong>ntitätim Da<strong>sein</strong> zu behaupten. Infolge<strong>de</strong>ssen wird jetzt die Deutung<strong>de</strong>s V<strong>er</strong>haltens stilbil<strong>de</strong>nd, nicht mehr, wie bish<strong>er</strong>, das V<strong>er</strong>haltenals solches. Wir vollziehen diesen Unt<strong>er</strong>schied in selbstv<strong>er</strong>ständlich<strong>er</strong>Begrifflichkeit, wenn wir etwa von griechisch-römisch<strong>er</strong>,hinduistisch<strong>er</strong>, islamisch<strong>er</strong> Kultur im Unt<strong>er</strong>schied zu Jäg<strong>er</strong>- undSamml<strong>er</strong>kulturen re<strong>de</strong>n. Was die <strong>er</strong>stgenannten Kulturen im Unt<strong>er</strong>schiedzu <strong>de</strong>n an<strong>d<strong>er</strong></strong>en kennzeichnet, ist die H<strong>er</strong>ausarbeitungeines Deutungsmust<strong>er</strong>s menschlich<strong>er</strong> Existenz als Organisationsprinzipeines Gesamtv<strong>er</strong>haltens für und wi<strong>d<strong>er</strong></strong> das Menschen opti<strong>er</strong>enmüssen, wobei sich mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Option >dafür< die neue systemorienti<strong>er</strong>teForm menschlich<strong>er</strong> Gemeinschaft bil<strong>de</strong>t. Bei<strong>de</strong>s, dieH<strong>er</strong>ausbildung eines Organisationsprinzips <strong>de</strong>s Gesamtv<strong>er</strong>haltensund die Option für dieses als gemeinschaftsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e läßtsich an zwei alttestamentlichen Texten in g<strong>er</strong>a<strong>de</strong>zu klassisch<strong>er</strong>Weise zeigen: an Gen 12, 1—3 und Josua 24, 14f, die ich dah<strong>er</strong> zurV<strong>er</strong>anschaulichung <strong>de</strong>s Gemeinten ziti<strong>er</strong>en möchte. Gen 12, 1—3:„Da sprach Jahwe zu Abram: Ziehe hinweg aus <strong>de</strong>inem Vat<strong>er</strong>lan<strong>de</strong>von <strong>de</strong>in<strong>er</strong> V<strong>er</strong>wandtschaft und aus <strong>de</strong>ines Vat<strong>er</strong>s Hause in dasLand, das ich dir zeigen w<strong>er</strong><strong>de</strong>. Und ich will dich zu einem großenVolke machen und will dich segnen und dir einen großen Namenmachen und du sollst ein Segen <strong>sein</strong>. Und ich will segnen, die73


II. Die drei Dimensionen <strong>de</strong>s ><strong>Christ</strong>lichen< und diechristlicheOptionDas Wort >christlich< be<strong>de</strong>utet: zu <strong>Christ</strong>us gehörend. Was ab<strong>er</strong>gehört zu <strong>Christ</strong>us? Suchen wir diese Frage zu beantworten, <strong>er</strong>kennenwir schnell, daß wir mit ein<strong>er</strong> eindimensionalen Antwortnicht auskommen. Zu große Unt<strong>er</strong>schie<strong>de</strong> bestehen zwischenchristlich im Sinne <strong>de</strong>s Wortes Jesu an Pilatus, wie wir es Johannes18,36 fin<strong>de</strong>n: „Mein Reich ist nicht von dies<strong>er</strong> Welt"; >christlich


„irdvTa jag viüÄv esriv", „<strong>de</strong>nn alles ist eu<strong>er</strong>". Paulus formuli<strong>er</strong>tdamit in zwei kurzen Sätzen die e\ev<strong>de</strong>g[a rfjs öo^rjs TU>V rexvwvTOV 8eov (Röm<strong>er</strong> 8,21), die die logische Folge <strong>d<strong>er</strong></strong> in Dimension1 bestimmten <strong>Christ</strong>lichkeit ist. Denn ist christlich realeGemeinschaft mit Gott in <strong>Christ</strong>us, dann ist damit nicht nur einZustand von Unbedürftigkeit beschrieben, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch gen<strong>er</strong>elleKompetenz und Können <strong>de</strong>ssen, <strong>d<strong>er</strong></strong> in <strong>Christ</strong>us ist, als christlicheBefindlichkeit zum Ausdruck gebracht. Paulus praktizi<strong>er</strong>tbei<strong>de</strong>, wenn <strong>er</strong> etwa Röm<strong>er</strong> 13 eine neue Sinnbestimmung <strong>de</strong>sStaates vorlegt, die <strong>de</strong>n römischen, also heidnischen Staat für<strong>Christ</strong>en akzeptanzfähig macht, in<strong>de</strong>m sie ihn als von Gott gestifteteOrdnungsstruktur begreifen lehrt und damit Einstellung undV<strong>er</strong>halten ihm gegenüb<strong>er</strong> neu ordnet.Was in diesem Kontext <strong>d<strong>er</strong></strong> Begriff >christlich< be<strong>de</strong>utet, möchteich am liebsten mit einem religionsgeschichtlichen T<strong>er</strong>minus diegen<strong>er</strong>elle Enttabuisi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit nennen. Inhaltlich beschriebenhat sie Paulus Röm<strong>er</strong> 8,38 f: „Denn ich bin gewiß, daßwe<strong>d<strong>er</strong></strong> Tod noch Leben, we<strong>d<strong>er</strong></strong> Engel noch Fürstentüm<strong>er</strong> nochGewalten, we<strong>d<strong>er</strong></strong> Gegenwärtiges noch Zukünftiges, we<strong>d<strong>er</strong></strong> Hohesnoch Tiefes, noch keine an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Kreatur mag uns schei<strong>de</strong>n von <strong>d<strong>er</strong></strong>Liebe Gottes, die in <strong>Christ</strong>us Jesus ist, uns<strong>er</strong>m H<strong>er</strong>rn".<strong>Christ</strong>lich ist diese gen<strong>er</strong>elle Enttabuisi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit,weil sie we<strong>d<strong>er</strong></strong> ein ontisches noch in <strong>d<strong>er</strong></strong> ontischen Realität gegrün<strong>de</strong>tesontologisches Datum ist. Sie wi<strong>d<strong>er</strong></strong>spricht all<strong>er</strong> Erfahrung.Sie ist, genetisch betrachtet, Frucht <strong>de</strong>s Glaubens; noch genau<strong>er</strong>formuli<strong>er</strong>t: Implikation <strong>de</strong>s etvou Iv XQIOT$ soweit dasvon <strong>d<strong>er</strong></strong> Gegenwart <strong>Christ</strong>i bestimmte Bewußt<strong>sein</strong> sich <strong>sein</strong>e unbedingteFreiheit von und zu <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit v<strong>er</strong>gegenständlichthat. Daß solche V<strong>er</strong>gegenständlichung nicht die Gemeinschaftmit <strong>Christ</strong>us selb<strong>er</strong>, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n Wissen um sie ist, betont <strong>d<strong>er</strong></strong> Apostel1. Korinth<strong>er</strong> 8, wo <strong>er</strong> das Wissen um <strong>de</strong>n Glauben im Zusammenhangmit <strong>de</strong>m Essen von Götzenopf<strong>er</strong>fleisch vom Glauben ausdrücklichunt<strong>er</strong>schei<strong>de</strong>t, wenn <strong>er</strong> auch festhält, daß es die Schwachensind, <strong>de</strong>nen das Wissen fehlt.Sucht man im Zusammenhang uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Fragestellung, die imAnschluß an biblische Texte bestimmte 2. Dimension von >christlich


im Unt<strong>er</strong>schied zur 1., das christliche Selbst begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, diedas christliche Selbst und Selbstv<strong>er</strong>ständnis konstitui<strong>er</strong>en<strong>de</strong> nennen.Ihr Wesen ist aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Gottesgemeinschaft h<strong>er</strong>vorgehen<strong>de</strong> Freiheit<strong>d<strong>er</strong></strong> Kontingenz <strong>d<strong>er</strong></strong> eigenen Befindlichkeit (vgl. 2. Korinth<strong>er</strong> 12,9)wie <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit gegenüb<strong>er</strong>.Bei<strong>de</strong>s, in <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong>usgemeinschaft begrün<strong>de</strong>te Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> eigenenKontingenz und <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit gegenüb<strong>er</strong> als Grund <strong>d<strong>er</strong></strong>Möglichkeit christlich<strong>er</strong> Selbst- und Welt<strong>de</strong>utung sowohl als auchals Basis eines genuinen christlichen Pluralismus, bedarf <strong>d<strong>er</strong></strong> Betonung.Einmal aus Grün<strong>de</strong>n <strong>d<strong>er</strong></strong> Selbstv<strong>er</strong>ständigung, weil dieseFreiheit im V<strong>er</strong>lauf christlich<strong>er</strong> Tradition in <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Traditionso selbstv<strong>er</strong>ständlich gewor<strong>de</strong>n ist, daß sie als ontisches Datumzweit<strong>er</strong> Ordnung in <strong>de</strong>m oben bezeichneten Sinne v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>nw<strong>er</strong><strong>de</strong>n konnte und wur<strong>de</strong>. Heidnische Kritik<strong>er</strong> <strong>de</strong>s christlichenGlaubens in <strong>d<strong>er</strong></strong> Frühzeit wie Celsus wußten dies bess<strong>er</strong>,wenn sie <strong>de</strong>m <strong>Christ</strong>entum eben um dies<strong>er</strong> Freiheit Willen mangeln<strong>de</strong>Pietas o<strong>d<strong>er</strong></strong> aseßeia, also Nichtbeachtung ontisch<strong>er</strong> Gesetzmäßigkeitenmenschlich<strong>er</strong> Existenz vorwarfen, die die ihr folgen<strong>de</strong>V<strong>er</strong>wirklichungsbemühung in die Erfahrung <strong>de</strong>s Scheit<strong>er</strong>nsan <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit führen müsse und infolge<strong>de</strong>ssen töricht sei(vgl. 1. Korinth<strong>er</strong> 1,23).Die Folge <strong>de</strong>s V<strong>er</strong>gessens <strong>d<strong>er</strong></strong> Glaubensbegründung <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheitführte dazu, daß ontologische Systemkonzepte wie die <strong>de</strong>s Neuplatonismuso<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>s Aristotelismus, <strong>d<strong>er</strong></strong>en V<strong>er</strong>wendung als Instrumentechristlich<strong>er</strong> Freiheit zur Glaubensauslegung, Welt<strong>de</strong>utung,Handlungsorienti<strong>er</strong>ung natürlich statthaft und notwendigwar, sich v<strong>er</strong>absoluti<strong>er</strong>ten, ihren funktionalen Dienstcharakt<strong>er</strong> alsov<strong>er</strong>loren, zu H<strong>er</strong>rschaftsinstrumenten wur<strong>de</strong>n und die <strong>Christ</strong>enheitin Zwietracht brachten. Gravi<strong>er</strong>en<strong>d<strong>er</strong></strong> ab<strong>er</strong> ist, daß dieOntologisi<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Freiheit, also ihre Ablösung von<strong>de</strong>m sie setzen<strong>de</strong>n Grun<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong>usgemeinschaft, sie im Rahmen<strong>d<strong>er</strong></strong> europäischen Neuzeit zur ontologischen Basis <strong>de</strong>s autonomenSubjektes w<strong>er</strong><strong>de</strong>n ließ, das im V<strong>er</strong>trauen auf diese Freiheitals <strong>sein</strong>e Basis und <strong>sein</strong> Wesen im Int<strong>er</strong>esse <strong>d<strong>er</strong></strong> Erfahrungsfähigkeitdies<strong>er</strong> Freiheit <strong>sein</strong>e Autonomie imm<strong>er</strong> radikal<strong>er</strong> zu fassensuchte und <strong>sein</strong>e Beziehungen zu an<strong>d<strong>er</strong></strong>en und zur Welt imm<strong>er</strong>rein<strong>er</strong> als H<strong>er</strong>rschaft organisi<strong>er</strong>te, weil das Axiom <strong>d<strong>er</strong></strong> Autonomie78


<strong>de</strong>s Selbst und die <strong>er</strong>fahrene Wirklichkeit nicht zur Deckung zubringen waren.Ab<strong>er</strong> kehren wir zum Thema zurück. Die 2. Dimension <strong>de</strong>s<strong>Christ</strong>lichen begrün<strong>de</strong>t die Lib<strong>er</strong>tas <strong>Christ</strong>iana. Insof<strong>er</strong>n ist sie ein<strong>d<strong>er</strong></strong> Welt und Wirklichkeit zugewandtes Phänomen, wenn manwill, eine eschatologische Struktur zweit<strong>er</strong> Ordnung. Auch alssolche ab<strong>er</strong> begrün<strong>de</strong>t sie keine Option für irgen<strong>de</strong>in System, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nrelativi<strong>er</strong>t vielmehr alle Systeme, weil sie sie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit<strong>de</strong>s Glaubens <strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en zur Disposition stellt. ><strong>Christ</strong>lich< isthi<strong>er</strong> das Recht, Systeme zu wählen, üb<strong>er</strong> sie zu entschei<strong>de</strong>n, neueSysteme zu entw<strong>er</strong>fen und sie in die Praxis umzusetzen. Denn die2. Dimension <strong>de</strong>s ><strong>Christ</strong>lichen< konstitui<strong>er</strong>t das christliche Selbsto<strong>d<strong>er</strong></strong> das christliche Subjekt als ein freies.3. Dimension: 1. Korinth<strong>er</strong> 6,12 schreibt <strong>d<strong>er</strong></strong> Apostel: „Alles istmir zur V<strong>er</strong>fügung gestellt, ab<strong>er</strong> nicht alles ist zuträglich. Alles istmir zur V<strong>er</strong>fügung gestellt, ab<strong>er</strong> ich w<strong>er</strong><strong>de</strong> nicht von irgend etwasüb<strong>er</strong> mich v<strong>er</strong>fügen lassen".Die spitzen Sätze kennzeichnen die 3. Dimension <strong>de</strong>s ><strong>Christ</strong>lichen


neue Hochleistungsmaschine bedient: sehr vorsichtig. Das ist <strong>d<strong>er</strong></strong>Grund <strong>de</strong>s <strong>er</strong>kennbaren Kons<strong>er</strong>vativismus, <strong>de</strong>n <strong>d<strong>er</strong></strong> Apostel Paulusim B<strong>er</strong>eich <strong>de</strong>s Ethos anhängt. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Sicht <strong>de</strong>s Apostels, unddas ist konsequent, ist dies auch nicht zu beanstan<strong>de</strong>n. Denn Systemund V<strong>er</strong>wirklichung schließen sich gegenseitig aus. Bedingung<strong>d<strong>er</strong></strong> Möglichkeit von System ist <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichte. Nur dies<strong>er</strong>ist zur \oyixrjd Xargeiav, zum v<strong>er</strong>nünftigen Gottesdienst fähig.So kann <strong>er</strong> abwarten. Motivation <strong>sein</strong>es Han<strong>de</strong>lns ist nicht,das gute Leben für sich und an<strong>d<strong>er</strong></strong>e h<strong>er</strong>zustellen. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Gemeinschaftmit <strong>Christ</strong>us ist dies Wirklichkeit. Motivation ist, aus <strong>d<strong>er</strong></strong>Teilhabe h<strong>er</strong>aus die Teilhabe Gestalt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n zu lassen, Mitschöpf<strong>er</strong>,Nachschöpf<strong>er</strong>, <strong>de</strong>nn wir leben, wie <strong>d<strong>er</strong></strong> Apostel im 2. Korinth<strong>er</strong>5,7 schreibt, „im Glauben und nicht im Schauen". Wir sin<strong>de</strong>s darum Gott in <strong>Christ</strong>us als uns<strong>er</strong><strong>er</strong> eigenen und eigentlichenWirklichkeit schuldig, <strong>d<strong>er</strong></strong> im Glauben <strong>er</strong>fahrenen Teilhabe Gestaltzu geben o<strong>d<strong>er</strong></strong> die Liebe Gottes in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit zur Anschauungzu bringen. Das ist die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Teilhabe und <strong>d<strong>er</strong></strong> Art undWeise ihr<strong>er</strong> Zuständlichkeit begrün<strong>de</strong>te Triebkraft zum System.III. Die christliche Option für einWirtschaftssystem1. Weil das Thema dies<strong>er</strong> Tagung die Stellung <strong>de</strong>s <strong>Christ</strong>en zuMarxismus und Kapitalismus ist, v<strong>er</strong>enge ich die Antwort auf diemir gestellte Frage nach <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Option für ein Wirtschaftssystemauf das Subsystem Wirtschaft und die bei<strong>de</strong>n konkurri<strong>er</strong>en<strong>de</strong>nKonzepte Kapitalismus und Marxismus, die in <strong>d<strong>er</strong></strong>Tat in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gegenwart die Theorie <strong>de</strong>s Subsystems Wirtschaft ineigentümlich<strong>er</strong> Weise wie<strong>d<strong>er</strong></strong> beh<strong>er</strong>rschen, nach<strong>de</strong>m dieEucken'sche Ersetzung <strong>d<strong>er</strong></strong> bei<strong>de</strong>n Begriffe durch das GegensatzpaarMarktwirtschaft — Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft, die dieZeit bis 1966 bestimmte, in <strong>d<strong>er</strong></strong> Öffentlichkeit kaum mehr Resonanzfin<strong>de</strong>t. Bei<strong>de</strong> sind selbstv<strong>er</strong>ständlich — bitte sehen Sie mirdas Provokative dies<strong>er</strong> Aussage nach — in ihrem Ansatz christlich.Sie sind es, weil sie Systeme sind, d. h. Konzepte eines Selbst,das, wie bedingt imm<strong>er</strong>, Kompetenz für angemessenes Erkennen81


<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit <strong>de</strong>s Wirtschaftlichen und die Möglichkeit ihr<strong>er</strong>Gestaltung für sich in Anspruch nimmt, sich also Freiheit zuspricht.Welch fundamentales und ganz und gar nicht selbstv<strong>er</strong>ständlichesDatum damit gesetzt ist, beginnen wir <strong>er</strong>st in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gegenwartwie<strong>d<strong>er</strong></strong> zu begreifen, wo Alt<strong>er</strong>native <strong>de</strong>m Kapitalismuswie <strong>de</strong>m Marxismus gegenüb<strong>er</strong> eben g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> diese Freiheit bestreiten,in<strong>de</strong>m sie Ersetzung <strong>de</strong>s Systems durch systemnegi<strong>er</strong>en<strong>de</strong>Kontingenz, z. B. Ökostabilität, v<strong>er</strong>langen, wie etwa Carl Am<strong>er</strong>ydies tut.D<strong>er</strong> Sache nach <strong>er</strong>gibt sich aus <strong>de</strong>m System- und Konstruktcharakt<strong>er</strong>,in <strong>de</strong>n die Wirtschaft hi<strong>er</strong> gefaßt wird, als <strong>er</strong>stes eine Ortsbestimmung<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft im ganzen ge<strong>de</strong>utet<strong>er</strong> Wirklichkeit,die b<strong>er</strong>eits sehr unt<strong>er</strong>schiedlich ausfallen kann. Nach <strong>de</strong>m einenKonzept ist es so, daß sie auf diese Weise als ein Subsystem <strong>er</strong>scheint,das, eingebettet in ein Gesamtsystem menschlich<strong>er</strong> Da<strong>sein</strong>s<strong>er</strong>fassung,von diesem h<strong>er</strong> wie durch die ihm zugeordnetenFunktionen <strong>sein</strong>en Charakt<strong>er</strong> gewinnt, in <strong>de</strong>m <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch alsObjekt <strong>de</strong>s Wirtschaftens diesem Ziele setzt und Funktionen zuweist.Nach <strong>de</strong>m an<strong>d<strong>er</strong></strong>n wird Wirtschaft und wirtschaften zurOrganisationsmitte <strong>de</strong>s Systems und V<strong>er</strong>nunft etwa zum Üb<strong>er</strong>bau,also zur Funktion. Ab<strong>er</strong> bei<strong>de</strong>s ist ja, wie das gegenwärtigeVordringen unbewältigt<strong>er</strong> Kontingenz zeigt, nicht selbstv<strong>er</strong>ständlich,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n setzt Kompetenz für Rationalität und Freiheit zumHan<strong>de</strong>ln voraus, die für rationales Erkennen und Han<strong>de</strong>ln begrün<strong>de</strong>t<strong>sein</strong> wollen. Dies<strong>er</strong> gegenwärtigen Infragestellung gegenüb<strong>er</strong>ist es von nur relativ<strong>er</strong> Be<strong>de</strong>utung, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus eineKette knüpft, in <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Marx'sche Begriff <strong>de</strong>s <strong>sein</strong>em Wesen entfrem<strong>de</strong>tenProletari<strong>er</strong>s, das Privateigentum an Produktionsmittelnals Sün<strong>de</strong>nfall <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltgeschichte, die Notwendigkeit <strong>de</strong>sKlassenkampfes mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>d<strong>er</strong></strong> Expropriation <strong>d<strong>er</strong></strong> Expropriateure,<strong>d<strong>er</strong></strong> Kommunismus als Wirtschaftsform <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung<strong>de</strong>s Menschen in Gesellschaft, die Utopie <strong>de</strong>s v<strong>er</strong>wirklichtenMenschen im kommunistischen Paradies als Produkt dies<strong>er</strong>V<strong>er</strong>wirklichung, <strong>d<strong>er</strong></strong> Begriff <strong>de</strong>s Bewußt<strong>sein</strong>s als Üb<strong>er</strong>bau, also alsProdukt ein<strong>er</strong> gesellschaftlichen Produktionsform und <strong>d<strong>er</strong></strong> handlungstheoretischbegrün<strong>de</strong>te, prinzipielle Atheismus eine Rollespielen, während im Kapitalismus <strong>d<strong>er</strong></strong> lib<strong>er</strong>alistische Individualis-82


Schaft zu <strong>er</strong>setzen, dann weist das in die gleiche Richtung, weil dasEuckensche Begriffspaar nicht auf <strong>de</strong>n Systemzusammenhang <strong>de</strong>sWirtschaftens abhebt, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auf <strong>sein</strong>e Metho<strong>de</strong> und Instrumente,also auf <strong>de</strong>n Modus. Selbst <strong>d<strong>er</strong></strong> Ordolib<strong>er</strong>alismus also sucht <strong>de</strong>nZusammenhang von System und Subsystem auszuklamm<strong>er</strong>n. Systematischbetrachtet, zeigt dies <strong>de</strong>m Marxismus o<strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialismusgegenüb<strong>er</strong> zweifellos eine Schwäche an. Denn Wirtschaften ist janicht nur ein Akt von Menschen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n ebenso ein Akt fürMenschen, kann sich also nicht nur an <strong>d<strong>er</strong></strong> Effizienz von Metho<strong>de</strong>und Instrumenten orienti<strong>er</strong>en, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n muß auch auf die Folgenfür die Betroffenen sehen.Sich<strong>er</strong> ist es kein wirtschaftlich<strong>er</strong> Aspekt, daß es Schwache gibt,daß die Mehrheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschen Schwache sind. Wenn Wirtschaftab<strong>er</strong> Han<strong>de</strong>ln von Menschen miteinan<strong>d<strong>er</strong></strong> für Menschen zur Befriedigungvon Bedürfnissen ist, dann können und dürfen dieSchwachen als die beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s Betroffenen g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> nicht auß<strong>er</strong> Ansatz<strong>de</strong>s wirtschaftlichen Kalküls bleiben. Erst recht gilt dies füreinen Entwurf von Gestaltung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit, <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit alsWesen <strong>de</strong>s Menschen gegenüb<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Welt zur Grundlage hat. ImSinne christlich<strong>er</strong> Option haben Marxismus o<strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialismus alsodarin recht, wenn sie bei <strong>de</strong>n Armen und Schwachen o<strong>d<strong>er</strong></strong>, allgemein<strong>er</strong>formuli<strong>er</strong>t, bei <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschen ansetzenund, diesen Ansatz entschlossen <strong>er</strong>nstnehmend, <strong>sein</strong>e Op<strong>er</strong>ationalisi<strong>er</strong>barkeitals entschei<strong>de</strong>nd setzen. Dies ab<strong>er</strong> ist es nun, was <strong>de</strong>nMarxismus daran hin<strong>d<strong>er</strong></strong>t, ein Subsystem Wirtschaft zu <strong>er</strong>fin<strong>de</strong>n,vielmehr die Wirtschaft zur K<strong>er</strong>nzelle <strong>de</strong>s Systems w<strong>er</strong><strong>de</strong>n läßt.Zunächst be<strong>de</strong>utet es, sieht man in systemtheoretisch<strong>er</strong> Betrachtungauf <strong>de</strong>n Vollzug, daß Freiheit als Aufgabe, als Notwendigkeit<strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiung <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t wird.*) Dies geschieht grundlegendbei Marx,wenn <strong>er</strong> die Unfreiheit als wirtschaftliche Benachteiligungund zwar als Benachteiligung im Hinblick auf die V<strong>er</strong>fügungüb<strong>er</strong> Produktionsmittel konstrui<strong>er</strong>t. Wir sagen konstrui<strong>er</strong>t.Denn natürlich ist diese Unfreiheit nicht Sein son<strong>d<strong>er</strong></strong>n Deutungund diese Deutung Teil eines Konzeptes, <strong>de</strong>m es um reale Gestaltw<strong>er</strong>dung<strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit geht. Den Konstruktcharakt<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Marx-*) Dies wie<strong>d<strong>er</strong></strong>um wird op<strong>er</strong>ationalisi<strong>er</strong>t, in<strong>de</strong>m Unfreiheit als Zustand bestimmtwird.84


sehen Begriffe von Unfreiheit, Entfremdung und Proletariat zuüb<strong>er</strong>sehen wäre naiv.Auch die V<strong>er</strong>elendungstheorie, zu <strong>d<strong>er</strong></strong>en Begründung Marx <strong>sein</strong>eTheorie <strong>de</strong>s Mehrw<strong>er</strong>tes entwickelt, ist selbstv<strong>er</strong>ständlich Momentim Gesamtkonzept von Gestaltung als Befreiung und <strong>d<strong>er</strong></strong>sich aus diesem Konzept <strong>er</strong>geben<strong>de</strong>n Notwendigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Op<strong>er</strong>ationalisi<strong>er</strong>ung,also <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns. Das gleiche gilt für <strong>sein</strong>en Begriff<strong>d<strong>er</strong></strong> gesellschaftlichen Natur <strong>de</strong>s Menschen, die bestimmtwird durch <strong>de</strong>n Zustand <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktionsmittel und <strong>d<strong>er</strong></strong>en V<strong>er</strong>teilungund V<strong>er</strong>fügbarkeit. Aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Dominanz <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichungsfor<strong>d<strong>er</strong></strong>ungund <strong>d<strong>er</strong></strong> mit ihr gegebenen Vorordnung <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lnsfolgt natürlich auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Einbezug <strong>d<strong>er</strong></strong> Geschichte, <strong>d<strong>er</strong></strong> Prozeßcharakt<strong>er</strong><strong>d<strong>er</strong></strong> Befreiung, ihre Gestalt als Bewegung, die Be<strong>de</strong>utung<strong>d<strong>er</strong></strong> Zeitdimension <strong>d<strong>er</strong></strong> Zukunft und die Negation <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>gangenheitmit ihren Traditionen, schließlich <strong>d<strong>er</strong></strong> sich aus <strong>de</strong>m Systemzusammenhang<strong>er</strong>geben<strong>de</strong> entschlossene funktionale gesellschaftlicheAtheismus.Man wird zugeben müssen, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> hohe Grad bewältigt<strong>er</strong>Kontingenz, <strong>de</strong>n dieses handlungsorienti<strong>er</strong>te Konstrukt leistet,das sozialistische Konzept als ein hochgradig rationales Konzept<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung von Freiheit in Gesellschaft <strong>er</strong>scheinen läßt.Und man wird auch zugestehen müssen, daß Marx darin rechthat, daß <strong>er</strong> dieses Konzept als die wahre Fortschreibung <strong>de</strong>s bürg<strong>er</strong>lichenLib<strong>er</strong>alismus und Kapitalismus ansieht. Unzweifelhaftist mir auch, daß in diesem Konzept genuine Elemente <strong>de</strong>s christlichenFreiheitsv<strong>er</strong>ständnisses zum Tragen kommen. D<strong>er</strong> christlicheAnsatz <strong>er</strong>scheint mir sowohl in <strong>d<strong>er</strong></strong> Entschlossenheit zum Systemzusammenhangwie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Dominanz <strong>de</strong>s an<strong>d<strong>er</strong></strong>en im Begriff<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung, im Willen zur Gestaltung und Praxis und in<strong>d<strong>er</strong></strong> Betonung <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>antwortung <strong>de</strong>s Menschen für <strong>sein</strong>e gesellschaftlicheFreiheit zu liegen.Mir ist es dah<strong>er</strong> auch sehr wohl v<strong>er</strong>ständlich, daß angesichts <strong>d<strong>er</strong></strong>Stringenz dieses Systems Kapitalismus und Lib<strong>er</strong>alismus <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialistischenRationalität in ihr<strong>er</strong> öffentlichen W<strong>er</strong>bewirksamkeitunt<strong>er</strong>liegen, daß all<strong>er</strong> Erfahrung zum Trotz <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialismus imm<strong>er</strong>umfassen<strong>d<strong>er</strong></strong> das Denken <strong>d<strong>er</strong></strong> Zeit bestimmt und damit in sohohem Gra<strong>de</strong> geschichtsgestaltend wird.85


So ist es b<strong>er</strong>eits von hi<strong>er</strong> v<strong>er</strong>ständlich, daß auch in <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong>enheitdie Option für <strong>de</strong>n Sozialismus imm<strong>er</strong> ein<strong>de</strong>utig<strong>er</strong> wird.Ab<strong>er</strong> natürlich ist dies nicht <strong>d<strong>er</strong></strong> eigentliche Grund. Dies<strong>er</strong> liegt,so meine ich, darin, daß auch vor allem in <strong>d<strong>er</strong></strong> protestantischenTheologie, in fortschreiten<strong>d<strong>er</strong></strong> Ub<strong>er</strong>windung <strong>de</strong>s theologischenLib<strong>er</strong>alismus die christliche Freiheit gegenüb<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Welt so radikalund entschlossen gedacht wur<strong>de</strong>, daß christliche V<strong>er</strong>antwortungals Gestaltung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit als zentrale ethische Aufgabe<strong>er</strong>schien. Dementsprechend gibt sich die Amst<strong>er</strong>dam<strong>er</strong> Weltkirchenkonf<strong>er</strong>enzvon 1948 das Thema „Die Unordnung <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltund Gottes Heilsplan". Um zu <strong>er</strong>kennen, daß bei dies<strong>er</strong> auf V<strong>er</strong>wirklichungg<strong>er</strong>ichteten Themenstellung das sozialistische Konzept<strong>d<strong>er</strong></strong> Gestaltung die Handlungsrichtung beeinflußt hat, mußman nur theologische Autoren wie Barth, Brunn<strong>er</strong>, Tillich, Delekatund ihre Schül<strong>er</strong> lesen, die religiöse Sozialisten waren und dah<strong>er</strong><strong>de</strong>n Kapitalismus im Lichte <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialistischen Kritik sahen.Infolge<strong>de</strong>ssen <strong>er</strong>schien ihnen Option gegen <strong>de</strong>n Kapitalismuszwingend. Das ab<strong>er</strong> be<strong>de</strong>utete zugleich Üb<strong>er</strong>nahme <strong>d<strong>er</strong></strong> Üb<strong>er</strong>zeugung,daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialismus heute das System <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit repräsenti<strong>er</strong>e.Es meinten also nicht nur Joseph A. Schumpet<strong>er</strong> und das Go<strong>de</strong>sb<strong>er</strong>g<strong>er</strong>Programm, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialismus das zukünftige Konzept<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung <strong>de</strong>s Menschen sei, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch weite Teile<strong>d<strong>er</strong></strong> evangelischen Theologie und <strong>d<strong>er</strong></strong> evangelischen <strong>Christ</strong>enheitin <strong>d<strong>er</strong></strong> Welt.3. Niemand bestreitet, daß es einige dunkle Punkte im Programm<strong>de</strong>s Sozialismus gibt. In seltsam<strong>er</strong> Weise kontrasti<strong>er</strong>t dieGeschlossenheit <strong>de</strong>s sozialistischen Systems mit <strong>sein</strong><strong>er</strong>wirtschaftlich-sozialen Ineffizienz. Üb<strong>er</strong>all in <strong>d<strong>er</strong></strong> Welt geht es<strong>de</strong>n Abhängigen in kapitalistischen Systemen bess<strong>er</strong> als in sozialistischen.Und dies nicht nur wirtschaftlich, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch im Hinblickauf <strong>de</strong>n Abbau sozial<strong>er</strong> Schranken, Selbst- und Mitbestimmung,Gewährung individuell<strong>er</strong> und gesellschaftlich<strong>er</strong> Freiheit.Man kann auch von ein<strong>er</strong> systemtheoretischen Blamage <strong>de</strong>s Sozialismusim Hinblick auf <strong>sein</strong>e Analysen <strong>d<strong>er</strong></strong> Zwänge <strong>de</strong>s kapitalistischenSystems, <strong>de</strong>nen es mit Notwendigkeit <strong>er</strong>liegen müsse, sprechen.Unv<strong>er</strong>kennbar ist schließlich die Affinität zu strukturell<strong>er</strong>Gewalt, die Sozialisten all<strong>er</strong> Richtungen auf <strong>de</strong>n Weg <strong>d<strong>er</strong></strong> Suche86


Diskussionsb<strong>er</strong>ichtEs ist nicht leicht, die Diskussionsbeiträge zum Thema vonW. F. Kasch zu ordnen und darzustellen, und zwar auf Grund vonein<strong>er</strong> dreifachen Schwi<strong>er</strong>igkeit: Erstens die schwi<strong>er</strong>ige Problematik<strong>de</strong>s V<strong>er</strong>hältnisses von christlichem Glauben zur Konzipi<strong>er</strong>ungein<strong>er</strong> Wirtschaftsordnung, wozu die theologische Abklärung <strong>de</strong>sWesensk<strong>er</strong>nes und <strong>d<strong>er</strong></strong> Reichweite <strong>de</strong>s Glaubens Voraussetzungist, zweitens die Schwi<strong>er</strong>igkeit, die theologische Schau <strong>de</strong>n Ökonomenv<strong>er</strong>ständlich zu machen, drittens die zwar üb<strong>er</strong>aus bezaub<strong>er</strong>n<strong>de</strong>,ab<strong>er</strong> sehr schwi<strong>er</strong>ig nachzuvollziehen<strong>de</strong> Systematik <strong>de</strong>sRef<strong>er</strong>enten. Namentlich dies<strong>er</strong> dritte Grund <strong>er</strong>wies sich als beson<strong>d<strong>er</strong></strong>sschwi<strong>er</strong>ig für die Teilnehm<strong>er</strong>. Deswegen v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n sich alleDiskussionsbeiträge mehr als Fragen <strong>de</strong>nn als Gegenargumente.Ich will darum zunächst v<strong>er</strong>suchen, die grundlegen<strong>de</strong> Systematik<strong>de</strong>s Ref<strong>er</strong>ates mit einfachen, vielleicht zu laienhaften Worten zuskizzi<strong>er</strong>en.D<strong>er</strong> Ref<strong>er</strong>ent unt<strong>er</strong>schei<strong>de</strong>t drei v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Ebenen: 1. die <strong>de</strong>srein theologischen V<strong>er</strong>ständnisses <strong>de</strong>s Glaubens, das die Ausdiff<strong>er</strong>enzi<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> Reichweite <strong>de</strong>s Glaubensaktes im Hinblick auf dieBewältigung von weltlichen Fragen zunächst ausklamm<strong>er</strong>t, 2. dieEbene <strong>d<strong>er</strong></strong> Bew<strong>er</strong>tung konkret<strong>er</strong> wirtschaftlich<strong>er</strong> V<strong>er</strong>hältnisseund 3. die Option für eine bestimmte wirtschaftliche Ordnung.D<strong>er</strong> Glaube als unbedingte Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Kindschaft GottesD<strong>er</strong> Glaube v<strong>er</strong>setzt <strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en in eine neue Welt, die zunächstFreiheit von dies<strong>er</strong> Welt, in <strong>d<strong>er</strong></strong> sich das rationale Denkenmit <strong>sein</strong><strong>er</strong> Zweckgebun<strong>de</strong>nheit bewegt, be<strong>de</strong>utet. Diese Ebene istbedingungslos, das heißt auf ihr kann all das, was <strong>d<strong>er</strong></strong> Ökonom in<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft b<strong>er</strong>ücksichtigt wissen will, wie zum Beispiel dieBedarfs<strong>de</strong>ckung, die Effizienz wirtschaftlichen Han<strong>de</strong>lns usw.,noch nicht in Betracht gezogen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Wenn also M. Honeck<strong>er</strong>die Frage stellte, ob W. F. Kasch die Zweckbestimmung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftausreichend zur Kenntnis nehme, dann konnte W. F. Kaschantworten, daß rein theologisch dieses Anliegen zweitrangig sei.Vom Glauben h<strong>er</strong> kann zunächst nur das Anliegen <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit90


<strong>d<strong>er</strong></strong> Gotteskindschaft, wenn man will, die, wie P. Inhoffen es formuli<strong>er</strong>te,Autonomie, in Betracht gezogen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Auf dies<strong>er</strong>Ebene geht es im Hinblick auf die Wirtschaft nur darum, die v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nenmöglichen Entwürfe („Konstrukte") zu formuli<strong>er</strong>en,ohne noch an die Zwänge zu <strong>de</strong>nken, welche unt<strong>er</strong> Umstän<strong>de</strong>n in<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit sich bem<strong>er</strong>kbar machen.W. F. Kasch sieht darum auf dies<strong>er</strong> Ebene eine V<strong>er</strong>bindung zummarxistischen Entwurf, so i<strong>de</strong>ologisch dies<strong>er</strong> auch <strong>sein</strong> mag. H.Willg<strong>er</strong>odt beurteilt dieses Konzipi<strong>er</strong>en von I<strong>de</strong>ologien all<strong>er</strong>dingsals gefährlich, weil damit <strong>d<strong>er</strong></strong> Sinn für die <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft inhärentenWirklichkeitsbezüge beschränkt wür<strong>de</strong>. Engels und Marx habenvon ihr<strong>er</strong> I<strong>de</strong>ologie aus eine konkrete Wirtschaft entworfen,die mehr <strong>de</strong>m Traumbild eines irdischen Paradieses als <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit<strong>de</strong>s Menschen entspreche. W. F. Kasch kann darauf <strong>er</strong>wi<strong>d<strong>er</strong></strong>n,daß g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> wegen dies<strong>er</strong> von <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirklichkeit, insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>evon allem H<strong>er</strong>kömmlichen entf<strong>er</strong>nten Denkweise <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismussich so faszini<strong>er</strong>end <strong>er</strong>weise, nicht etwa, weil das Paradies so attraktivsei, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n weil <strong>d<strong>er</strong></strong> marxistische Entwurf, wie ähnlich<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>de</strong>s Glaubens, sich üb<strong>er</strong> all das <strong>er</strong>hebe, was bish<strong>er</strong> vom Menschenin <strong>sein</strong><strong>er</strong> zeitlichen Abhängigkeit <strong>er</strong>dacht wor<strong>de</strong>n sei. G<strong>er</strong>a<strong>de</strong>die „Grünen" suchten einen Ansatz, <strong>d<strong>er</strong></strong> sich jenseits all<strong>er</strong> bish<strong>er</strong>igenParamet<strong>er</strong> befän<strong>de</strong>. Ihr Anliegen sei in einem abstraktenHumanitätsi<strong>de</strong>al v<strong>er</strong>ank<strong>er</strong>t, das weit üb<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> ökonomischen Diskussionüb<strong>er</strong> Kapitalismus und Sozialismus liege: Im Menschen,<strong>d<strong>er</strong></strong> sich <strong>sein</strong><strong>er</strong> V<strong>er</strong>fügungsfreiheit bewußt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n müsse. W. F.Kasch ist sich natürlich bewußt, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismus in <strong>sein</strong>emKonstrukt zu weit geht, da <strong>er</strong> es b<strong>er</strong>eits als Wirklichkeitsbewältigungv<strong>er</strong>stehe, also im Sinn ein<strong>er</strong> echten I<strong>de</strong>ologie, ein<strong>er</strong> Konzeption,die alle an<strong>d<strong>er</strong></strong>en b<strong>er</strong>eits als wirklichkeitsfremd und unwahr,als Entfremdung hinstellt. Dies<strong>er</strong> Vorstoß <strong>de</strong>s Marxismus in diekonkrete Welt, wobei ein geschlossenes, in gewissem Sinn abg<strong>er</strong>un<strong>de</strong>tesWeltbild entsteht, macht die faszini<strong>er</strong>en<strong>de</strong> Kraft <strong>d<strong>er</strong></strong>marxistischen I<strong>de</strong>ologie aus. D<strong>er</strong> Mensch scheint offenbar das Bedürfnisnach einem solchen Konstrukt zu haben. Daraus <strong>er</strong>klärtsich wohl auch, wie E. Heintel sagt, die Unbefrie<strong>de</strong>theit von manchenOstflüchtlingen in <strong>de</strong>n westlichen Wohlstandswirtschaften,die darum ihren Weg zurück in <strong>de</strong>n Osten antreten.91


Im Anschluß hi<strong>er</strong>an meint E. Heintel, daß die Freiheit allein dasProblem <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsordnung nicht löse. W. F. Kasch will ab<strong>er</strong>mit <strong>sein</strong>em Ansatz noch gar nicht konkrete Probleme lösen. DiesesAnliegen wird ihm <strong>er</strong>st auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Ebene <strong>d<strong>er</strong></strong> Option aktuell. Imm<strong>er</strong>hinab<strong>er</strong> sieht <strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Gotteskindschaft <strong>de</strong>n Ansatzo<strong>d<strong>er</strong></strong> die ob<strong>er</strong>ste Prämisse, das heißt <strong>de</strong>n Grundw<strong>er</strong>t, an <strong>de</strong>m<strong>er</strong> konkrete Wirklichkeit zu messen imstan<strong>de</strong> ist, zur Beantwortung<strong>d<strong>er</strong></strong> Frage: Ist die Entfaltung <strong>d<strong>er</strong></strong> von Gott im Glauben geschenktenFreiheit noch möglich in dies<strong>er</strong> o<strong>d<strong>er</strong></strong> jen<strong>er</strong> Situation?Nun meint all<strong>er</strong>dings M. Honeck<strong>er</strong>, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Glaube neben <strong>d<strong>er</strong></strong>Freiheit auch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Grundw<strong>er</strong>te enthalte wie zum Beispiel diehochgeschätzte Arbeit, <strong>de</strong>n Fleiß, <strong>de</strong>n Einsatz für <strong>de</strong>n Nächsten,die G<strong>er</strong>echtigkeit usw. W. F. Kasch möchte ab<strong>er</strong> im <strong>er</strong>sten Ansatzbei <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit bleiben und die genannten W<strong>er</strong>te <strong>er</strong>st dort in Betrachtgezogen wissen, wo es um die Option <strong>de</strong>s Wirtschaftssystemsgeht. E. Nagel empfin<strong>de</strong>t die Freiheit als zu individualistischgeprägten Ansatz für einen Einstieg in die Problematik <strong>de</strong>sgeordneten Zusammenlebens. D<strong>er</strong> Mensch sei in irgen<strong>de</strong>in<strong>er</strong> Weise<strong>de</strong>m gesellschaftlich Üb<strong>er</strong>kommenen v<strong>er</strong>haftet. E. Nagel weistzur Exemplifizi<strong>er</strong>ung auf die Diskussion um das Kleinschreibenvon Substantiven im Deutschen hin. Man stelle sich vor, wennman von heute auf morgen die Substantive in <strong>de</strong>m Satz „<strong>er</strong> kaufteEisen und Stahl" klein schreiben wür<strong>de</strong>. E. Amelung <strong>er</strong>klärt, daßsich bei <strong>de</strong>n Theologen in die Aufstellung <strong>d<strong>er</strong></strong> als Paramet<strong>er</strong> dienen<strong>de</strong>nW<strong>er</strong>te unm<strong>er</strong>klich die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Umwelt gültigen W<strong>er</strong>tvorstellungeneinschleichen. Daraus <strong>er</strong>klärten sich die v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nenStellungnahmen zum Kapitalismus bei E. Brunn<strong>er</strong> ein<strong>er</strong>seits undK. Barth und P. Tillich an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seits. W. F. Kasch bestreitet diesenkonkret-soziologischen Einfluß durchaus nicht. Er meint ab<strong>er</strong>,daß man aus dies<strong>er</strong> tatsächlichen Abhängigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Theologenvon ihr<strong>er</strong> Umwelt nicht auf die theoretische Gültigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> betreffen<strong>de</strong>nW<strong>er</strong>tvorstellungen schließen dürfe.Von <strong>d<strong>er</strong></strong> im Glauben gewonnenen Freiheit zur sozialen Wirklichkeitund zur Option für ein WirtschaftssystemIn <strong>d<strong>er</strong></strong> Konfrontation mit <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Wirklichkeit treten nunim Gläubigen alle jene W<strong>er</strong>tmaßstäbe ins Bewußt<strong>sein</strong>, die ein92


friedliches, g<strong>er</strong>echtes Zusammenleben bestimmen sollen: g<strong>er</strong>echteV<strong>er</strong>teilung <strong>d<strong>er</strong></strong> Er<strong>de</strong>ngüt<strong>er</strong>, gegenseitige Achtung und Liebe usw.Da die Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Kindschaft Gottes nicht das Privileg eines Einzelneno<strong>d<strong>er</strong></strong> ein<strong>er</strong> Gruppe ist, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n grundsätzlich alle Menschenzu dies<strong>er</strong> Freiheit b<strong>er</strong>ufen sind, kann nur eine solche Ordnungals christlich bezeichnet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, in <strong>d<strong>er</strong></strong> alle Glie<strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaftin dies<strong>er</strong> Freiheit leben und sich entfalten können. DieseOrdnungsvorstellung W. F. Kaschs darf nicht im Sinn <strong>de</strong>sKant sehen transzen<strong>de</strong>ntalen Freiheitsbegriffes v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Die christliche Freiheit v<strong>er</strong>langt positiven Ausdruck in <strong>d<strong>er</strong></strong>tätigen Mitgestaltung <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt. Sie ist im gesellschaftlichenRaum nicht nur Autonomie, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch Anfor<strong>d<strong>er</strong></strong>ungan die Mitwelt zur V<strong>er</strong>wirklichung ein<strong>er</strong> humanen, von sittlichenW<strong>er</strong>ten <strong>er</strong>füllten Gesellschaft.Ist nun diese Konzeption <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Freiheit auch mächtiggenug, die Option für ein Wirtschaftssystem vorzunehmen?H. Willg<strong>er</strong>odt meint, daß man auf dies<strong>er</strong> Basis wohl negativeKrit<strong>er</strong>ien <strong>d<strong>er</strong></strong> konkreten Weltbeurteilung zur Hand hätte, daßab<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> durch diese Krit<strong>er</strong>ien nicht ausgeschlossene Rest <strong>de</strong>m rationalenDenken üb<strong>er</strong>lassen w<strong>er</strong><strong>de</strong>, das sich mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Findung ein<strong>er</strong>effizienten freiheitlichen Wirtschaftsordnung abgeben soll. AuchM. Honeck<strong>er</strong> plädi<strong>er</strong>t für diese Sicht, wobei <strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorhebt, daß imGlauben <strong>er</strong>faßte W<strong>er</strong>te in eine gewisse Richtung weisen, jedochkaum zur Erstellung eines Wirtschaftssystems ausreichen, diesschon <strong>de</strong>swegen nicht, weil man wenig<strong>er</strong> von einem Wirtschaftssystemals vielmehr nur von einem Syndrom v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>n<strong>er</strong> Ordnungselementesprechen könne. H. H D<strong>er</strong>ix äuß<strong>er</strong>t <strong>er</strong>gänzend,daß man von <strong>d<strong>er</strong></strong> Basis <strong>de</strong>s Glaubens aus wohl kaum von einemKonstrukt <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsordnung sprechen könne. Es lägenzwei aktuelle Systeme vor, die man anstatt mit Sozialismus undKapitalismus bess<strong>er</strong> mit <strong>de</strong>zentral<strong>er</strong> Wirtschaftsorganisation, dasheißt Wettbew<strong>er</strong>bswirtschaft, und zentral geleitet<strong>er</strong> Wirtschaftbezeichne. Und auf dies<strong>er</strong> Diskussionsebene ginge es um die einfach<strong>er</strong>ationale Üb<strong>er</strong>legung, welch<strong>er</strong> Organisation es am besten gelänge,die Knappheit zu üb<strong>er</strong>win<strong>de</strong>n.W. F. Kasch möchte ab<strong>er</strong> mit <strong>sein</strong>em Begriff <strong>de</strong>s Konstrukteskeineswegs eine nach allen Seiten abgesich<strong>er</strong>te, rational durchor-93


ganisi<strong>er</strong>te Wirtschaftsform ansprechen. Er fragt vielmehr, welchevon <strong>de</strong>n konkret vorliegen<strong>de</strong>n Wirtschaftsorganisationen, manmöge sie <strong>de</strong>zentral o<strong>d<strong>er</strong></strong> zentral gesteu<strong>er</strong>t nennen, <strong>d<strong>er</strong></strong> im dargestelltenSinn v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>nen Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Gotteskindschaft am nächstenliege. Die vielen möglichen Entwürfe <strong>er</strong>halten hi<strong>er</strong>mit eineAusglie<strong>d<strong>er</strong></strong>ung durch die konkrete Wirklichkeit. Auf diese Weisesucht W. F. Kasch die Trennung von Glaube und Wirklichkeit zuüb<strong>er</strong>win<strong>de</strong>n. Er meint ab<strong>er</strong>, daß man aus christlichem Denkenh<strong>er</strong>aus nicht mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Absicht an die Wirklichkeit h<strong>er</strong>antretenkönne, eine Wohlstandsgesellschaft h<strong>er</strong>vorzubringen. Die Genügsamkeitund die Zufrie<strong>de</strong>nheit mit Wenigem, die auch zu <strong>de</strong>nchristlichen W<strong>er</strong>ten gehören, v<strong>er</strong>bieten es, <strong>de</strong>m technologischenDenken Vorschub zu leisten. Diogenes sei sehr zufrie<strong>de</strong>n gewesenin <strong>sein</strong>em Faß und habe nicht nach mehr v<strong>er</strong>langt. G<strong>er</strong>a<strong>de</strong> dieseÜb<strong>er</strong>legungen legen es W. F. Kasch nahe, mit Nachdruck auf dieFreiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> Gotteskindschaft als Ansatz zurückzukommen.O. von Nell-Breuning fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>n Gedanken W. F. Kaschs eineBestätigung <strong>d<strong>er</strong></strong> ethischen Üb<strong>er</strong>legungen, die in <strong>d<strong>er</strong></strong> Nachkriegsp<strong>er</strong>io<strong>de</strong>bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Konzeption <strong>d<strong>er</strong></strong> Deutschen Sozialen Marktwirtschaftvon entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m Einfluß gewesen seien. Man habe sichklargemacht, daß die dirigistische Wirtschaft ein hohes Maß vonmoralisch<strong>er</strong> Anstrengung von <strong>de</strong>n Wirtschaftssubjekten v<strong>er</strong>lange,während die Marktwirtschaft mit wenig<strong>er</strong> Moral auskomme. Tatsächlichsind die Wirtschaftssubjekte in <strong>d<strong>er</strong></strong> dirigistischen Wirtschaftvielfältigen Befehlen und behördlichen Kontrollen unt<strong>er</strong>worfenund damit moralisch belastet, während sie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaftin Freiheit entschei<strong>de</strong>n können. Die Gedankenv<strong>er</strong>bindungist zwar v<strong>er</strong>lockend und rational auch einsichtig. Doch dürftesie in <strong>d<strong>er</strong></strong> Systematik W. F. Kaschs wohl schw<strong>er</strong>lich bestehenkönnen: D<strong>er</strong> <strong>Christ</strong> kann und muß unt<strong>er</strong> Umstän<strong>de</strong>n im Gehorsameinen höh<strong>er</strong>en Ausdruck <strong>sein</strong><strong>er</strong> Freiheit <strong>er</strong>kennen als in <strong>d<strong>er</strong></strong>Willkür, zu wollen, was ihm g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> liegt. Dafür ist die gehorsameund zugleich freie Üb<strong>er</strong>nahme <strong>de</strong>s Kreuzesto<strong>de</strong>s <strong>Christ</strong>i wohl dasschlagen<strong>de</strong> Beispiel. Wollte man die ethische Wür<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>ordnunggegenüb<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Willkür h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>spielen, dann müßtendiejenigen, die im Or<strong>de</strong>nsstand <strong>de</strong>n Gehorsam gewählt haben,wohl zum B<strong>er</strong>ufswechsel v<strong>er</strong>anlaßt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Natürlich rechnet94


man in <strong>d<strong>er</strong></strong> Frage nach <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong>tragsreichsten Wirtschaft in rational<strong>er</strong>Üb<strong>er</strong>legung, welche Wirtschaftsordnung mit <strong>de</strong>m g<strong>er</strong>ingstenMaß an ethisch<strong>er</strong> Belastung auskommt. Ab<strong>er</strong> dieses Erfolgs<strong>de</strong>nkendarf <strong>de</strong>n von W. F. Kasch angesprochenen christlichen Freiheitsbegriffnicht begrenzen. Seine Systematik geht an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Wege.D<strong>er</strong> Freiheitsbegriff, wie ihn W. F. Kasch darstellte, bietet auchdie Lösung <strong>d<strong>er</strong></strong> Fragen, die H. f. Türk und A. Klose stellten. H. f.Türk kommt auf die Situation <strong>d<strong>er</strong></strong> polnischen Katholiken zu sprechen,die sich ohne Zweifel gegen <strong>de</strong>n Dirigismus entschei<strong>de</strong>nwür<strong>de</strong>n, ab<strong>er</strong> aus politischen Grün<strong>de</strong>n ihr Konzept <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftzurückschrauben müssen, um üb<strong>er</strong>haupt etwas zu <strong>er</strong>reichen.Und A Klose sieht in <strong>d<strong>er</strong></strong> Bindung an die Tradition ebenfall<strong>sein</strong>en begrenzen<strong>de</strong>n Faktor wirtschaftspolitischen Ordnungs<strong>de</strong>nkens.W. F. Kasch kann darauf antworten, daß es selbstv<strong>er</strong>ständlichZwänge gebe, wie imm<strong>er</strong> diese sich manifesti<strong>er</strong>en mögen, seies politisch durch die äuß<strong>er</strong>e Gewalt, sei es psychisch durch gesellschaftlichvorhan<strong>de</strong>ne Denkweisen. Sie seien Daten, die <strong>de</strong>n Glaubenals solchen nicht b<strong>er</strong>ühren und <strong>sein</strong>e inn<strong>er</strong>e Kraft nicht lahmen.Je<strong>d<strong>er</strong></strong>mann weiß, daß die Konzeption eines I<strong>de</strong>als nochnicht die Negation von konkret<strong>er</strong> Wirklichkeit be<strong>de</strong>utet. Etwasan<strong>d<strong>er</strong></strong>es ist es, ein I<strong>de</strong>al konzipi<strong>er</strong>en und es in Kontakt mit <strong>d<strong>er</strong></strong>konkreten Welt im Hinblick auf die beste V<strong>er</strong>wirklichung ausformuli<strong>er</strong>en.95


AlfredKloseIST DIE ALTERNATIVE ZUM MARXISMUSDEN CHRISTEN DERKAPITALISMUS?FÜRGrundlegungFür die Beantwortung <strong>d<strong>er</strong></strong> im Thema <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Ref<strong>er</strong>atesgestellten Frage ist es entschei<strong>de</strong>nd, was unt<strong>er</strong> Kapitalismusv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n wird. Gehen wir von <strong>de</strong>m V<strong>er</strong>ständnis aus, das in <strong>d<strong>er</strong></strong>politischen Au<strong>sein</strong>an<strong>d<strong>er</strong></strong>setzung im Vor<strong>d<strong>er</strong></strong>grund steht, so habenwir darunt<strong>er</strong> ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu v<strong>er</strong>stehen,das stark von <strong>de</strong>n Kapitalint<strong>er</strong>essen bestimmt wird und in<strong>de</strong>m die Produktionsmittel zum min<strong>de</strong>sten zum größten Teil imPrivateigentum stehen. In diesem Sinn hat die Enzyklika Quadragesimoanno <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t, daß es beim Kapitalismus um eine Wirtschaftsweisegeht, „bei <strong>d<strong>er</strong></strong> es im allgemeinen an<strong>d<strong>er</strong></strong>e sind, die dieProduktionsmittel, und an<strong>d<strong>er</strong></strong>e, die die Arbeit zum gemeinsamenWirtschaftsvollzug beistellen". 1 Johannes Messn<strong>er</strong> hat in <strong>sein</strong><strong>er</strong>„Sozialen Frage" eine Reihe von Definitionen <strong>de</strong>s kapitalistischenWirtschaftssystems analysi<strong>er</strong>t und kommt zum Ergebnis, daß mit<strong>d<strong>er</strong></strong> H<strong>er</strong>ausstellung <strong>de</strong>s Profitstrebens und <strong>de</strong>s vorrangigen Kapitalint<strong>er</strong>essesals höchstrangigen W<strong>er</strong>ten eben dieses kapitalistischeWirtschaftssystem zum Gegenstand <strong>d<strong>er</strong></strong> Kritik durch die KatholischeSoziallehre bzw. ein<strong>er</strong> Kritik aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Sicht <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichenSozialreform w<strong>er</strong><strong>de</strong>. 2Für die weit<strong>er</strong>en Üb<strong>er</strong>legungen scheint mir das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Problem darin zu liegen, wie weit das kapitalistische Wirtschaftssystemin <strong>sein</strong><strong>er</strong> modifizi<strong>er</strong>ten Form, in <strong>sein</strong><strong>er</strong> Fortentwicklungzu ein<strong>er</strong> mehr o<strong>d<strong>er</strong></strong> min<strong>d<strong>er</strong></strong> funktionsfähigen Marktwirtschaft,eh<strong>er</strong> mit <strong>de</strong>m christlichen Sozial<strong>de</strong>nken v<strong>er</strong>einbar ist als das marxistischeWirtschaftssystem. Diese Frage ist <strong>de</strong>shalb so schw<strong>er</strong> zubeantworten, weil die unt<strong>er</strong>schiedlichen Formen und Ausprägungen,die eben dieses modifizi<strong>er</strong>te kapitalistische Wirtschaftssystem' Enzyklika Quadragesimo anno, Kap. 100.1Jobannes Messn<strong>er</strong>, Die soziale Frage, 7. A., Innsbruck 1964, S. 31ff, 289ff.96


in <strong>de</strong>n einzelnen Staaten uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Welt gefun<strong>de</strong>n hat, eine ein<strong>de</strong>utigeAntwort schwi<strong>er</strong>ig machen. Auf je<strong>de</strong>n Fall wird <strong>de</strong>utlich, daßsich insof<strong>er</strong>n ein wesentlich<strong>er</strong> Wi<strong>d<strong>er</strong></strong>spruch zu ein<strong>er</strong> Sicht <strong>d<strong>er</strong></strong>Wirtschaft im christlich-humanistischen Sinn <strong>er</strong>gibt, als das Kapitalint<strong>er</strong>esseauf je<strong>de</strong>n Fall so vorh<strong>er</strong>rschend ist, daß die Be<strong>de</strong>utung<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit als wesentlich<strong>er</strong> Faktor <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Selbstv<strong>er</strong>wirklichungzurücktritt. Folgen wir <strong>d<strong>er</strong></strong> neuen Enzyklika Laboremex<strong>er</strong>cens, geht es ja darum, „die Arbeit so weit wie möglichmit <strong>de</strong>m Eigentum am Kapital zu v<strong>er</strong>bin<strong>de</strong>n", vor allem ab<strong>er</strong> darum,daß „die <strong>er</strong>ste Grundlage für <strong>de</strong>n W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschselbst ist", daß „die Arbeit für <strong>de</strong>n Menschen da ist" und „nicht<strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch für die Arbeit". Mit dies<strong>er</strong> radikalen Formuli<strong>er</strong>ungwird die i<strong>de</strong>alistische Grundlegung <strong>d<strong>er</strong></strong> Enzyklika, wie ganz allgemein<strong>d<strong>er</strong></strong> Katholischen Soziallehre, sichtbar. Diese Enzyklikasteht in <strong>d<strong>er</strong></strong> Tradition eben dies<strong>er</strong> Katholischen Soziallehre.Daß es g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens auch um eine<strong>de</strong>utliche Ablehnung <strong>de</strong>s kapitalistischen Systems geht, wird ausjenen Ausführungen <strong>de</strong>utlich, in <strong>de</strong>nen es um die V<strong>er</strong>bindung <strong>de</strong>sOrdnungsprinzips <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit mit <strong>de</strong>m Eigentum geht. Die Enzyklikastellt das Ziel h<strong>er</strong>aus, „die Arbeit so weit wie möglich mit<strong>de</strong>m Kapital zu v<strong>er</strong>bin<strong>de</strong>n und eine große Vielfalt mittl<strong>er</strong><strong>er</strong> Körp<strong>er</strong>schaftenmit wirtschaftlich<strong>er</strong>, sozial<strong>er</strong> und kulturell<strong>er</strong> Zielsetzungins Leben zu rufen". Dabei sollten diese Institutionen mitecht<strong>er</strong> Autonomie ausgestattet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>e gegenüb<strong>er</strong><strong>de</strong>n öffentlichen Behör<strong>de</strong>n. Die das Kapital und die Arbeit v<strong>er</strong>treten<strong>de</strong>nKörp<strong>er</strong>schaften sollten dabei „ihre spezifischen Ziele inehrlich<strong>er</strong> Zusammenarbeit und mit Rücksicht auf die For<strong>d<strong>er</strong></strong>ung<strong>de</strong>s Gemeinwohls v<strong>er</strong>folgen", sie sollten sich dabei als „lebensvolleGemeinschaften <strong>er</strong>weisen". 3 Man wird förmlich an das Konfliktschlichtungssystem<strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialpartn<strong>er</strong>schaft <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t, wennman diese Ausführungen liest. Auf je<strong>de</strong>n Fall geht es <strong>d<strong>er</strong></strong> Enzyklika— und dies in sehr <strong>de</strong>utlich<strong>er</strong> Tradition <strong>d<strong>er</strong></strong> früh<strong>er</strong>en Enzykliken— um ein geordnetes Wirtschaftssystem, das die Arbeit als<strong>er</strong>strangigen Ordnungsw<strong>er</strong>t h<strong>er</strong>ausstellt.1 Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens, Kap. 14. 97


Es geht vor allem darum, daß die kapitalistische Wirtschaftsweiseeine Klassengesellschaft voraussetzt, bzw. diese aufrecht<strong>er</strong>hält.Wenn es sich dabei im Sinne <strong>d<strong>er</strong></strong> Ausführungen von Utz um eineGesellschaft han<strong>de</strong>lt, in <strong>d<strong>er</strong></strong> wenige bestimmen und viele in unt<strong>er</strong>geordnet<strong>er</strong>Stellung sind, so steht dies mit schw<strong>er</strong>wiegen<strong>de</strong>n G<strong>er</strong>echtigkeitsfor<strong>d<strong>er</strong></strong>ungenin Konflikt. Eine an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Frage ist, wieweit die Streuung <strong>de</strong>s Produktionsmitteleigentums und die Dezentralisi<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> Macht in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsgesellschaft gehenmuß, daß man nicht mehr von ein<strong>er</strong> Klassengesellschaft sprechenkann. Die Frage ist wohl, ob etwa durch eine konsequente Mittelstandspolitik,durch eine die marktwirtschaftliche Ordnung stützen<strong>de</strong>Wettbew<strong>er</strong>bspolitik und nicht zuletzt durch eine gezielteEigentumspolitik, die sich eine breiteste Streuung <strong>de</strong>s Produktivv<strong>er</strong>mögenszum Ziel setzt, ein solch<strong>er</strong> gesamtgesellschaftlich<strong>er</strong>Ausgleich <strong>er</strong>zielbar ist, daß nicht mehr ein kapitalistisches Wirtschaftssystemim eigentlichen Sinn, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n eine funktionsfähigeMarktwirtschaft mit starken Ausgleichsmechanismen ineinkommens- und eigentumspolitisch<strong>er</strong> Hinsicht gegeben ist. Diebish<strong>er</strong>igen Erfahrungen sprechen dafür, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Weg dahin sehrmühsam ist. Sie sprechen all<strong>er</strong>dings auch dafür, daß die angeblicheAufhebung <strong>d<strong>er</strong></strong> Klassengesellschaft in <strong>de</strong>n staatssozialistischen Systemen<strong>de</strong>s Ostens g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> diese Klassengesellschaft in v<strong>er</strong>schärft<strong>er</strong>Form zustan<strong>de</strong>gebracht hat, dies mit ein<strong>er</strong> enormen Konzentration<strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichen und politischen Macht in v<strong>er</strong>hältnismäßigwenigen Hän<strong>de</strong>n. Wenn Utz also h<strong>er</strong>ausgestellt hat, daß dieKlassengesellschaft als <strong>d<strong>er</strong></strong> große Skandal im Zentrum sowohl <strong>d<strong>er</strong></strong>marxistischen wie auch <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Kapitalismuskritik gestan<strong>de</strong>nist, so kann man dies ganz offensichtlich auch für diechristliche Kritik am staatssozialistischen Wirtschaftssystem h<strong>er</strong>vorstellen.Schon die Enzyklika Quadragesimo anno ist in ihr<strong>er</strong>Kritik <strong>d<strong>er</strong></strong> Fehlentwicklungen in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsgesellschaft vondies<strong>er</strong> Spaltung in antagonistische Klassen ausgegangen. 44Franciszek Janusz Mazurek, Zur integralen gesellschaftskritischen Funktion <strong>d<strong>er</strong></strong>katholischen Soziallehre, in: Gesellschaft und Politik, Quartalszeitschrift <strong>de</strong>s Institutsfür Sozialpolitik und Sozialreform, Wien, 4/79, S. 22ff.98


Fehlentwicklungen in je<strong>de</strong>m WirtschaftssystemEin V<strong>er</strong>gleich <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftssysteme bleibt imm<strong>er</strong> relativ:Fehlentwicklungen zeigen sich in je<strong>de</strong>m Wirtschaftssystem, wobeifreilich die Ausmaße und die Formen sehr unt<strong>er</strong>schiedlichsind. Das Ub<strong>er</strong>wuch<strong>er</strong>n <strong>d<strong>er</strong></strong> Sup<strong>er</strong>bürokratien in <strong>de</strong>n Planwirtschaftenbringt weitreichen<strong>de</strong> Freiheitsbeschränkungen, v<strong>er</strong>min<strong>d<strong>er</strong></strong>tab<strong>er</strong> auch die Effektivität <strong>de</strong>s Wirtschaftsablaufes in entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>mAusmaß. Im kapitalistischen System ohne ausreichen<strong>de</strong>Int<strong>er</strong>vention zu Gunsten <strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlich und sozial schwäch<strong>er</strong>enSchichten kommt es zu zwar an<strong>d<strong>er</strong></strong>sartigen, ab<strong>er</strong> nicht min<strong>d<strong>er</strong></strong>gefährlichen Machtkonzentrationen im Wirtschaftssystem. Dieint<strong>er</strong>ventionistische Marktwirtschaft wie<strong>d<strong>er</strong></strong> kennt Fehlentwicklungenetwa im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> öffentlichen Auftragsv<strong>er</strong>gabe, nichtzuletzt auch in imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> gegebenen einseitigen und wenigausgeglichenen För<strong>d<strong>er</strong></strong>ungsmaßnahmen. So zeichnet sich imm<strong>er</strong>wie<strong>d<strong>er</strong></strong> eine Benachteiligung <strong>d<strong>er</strong></strong> Klein- und Mittelbetriebe ab, diestrotz all<strong>er</strong> mittelstandspolitisch motivi<strong>er</strong>ten Int<strong>er</strong>ventionen. D<strong>er</strong>Rückgang <strong>de</strong>s Eigenkapitals g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> im mittelständischen B<strong>er</strong>eichin ein<strong>er</strong> Reihe von westeuropäischen Staaten kann dafür als Beispielgebracht w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Auch zeigt sich <strong>de</strong>utlich, daß in <strong>d<strong>er</strong></strong> int<strong>er</strong>ventionistischenMarktwirtschaft imm<strong>er</strong> neue wettbew<strong>er</strong>bssich<strong>er</strong>n<strong>de</strong> Maßnahmennotwendig sind. Wirtschaftliche und technologische V<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ungenbringen neue Wettbew<strong>er</strong>bselemente, neue Möglichkeiten vorallem <strong>d<strong>er</strong></strong> Einschränkung eben dieses Wettbew<strong>er</strong>bes mit sich. Dah<strong>er</strong>bedarf auch die Marktwirtschaft imm<strong>er</strong> neu<strong>er</strong> ordnen<strong>d<strong>er</strong></strong> Eingriffe.In diesem Sinn geht es um eine fluktui<strong>er</strong>en<strong>de</strong> Ordnung, umeine gewisse Dynamik in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gestaltung und im Einsatz <strong>d<strong>er</strong></strong> v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nenOrdnungselemente.Auch die marktwirtschaftliche Ordnung muß durch imm<strong>er</strong>neue Selbsthilfe- und Selbstsch<strong>utz</strong>einrichtungen imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong>v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, es müssen dadurch mehr üb<strong>er</strong>schaubare V<strong>er</strong>antwortungsb<strong>er</strong>eichegeschaffen und diesen in einem üb<strong>er</strong>tragenenWirkungsb<strong>er</strong>eich die Erledigung obrigkeitlich<strong>er</strong> Aufgabenüb<strong>er</strong>lassen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. G<strong>er</strong>a<strong>de</strong> dies liegt im Sinne <strong>de</strong>s Ordnungsprinzips<strong>d<strong>er</strong></strong> Subsidiarität. D<strong>er</strong> mo<strong>d<strong>er</strong></strong>ne Wirtschafts- und Sozialstaat99


ingt eine gewisse „V<strong>er</strong>staatlichung menschlich<strong>er</strong> Lebensb<strong>er</strong>eiche"mit sich, dies in <strong>de</strong>m Sinn, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat einfach bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Fülle<strong>d<strong>er</strong></strong> anfallen<strong>de</strong>n V<strong>er</strong>waltungsaufgaben nicht in <strong>d<strong>er</strong></strong> Lage ist, „menschlich<strong>er</strong>im Sinne eines auch nur ethischen Eingehens auf <strong>de</strong>nEinzelfall" (H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t Schambeck) zu w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. 5Die bish<strong>er</strong>igen Üb<strong>er</strong>legungen und Diskussionen machen <strong>de</strong>utlich,daß wir die Frage nach <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>einbarkeit eines Wirtschaftssystemsmit christlichen Lebensw<strong>er</strong>ten in ein<strong>er</strong> gewissen relativenP<strong>er</strong>spektive sehen müssen. Es geht um die Frage, ob wir bestimmteFehlentwicklungen, wie eine Machtkonzentration in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft,in <strong>de</strong>m einen o<strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en System bess<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mei<strong>de</strong>n können.Bish<strong>er</strong>ige Erfahrungen sprechen dafür, daß g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Sup<strong>er</strong>bürokratien<strong>d<strong>er</strong></strong> Planwirtschaften enorme Machtkonzentrationengegeben sind, freilich auch in jenen kapitalistischen Volkswirtschaften,die eine zu g<strong>er</strong>inge Steu<strong>er</strong>ung durch eine funktionsfähigeWirtschafts- und insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>e Wettbew<strong>er</strong>bspolitik aufweisen.Es geht weit<strong>er</strong> um die Fragestellung, ob die Sich<strong>er</strong>ung einesmenschenwürdigen Lebens, die Erreichung eines sozialen Min<strong>de</strong>ststandardsin <strong>de</strong>m einen o<strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Wirtschaftssystem leicht<strong>er</strong>ist. Ohne Zweifel zeigt sich auch in <strong>de</strong>n v<strong>er</strong>gleichbaren Entwicklungslän<strong>d<strong>er</strong></strong>n,daß jene Volkswirtschaften, die mehr auf kapitalistisch<strong>er</strong>Basis geordnet sind, bess<strong>er</strong>e wirtschaftliche Erfolgeh<strong>er</strong>vorgebracht haben, als dies im allgemeinen bei <strong>de</strong>n planwirtschaftlichgeordneten Volkswirtschaften <strong>d<strong>er</strong></strong> Fall ist. Bei allenMängeln in <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialgesetzgebung, bei allen Fehlentwicklungendürfte doch die wirtschaftliche und soziale Lage <strong>d<strong>er</strong></strong> Mehrheit <strong>d<strong>er</strong></strong>Bevölk<strong>er</strong>ung etwa in Taiwan und in Hongkong bess<strong>er</strong> <strong>sein</strong> als in<strong>d<strong>er</strong></strong> Volksrepublik China, in Südkorea bess<strong>er</strong> als in Nordkorea, inSingapur bess<strong>er</strong> als in Indien o<strong>d<strong>er</strong></strong> in Bangla<strong>de</strong>sh, in Venezuelabess<strong>er</strong> als in P<strong>er</strong>u. Es ist freilich klar, daß sich die Volkswirtschaftendies<strong>er</strong> Art nur schw<strong>er</strong> v<strong>er</strong>gleichen lassen. Imm<strong>er</strong> wirken v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>neUrsachen, sind die Ausgangssituationen sehr unt<strong>er</strong>schiedlich.' H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t Schambeck, Die V<strong>er</strong>antwortung in <strong>d<strong>er</strong></strong> mo<strong>d<strong>er</strong></strong>nen Demokratie, in: V<strong>er</strong>antwortungin Staat und Gesellschaft, hrsg. von Alois Mock und H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t Schambeck,Wien, 1977, S. 37ff.100


Solidarität <strong>d<strong>er</strong></strong> arbeiten<strong>de</strong>n MenschenDie Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens stellt unt<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Ub<strong>er</strong>schriftdie Solidarität <strong>d<strong>er</strong></strong> arbeiten<strong>de</strong>n Menschen als wesenhaftes Ziel ein<strong>er</strong>Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung h<strong>er</strong>aus, wie sie <strong>de</strong>mkatholischen Sozial<strong>de</strong>nken entspricht. In ein<strong>er</strong> Analyse <strong>d<strong>er</strong></strong> Entwicklung<strong>d<strong>er</strong></strong> letzten 90 Jahre wird <strong>de</strong>m kapitalistischen Wirtschaftssystemvorgeworfen, durch „un<strong>er</strong>hörte Ausbeutung auf<strong>de</strong>m Gebiet <strong>d<strong>er</strong></strong> Löhne, <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsbedingungen und <strong>d<strong>er</strong></strong> Vorsorgefür die P<strong>er</strong>son <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s" zu ein<strong>er</strong> „Erniedrigung <strong>de</strong>s Menschenals <strong>de</strong>s Subjekts <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit" beigetragen zu haben. Diese Zustän<strong>de</strong>seien durch das sozio-politische System <strong>de</strong>s Lib<strong>er</strong>alismusbegünstigt wor<strong>de</strong>n, das ja „nach <strong>sein</strong>en ökonomistischen Grundsätzendie wirtschaftliche Initiative ausschließlich <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitaleigentüm<strong>er</strong>"gestärkt und gesich<strong>er</strong>t habe, sich jedoch nicht ausreichendum die Rechte <strong>de</strong>s arbeiten<strong>de</strong>n Menschen gekümm<strong>er</strong>t hätte.Die Enzyklika stellt in diesem Zusammenhang auch <strong>de</strong>nHauptvorwurf gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem h<strong>er</strong>aus,daß nämlich die menschliche Arbeit lediglich als Produktionsmittelaufgefaßt wor<strong>de</strong>n sei, das Kapital hingegen als Grundlage,Maßstab und Zweck <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktion. 6Es geht also um ein Wirtschaftssystem, das von ein<strong>er</strong> grundsätzlichan<strong>d<strong>er</strong></strong>en W<strong>er</strong>tung ausgeht. Die Frage scheint mir darin zu liegen,ob das kapitalistische Wirtschaftssystem so weit modifizi<strong>er</strong>barist, daß jene Solidarität <strong>d<strong>er</strong></strong> arbeiten<strong>de</strong>n Menschen gewährleistetist, die die Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens als entschei<strong>de</strong>nd ansieht.Sehen wir die Stärkeposition <strong>d<strong>er</strong></strong> Gew<strong>er</strong>kschaften in <strong>d<strong>er</strong></strong>heutigen Wirtschaftsordnung jen<strong>er</strong> Volkswirtschaften, die auf <strong>d<strong>er</strong></strong>Basis <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Marktwirtschaft zumin<strong>de</strong>st weitgehend organisi<strong>er</strong>tsind, wie dies bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, bei <strong>d<strong>er</strong></strong>Schweiz und Ost<strong>er</strong>reich <strong>d<strong>er</strong></strong> Fall ist, so sehen wir eine beachtlicheEntwicklungsfähigkeit in dies<strong>er</strong> Richtung. In an<strong>d<strong>er</strong></strong>en mehr nachkapitalistischen Grundsätzen geordneten Volkswirtschaften, wie<strong>de</strong>n angeführten Entwicklungslän<strong>d<strong>er</strong></strong>n, zeigen sich freilich auchbe<strong>de</strong>utsame Mängel.6Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens, Kap. 7 und 8; im Vorh<strong>er</strong>rschen <strong>de</strong>s Kapitalint<strong>er</strong>essesliegt auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Hauptansatz <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismuskritik von Johannes Messn<strong>er</strong>, insbes.Die soziale Frage, aaO., S. 31ff.101


Auf je<strong>de</strong>n Fall wird es mitentschei<strong>de</strong>nd für die Beurteilung <strong>de</strong>skapitalistischen Wirtschaftssystems <strong>sein</strong>, ob es jenen Institutionenwie <strong>de</strong>n Gew<strong>er</strong>kschaften mehr Wirkungsmöglichkeiten einräumt,in <strong>de</strong>nen die Solidarität <strong>d<strong>er</strong></strong> arbeiten<strong>de</strong>n Menschen beson<strong>d<strong>er</strong></strong>szum Ausdruck kommt. Ich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>e mich an einen Besuchuns<strong>er</strong>es Ost<strong>er</strong>reichischen Wirtschaftsbeirates in v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nensüdam<strong>er</strong>ikanischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n. In Venezuela fiel mir bei Gesprächenbei <strong>d<strong>er</strong></strong> dortigen zentralen Gew<strong>er</strong>kschaftsorganisation undbei <strong>d<strong>er</strong></strong> führen<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lskamm<strong>er</strong> auf, daß in bei<strong>de</strong>n Organisationenmit ein<strong>er</strong> gewissen Achtung von <strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Seite gesprochenwur<strong>de</strong>. Ohne nun das Wirtschaftssystem Venezuelas als sozialpartn<strong>er</strong>schaftlicheszu kennzeichnen, <strong>er</strong>schienen mir dochmanche Ähnlichkeiten gegeben. Auf je<strong>de</strong>n Fall waren damals imJahre 1977 und sind auch heute noch gewisse funktionsfähigeKoop<strong>er</strong>ationsformen zwischen <strong>de</strong>n Arbeitgeb<strong>er</strong>- und Arbeitnehm<strong>er</strong>organisationenvorhan<strong>de</strong>n. In Brasilien dagegen bestand <strong>d<strong>er</strong></strong>Eindruck, daß <strong>de</strong>n Gew<strong>er</strong>kschaften nur ein v<strong>er</strong>hältnismäßig eng<strong>er</strong>Einflußb<strong>er</strong>eich gegeben war, dies imm<strong>er</strong>hin in einem Land,<strong>de</strong>ssen industrielle Entwicklung in manch<strong>er</strong> Hinsicht üb<strong>er</strong>ausbeeindruckend ist. Es kommt ab<strong>er</strong> nicht nur auf eine starke Arbeitnehm<strong>er</strong>organisationim Int<strong>er</strong>esse <strong>d<strong>er</strong></strong> Solidarität <strong>d<strong>er</strong></strong> arbeiten<strong>de</strong>nMenschen an, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch auf bestmögliche Formen <strong>d<strong>er</strong></strong>Konfliktschlichtung im Arbeitgeb<strong>er</strong>- und Arbeitnehm<strong>er</strong>v<strong>er</strong>hältnis.Dabei geht es imm<strong>er</strong> um Formen <strong>d<strong>er</strong></strong> Konfliktaustragung, diesich im Rahmen <strong>d<strong>er</strong></strong> Rechtsordnung halten und auch die Koalitionsfreiheit<strong>d<strong>er</strong></strong> Tarifpartn<strong>er</strong> respekti<strong>er</strong>en; die praktischen Erfahrungenin <strong>d<strong>er</strong></strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und in Ost<strong>er</strong>reichsprechen dafür, daß man mit freiwilligen Schlichtungsformen bess<strong>er</strong>eErfolge <strong>er</strong>zielt als mit Zwangsschlichtung.Fähigkeit zur KonfliktschlichtungEin V<strong>er</strong>gleich <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftssysteme zeigt nicht nur unt<strong>er</strong>schiedlicheAusmaße von Konflikten in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsgesellschaft,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch völlig v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Formen <strong>d<strong>er</strong></strong> Konfliktbewältigung.Es ist an sich <strong>de</strong>utlich, daß autoritäre politische Syste-102


me mit ein<strong>er</strong> planwirtschaftlichen Wirtschaftslenkung im allgemeinenwenig<strong>er</strong> sichtbare Konflikte kennen. Um so größ<strong>er</strong> sinddie „v<strong>er</strong>borgenen" Konflikte. Die marktwirtschaftlichenGegebenheitenbringen eine ungleich stärk<strong>er</strong>e Häufigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> manifestenKonflikte. Es zeigen sich ab<strong>er</strong> g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n marktwirtschaftlichenSystemen beachtliche Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung.Dies gilt beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s für dasArbeitgeb<strong>er</strong>-Arbeitnehm<strong>er</strong>v<strong>er</strong>hältnis,insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>e in <strong>d<strong>er</strong></strong> Form <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialpartn<strong>er</strong>schaft. Die Erfahrungenjen<strong>er</strong> Staaten, in <strong>de</strong>nen sich ein solches sozialpartn<strong>er</strong>schaftlichesSystem beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s bewährt hat, wie in Ost<strong>er</strong>reich, zeigen,daß es dann bestmöglich funktioni<strong>er</strong>t, wenn ein ausgewogenesV<strong>er</strong>hältnis zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartn<strong>er</strong>n gegeben ist. Eine einseitigeMachtkonzentration bei ein<strong>er</strong> Sozialpartn<strong>er</strong>organisationz<strong>er</strong>stört eine ge<strong>de</strong>ihliche Zusammenarbeit. 7 Im übrigen mögendie Formen dies<strong>er</strong> Konfliktschlichtung im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitgeb<strong>er</strong>-Arbeitnehm<strong>er</strong>beziehungenwechseln, entschei<strong>de</strong>nd ist, daßdas Konfliktschlichtungssystem <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialpartn<strong>er</strong>schaft funktionsfähigbleibt. Das Hauptziel <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialpartn<strong>er</strong>schaft ist die Erhaltung<strong>de</strong>s sozialen Frie<strong>de</strong>ns. Diese Frie<strong>de</strong>nsfunktion <strong>de</strong>s sozialpartn<strong>er</strong>schaftlichenSystems be<strong>de</strong>utet, daß grundsätzlich im V<strong>er</strong>handlungswegein Ausgleich <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Konfliktsituationen insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>eim B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Lohnpolitik und <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialpolitik gesuchtund gefun<strong>de</strong>n wird. Dabei hat man die Erfahrung gemacht,daß eine gewisse gesamtwirtschaftliche Absich<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong>LohnundEinkommenspolitik <strong>de</strong>m sozialen Frie<strong>de</strong>n för<strong>d<strong>er</strong></strong>lich ist. Ansich können bess<strong>er</strong> organisi<strong>er</strong>te Gruppen von Arbeitnehm<strong>er</strong>no<strong>d<strong>er</strong></strong> solche in günstig<strong>er</strong><strong>er</strong> Arbeitsmarktposition leicht<strong>er</strong>Lohnsteig<strong>er</strong>ungenüb<strong>er</strong> das Produktivitätsausmaß <strong>er</strong>zielen. Eine einig<strong>er</strong>maßensolidarische Lohnpolitik soll in diesem Sinn gruppenegoistischenZielrichtungen entgegenwirken.Sich<strong>er</strong> lassen sich<strong>d<strong>er</strong></strong>artige Ziele auch in planwirtschaftlichen Systemen von obenh<strong>er</strong> autoritativ festlegen. Die Erfahrung spricht ab<strong>er</strong> dafür, daßnicht nur die Einkommenssituation in <strong>de</strong>n Marktwirtschaftenbess<strong>er</strong> ist, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n daß sich die Arbeitnehm<strong>er</strong>, wenn sie durch au-' Darauf <strong>de</strong>uten auch die Erfahrungen in Öst<strong>er</strong>reich hin. Dazu insbes.: PhänomenSozialpartn<strong>er</strong>schaft, Festschrift für H<strong>er</strong>mann Itt<strong>er</strong>, hrsg. von G<strong>er</strong>ald Schöpf<strong>er</strong>,Wien-Köln-Graz 1980, S. 9ff., S. 75ff., S. 97ff.103


tonome Gew<strong>er</strong>kschaften v<strong>er</strong>treten sind, ungleich bess<strong>er</strong> in einWirtschaftssystem einfügen, als wenn ihnen wirksame Mitsprachemöglichkeitenfehlen.Utz hat auch <strong>de</strong>utlich gemacht, daß empirische Befun<strong>de</strong> dafürsprechen, daß in <strong>d<strong>er</strong></strong> heutigen Wirtschaftsgesellschaft die Arbeitgeb<strong>er</strong>-und Arbeitnehm<strong>er</strong>int<strong>er</strong>essen von bestimmen<strong>d<strong>er</strong></strong> Be<strong>de</strong>utungsind. („Alle <strong>de</strong>nken an ihre Int<strong>er</strong>essen"). Darin liegt freilichauch eine gewisse Chance. Be<strong>de</strong>nkt man, daß g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> die Wirtschaftsgesellschaftimm<strong>er</strong> neue Konflikte <strong>d<strong>er</strong></strong> v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nenGruppen mit sich bringt, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Konfliktausgleich in eben dies<strong>er</strong>Wirtschaftsgesellschaft von ganz maßgeben<strong>d<strong>er</strong></strong> Be<strong>de</strong>utung ist, soliegt darin nicht nur eine Gefährdung <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>suche, zu ein<strong>er</strong>Wirtschaftsordnung zu kommen, die das Wohl <strong>de</strong>s Menschen beson<strong>d<strong>er</strong></strong>sim Auge hat, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch eine Chance: Diese Chanceliegt darin, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Konfliktausgleich im sozialpartn<strong>er</strong>schaftlichenSystem zwar nicht die Gruppenint<strong>er</strong>essen aufhebt, sie ab<strong>er</strong>so weit angleicht, daß sich Zumin<strong>de</strong>stens in gewissem Umfangauch Gemeinwohl<strong>er</strong>for<strong>d<strong>er</strong></strong>nisse durchsetzen. 8 Gewiß hängt diesnicht nur vom Standpunkt <strong>de</strong>s Kritik<strong>er</strong>s ab, ob man in einem solchensozialpartn<strong>er</strong>schaftlichen System <strong>de</strong>n V<strong>er</strong>such zu ein<strong>er</strong> Stabilisi<strong>er</strong>ung<strong>d<strong>er</strong></strong> gegebenen Besitz- und Machtv<strong>er</strong>hältnisse in <strong>d<strong>er</strong></strong>Wirtschaft sieht, o<strong>d<strong>er</strong></strong> ein zukunftsweisen<strong>de</strong>s Ausgleichssystem:Es geht sich<strong>er</strong> auch darum, ob unt<strong>er</strong> einem solchen sozialpartn<strong>er</strong>schaftlichenSystem eine allmähliche Angleichung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wohlstandsunt<strong>er</strong>schie<strong>de</strong><strong>d<strong>er</strong></strong> v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Gruppen möglich ist, ob einePolitik breit<strong>er</strong> Eigentumsstreuung <strong>de</strong>s ProduktivkapitalsChancen auf Realisi<strong>er</strong>ung hat, ob schließlich die sozialen Gegensätzeecht v<strong>er</strong>ring<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n können und imm<strong>er</strong> mehr v<strong>er</strong>schwin<strong>de</strong>n.Es mögen nur wenige Staaten o<strong>d<strong>er</strong></strong> Teilstaaten in <strong>d<strong>er</strong></strong> heutigenWelt vorhan<strong>de</strong>n <strong>sein</strong>, die die Hoffnung auf eine solche Entwicklungals realistisch <strong>er</strong>scheinen lassen. Vielleicht kann dasSchweiz<strong>er</strong> Beispiel, o<strong>d<strong>er</strong></strong> das von Holland, bei Teilstaaten etwa' Dies läßt sich zumin<strong>de</strong>st für die öst<strong>er</strong>reichischen V<strong>er</strong>hältnisse imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong>aufzeigen: Alfred Klose, Sozialpartn<strong>er</strong>schaft in Stagnationsphasen, und Anton Pelinka:Gew<strong>er</strong>kschaft und Wachstumskrisen, in: Wachstumskrisen in Ost<strong>er</strong>reich?hrsg. von B<strong>er</strong>nd Marin, Bd. II, Wien 1979, S. 220ff, 242ff.104


das von Vorarlb<strong>er</strong>g, eine solche Chance als realistisch <strong>er</strong>scheinenlassen.Vorteile eines geordneten marktwirtschaftlichen SystemsGegenüb<strong>er</strong> einem staatlich-bürokratischen System, wie dies insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>ein <strong>de</strong>n staatssozialistischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n gegeben ist, kanneine geordnete Marktwirtschaft, auch wenn sie in gewissem Umfangauf Ordnungsgrundsätzen <strong>de</strong>s kapitalistischen Systems b<strong>er</strong>uht,manche Vorzüge aufweisen: Sie <strong>er</strong>öffnet und sich<strong>er</strong>t Freiheitsräumefür alle am Wirtschaftsprozeß Beteiligten. Diese Freiheitsräume<strong>er</strong>geben sich nicht nur im Investitions- und Produktionsb<strong>er</strong>eich,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch für die breiten Schichten <strong>d<strong>er</strong></strong> Bevölk<strong>er</strong>ungin <strong>de</strong>n B<strong>er</strong>eichen <strong>de</strong>s Konsums, <strong>de</strong>s Sparens und <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentumsbildung,nicht zuletzt ab<strong>er</strong> auch in <strong>d<strong>er</strong></strong> Freiheit <strong>d<strong>er</strong></strong> B<strong>er</strong>ufsundArbeitsplatzwahl, bzw. bis zu einem gewissen Umfang auch<strong>de</strong>s Wohnortes. Ganz allgemein zeigt sich eine höh<strong>er</strong>e Effizienz<strong>d<strong>er</strong></strong> eingesetzten Produktionsmittel, eine bess<strong>er</strong>e Anpassungsfähigkeitan <strong>de</strong>n sozialen Wan<strong>de</strong>l und eine <strong>de</strong>utlich<strong>er</strong>e Fähigkeit zurInnovation. V<strong>er</strong>gleicht man etwa Ausbildungssysteme in westlichenund östlichen Volkswirtschaften, kann man zweifellos einegröß<strong>er</strong>e L<strong>er</strong>nfähigkeit, eine bess<strong>er</strong>e Anpassungsfähigkeit etwa imB<strong>er</strong>eich <strong>de</strong>s Lehrlingswesens in <strong>de</strong>n marktwirtschaftlich geordnetenVolkswirtschaften feststellen. Vieles spricht dafür, daß ganzallgemein die Problemlösungskapazität <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaftengröß<strong>er</strong> ist. 9 Enthalten sie doch starke selbstreguli<strong>er</strong>en<strong>de</strong> Kräfte, dieohne langwi<strong>er</strong>ige behördliche EntScheidungsprozesse automatischin Kraft gesetzt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. So gesehen kann die Marktwirtschaftbestimmte soziale Funktionen bess<strong>er</strong> sich<strong>er</strong>stellen.JohannesMessn<strong>er</strong> spricht von <strong>d<strong>er</strong></strong> „Sozialfunktion <strong>de</strong>s Wettbew<strong>er</strong>bs".' 0Gewiß lösen die sozialen Funktionen <strong>de</strong>s Wettbew<strong>er</strong>bs nicht allesozialen Probleme; das marktwirtschaftliche System bedarf we-* Was macht <strong>de</strong>n Markt sozial? Die Grundzüge <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Marktwirtschaft:Studie eines Arbeitskreises „Soziale Marktwirtschaft" <strong>de</strong>s Karl Kumm<strong>er</strong>-Institutsfür Sozialpolitik und Sozialreform in Wien, hrsg. von W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Hint<strong>er</strong>au<strong>er</strong> undWolfgang Schmitz, Wien 1981."Johannes Messn<strong>er</strong>, Das Naturrecht, 5. A., Innsbruck-Wien-München 1966, S.606f., 886f.105


sentlich<strong>er</strong> korrigi<strong>er</strong>en<strong>d<strong>er</strong></strong> sozialpolitisch<strong>er</strong> Int<strong>er</strong>ventionen. Vor allemab<strong>er</strong> braucht auch das marktwirtschaftliche System imm<strong>er</strong>neue strukturpolitische Eingriffe, imm<strong>er</strong> neue Bemühungen umeine Anpassung <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsstruktur an die v<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ten wirtschaftlichenund sozialen V<strong>er</strong>hältnisse. So bleibt die Strukturreformeine Dau<strong>er</strong>aufgabe. Es besteht ab<strong>er</strong> im marktwirtschaftlichenSystem die Chance, funktionsfähige und üb<strong>er</strong>schaubare klein<strong>er</strong>eEinheiten zu <strong>er</strong>halten und zu stärken. Eine funktionsfähigeWettbew<strong>er</strong>bsordnung bedarf imm<strong>er</strong> neu<strong>er</strong> wirtschaftspolitisch<strong>er</strong>Maßnahmen zu ihr<strong>er</strong> Erhaltung und Weit<strong>er</strong>entwicklung; daß dazuauch eine Mittelstandsför<strong>d<strong>er</strong></strong>ung im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> gew<strong>er</strong>blichindustriellenWirtschaft gehört, ist <strong>de</strong>utlich: <strong>de</strong>nn „Wettbew<strong>er</strong>bsetzt viele Entscheidungsträg<strong>er</strong> voraus" (aus <strong>de</strong>m Grundsatzprogramm<strong>d<strong>er</strong></strong> öst<strong>er</strong>reichischen Han<strong>de</strong>lskamm<strong>er</strong>organisation)."Ein geordnetes marktwirtschaftliches System muß auch in <strong>d<strong>er</strong></strong>Lage <strong>sein</strong>, die Vollbeschäftigung sich<strong>er</strong>zustellen. Je mehr dies gelingt,<strong>de</strong>sto wenig<strong>er</strong> wird man gegen ein <strong>d<strong>er</strong></strong>artiges Wirtschaftssystemjenen Vorwurf <strong>er</strong>heben können, <strong>de</strong>n g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> die katholischeKapitalismuskritik gegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>m klassischen kapitalistischenWirtschaftssystem imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> angestellt hat: daß dieses nämlicheine „ökonomistische V<strong>er</strong>z<strong>er</strong>rung <strong>de</strong>s Gemeinwohls" mitsich bringe. 12 Es steht auch auß<strong>er</strong> Zweifel, daß das Ziel <strong>d<strong>er</strong></strong> Maximi<strong>er</strong>ung<strong>de</strong>s Sozialproduktes heute vielfach in <strong>de</strong>n Marktwirtschafteneng im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Vollbeschäftigungszielgesehen wird, damit ab<strong>er</strong> auch relativi<strong>er</strong>t wird, wenn etwa die Erhaltung<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten o<strong>d<strong>er</strong></strong> inKrisenunt<strong>er</strong>nehmungen einen relativ hohen Rang in <strong>de</strong>n Zielsetzungeneinnimmt.Sich<strong>er</strong>ung <strong>de</strong>s p<strong>er</strong>sönlichen EntscheidungsspielraumesEin V<strong>er</strong>gleich <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftssysteme muß unt<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Gesichtspunkt<strong>er</strong>folgen, wie weit sie <strong>de</strong>m einzelnen Menschen in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirt-" Grundsatzprogramm <strong>d<strong>er</strong></strong> öst<strong>er</strong>reichischen Han<strong>de</strong>lskamm<strong>er</strong>organisation,Wien 1978, S. 6., ;Wilhelm Drei<strong>er</strong>, Art. Kapitalismus, in: Kath. Soziallexikon, 2. A., hrsg. vonAlfred Klose, Wolfgang Mantl, Valentin Zsifkovits, Innsbruck-Wien-München-Graz-Köln 1980. Sp. 1267ff.106


Schaftsgesellschaft und im politischen System eine möglichst freieEntscheidung bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Bewältigung <strong>d<strong>er</strong></strong> an ihn h<strong>er</strong>antreten<strong>de</strong>n Aufgaben<strong>er</strong>möglichen. Ist dies<strong>er</strong> Einzelne nun in ein kollektives Systemgestellt, das ihm eine entsprechen<strong>de</strong> freie Entscheidung vonAnfang an unmöglich macht, kann ein solches System aus <strong>de</strong>mchristlichen Sozial<strong>de</strong>nken h<strong>er</strong>aus nicht positiv beurteilt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Es geht ab<strong>er</strong> auch um die Funktionsfähigkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> klein<strong>er</strong>en Gemeinschaften.Die mo<strong>d<strong>er</strong></strong>ne Soziologie hat <strong>de</strong>n hohen W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong>Primärgruppen <strong>er</strong>kannt, jen<strong>er</strong> kleinen gesellschaftlichen Einheiten,die durch ihre Kontakte und Üb<strong>er</strong>schaubarkeit beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s leistungsfähigund kreativ <strong>sein</strong> können, wenn sie sich in bestmöglich<strong>er</strong>Harmonie entfalten. Uns<strong>er</strong>e komplexe Gesellschaft brauchtauch in <strong>de</strong>n großen Organisationen diese Primärgruppen, in <strong>de</strong>nensich <strong>d<strong>er</strong></strong> Einzelne geborgen fühlt, in <strong>de</strong>nen ab<strong>er</strong> auch in eng<strong>er</strong>Zusammenarbeit entsprechen<strong>de</strong> Leistungen sich<strong>er</strong>gestellt w<strong>er</strong><strong>de</strong>nkönnen, wenn klare V<strong>er</strong>antwortungsb<strong>er</strong>eiche gegeben sind.Das marktwirtschaftlich-kapitalistische System kann unt<strong>er</strong> bestimmtenVoraussetzungen <strong>de</strong>m Einzelnen einen beachtlichenHandlungs- und Entscheidungsspielraum sich<strong>er</strong>stellen. V<strong>er</strong>gleichtman etwa die Zahl <strong>d<strong>er</strong></strong> Selbständigen in <strong>d<strong>er</strong></strong> gew<strong>er</strong>blich-industriellenWirtschaft, in <strong>d<strong>er</strong></strong> Landwirtschaft und bei <strong>de</strong>n freien B<strong>er</strong>ufenin <strong>de</strong>n marktwirtschaftlichen Volkswirtschaften mit <strong>de</strong>n Zahlenin Planwirtschaften, zeigt sich hi<strong>er</strong> ein be<strong>de</strong>utsam<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>schied.Dies gilt freilich nur für jene Staaten, die durch eine entsprechen<strong>de</strong>mittelstandspolitisch motivi<strong>er</strong>te Int<strong>er</strong>vention es v<strong>er</strong>stehen,<strong>de</strong>m Konzentrationstrend entsprechend entgegenzuwirken. Nurunt<strong>er</strong> diesen Voraussetzungen — ein<strong>er</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Wettbew<strong>er</strong>bsgesetzgebung,ab<strong>er</strong> auch ein<strong>er</strong> gezielten Mittelstandspolitik,insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>e auch im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Investitionsför<strong>d<strong>er</strong></strong>ung — kanndas kapitalistische System so weit modifizi<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, daß es <strong>de</strong>mEinzelnen im Wirtschaftsprozeß mehr Entwicklungschancengibt. Je nach<strong>de</strong>m, wie weit ein marktwirtschaftliches System auch<strong>d<strong>er</strong></strong> Mitbestimmung breiten Raum einräumt, kann dies<strong>er</strong> Entscheidungs-und Handlungsspielraum auch auf breite Schichten<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitnehm<strong>er</strong> ausge<strong>de</strong>hnt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Die Katholische Soziallehrehat darauf beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s hingewiesen. In zahlreichen Stellungnahmenvon Pius XII., ab<strong>er</strong> auch in mehr<strong>er</strong>en Sozialenzykliken bis zu107


Laborem ex<strong>er</strong>cens kommt dies <strong>de</strong>utlich zum Ausdruck. 13 DieseMitbestimmung stellt freilich, wenn sie wirklich zu ein<strong>er</strong> Ausweitung<strong>de</strong>s Entscheidungs- und Handlungsspielraumes breit<strong>er</strong>Schichten <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitnehm<strong>er</strong> führen soll, eine sehr wesentlicheund weitreichen<strong>de</strong> V<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ung <strong>de</strong>s kapitalistischen Wirtschaftssystemsdar. V<strong>er</strong>steht man darunt<strong>er</strong> eben ein System, in <strong>de</strong>m„Freiheit und Wür<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> P<strong>er</strong>son ein<strong>er</strong> Utopie prästabili<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Harmonie"(Wilhelm Drei<strong>er</strong>) geopf<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, so ist <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>schiedzu einem Wirtschaftssystem mit weitreichen<strong>d<strong>er</strong></strong> Mitbestimmung<strong>de</strong>utlich.' 4 Realismus ist freilich auch hi<strong>er</strong> am Platz, worauf etwaJohannes XXIII. in Mat<strong>er</strong> et magistra hinweist, wenn <strong>er</strong> sagt, daßeine wirksame Einheitlichkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Leitung <strong>de</strong>s Unt<strong>er</strong>nehmensnicht zur Folge habe, daß jene, die in diesen Betrieben arbeiten,bloße Unt<strong>er</strong>tanen o<strong>d<strong>er</strong></strong> stumme Befehlsempfäng<strong>er</strong> <strong>sein</strong> sollten. 15Bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Öst<strong>er</strong>reich-Syno<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> h<strong>er</strong>ausgestellt, daß eine V<strong>er</strong>breit<strong>er</strong>ung<strong>de</strong>s Entscheidungsspielraumes im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> betrieblichenMitbestimmung einen Emanzipationsprozeß för<strong>d<strong>er</strong></strong>e, <strong>d<strong>er</strong></strong> einefortschreiten<strong>de</strong> gesellschaftliche Reife und umfangreich<strong>er</strong>eSachkenntnisse mit sich bringe. Damit ist <strong>d<strong>er</strong></strong> Wechselwirkungszusammenhang<strong>de</strong>utlich aufgezeigt: Sinnvolle Formen ein<strong>er</strong> <strong>er</strong>höhtenMitv<strong>er</strong>antwortung und Mitsprache för<strong>d<strong>er</strong></strong>n die Eigeninitiative,wohl ab<strong>er</strong> auch das Wissens- und Bildungsniveau <strong>d<strong>er</strong></strong> Mitarbeit<strong>er</strong>.Damit entstehen auch für die Unt<strong>er</strong>nehmen bess<strong>er</strong>eProduktions- und Arbeitsv<strong>er</strong>hältnisse.Im übrigen entspricht es <strong>de</strong>m Sozialrealismus <strong>d<strong>er</strong></strong> KatholischenSoziallehre, daß sie imm<strong>er</strong> mit jenem Menschen rechnet, <strong>d<strong>er</strong></strong> sichin <strong>d<strong>er</strong></strong> gesellschaftlichen Wirklichkeit uns<strong>er</strong><strong>er</strong> und je<strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>enZeit gefun<strong>de</strong>n hat: Es geht eben um einen Menschen, <strong>d<strong>er</strong></strong> bestimmt<strong>er</strong>Leistungsansporne bedarf, die ihm offensichtlich einfreiheitlich-marktwirtschaftliches System, das auch wesenhafteAnsätze im Kapitalismus hat, bess<strong>er</strong> gewährleisten kann. Die geschichtlicheErfahrung hat all<strong>er</strong>dings <strong>de</strong>utlich gemacht, daß es11Eine Zusammenfassung dies<strong>er</strong> Stellungsnahmen fin<strong>de</strong>t sich bei Alfred Klose, DieKatholische Soziallehre — ihr Anspruch, ihre Aktualität, Graz-Wien-Köln 1979,S. 110 ff." Wilhelm Drei<strong>er</strong>, a.a.O." Enzyklika Mat<strong>er</strong> et magistra, Kap. 91ff.; dazu die Ausgabe <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialenzyklikamit Kommentar von Eb<strong>er</strong>hard Welty, Freiburg i. Br. 1961.108


ein<strong>er</strong>seits darum geht, einen möglichst weiten Handlungs- undEntscheidungsspielraum für <strong>de</strong>n einzelnen wirtschaften<strong>de</strong>n Menschensich<strong>er</strong>zustellen, an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seits ab<strong>er</strong> es imm<strong>er</strong> notwendig ist,durch einen breiten Rahmen sozial<strong>er</strong> Sich<strong>er</strong>ungsmaßnahmenFehlentwicklungen zu v<strong>er</strong>mei<strong>de</strong>n, wie sie in uns<strong>er</strong>en Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n imhochkapitalistischen System gegeben waren o<strong>d<strong>er</strong></strong> in vielen asiatischen,afrikanischen und südam<strong>er</strong>ikanischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n heute auftreten,in <strong>de</strong>nen kapitalistische Wirtschaftsformen üb<strong>er</strong>wiegen.Letztlich sind sowohl <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus als auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismussehr optimistisch, was die Wandlungsfähigkeit <strong>de</strong>s Menschen imWirtschaftssystem anbelangt. Sie rechnen damit, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Menschimm<strong>er</strong> mehr in <strong>d<strong>er</strong></strong> Lage ist, rational zu han<strong>de</strong>ln; <strong>d<strong>er</strong></strong> Marxismusrechnet mit einem bess<strong>er</strong>en Menschen in <strong>d<strong>er</strong></strong> Zukunft. Im christlichenSozial<strong>de</strong>nken war imm<strong>er</strong> ein gewiss<strong>er</strong> Sozialrealismus imVor<strong>d<strong>er</strong></strong>grund. Damit trifft sich das christliche Denken auch mitjenen Ansätzen ein<strong>er</strong> marktwirtschaftlichen Konzeption <strong>de</strong>s Neolib<strong>er</strong>alismus,die letztlich mit einem Menschen auch für die Zukunftrechnen, wie <strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> heutigen Wirtschaftsgesellschaft ebenvorhan<strong>de</strong>n ist. Sich<strong>er</strong> kann die Erziehung zur Wirtschaft (KarlAbraham) manches für die Zukunft v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>n, kann etwa durchmehr wirtschaftliches Wissen im Schulunt<strong>er</strong>richt ein größ<strong>er</strong>es Int<strong>er</strong>esseschon <strong>de</strong>s jungen Menschen am Wirtschaftsgeschehen unddamit auch ein größ<strong>er</strong>es V<strong>er</strong>ständnis bei Entscheidungs- undHandlungssituationen <strong>er</strong>reicht w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. 16 Die Menschen mit ihrenInt<strong>er</strong>essen und ihrem mehr o<strong>d<strong>er</strong></strong> min<strong>d<strong>er</strong></strong> vorhan<strong>de</strong>nen Egoismuslassen sich ab<strong>er</strong> nicht v<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>n. Eine funktionsfähige Wettbew<strong>er</strong>bsordnungkann nun eine gewisse Sich<strong>er</strong>stellung dafür bieten,daß sich weithin starke Eigenint<strong>er</strong>essen im Dienste <strong>de</strong>s Gemeinwohlsvollziehen, daß man in <strong>de</strong>m Sinn von einem egoistischenAltruismus sprechen kann.Kultursinn <strong>d<strong>er</strong></strong> ArbeitEin V<strong>er</strong>gleich <strong>de</strong>s kapitalistischen bzw. <strong>de</strong>s marktwirtschaftlichenund <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialistischen Wirtschaftssysteme ist auch unt<strong>er</strong>16Karl Abraham, Art. Wirtschaftspädagogik, in: Kath. Soziallexikon (s. Anm.12), Sp. 3385ff.109


<strong>de</strong>m Gesichtspunkt notwendig, wie weit sie menschenwürdigeFormen <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit sich<strong>er</strong>stellen. So gesehen geht es vor allem um<strong>de</strong>n Kultursinn <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit. D<strong>er</strong> Krakau<strong>er</strong> Univ<strong>er</strong>sitätsprofessorJozef Tischn<strong>er</strong> hat in einem grundlegen<strong>de</strong>n Ref<strong>er</strong>at zum Thema„Arbeit und Kultur" die Gefahr h<strong>er</strong>ausgestellt, daß in <strong>d<strong>er</strong></strong> heutigenIndustriegesellschaft die Arbeit vielfach ihren Sinn für <strong>de</strong>neinzelnen v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>e. So sei in Polen g<strong>er</strong>a<strong>de</strong>zu das Phänomen <strong>d<strong>er</strong></strong>sinnlosen Arbeit entstan<strong>de</strong>n. Es hätte sich bei vielen Menschendie Ub<strong>er</strong>zeugung v<strong>er</strong>breitet, daß sie sinnlos arbeiten, daß ihre Arbeitkeine nützlichen Früchte bringe, daß ihre Arbeit in kein<strong>er</strong>Beziehung stehe zur Arbeit an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> Menschen, an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> Fabriken,an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> Regionen <strong>d<strong>er</strong></strong> Welt. V<strong>er</strong>schwun<strong>de</strong>n sei die natürlicheHarmonie <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit, gescheit<strong>er</strong>t ihre Organisation, z<strong>er</strong>ronnendas grundlegen<strong>de</strong> Projekt <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit. Diese Entwicklung bringees mit sich, daß in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft die grundlegen<strong>de</strong>n Ban<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong>V<strong>er</strong>ständigung zwischen <strong>de</strong>n Menschen v<strong>er</strong>loren gehen."Tischn<strong>er</strong> weist darauf hin, daß die Kultur <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit dort beginnt,wo die Wahrheit auch zum grundlegen<strong>de</strong>n W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitwird. Die Kultur <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit sei heute wahrhaftig das, was dieWelt üb<strong>er</strong> Grenzen und Gesellschaftsordnungen hinaus v<strong>er</strong>bin<strong>de</strong>t.Die V<strong>er</strong>ständigung durch die Arbeit sei auch die beste Art <strong>d<strong>er</strong></strong>Sich<strong>er</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> Frie<strong>de</strong>nsordnung. Hi<strong>er</strong> wird man an das sozialpartn<strong>er</strong>schaftlicheSystem westlich<strong>er</strong> Marktwirtschaften <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t.Auch die Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens sagt einiges zum Kultursinn<strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit; so hebt sie h<strong>er</strong>vor, daß die Arbeit mit all ihr<strong>er</strong>Mühe „ein Gut für <strong>de</strong>n Menschen" sei. Sie soll ab<strong>er</strong> ein Gut <strong>sein</strong>,das die Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen zum Ausdruck bringt und sie v<strong>er</strong>mehrt.18Wirtschaftssystem und SubsidiaritätsprinzipDie bish<strong>er</strong>igen Ausführungen haben <strong>de</strong>utlich gemacht, daß fürdie Beurteilung eines Wirtschaftssystems, so auch <strong>de</strong>s kapitalistischen,die Frage entschei<strong>de</strong>nd ist, wie Entwicklungsmöglichkeitennicht nur <strong>de</strong>s einzelnen am Wirtschaftsprozeß beteiligten17Jozef Tischn<strong>er</strong>, Wi<strong>d<strong>er</strong></strong> die Pathologie <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit, in: Aca<strong>de</strong>mia, Wien 4/1981." Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens, Kap. 6.110


Menschen bestimmt sind, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n wie weit auch <strong>de</strong>n klein<strong>er</strong>enGemeinschaften eine Erfüllung ihr<strong>er</strong> Zielsetzungen möglich ist.Die Katholische Soziallehre hat durch die H<strong>er</strong>ausstellung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzipsals Grundsatz für die Zuständigkeitsv<strong>er</strong>teilungauf die Be<strong>de</strong>utung <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigenv<strong>er</strong>antwortung eben nicht nur <strong>de</strong>sEinzelnen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch <strong>d<strong>er</strong></strong> klein<strong>er</strong>en Gemeinschaften <strong>de</strong>utlichhingewiesen. So sollen auch die Unt<strong>er</strong>nehmungen ihre wirtschaftlichenEntscheidungsmöglichkeiten eigenv<strong>er</strong>antwortlich n<strong>utz</strong>enkönnen, sollen die Arbeitgeb<strong>er</strong>- und Arbeitnehm<strong>er</strong>v<strong>er</strong>bän<strong>de</strong> etwadie Lohnfragen im Rahmen <strong>d<strong>er</strong></strong> Tarifautonomie lösensollen die Gemein<strong>de</strong>n die örtlichen Wirtschaftsproblemekönnen,regelnkönnen. D<strong>er</strong> Staat ab<strong>er</strong> soll sich im Sinne dieses Subsidiaritätsprinzipsauf die wesentlichen Aufgaben <strong>d<strong>er</strong></strong> Ordnung für <strong>de</strong>n B<strong>er</strong>eich<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft und die Sich<strong>er</strong>stellung ein<strong>er</strong> g<strong>er</strong>echten Einkommensv<strong>er</strong>teilungsowie um eine ausreichen<strong>de</strong> Sozialgesetzgebungbemühen. Eben dieses Subsidiaritätsprinzip be<strong>de</strong>utetab<strong>er</strong>auch, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat <strong>sein</strong>e Aktivitäten nicht auf zu viele Aufgabenv<strong>er</strong>zetteln darf, daß <strong>er</strong> <strong>sein</strong>e Finanzmittel voll zurV<strong>er</strong>wirklichung<strong>d<strong>er</strong></strong> wesentlichen staatlichen Aufgaben einsetzen soll. EineUb<strong>er</strong>for<strong>d<strong>er</strong></strong>ung gegen <strong>de</strong>n Geist dieses Subsidiaritätsprinzips stelltes dar, wenn enorme Finanzi<strong>er</strong>ungsengpässe einen Staatdaranhin<strong>d<strong>er</strong></strong>n, wesentliche Aufgaben durchzuführen, während p<strong>er</strong>iph<strong>er</strong>eProbleme mit v<strong>er</strong>hältnismäßig hohem Aufwandw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. 19angegangenDas klassische kapitalistische System hat zweifellos sehr wesentlicheMängel auch im Sinne dieses Subsidiaritätsprinzips aufzuweisengehabt. Ahnliches beobachten wir heute wie<strong>d<strong>er</strong></strong> in jenenmehr kapitalistischen Volkswirtschaften wie Südkorea,Taiwano<strong>d<strong>er</strong></strong> Hongkong. Dies gilt nicht nur für Mängel in <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Sich<strong>er</strong>ung,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch für eine im allgemeinen zu schwache Positionjen<strong>er</strong> V<strong>er</strong>bän<strong>de</strong> und an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> Organisationen, die im Sinne<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips ihre Aufgaben möglichsteigenv<strong>er</strong>antwortlichdurchführen sollen, so weithin auch für die Gew<strong>er</strong>kschaften.Auf <strong>d<strong>er</strong></strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Seite zeigen die V<strong>er</strong>hältnisse jen<strong>er</strong> west-" <strong>Christ</strong>ian Watrin, Zur sozialen Dimension marktwirtschaftlich<strong>er</strong> Ordnungen,in: Zur Theorie marktwirtschaftlich<strong>er</strong> Ordnungen, hrsg. von Erich Streissl<strong>er</strong>und <strong>Christ</strong>um Watrin, Tübingen 1980, S. 476ff.111


europäischen Staaten, die <strong>de</strong>n klein<strong>er</strong>en Gemeinschaften einenentsprechen<strong>de</strong>n Freiheitsraum eing<strong>er</strong>äumt haben, daß ein modifizi<strong>er</strong>tesmarktwirtschaftlich-kapitalistisches Wirtschaftssystemwohl in <strong>d<strong>er</strong></strong> Lage ist, auch im Sinne <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips positiveEntwicklungen in Gang zu setzen. Dies<strong>er</strong> Prozeß ist freilichnoch nicht abgeschlossen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n vielfach <strong>er</strong>st voll im Gang. An<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seitshat nicht nur die Frühphase <strong>d<strong>er</strong></strong> industriellen Gesellschafteinen <strong>de</strong>utlichen Trend zum Monopolkapitalismus und damitgegen das Subsidiaritätsprinzip gezeigt, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n zeichnen sichauch in <strong>de</strong>n <strong>er</strong>wähnten kapitalistisch geordneten asiatischenVolkswirtschaften gewisse Konzentrationsten<strong>de</strong>nzen ab, gegendie offensichtlich noch keine entsprechen<strong>de</strong> Wettbew<strong>er</strong>bsgesetzgebungdurchgesetzt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n konnte. In diesen Gegebenheitenwird eine christlich motivi<strong>er</strong>te Kapitalismuskritik einen wichtigenAnsatzpunkt sehen können.Vorrang <strong>d<strong>er</strong></strong> EigeninitiativeAlle Fehlentwicklungen <strong>de</strong>s kapitalistischen Wirtschaftssystemskönnen nicht darüb<strong>er</strong> hinwegtäuschen, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> weite Raum <strong>d<strong>er</strong></strong>Eigeninitiative, <strong>d<strong>er</strong></strong> hi<strong>er</strong> gegeben ist, nicht nur negative, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nbeachtliche positive Wirkungen hat. Dies sieht man wohl auch injenen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n Asiens und Südam<strong>er</strong>ikas, die beim vorh<strong>er</strong>rschen<strong>de</strong>nkapitalistischen System zwar viele soziale Fragen ungelöst ließen,ab<strong>er</strong> ein beachtliches wirtschaftliches Wachstum aufweisen.Hi<strong>er</strong> besteht Zumin<strong>de</strong>stens die Hoffnung, daß in ähnlich<strong>er</strong> Weisewie in <strong>de</strong>n westeuropäischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Basis <strong>de</strong>s <strong>er</strong>höhtenSozialprodukts auch eine sozial und gesellschaftspolitisch v<strong>er</strong>tretbareNeuordnung in <strong>d<strong>er</strong></strong> Zukunft kommen wird. Nicht nur dasII. Vatikanische Konzil hat eine kollektivistische Organisation<strong>de</strong>s Produktionsprozesses nachdrücklich abgelehnt (Gaudium etspes, 65), 20 son<strong>d<strong>er</strong></strong>n vor allem die Enzyklika Mat<strong>er</strong> et magistrastellt die Be<strong>de</strong>utung <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigeninitiative sehr <strong>de</strong>utlich h<strong>er</strong>aus,wenn sie darauf hinweist, daß im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft <strong>d<strong>er</strong></strong> Vorrang<strong>d<strong>er</strong></strong> Privatinitiative zukommt, eben <strong>de</strong>n Einzelnen im Wirt-20Pastoralkonstitution üb<strong>er</strong> die Kirche in <strong>d<strong>er</strong></strong> Welt von heute, II, 65.112


schaftsprozeß, die „entwe<strong>d<strong>er</strong></strong> für sich allein o<strong>d<strong>er</strong></strong> in vielfältig<strong>er</strong>V<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>nheit mit an<strong>d<strong>er</strong></strong>en zur V<strong>er</strong>folgung gemeinsam<strong>er</strong> Int<strong>er</strong>essentätig w<strong>er</strong><strong>de</strong>n" (51). D<strong>er</strong> notwendige staatliche Eingriff muß<strong>d<strong>er</strong></strong>gestalt <strong>sein</strong>, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> „Raum <strong>d<strong>er</strong></strong> Privatinitiative <strong>d<strong>er</strong></strong> einzelnenBürg<strong>er</strong> nicht nur nicht eingeschränkt, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n vielmehr ausgeweitet"w<strong>er</strong><strong>de</strong> (55). 21 Eine <strong>de</strong>utliche Skepsis gegenüb<strong>er</strong> einemweitreichen<strong>de</strong>n Staatseigentum im kollektivistischen Systemkommt auch in <strong>d<strong>er</strong></strong> Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens zum Ausdruck:Insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>e im Abschnitt 14 „Arbeit und Eigentum", wo <strong>de</strong>utlichgemacht wird, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> bloße Ub<strong>er</strong>gang <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktionsmittelin Staatseigentum keineswegs schon gleichbe<strong>de</strong>utend mit ein<strong>er</strong>Sozialisi<strong>er</strong>ung <strong>de</strong>s Eigentums sei. Von ein<strong>er</strong> solchen Sozialisi<strong>er</strong>ungkönne man nur dann sprechen, wenn „<strong>d<strong>er</strong></strong> Subjektcharakt<strong>er</strong><strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft garanti<strong>er</strong>t ist, d. h., wenn je<strong>d<strong>er</strong></strong> aufgrund <strong>d<strong>er</strong></strong> eigenenArbeit <strong>de</strong>n vollen Anspruch hat, sich zugleich als Miteigentüm<strong>er</strong><strong>d<strong>er</strong></strong> großen W<strong>er</strong>kstätte zu betrachten, in <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong> gemeinsammit allen an<strong>d<strong>er</strong></strong>en arbeitet" 22 . W<strong>er</strong> etwa Kohlenb<strong>er</strong>gw<strong>er</strong>ke o<strong>d<strong>er</strong></strong>große Industriebetriebe in Oststaaten besucht hat, gewinnt nicht<strong>de</strong>n Eindruck, <strong>d<strong>er</strong></strong> Papst habe diese mit <strong>de</strong>n großen W<strong>er</strong>kstättengemeint, in <strong>de</strong>nen sich <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit<strong>er</strong> als Miteigentüm<strong>er</strong> fühlenkönne.Es geht imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> um eine kritische Beurteilung <strong>d<strong>er</strong></strong> Chancenund Möglichkeiten, auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Grundlage <strong>de</strong>s kapitalistischenWirtschaftssystems funktionsfähige Marktwirtschaften zu gestaltenund zu entwickeln, die mit entsprechen<strong>d<strong>er</strong></strong> Absich<strong>er</strong>ungdurch eine funktionsfähige Wirtschaftspolitik (insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>eWettbew<strong>er</strong>bspolitik), ab<strong>er</strong> vor allem eine entsprechen<strong>de</strong> Sozialpolitikeine Gesellschaft aufbauen können, die im Sinne <strong>d<strong>er</strong></strong> neuenEnzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens <strong>d<strong>er</strong></strong> Solidarität all<strong>er</strong> arbeiten<strong>de</strong>nMenschen Rechnung trägt, ab<strong>er</strong> auch <strong>de</strong>n Sch<strong>utz</strong>bedürfnissen jen<strong>er</strong>,die nicht o<strong>d<strong>er</strong></strong> nicht mehr arbeiten können. Die geschichtlichenErfahrungen sprechen dafür, daß dieses Ziel nur in Gesell-21Enzyklika Mat<strong>er</strong> et magistra, Kap. 51, 55 in <strong>d<strong>er</strong></strong> Ausgabe mit Kommentar vonEb<strong>er</strong>hard Welty, Freiburg i. Br. 1961.22Enzyklika Laborem ex<strong>er</strong>cens, Kap. 14; dazu insbes. auch Walt<strong>er</strong> K<strong>er</strong>b<strong>er</strong>, P<strong>er</strong>spektivenzur Eigentumsfrage, in: Handbuch <strong>d<strong>er</strong></strong> christlichen Ethik, Bd. 2, hrsg.von Anselm H<strong>er</strong>tz u. a., Freiburg-Basel-Wien 1978, S. 371ff.113


Schäften <strong>er</strong>reichbar ist, die <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigeninitiative einen hohen W<strong>er</strong>trangbeimessen, die sich zum min<strong>de</strong>sten an positiven Gegebenheiten<strong>de</strong>s kapitalistischen Systems mit orienti<strong>er</strong>t haben.Schlußfolg<strong>er</strong>ungenEine Beantwortung <strong>d<strong>er</strong></strong> Fragestellung ist nur bedingt möglich.Zunächst steht auß<strong>er</strong> Zweifel, daß das Wirtschaftssystem <strong>de</strong>s klassischenKapitalismus für <strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en ebenso unannehmbar istwie das <strong>de</strong>s Marxismus. Dies ein<strong>er</strong>seits <strong>de</strong>shalb, weil bei<strong>de</strong> Systemenicht auf die Eigenv<strong>er</strong>antwortung <strong>de</strong>s einzelnen Menschenv<strong>er</strong>trauen, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auf einen „ordre naturel", auf eine eigengesetzlicheDynamik und Entwicklung. <strong>Christ</strong>liches Sozial<strong>de</strong>nken willdie B<strong>er</strong>eiche <strong>d<strong>er</strong></strong> p<strong>er</strong>sönlichen V<strong>er</strong>antwortung <strong>de</strong>s Menschen möglichstklar umschreiben, sieht ab<strong>er</strong> auch <strong>de</strong>n Prozeß <strong>d<strong>er</strong></strong> wirtschaftlichenEntwicklung nicht als blin<strong>de</strong>s Schicksal an, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nals einen Aufgabenb<strong>er</strong>eich, <strong>d<strong>er</strong></strong> sich <strong>de</strong>n in <strong>d<strong>er</strong></strong> staatlich organisi<strong>er</strong>tenGesellschaft wirken<strong>de</strong>n Menschen stellt, wenn auch mit unt<strong>er</strong>schiedlich<strong>er</strong>Aufgabenstellung und p<strong>er</strong>sönlich<strong>er</strong> V<strong>er</strong>antwortung.Die eigentliche Fragestellung scheint mir darin zu liegen, obdas modifizi<strong>er</strong>te kapitalistische System, wie wir es in <strong>d<strong>er</strong></strong> politischenund wirtschaftlichen Wirklichkeit uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Welt heute vorfin<strong>de</strong>n,mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Grundkonzeption christlichen Sozial<strong>de</strong>nkens, mit<strong>d<strong>er</strong></strong> Tradition <strong>d<strong>er</strong></strong> Katholischen Soziallehre v<strong>er</strong>einbar ist.Diese Fragestellung wür<strong>de</strong> ich so weit bejahen, als damit bestimmteBedingungen v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>n sind: Johannes Messn<strong>er</strong> sagt <strong>de</strong>utlich,daß je<strong>de</strong> Gesellschaft ihre soziale Frage habe, daß in je<strong>d<strong>er</strong></strong>Phase <strong>d<strong>er</strong></strong> geschichtlichen Entwicklung eine sich imm<strong>er</strong> neu stellen<strong>de</strong>Notwendigkeit zur Sozialreform gegeben sei. 23 Die These„Societas Semp<strong>er</strong> reformanda" entspricht <strong>de</strong>m Sozialrealismus <strong>d<strong>er</strong></strong>Katholischen Soziallehre. Die katholische Kapitalismuskritiksetzt ja imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> an <strong>de</strong>n utopischen Zukunftshoffnungen an,die mit <strong>de</strong>m klassischen Kapitalismus v<strong>er</strong>bun<strong>de</strong>n waren, an <strong>sein</strong>emVorbeigehen und Wegsehen von <strong>d<strong>er</strong></strong> sozialen Frage, an ein<strong>er</strong>W<strong>er</strong>teordnung, die <strong>de</strong>n ökonomischen W<strong>er</strong>ten <strong>de</strong>utlichen Vor-23Johannes Messn<strong>er</strong>, Das Naturrecht, aaO., S. 486ff.114


ang gibt, vor allem <strong>de</strong>m Profitstreben und <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinnmaximi<strong>er</strong>ung,die auf je<strong>de</strong>n Fall das Kapitalint<strong>er</strong>esse in <strong>de</strong>n Vor<strong>d<strong>er</strong></strong>grundstellt.Imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong> stellt sich die Frage, ob das Wirtschaftssystem<strong>d<strong>er</strong></strong> führen<strong>de</strong>n Industriestaaten heute, das spätkapitalistische System,noch als kapitalistisch angesehen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann. Wir v<strong>er</strong>fügenüb<strong>er</strong> keine p<strong>er</strong>fekte Theorie <strong>d<strong>er</strong></strong> industriellen Gesellschaft. Sodürfte es wohl sinnvoll <strong>sein</strong>, in gewissem Umfang auch das heutein <strong>de</strong>n westlichen Industriestaaten und in Japan vorhan<strong>de</strong>ne Wirtschaftssystemals eine Spätform <strong>de</strong>s Kapitalismus zu bezeichnen,wobei freilich zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Wirtschaftssystemen beachtlicheDiff<strong>er</strong>enzi<strong>er</strong>ungen gegeben sind.Ub<strong>er</strong> die Frage, wie weit das marktwirtschaftliche System, insbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>edie soziale Marktwirtschaft ein arteigenes WirtschaftsundGesellschaftssystem ist, besteht eine un<strong>er</strong>meßliche Lit<strong>er</strong>atur.24 Aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Sicht <strong>d<strong>er</strong></strong> katholischen Sozialkritik <strong>er</strong>scheint es mirwesentlich<strong>er</strong>, Reformziele für die Weit<strong>er</strong>entwicklung <strong>de</strong>s spätkapitalistisch-marktwirtschaftlichenSystems aufzuzeigen. Wennhi<strong>er</strong> die Be<strong>de</strong>utung <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigeninitiative beson<strong>d<strong>er</strong></strong>s h<strong>er</strong>ausgestelltund im Sinne <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips <strong>de</strong>n klein<strong>er</strong>en Gemeinschaftenauch in <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsgesellschaft große Be<strong>de</strong>utung beigemessenwur<strong>de</strong>, so dürften hi<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> neu notwendige Ansatzpunktefür zukunftsweisen<strong>de</strong> Reformen gegeben <strong>sein</strong>. Ist doch dieMachtkonzentration auch ein gefährliches Phänomen <strong>d<strong>er</strong></strong> spätindustriellenGesellschaft. Wie groß g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> die Gefahr eines imm<strong>er</strong>weit<strong>er</strong> vordringen<strong>de</strong>n Dirigismus, ein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>bürokratisi<strong>er</strong>ungnicht nur <strong>de</strong>s Staatsapparates, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n auch <strong>d<strong>er</strong></strong> großen Wirtschaftsunt<strong>er</strong>nehmenist, zeigt sich imm<strong>er</strong> wie<strong>d<strong>er</strong></strong>.Heute ist die Hoffnung weithin geschwun<strong>de</strong>n, daß es zu ein<strong>er</strong>Konv<strong>er</strong>genz <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftssysteme <strong>de</strong>s Westens und <strong>de</strong>s Ostenskommen wird. So dürfte auch aus dies<strong>er</strong> Sicht einig<strong>er</strong> Vorbehaltgegen die Fragestellung, ob die Alt<strong>er</strong>native zum Marxismus für<strong>de</strong>n <strong>Christ</strong>en <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus ist, geboten <strong>sein</strong>. D<strong>er</strong> <strong>Christ</strong> hatsich bei <strong>sein</strong>en Bemühungen um die imm<strong>er</strong> neu notwendige Re-" Neu<strong>er</strong>e Lit<strong>er</strong>atur ist v<strong>er</strong>arbeitet in: Erich Streissl<strong>er</strong> und <strong>Christ</strong>ian Watrin(Hrsg.), aaO.115


form <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaftsordnung auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Basis <strong>d<strong>er</strong></strong> jeweiligen staatlichorganisi<strong>er</strong>ten Gesellschaft zu bewegen. Das eindrucksvolleBeispiel <strong>d<strong>er</strong></strong> Entwicklung in Polen macht <strong>de</strong>utlich, daß es dort sich<strong>er</strong>nicht <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus ist, <strong>d<strong>er</strong></strong> als Alt<strong>er</strong>native für die polnischen<strong>Christ</strong>en sich stellt, auch nicht in <strong>sein</strong>en sehr modifizi<strong>er</strong>tenspätkapitalistischen Formen. Es entspricht eh<strong>er</strong> <strong>de</strong>m Realismus<strong>d<strong>er</strong></strong> Katholischen Soziallehre, ab<strong>er</strong> auch <strong>de</strong>m hohen W<strong>er</strong>trang ihr<strong>er</strong>Ordnungsprinzipien, daß sie irgendwie doch auf je<strong>de</strong> Gesellschaftanwendbar sind. So mag die Gründung <strong>d<strong>er</strong></strong> polnischen Gew<strong>er</strong>kschaftsorganisationSolidarität nicht nur ein Ausdruck dafür<strong>sein</strong>, daß g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> im Sinne <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips eigenständigeGew<strong>er</strong>kschaften von entschei<strong>de</strong>n<strong>d<strong>er</strong></strong> Be<strong>de</strong>utung sind, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n daßüb<strong>er</strong>mäßige Machtkonzentration und V<strong>er</strong>staatlichung gewiss<strong>er</strong>Gesellschaftsb<strong>er</strong>eiche zu Reaktionen führen muß, wenn ein gewiss<strong>er</strong>Freiheitsraum dafür gegeben ist. In je<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschafts- undGesellschaftsordnung wird <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Christ</strong> etwa vom Subsidiaritätsprinzipausgehen können, ebenso vom Solidaritätsprinzip undvom Gemeinwohl, wobei diese bei<strong>de</strong>n Ordnungsprinzipien g<strong>er</strong>a<strong>de</strong>in ihr<strong>er</strong> pluralistischen Sicht sich sehr eng mit <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzipv<strong>er</strong>bin<strong>de</strong>n. Ist es doch eine unt<strong>er</strong>schiedliche Solidaritätauf <strong>de</strong>n v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft, um die es hi<strong>er</strong>geht, wie g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> das polnische Beispiel so <strong>de</strong>utlich macht.So kann letztlich zusammenfassend gesagt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, daß auch <strong>d<strong>er</strong></strong>Spätkapitalismus nicht die Alt<strong>er</strong>native zum Marxismus für <strong>de</strong>n<strong>Christ</strong>en ist, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n <strong>sein</strong> Engagement in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft ebensowie im p<strong>er</strong>sönlichen Leben gewisse zeit- und gesellschaftsbedingteAkzente aufweist, ebenso ab<strong>er</strong> eine Orienti<strong>er</strong>ung an jenen dau<strong>er</strong>haftenOrdnungsgrundsätzen, welche die Katholische Soziallehreebenso <strong>de</strong>utlich h<strong>er</strong>ausstellt wie etwa die in eine weite Traditionzurückreichen<strong>de</strong> Moraltheologie und Ethik.Wolfram Engels hat <strong>de</strong>utlich gemacht, daß sich Marktwirtschaftals System <strong>d<strong>er</strong></strong> geordneten V<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ungen bewährt hat. 25 Unt<strong>er</strong>B<strong>er</strong>ufung auf Whitehead stellt <strong>er</strong> die Notwendigkeit h<strong>er</strong>aus, daß es25Wolfram Engels, Für die achtzig<strong>er</strong> Jahre: Pessimismus üb<strong>er</strong>flüssig, in: P<strong>er</strong>spektiven(Die Presse) 19./20. 9. 1981.116


<strong>de</strong>s Arbeitskampfes bess<strong>er</strong> bewährt als Formen <strong>d<strong>er</strong></strong> Zwangsschlichtung."D<strong>er</strong> soziale und <strong>d<strong>er</strong></strong> innenpolitische Frie<strong>de</strong>, die Hebung <strong>de</strong>s sozialenund wirtschaftlichen Standards ein<strong>er</strong> staatlich organisi<strong>er</strong>tenGesellschaft sind letztlich Ziele, die <strong>de</strong>m Menschen dienen: Dies<strong>er</strong>konkrete Mensch ist schließlich Ausgangspunkt und Ziel je<strong>d<strong>er</strong></strong>Politik, die sich humanen und christlichen Zielsetzungen v<strong>er</strong>pflichtetweiß." Martin Honeck<strong>er</strong>, Das „Recht auf Arbeit" und <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitskampf, in: <strong>Christ</strong>licheEthik und Arbeitskampf, hrsg. von Heinrich Basilius Streithofen, Walb<strong>er</strong>b<strong>er</strong>g1981, S. 77ff.118


Diskussionsb<strong>er</strong>ichtD<strong>er</strong> T<strong>er</strong>minus KapitalismusA. Rausch<strong>er</strong> möchte die Diskussion „Kapitalismus — Sozialismus"auf <strong>de</strong>n hint<strong>er</strong> diesen T<strong>er</strong>mini liegen<strong>de</strong>n ökonomischenSachv<strong>er</strong>halt v<strong>er</strong>legt sehen: V<strong>er</strong>kehrswirtschaft — Zentralv<strong>er</strong>waltungswirtschaft.D<strong>er</strong> Kapitalismus könne nicht einzig vom Privateigentumaus <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Das Mittelalt<strong>er</strong> mit <strong>sein</strong>em ausgeprägtenPrivateigentum und <strong>sein</strong>em <strong>de</strong>zentralisi<strong>er</strong>ten Agrarsystemwar bestimmt kein kapitalistisches System. Mit <strong>de</strong>m T<strong>er</strong>minusSozialismus v<strong>er</strong>halte es sich nicht an<strong>d<strong>er</strong></strong>s. Man könne, wennman das Wort Kapitalismus gebrauchen wolle, höchstens von kapitalistisch<strong>er</strong>Wirtschaftsweise sprechen.A. Klose antwortet darauf, daß „kapitalistsische Produktionsweise"sich<strong>er</strong>lich ein Kennzeichen vor allem im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong> Geldwirtschaftsei, doch müßten noch v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Elementehinzukommen, damit ein kapitalistisches Wirtschaftssystem entsteht.In Jugoslawien sei <strong>d<strong>er</strong></strong> Bankenapparat kapitalistisch undfunktioni<strong>er</strong>e auch, <strong>d<strong>er</strong></strong> Rest unt<strong>er</strong>stehe ab<strong>er</strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Regeln. D<strong>er</strong>T<strong>er</strong>minus „Kapitalismus" möge vom ökonomischen Standpunktaus wenig aussagen und mehr als Schreckgespenst wirken. An<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seitssei <strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Politik eben doch ein Schlagwort, <strong>de</strong>m mannicht ausweichen könne.Auf die Frage von H. J. Türk, welche Realität durch <strong>de</strong>n Ausdruck„Spätkapitalismus" ge<strong>de</strong>ckt sei, antwortet A. Klose, daß <strong>er</strong>von marktwirtschaftlich-spätkapitalistischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n gesprochenhabe, d. h. von Län<strong>d<strong>er</strong></strong>n, die von <strong>d<strong>er</strong></strong> kapitalistischen Wirtschaftsweiseh<strong>er</strong>kommen, ab<strong>er</strong> an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Akzente tragen. Er diff<strong>er</strong>enzi<strong>er</strong>tein diesem Zusammenhang drei Gruppen: 1. marktwirtschaftlicheLän<strong>d<strong>er</strong></strong> (z. B. Holland, Belgien, USA, Neuseeland, mit Vorbehaltskandinavische Län<strong>d<strong>er</strong></strong> usw.), 2. neokapitalistische Län<strong>d<strong>er</strong></strong> (Südkorea,Hongkong, Taiwan, Singapur usw.), 3. spätkapitalistischeLän<strong>d<strong>er</strong></strong> (südam<strong>er</strong>ikanische Län<strong>d<strong>er</strong></strong>, die ein<strong>de</strong>utig Marktwirtschafthaben, jedoch nicht zu <strong>de</strong>n klassischen kapitalistischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>ngezählt w<strong>er</strong><strong>de</strong>n können).119


Die Theologen und das WirtschaftssystemE. Nagel äuß<strong>er</strong>t Zweifel, ob man von <strong>d<strong>er</strong></strong> Theologie aus auf dieMarktwirtschaft schließen könne, da in die Üb<strong>er</strong>legungen sehrstark die Situation hineinspiele, aus <strong>d<strong>er</strong></strong> h<strong>er</strong>aus man <strong>de</strong>n Bezugvon Theologie und Wirtschaftssystem betrachte. Er v<strong>er</strong>weist aufdie katholischen Intellektuellen in Frankreich, die ein ganz an<strong>d<strong>er</strong></strong>esV<strong>er</strong>hältnis zum Sozialismus äuß<strong>er</strong>ten als etwa <strong>d<strong>er</strong></strong> entsprechen<strong>de</strong>P<strong>er</strong>sonenkreis in Deutschland. In südam<strong>er</strong>ikanischen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>nwür<strong>de</strong> man aus <strong>de</strong>m unmittelbaren Erlebnis <strong>de</strong>s Elends groß<strong>er</strong>Volksschichten ebenso in an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong> Weise urteilen. W<strong>er</strong> dieMikro-Ebene, auf <strong>d<strong>er</strong></strong> sich das Leben abspielt, im Auge habe, könnekaum an<strong>d<strong>er</strong></strong>s als auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Mikro-Ebene <strong>de</strong>nken.A. Klose räumt ein, daß es auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Mikro-Ebene oft grauenvollaussehe. Man dürfe ab<strong>er</strong> die grundsätzlich<strong>er</strong>e Sicht auf die Makro-Ebene nicht üb<strong>er</strong>sehen, diese sei sogar vordringlich. Wenn <strong>d<strong>er</strong></strong>Südam<strong>er</strong>ikan<strong>er</strong> das sozialistische System hautnah <strong>er</strong>leben wür<strong>de</strong>,wür<strong>de</strong> <strong>er</strong> <strong>er</strong>kennen, daß das Elend mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Systemv<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ungnicht beseitigt ist. Es sei ein Trugschluß <strong>d<strong>er</strong></strong> Sozialethik<strong>er</strong>, die bestehen<strong>de</strong>nMängel in globo <strong>de</strong>m Kapitalismus zuzuschreiben. Imbeson<strong>d<strong>er</strong></strong>en prang<strong>er</strong>e man die Multis als typisch kapitalistischeProfiteure an. Gewiß seien die von <strong>de</strong>n Multis aufgestellten Preiseunkontrolli<strong>er</strong>bar. An<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seits üb<strong>er</strong>nähmen die Multis risikobela<strong>de</strong>neInvestitionen, zu <strong>de</strong>nen kein an<strong>d<strong>er</strong></strong>es Unt<strong>er</strong>nehmen fähigwäre. D<strong>er</strong> <strong>Christ</strong> sollte dort <strong>de</strong>n Geist brü<strong>d<strong>er</strong></strong>lich<strong>er</strong> Solidaritätentfalten, wo <strong>er</strong> unmittelbar wirksam <strong>sein</strong> kann, nämlich auf <strong>d<strong>er</strong></strong>Mikro-Ebene. Die Sani<strong>er</strong>ung auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Makro-Ebene gehe langsamvoran und manifesti<strong>er</strong>e sich <strong>er</strong>st sehr spät auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Mikro-Ebene.Dazu gehöre Geduld, die ebenfalls eine christliche Tugend sei.P. Koslowski <strong>er</strong>gänzte diese Gedanken mit <strong>de</strong>m Hinweis, daß e<strong>sein</strong> leichtes sei, dort nach Abhilfe zu rufen, wo man keine V<strong>er</strong>antwortungüb<strong>er</strong>nehmen müsse. Manche Theologen seien rasch zurHand, das System und sogar die Menschheit anzuklagen. Auf diesemFeld könnten sie sich aus <strong>d<strong>er</strong></strong> eigenen V<strong>er</strong>antwortung ziehen.H. Willg<strong>er</strong>odt bestätigt das Gesagte, daß man von <strong>d<strong>er</strong></strong> Mikro-Ebene aus, in <strong>d<strong>er</strong></strong> es so viel Elend gibt, nicht nach Systemv<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ungenrufen dürfe. Was man brauche, sei eine s<strong>er</strong>iöse Diff<strong>er</strong>en-120


zialdiagnose. Es gebe makro-ökonomische Zusammenhänge, dieunauflösbar seien. Wenn in einem bestimmten EntwicklungslandKapitalknappheit in Kombination mit Bevölk<strong>er</strong>ungsv<strong>er</strong>mehrungund <strong>d<strong>er</strong></strong> Unmöglichkeit, technisches Wissen von an<strong>d<strong>er</strong></strong>en Län<strong>d<strong>er</strong></strong>nzu üb<strong>er</strong>nehmen, bestän<strong>de</strong>, und dazu noch mit einem politischenSystem, das alles, was Lin<strong>d<strong>er</strong></strong>ung bringen könnte, v<strong>er</strong>hin<strong>d<strong>er</strong></strong>t,dann helfe auch eine V<strong>er</strong>än<strong>d<strong>er</strong></strong>ung <strong>de</strong>s ökonomischen Systemsnichts. Trotz noch so individuell<strong>er</strong> Hilfe sei an <strong>de</strong>n makroökonomischenZusammenhängen nichts zu än<strong>d<strong>er</strong></strong>n. Hi<strong>er</strong> müsseman auf die von A. Klose angesprochene Maxime hinweisen, daßdie Geduld ebenfalls zum <strong>Christ</strong>enmenschen gehöre.E. Heintel meint an<strong>d<strong>er</strong></strong><strong>er</strong>seits, daß die Jugend üb<strong>er</strong> die ökonomischenZusammenhänge hinweggehe, weil sie die Problematik in<strong>d<strong>er</strong></strong> Gesamtheit <strong>de</strong>s Humanum sehe. Man müsse darum von <strong>d<strong>er</strong></strong>letzten Sinngebung <strong>de</strong>s menschlichen Zusammenlebens aus zu<strong>de</strong>n Einzeldiagnosen vorstoßen.In ähnlich<strong>er</strong> Weise äuß<strong>er</strong>te sich E. Amelung. Die jungen Leutev<strong>er</strong>langten P<strong>er</strong>spektiven. Sie bewege die Frage, wohin <strong>de</strong>nn dieWirtschaft tendi<strong>er</strong>e, wie sie sich auch fragen, wo uns<strong>er</strong>e Frie<strong>de</strong>nspolitikeigentlich en<strong>de</strong>.Marktwirtschaft und BildungP. P. Müll<strong>er</strong>-Schmid stellte die Frage, ob es <strong>d<strong>er</strong></strong> marktwirtschaftlichorganisi<strong>er</strong>ten Gesellschaft gelinge, das Bildungsproblem zulösen, das g<strong>er</strong>a<strong>de</strong> heute durch eine beträchtliche Zahl von arbeitslosenAka<strong>de</strong>mik<strong>er</strong>n <strong>de</strong>utlich sichtbar w<strong>er</strong><strong>de</strong>.A. Klose weist auf v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Fehlentwicklungen hin, zugleichab<strong>er</strong> auch auf die guten Resultate, die in v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>nen Län<strong>d<strong>er</strong></strong>ndie B<strong>er</strong>ufsb<strong>er</strong>atung <strong>er</strong>zielt habe. D<strong>er</strong> Aka<strong>de</strong>mik<strong>er</strong> dürfe sichbei <strong>d<strong>er</strong></strong> Wahl <strong>sein</strong>es Studiums keine falschen Hoffnungen machen.Die Freiheit, mit <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>er</strong> sich für eine B<strong>er</strong>ufsrichtung entschei<strong>de</strong>t,sei notwendig<strong>er</strong>weise mit einem zu tragen<strong>de</strong>n Risiko gekoppelt./. Stingl beurteilt die Arbeitslosigkeit bei <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Aka<strong>de</strong>mik<strong>er</strong>nim int<strong>er</strong>nationalen V<strong>er</strong>gleich als nicht alarmi<strong>er</strong>end. Branchen<strong>d<strong>er</strong></strong> Geisteswissenschaften seien <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitslosigkeit am meistenausgesetzt. Zum Teil trage das Schulsystem Schuld an <strong>d<strong>er</strong></strong> Mi-121


s<strong>er</strong>e. D<strong>er</strong> junge Mensch müsse mit 15 o<strong>d<strong>er</strong></strong> 16 Jahren <strong>sein</strong>e B<strong>er</strong>ufswahltreffen. Die Ausbildung dau<strong>er</strong>e im int<strong>er</strong>nationalen V<strong>er</strong>gleichfür <strong>de</strong>utsche Absolventen zu lang. In <strong>d<strong>er</strong></strong> Bun<strong>de</strong>srepublikDeutschland komme <strong>d<strong>er</strong></strong> Stu<strong>de</strong>nt mit ungefähr 27 Jahren auf <strong>de</strong>nArbeitsmarkt, während die Franzosen b<strong>er</strong>eits mit 24 o<strong>d<strong>er</strong></strong> 25 einsteigen.122


Arthur F. UtzGEDANKEN IM RÜCKBLICK AUF DIEDISKUSSIONEs sei mir als <strong>de</strong>m Leit<strong>er</strong> <strong>de</strong>s Symposiums gestattet, meine eigenenGedanken zur Diskussion kundzutun. Ich tue es mit vollemRespekt gegenüb<strong>er</strong> <strong>de</strong>n geäuß<strong>er</strong>ten Meinungen im Bewußt<strong>sein</strong>,daß das, was ich hi<strong>er</strong> vortrage, nur Teilwahrheit <strong>sein</strong> kann. Es sollenhi<strong>er</strong>bei nur die Grundthemen, die für die V<strong>er</strong>anstaltung wichtigwaren, angesprochen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.D<strong>er</strong> ökonomische und <strong>d<strong>er</strong></strong> soziale W<strong>er</strong>t <strong>d<strong>er</strong></strong> ArbeitRein ökonomische Betrachtung faßt die Kausalitäten ins Auge,die zur Erstellung eines Produktes notwendig sind und die darumin ihrem Effekt im Produkt <strong>er</strong>kennbar sind. Unt<strong>er</strong> diesem Aspektsteht zur Frage, ob einzig die zeitlich ablaufen<strong>de</strong> Arbeit das Produktausmacht o<strong>d<strong>er</strong></strong> ob auch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Ursachen das Produkt mit<strong>er</strong>stellthaben. Marx hat irrtümlich<strong>er</strong>weise nur <strong>de</strong>n unmittelbar produzi<strong>er</strong>en<strong>de</strong>nArbeit<strong>er</strong> ins Auge gefaßt. Gewiß wäre ohne ihn dasProdukt nicht entstan<strong>de</strong>n. Es sind ab<strong>er</strong> auch an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Ursachenmittätig gewesen: Organisation <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit, Planung <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktion,B<strong>er</strong>echnungen technisch<strong>er</strong> und sozial<strong>er</strong> Natur usw.' VomGesichtspunkt <strong>d<strong>er</strong></strong> Kausalität aus kann die marxistische Arbeitsw<strong>er</strong>tlehr<strong>er</strong>ein ökonomisch ohne jegliche Einbeziehung juristisch<strong>er</strong>Kategorien betrachtet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Die ontische Kausalität istw<strong>er</strong>tneutral. Unt<strong>er</strong> diesem Betracht (und nur unt<strong>er</strong> diesem) hatdarum die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre keine weltanschauliche Dignität, wieO. v. Nell-Breuning mit Recht h<strong>er</strong>vorgehoben hat. Weil sie <strong>de</strong>nFakten wi<strong>d<strong>er</strong></strong>spricht, kann man sie auch als unsinnig bezeichnen.Nun ist ab<strong>er</strong> Ökonomie nicht nur ein ontisch-kausal<strong>er</strong> Vorgang.Sie gehört in <strong>de</strong>n Raum <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Handlung. Dasheißt, sie hat auß<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> effizienten Ursache auch eine Finalität, ei-1Vgl. hi<strong>er</strong>zu: A. F. Utz, Die marxistische Wirtschaftsphilosophie, Bonn 1982,68-72.123


nen Zweck. Dies<strong>er</strong> Zweck kann von <strong>d<strong>er</strong></strong> Finalität <strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichenNatur nicht abgelöst w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Denn <strong>d<strong>er</strong></strong> Mensch han<strong>de</strong>lt imm<strong>er</strong>entsprechend <strong>sein</strong><strong>er</strong> Natur o<strong>d<strong>er</strong></strong> gegen sie. Entsprechend <strong>d<strong>er</strong></strong>Sozialnatur <strong>de</strong>s Menschen steht die Arbeit im Rahmen <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft.Das heißt, sie steht im Zusammenhang mit <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinenWohlfahrt. Dies bedingt die juristische Einordnung <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitin eine soziale Ordnung. Darauf haben vor allem H. Willg<strong>er</strong>odtund P. Koslowski hingewiesen. D<strong>er</strong> Organisator <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeitsweltkann darum nicht nur <strong>de</strong>n rein kausal-ökonomischen Ablaufins Auge fassen, <strong>er</strong> muß die Arbeit als juristische Kategorie miteinbeziehen.Nur unt<strong>er</strong> Miteinbeziehung <strong>d<strong>er</strong></strong> juristischen Kategoriewird die Arbeit in ihr<strong>er</strong> ganzen wirtschaftlichen Wirklichkeitbegriffen. Denn die Finalität ist nichts Unwirkliches. Sie gehörtvielmehr zur vollen Wirklichkeit. Sie entschei<strong>de</strong>t in letzt<strong>er</strong> Betrachtungüb<strong>er</strong> Sinn und Unsinn. Dies war <strong>d<strong>er</strong></strong> aristotelischenPhilosophie klar. Die Finalität als Ursache ist <strong>er</strong>st durch <strong>de</strong>n Einbruchrein naturwissenschaftlichen Denkens in Mißkredit gekommen.Inzwischen haben ab<strong>er</strong> auch die Naturwissenschaftl<strong>er</strong>,wenigstens teilweise, <strong>er</strong>kannt, daß die Finalität zur Natur gehört.D<strong>er</strong> be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Thomaskommentator Cajetanus <strong>de</strong> Vio hat eingehenddargestellt, daß die Finalität als die <strong>er</strong>ste Ursache üb<strong>er</strong>hauptangesehen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n müsse. 2 Unt<strong>er</strong> diesem Aspekt ist es darumnicht legitim, die Finalität aus <strong>de</strong>m ökonomischen Denken zuv<strong>er</strong>bannen und rein naturwissenschaftlich <strong>de</strong>n äuß<strong>er</strong>en effizientenKausalzusammenhang <strong>de</strong>s Produzi<strong>er</strong>ens zu betrachten, im Glauben,daß man damit die ökonomische Wirklichkeit <strong>er</strong>faßt habe.Wie steht es nun mit <strong>d<strong>er</strong></strong> rein hypothetischen Setzung <strong>de</strong>s Zieles,wie sie <strong>d<strong>er</strong></strong> Ökonom vornimmt, in<strong>de</strong>m <strong>er</strong> sich fragt: was mußgeschehen, wenn ich dieses bestimmte Ziel will („wenn, dann")?.Die Üb<strong>er</strong>legungen sind so lange rein kausal-ökonomisch vollziehbar,solange es sich um naturwissenschaftlich faßbare Ursachenhan<strong>de</strong>lt, die einzusetzen sind. Wenn man ein bestimmtes Quan-1Für einen <strong>Christ</strong>en dürfte diese Auffassung ohne weit<strong>er</strong>es einleuchtend <strong>sein</strong>.Die Welt wäre nie entstan<strong>de</strong>n, wenn Gott sie nicht gewollt hätte, d. h. wenn <strong>er</strong>nicht die Absicht gehabt hätte, sie zu schaffen. Gott konnte ab<strong>er</strong> die Welt nurschaffen, in<strong>de</strong>m <strong>er</strong> zugleich in sie einen Sinn hineinlegte. Dies<strong>er</strong> Sinn ist die <strong>d<strong>er</strong></strong>Welt immanente Finalität.124


tum Kohle för<strong>d<strong>er</strong></strong>n will, dann ist ein bestimmtes Quantum anProduktionsmitteln notwendig. Die Produktionsmittel v<strong>er</strong>langenab<strong>er</strong> zu ihr<strong>er</strong> Ingangsetzung irgendwelche Arbeit. D<strong>er</strong> Ökonomkann hi<strong>er</strong>bei das Quantum an Arbeitsaufwand <strong>er</strong>messen, wobei<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> für diese zu leisten<strong>de</strong> Arbeit einen bestimmten Fleiß, einenbestimmten rationalen Umgang mit <strong>de</strong>n Produktionsmittelneinb<strong>er</strong>echnen muß. Diesen Anteil menschlich<strong>er</strong> Arbeit kann <strong>er</strong>ab<strong>er</strong> nicht mit <strong>de</strong>n gleichen Instrumenten messen, mit <strong>de</strong>nen <strong>er</strong>die technischen Produktionsmittel b<strong>er</strong>echnet. Er muß wissen, obdie Arbeit<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>haupt zu ein<strong>er</strong> solchen Arbeitleistung b<strong>er</strong>eitsind, ob sie die Arbeit als für sie sinnvoll betrachten, um <strong>de</strong>n Aufwandan Fleiß zu realisi<strong>er</strong>en, <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Kalkulation <strong>de</strong>s Ökonomenentspricht, ja, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> Einsatz von Arbeit üb<strong>er</strong>haupt v<strong>er</strong>tretbar ist.D<strong>er</strong> Ökonom sieht sich hi<strong>er</strong> plötzlich vor ein<strong>er</strong> Kategorie, die mit<strong>de</strong>m Lebenssinn üb<strong>er</strong>haupt zusammenhängt. Die Arbeit läßt sichnicht in die Kategorie <strong>d<strong>er</strong></strong> mat<strong>er</strong>iellen Güt<strong>er</strong>, <strong>de</strong>s toten Kapital<strong>sein</strong>stufen. Hi<strong>er</strong> offenbart sich <strong>d<strong>er</strong></strong> Vorsprung marxistischen Denkens,das üb<strong>er</strong>haupt keine menschliche Tätigkeit, auch nicht dieforschen<strong>de</strong>, zuläßt, ohne daß man sich vorgängig üb<strong>er</strong> die SinnfrageRechenschaft gegeben hat. Das ist auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Grund, warummarxistisches Denken integrativ ist und sich gegen je<strong>de</strong> einzelwissenschaftlicheBetrachtung wehrt, worauf E. Heintel hingewiesenhat. Die einzelwissenschaftliche Betrachtung ist eine Teilabstraktion,die theoretisch teilweise brauchbar, in <strong>d<strong>er</strong></strong> praktischen Ordnungab<strong>er</strong> vollständig irreführend ist. 3Natürlich kann <strong>d<strong>er</strong></strong> Ökonom in <strong>sein</strong><strong>er</strong> Analyse alle möglichenReaktionen und V<strong>er</strong>haltensweisen <strong>de</strong>s Menschen, sei <strong>er</strong> nun Arbeit<strong>er</strong>,Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> o<strong>d<strong>er</strong></strong> Konsument, einsetzen, um <strong>de</strong>mGrundsatz <strong>de</strong>s „wenn, dann" treu zu bleiben. Um zu wissen, wasvon Seiten <strong>de</strong>s Arbeit<strong>er</strong>s üb<strong>er</strong>haupt menschenmöglich ist, braucht<strong>er</strong> eine Anthropologie, die ab<strong>er</strong> nicht nur empirisch wissenschaftlichfundi<strong>er</strong>t ist, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n in die Tiefen menschlichen V<strong>er</strong>langensund Erwartens dringt, was ohne ein philosophisch begrün<strong>de</strong>tesJVgl. A. F. Utz, Erkenntnistheoretische Anm<strong>er</strong>kungen zur Frage nach <strong>d<strong>er</strong></strong>Trennung von empirisch<strong>er</strong> und philosophisch<strong>er</strong> Gesellschaftswissenschaft, in: Gesellschaftspolitikmit o<strong>d<strong>er</strong></strong> ohne Weltanschauung?, Bonn 1980, 234—238.125


Menschenbild nicht möglich ist. Das Bemühen, das Humankapitalim Unt<strong>er</strong>nehmen empirisch zu bestimmen (Human ResourceAccounting), beweist, wieviel Humanphilosophie unm<strong>er</strong>klichimplizi<strong>er</strong>t wird. Die wirtschaftstheoretische Analyse eines <strong>de</strong>mhistorischen Mat<strong>er</strong>ialismus v<strong>er</strong>hafteten Ökonomen sieht an entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nPunkten an<strong>d<strong>er</strong></strong>s aus als die eines Ökonomen, für <strong>de</strong>ndie moralische Qualität von Arbeit<strong>er</strong>, Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> und Konsumenteine evi<strong>de</strong>nte Voraussetzung ist.Selbstv<strong>er</strong>ständlich besagt diese V<strong>er</strong>schlingung von Theorie undWeltanschauung nicht, daß die Sachfragen <strong>d<strong>er</strong></strong> Ökonomie mitWeltanschauung zu meist<strong>er</strong>n wären, wie dies zu leicht von Weltanschauungsbeflissenen,vorab Theologen, gemeint wird.Vom integralen Begriff <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit aus ist die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehremit ein<strong>er</strong> schw<strong>er</strong>en weltanschaulichen Hypothek belastet. Die Finalitäthängt nämlich, wie gesagt, engstens mit <strong>d<strong>er</strong></strong> Sinnfrage, d. h.<strong>de</strong>m Zweck <strong>de</strong>s menschlichen Lebens auf dies<strong>er</strong> Welt zusammen.M. Honeck<strong>er</strong> hat darum mit Recht darauf hingewiesen, daß diev<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Konzeption <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit auch eine v<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Organisation<strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft bedingt.Marx hat sich ohne Zweifel hinsichtlich <strong>d<strong>er</strong></strong> Erklärung <strong>d<strong>er</strong></strong> effizientenKausalordnung getäuscht. Es ist nun einmal nicht nur <strong>d<strong>er</strong></strong>unmittelbare Arbeit<strong>er</strong> effiziente Ursache <strong>de</strong>s Produktes. Dochkönnte dies<strong>er</strong> Irrtum leicht behoben w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m man <strong>de</strong>n Begriff<strong>de</strong>s unmittelbaren Arbeit<strong>er</strong>s <strong>er</strong>weit<strong>er</strong>t auf alle vorgängig mit<strong>d<strong>er</strong></strong> Produktion Beschäftigten. Nur <strong>de</strong>n Eigentüm<strong>er</strong> von Kapitalmüßte man ausschließen, weil dies<strong>er</strong> nach Marx arbeitslose Gewinneeinsteckt. Danach konnte in marxistisch<strong>er</strong> Ausdrucksweisedas Kapital als kumuli<strong>er</strong>te Arbeit bezeichnet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Diese auchheute noch v<strong>er</strong>teidigte und nicht nur „vulgäre" marxistische Auffassung,die sich als rein kausale, also als rein ökonomische Betrachtungausgibt, ist eben doch mehr als nur ökonomisch. Dennsie implizi<strong>er</strong>t, worauf wie<strong>d<strong>er</strong></strong>um P. Koslowski hingewiesen hat, eineI<strong>de</strong>ologie, nämlich die Annahme, daß es einen Eigentüm<strong>er</strong>nicht geben darf, weil <strong>er</strong> ein Nichtsn<strong>utz</strong> ist. D<strong>er</strong> Eigentüm<strong>er</strong> mußjuristisch ausgeschlossen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Nun fußt all<strong>er</strong>dings die Legitimation <strong>d<strong>er</strong></strong> privaten Eigentumsordnungteilweise auf <strong>de</strong>m Nachweis, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Eigentüm<strong>er</strong> einen126


N<strong>utz</strong>en <strong>er</strong>bringt. An sich braucht dies<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> nicht notwendig<strong>er</strong>weiseein rein ökonomisch<strong>er</strong> N<strong>utz</strong>en zu <strong>sein</strong> im Sinn höh<strong>er</strong><strong>er</strong> Effizienz.Denn die Wirtschaft ist zugleich auch Grundlage <strong>d<strong>er</strong></strong> gesellschaftlichenOrdnung. Wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln<strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft dient, nützt es mittelbar,rückwirkend auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Effizienz <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft. Ab<strong>er</strong> sehenwir einmal von diesem mittelbaren ökonomischen Effekt abund fragen wir uns, ob <strong>d<strong>er</strong></strong> private Eigentüm<strong>er</strong> von Produktionsmittelnin direkt<strong>er</strong> Beziehung zum wirtschaftlichen Erfolg steht.V<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ntlich ist behauptet wor<strong>de</strong>n — man <strong>er</strong>spare mir hi<strong>er</strong>Hinweise auf die Autoren —, die enorme Distanz <strong>de</strong>s Eigentüm<strong>er</strong>svon Anteilscheinen vom Kapital groß<strong>er</strong> Kapitalgesellschaftenließe üb<strong>er</strong>haupt keinen effizient-kausalen Einfluß <strong>de</strong>s Eigentüm<strong>er</strong>sauf die Produktion zu, auß<strong>er</strong><strong>de</strong>m habe <strong>d<strong>er</strong></strong> entf<strong>er</strong>nte Einzelgäng<strong>er</strong>-Eigentüm<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>haupt kein Int<strong>er</strong>esse an <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktionselbst, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n vielmehr nur am Gewinn. Ich bin <strong>d<strong>er</strong></strong> Ub<strong>er</strong>zeugung,daß in dies<strong>er</strong> Behauptung einige Lücken sind." Nehmen wirab<strong>er</strong> an, es stimme, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Produktionsmitteleigentüm<strong>er</strong> aus <strong>d<strong>er</strong></strong>effizient-kausalen Ordnung ausschei<strong>de</strong>, d. h. daß <strong>sein</strong>e Willensentscheidungin kein<strong>er</strong> Weise das Produkt selbst betreffe, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nnur <strong>de</strong>n Gewinn. Ist <strong>er</strong> darum ein Nichtsn<strong>utz</strong>? Nichtsn<strong>utz</strong> isthi<strong>er</strong>bei noch gar keine soziale W<strong>er</strong>tung. D<strong>er</strong> Ausdruck hat nurökonomische Be<strong>de</strong>utung, in <strong>de</strong>m Sinn, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Willensentschluß<strong>de</strong>s <strong>Kapitalist</strong>en (d. h. <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n Anteileign<strong>er</strong>s) nicht in das Produkteingeht. Selbstv<strong>er</strong>ständlich hat <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitaleigentüm<strong>er</strong> gespart,<strong>er</strong> nützt <strong>de</strong>m Produkt, ab<strong>er</strong> als bloß<strong>er</strong> anonym<strong>er</strong> Anteilseign<strong>er</strong>nützt <strong>er</strong> nicht <strong>de</strong>m konkreten Produkt, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n allgemein<strong>de</strong>m Kapital auf <strong>de</strong>m Markt. Nun fragt sich ab<strong>er</strong> weit<strong>er</strong>: ist <strong>d<strong>er</strong></strong>Kapitalmarkt als Ordnungsfaktor nicht indirekt <strong>de</strong>m konkretenProdukt nützlich? Wenn ja — und das ist meine Ansicht —, dannwür<strong>de</strong> die Supposition, daß die kausal-ökonomische Betrachtungohne juristische Kategorie auskomme, hinfällig. Denn ein Teil<strong>d<strong>er</strong></strong> Effizienz <strong>de</strong>s Kapitals ist in diesem Fall <strong>d<strong>er</strong></strong> Willensentschei-4Vgl. hi<strong>er</strong>zu: A. F. Utz, Das Grundanliegen <strong>d<strong>er</strong></strong> Pluralismusi<strong>de</strong>e in <strong>d<strong>er</strong></strong> freiheitlichenGesellschaftskonzeption und <strong>d<strong>er</strong></strong> Dritte Weg, in: Neomarxismus und pluralistischeWirtschaftsordnung, Bonn 1979, 100 ff.127


dung eines privaten Eigentüm<strong>er</strong>s zu v<strong>er</strong>danken. Sof<strong>er</strong>n also dieArbeitsw<strong>er</strong>tlehre eine Lehre <strong>de</strong>s Ausschlusses <strong>de</strong>s privaten Eigentüm<strong>er</strong>sist — und das ist sie bei Marx und <strong>de</strong>n <strong>Marxist</strong>en —, ist sieweltanschaulich belastet.Ist die Entscheidung für <strong>de</strong>n privaten Eigentüm<strong>er</strong> grundsätzlich<strong>er</strong>o<strong>d<strong>er</strong></strong> pragmatisch<strong>er</strong> Natur?D<strong>er</strong> private Eigentüm<strong>er</strong> kann unt<strong>er</strong> bestimmten Umstän<strong>de</strong>n einewirtschaftliche Effizienz haben. Er ist, so könnte man dah<strong>er</strong>anzunehmen geneigt <strong>sein</strong>, nur dort einzusetzen,.wo <strong>er</strong> diese Effizienztatsächlich hat. Die juristische Kategorie wür<strong>de</strong> darum jeweilswechseln je nach <strong>d<strong>er</strong></strong> Lage <strong>d<strong>er</strong></strong> Dinge. Sie wäre also in dies<strong>er</strong>Supposition imm<strong>er</strong> noch von <strong>d<strong>er</strong></strong> Ökonomie, im kausalen Sinnv<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n, getrennt. In diesem Sinn war wohl auch die Thesevon O. v. Nell-Breuning gemeint, daß es viele Arten von juristischenKonstruktionen <strong>de</strong>s Eigentums gibt, die historisch wan<strong>de</strong>lbarsind, wie die Geschichte auch tatsächlich beweist.Es geht jetzt nur darum, die P<strong>er</strong>son o<strong>d<strong>er</strong></strong> die Institution zu bezeichnen,die das Urteil zu fällen hat, wo und wann <strong>d<strong>er</strong></strong> privateEigentüm<strong>er</strong> die ökonomische Effizienz <strong>er</strong>bringt. Da die wirtschaftlicheEffizienz nur am Produkt abgelesen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann,kommt es darauf an, ob das Produkt, das effizient produzi<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>nsoll, gewünscht wird o<strong>d<strong>er</strong></strong> nicht. In letzt<strong>er</strong> Analyse lan<strong>de</strong>nwir also bei <strong>d<strong>er</strong></strong> Frage nach <strong>d<strong>er</strong></strong> Konsumfreiheit, ein<strong>er</strong> unzweifelhaftweltanschaulichen Frage. Ist <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat, v<strong>er</strong>treten durch dieRegi<strong>er</strong>ung, imstan<strong>de</strong>, die Konsumwünsche abzuschätzen und somitzu wissen, was im Sinn <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>antwortung <strong>de</strong>s Konsumentenproduzi<strong>er</strong>t w<strong>er</strong><strong>de</strong>n soll und was nicht? Es ist hi<strong>er</strong>bei noch zu be<strong>de</strong>nken,daß die Produktivität <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit sinkt, wenn <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit<strong>er</strong>mit <strong>sein</strong>em Lohn nicht das Produkt kaufen kann, das <strong>er</strong> sichwünscht. <strong>Kann</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Staat, d. h. die Regi<strong>er</strong>ung, dies alles abschätzen?Die Antwort dürfte wohl nur negativ ausfallen, es sei <strong>de</strong>nn,es handle sich um grobe Umrisse <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Grundbedürfnisse.Die Entscheidung für die Priorität <strong>de</strong>s privaten Kapitaleigentüm<strong>er</strong>sist <strong>de</strong>mnach grundsätzlich<strong>er</strong>, nicht rein pragmatisch<strong>er</strong> Na-128


tur. Das Kapital ist somit nicht nur kumuli<strong>er</strong>te Arbeit, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n —sof<strong>er</strong>n man die ökonomische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Kapitaleigentüm<strong>er</strong>sin Rechnung zieht — auch kumuli<strong>er</strong>te Eigentüm<strong>er</strong>disposition.Die Arbeitsw<strong>er</strong>tlehre ist darum aufgrund ihr<strong>er</strong> grundsätzlichenAblehnung <strong>de</strong>s privaten Eigentums nicht nur ein ökonomisches,son<strong>d<strong>er</strong></strong>n ebenfalls ein weltanschauliches Thema.In <strong>d<strong>er</strong></strong> Diskussion um das Eigentum wur<strong>de</strong> von O. v. Nell-Breuningbetont, daß es keine Wirtschaft ohne irgen<strong>de</strong>in Eigentum,v<strong>er</strong>stan<strong>de</strong>n als Dispositionsgewalt, gibt. Dies entspricht <strong>de</strong>m, wasThomas von Aquin im <strong>er</strong>sten Artikel <strong>d<strong>er</strong></strong> Quaestio 66 <strong>d<strong>er</strong></strong> Secunda-Secundae <strong>sein</strong><strong>er</strong> Summa theologica (S. Theol. II-II 66,1) sagt, daßGott <strong>de</strong>m Menschen die Welt zur rationalen und v<strong>er</strong>antwortungsvollenN<strong>utz</strong>ung üb<strong>er</strong>lassen hat. Wie nun diese Dispositionsgewaltv<strong>er</strong>teilt wird, daß Ausschließungsrechte entstehen, in<strong>de</strong>m <strong>d<strong>er</strong></strong> eineeine bestimmte Entscheidungsgewalt <strong>er</strong>hält, die <strong>de</strong>m an<strong>d<strong>er</strong></strong>ennicht zusteht, ist eine, wie Thomas im zweiten Artikel (S. Theol.II-II 66,2 ad 1) sagt, „adinventio rationis humanae", d. h. einezweckdienliche Entscheidung. Man kann sich darum viele Artenvon V<strong>er</strong>teilung <strong>d<strong>er</strong></strong> Dispositionsgewalt vorstellen. Tatsächlich hates auch viele gegeben und gibt es heute noch viele, worauf H.Willg<strong>er</strong>odt instruktiv hingewiesen hat. Es ist nicht ein<strong>er</strong>lei, fürwelche Art von V<strong>er</strong>teilung <strong>d<strong>er</strong></strong> Dispositionsgewalt man sich entschei<strong>de</strong>t.Sie muß imm<strong>er</strong> zweckdienlich <strong>sein</strong>, zweckdienlich imSinn <strong>d<strong>er</strong></strong> rationalsten und besten N<strong>utz</strong>ung <strong>d<strong>er</strong></strong> mat<strong>er</strong>iellen Güt<strong>er</strong>,<strong>d<strong>er</strong></strong> rationalsten sowohl <strong>de</strong>s Kapitals wie auch <strong>d<strong>er</strong></strong> Arbeit im Sinn<strong>d<strong>er</strong></strong> Produktivität, <strong>d<strong>er</strong></strong> besten im Sinn <strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt,einschließlich <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns in <strong>d<strong>er</strong></strong> Gesellschaft. So ausdrücklichThomas von Aquin.Soll die Bestimmung <strong>de</strong>s „Zweckdienlichen" nun je nach Umstän<strong>de</strong>nrein pragmatisch vorgenommen w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, o<strong>d<strong>er</strong></strong> gibt esnicht gewiss<strong>er</strong>maßen ein Apriori, das heißt eine grundsätzlicheOption zugunsten <strong>de</strong>s privaten Eigentüm<strong>er</strong>s? Thomas entschiedsich nicht für die rein pragmatische, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n für die grundsätzlicheBefürwortung <strong>de</strong>s privaten Eigentüm<strong>er</strong>s. Und zwar hatte <strong>er</strong>hi<strong>er</strong>für einen anthropologischen Grund: das Eigenint<strong>er</strong>esse <strong>de</strong>sMenschen sowohl <strong>de</strong>s arbeiten<strong>de</strong>n als auch <strong>de</strong>s besitzen<strong>de</strong>n. DemGemeinwohl ist grundsätzlich, so sagt Thomas, bess<strong>er</strong> gedient,129


wenn die Güt<strong>er</strong> (sowohl die Konsum- wie die Produktivgüt<strong>er</strong>) inprivaten Hän<strong>de</strong>n sind. Er v<strong>er</strong>steht dieses V<strong>er</strong>teilungsprinzip hi<strong>er</strong>beinicht als steife Regel, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n als Gen<strong>er</strong>alklausel, <strong>d<strong>er</strong></strong>en Anwendunganalog vorzunehmen ist. Es ist eine Orienti<strong>er</strong>ungsnorm,die in allen Fällen zu befolgen ist, wo nicht evi<strong>de</strong>nte Fakteneine an<strong>d<strong>er</strong></strong>e Explikation <strong>de</strong>s Zweckdienlichen for<strong>d<strong>er</strong></strong>n.Wenn man darum unt<strong>er</strong> System ein Ganzes v<strong>er</strong>steht, in <strong>de</strong>m alleTeile in einem bestimmten, ein<strong>er</strong> Regel folgen<strong>de</strong>n Funktionszusammenhangstehen, dann muß man sagen, daß aus <strong>d<strong>er</strong></strong> Optionfür die „grundsätzliche" Priorität <strong>de</strong>s privaten Eigentums in <strong>d<strong>er</strong></strong>Wettbew<strong>er</strong>bswirtschaft sich ein echtes Wirtschaftssystem <strong>er</strong>gibt.Nur in diesem Sinn ist <strong>d<strong>er</strong></strong> Kapitalismus ein Wirtschaftssystem.Dies besagt nicht die Befürwortung ein<strong>er</strong> Ausschließlichkeit <strong>de</strong>sprivaten Eigentums an Produktionsmitteln. Es sind imm<strong>er</strong> nochv<strong>er</strong>schie<strong>de</strong>ne Modi <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>teilung auch unt<strong>er</strong> Voraussetzung <strong>d<strong>er</strong></strong>grundsätzlichen Option für das private Eigentum möglich. D<strong>er</strong>Kapitalismus kann unt<strong>er</strong> diesem Gesichtspunkt als Syndrom bezeichnetw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Er ist ab<strong>er</strong> kein rein pragmatisch begrün<strong>de</strong>tesSyndrom, ebensowenig wie das kollektivistische Wirtschaftssystem,weil <strong>er</strong> unt<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> konkreten Situation üb<strong>er</strong>geordnetenGen<strong>er</strong>alklausel steht: die im Rahmen <strong>de</strong>s Möglichen bevorzugteStellung <strong>d<strong>er</strong></strong> privaten Dispositionsgewalt. D<strong>er</strong> Kapitalismus mußdarum als System eingestuft w<strong>er</strong><strong>de</strong>n.Diesem allem kann man ab<strong>er</strong> nur folgen, sof<strong>er</strong>n man sich von<strong>de</strong>m Gedanken entf<strong>er</strong>nt, die Wirtschaft könne von <strong>d<strong>er</strong></strong> Weltanschauunggetrennt und als rein naturwissenshaftlich zu betrachten<strong>d<strong>er</strong></strong>Zusammenhang von effizient-kausalen Funktionen <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>tw<strong>er</strong><strong>de</strong>n. Gewiß, sie mag so betrachtet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, ab<strong>er</strong> nur mit<strong>d<strong>er</strong></strong> sehr unwirklichen Teilabstraktion. Auf dies<strong>er</strong> Basis <strong>er</strong>faßtman ab<strong>er</strong>, wie gesagt, nicht die Wirklichkeit <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaft, son<strong>d<strong>er</strong></strong>nnur die von Naturvorgängen, vielleicht ausdrückbar durchdas Wort „Sachzwänge".D<strong>er</strong> „kapitalistische" Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>Es ist wohl reichlich bekannt, daß Marx <strong>de</strong>n Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> <strong>de</strong>sKapitalismus als Gewinnmach<strong>er</strong> <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>te. Gegen diese These130


wur<strong>de</strong> von <strong>d<strong>er</strong></strong> Gegenseite die begrün<strong>de</strong>te Notwendigkeit <strong>de</strong>s Gewinnsins Feld geführt, wobei ebenfalls vorausgesetzt wird, daß<strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaft wirklich <strong>sein</strong>en Erfolgam Gewinn mißt und darum unt<strong>er</strong> diesem Betracht als Gewinnmach<strong>er</strong>bezeichnet w<strong>er</strong><strong>de</strong>n kann. Wie nun O. v. Nell-Breuning einleuchtendausgeführt hat, gibt es <strong>de</strong>n Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> als Nur-Gewinnmach<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>haupt nicht, so daß die Diskussion sich offenbaram falschen Objekt entzün<strong>de</strong>te.Nun hat wohl auch Marx schon gewußt, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> <strong>Kapitalist</strong> alsUnt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> noch vieles an<strong>d<strong>er</strong></strong>e tut als nur Gewinne einheimsen.Und diejenigen, die sich mit Marx üb<strong>er</strong> <strong>de</strong>n kapitalistischen Gewinnmach<strong>er</strong>streiten, wissen ebenso gut, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Gewinnmach<strong>er</strong>s nicht aus<strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t ist. D<strong>er</strong>Hinweis, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinn nur „conditio sine qua non" für die eigentlicheunt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>ische Tätigkeit, nämlich <strong>d<strong>er</strong></strong> Erstellungvon W<strong>er</strong>ten sei, for<strong>d<strong>er</strong></strong>t zu ein<strong>er</strong> tief<strong>er</strong>en philosophischen Erört<strong>er</strong>ungh<strong>er</strong>aus.D<strong>er</strong> Begriff <strong>d<strong>er</strong></strong> „conditio sine qua non" gehört <strong>d<strong>er</strong></strong> kausalenOrdnung an. „Conditio sine qua non" steht im Unt<strong>er</strong>schied zuecht<strong>er</strong> effizient<strong>er</strong> Kausalität. Zum Beispiel ist das Reifezeugnis„conditio sine qua non" für <strong>de</strong>n Zugang zur Univ<strong>er</strong>sität, wennwir mal von <strong>de</strong>n Ausnahmen absehen. Die eigentlichen Ursachen<strong>de</strong>s Zuganges zur Univ<strong>er</strong>sität sind <strong>d<strong>er</strong></strong> Wille <strong>de</strong>s Abiturienten und<strong>d<strong>er</strong></strong> Wille <strong>d<strong>er</strong></strong> Zulassungsbehör<strong>de</strong>. Im kausalen B<strong>er</strong>eich ist selbstv<strong>er</strong>ständlich<strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinn die „conditio sine qua non" für die Investition.Sehen wir uns ab<strong>er</strong> die Reihenfolge im B<strong>er</strong>eich <strong>d<strong>er</strong></strong>menschlichen Handlungen, also in <strong>de</strong>n vom Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> zu setzen<strong>de</strong>nEntscheidungen, an. Hi<strong>er</strong> han<strong>de</strong>lt es sich auf je<strong>d<strong>er</strong></strong> Ebene<strong>d<strong>er</strong></strong> menschlichen Handlung um ein echtes gewolltes Objekt. WieSantiago Ramirez, <strong>d<strong>er</strong></strong> wohl be<strong>de</strong>utendste Int<strong>er</strong>pret <strong>d<strong>er</strong></strong> Ethik <strong>de</strong>sThomas von Aquin darlegte, gibt es im Unt<strong>er</strong>schied zur ontischenOrdnung in <strong>d<strong>er</strong></strong> moralischen für ein Wesen (hi<strong>er</strong> für einen moralischenAkt) nicht nur eine, son<strong>d<strong>er</strong></strong>n mehr<strong>er</strong>e Wesensformen. D<strong>er</strong>sittliche Akt wird zunächst durch das direkt gewollte Objekt bestimmt.Er wird ab<strong>er</strong> ebenso wesentlich durch das weit<strong>er</strong>e Objekt,nämlich das Ziel, um <strong>de</strong>ssentwillen das direkte Objekt gewolltwur<strong>de</strong>, bestimmt. Dieses Ziel kann, wenn es schlecht wird,131


<strong>de</strong>n auf das direkte Objekt g<strong>er</strong>ichteten, an sich guten Akt schlechtmachen. Das Almosengeben ist sich<strong>er</strong>lich in sich gut. Wird esab<strong>er</strong> nur zur Gewinnung von Prestige und eitlem Ruhm eingesetzt,wie es etwa Machiavelli <strong>de</strong>m Politik<strong>er</strong> empfahl, dann ist esschlecht. Wäre <strong>de</strong>m nicht so, dann wür<strong>de</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Zweck das Mittelheiligen, eine These, die man fälschlich<strong>er</strong>weise <strong>de</strong>n Jesuiten vorwarf.D<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> muß <strong>de</strong>n Gewinn wollen. Hi<strong>er</strong> von„conditio sine qua non" zu sprechen, be<strong>de</strong>utet eine V<strong>er</strong>wechslungmit <strong>d<strong>er</strong></strong> kausalen Ordnung. Wenn ab<strong>er</strong> <strong>d<strong>er</strong></strong> Gewinn in sichschlecht wäre, dann könnte <strong>er</strong> auch durch das schöne Ziel, etwaszu leisten, nicht gut w<strong>er</strong><strong>de</strong>n. D<strong>er</strong> Ethik<strong>er</strong>, vorab <strong>d<strong>er</strong></strong> Wirtschaftsethik<strong>er</strong>,muß darum <strong>de</strong>n Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> von diesem Objekt h<strong>er</strong> legitimi<strong>er</strong>en.Da nützt all<strong>er</strong> Hinweis auf die vortreffliche Endabsicht<strong>de</strong>s Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>s nichts, es sei <strong>de</strong>nn, man stän<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>mStandpunkt, daß <strong>d<strong>er</strong></strong> Zweck das Mittel heilige.Selbstv<strong>er</strong>ständlich darf eine integrale Beschreibung <strong>de</strong>s kapitalistischenUnt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>s nicht auf <strong>d<strong>er</strong></strong> Etappe <strong>de</strong>s Gewinnmachensstehen bleiben. D<strong>er</strong> Gewinn kann o<strong>d<strong>er</strong></strong> darf nicht das Endstadiumunt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>ischen Wollens <strong>sein</strong>. Dies hieße, <strong>de</strong>n Gewinn zumabsoluten Objekt machen. Und das wäre sittlich nicht v<strong>er</strong>tretbar,genauso wenig, wie die Marxsche These, daß die Arbeit aus sichschon die V<strong>er</strong>wirklichung <strong>de</strong>s Menschen sei. Auch sie steht unt<strong>er</strong>einem letzten Ziel, eben <strong>de</strong>m Sinn menschlichen Lebens üb<strong>er</strong>haupt,<strong>de</strong>n je<strong>d<strong>er</strong></strong> gemäß <strong>sein</strong><strong>er</strong> Weltanschauung bestimmt. Je<strong>de</strong>nfallskann <strong>d<strong>er</strong></strong> christliche Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> nicht beim Gewinn stehenbleiben. Er wird ihn nur wollen können im Sinn <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung<strong>d<strong>er</strong></strong> allgemeinen Wohlfahrt.Die ethische For<strong>d<strong>er</strong></strong>ung, die an <strong>de</strong>n Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> in <strong>d<strong>er</strong></strong> Marktwirtschaftgestellt ist, <strong>de</strong>n Gewinn nur im Sinn ein<strong>er</strong> echten gesellschaflichenLeistung zu wollen, unt<strong>er</strong>liegt bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise<strong>de</strong>m Risiko, umgangen zu w<strong>er</strong><strong>de</strong>n, dies vor allem wegen <strong>de</strong>s starkenDruckes <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz. An einen Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong> sind hohemoralische Anfor<strong>d<strong>er</strong></strong>ungen gestellt, wenn es darum geht, gegen<strong>de</strong>n Zwang <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz das Prinzip echt<strong>er</strong> Leistung imDienst <strong>de</strong>s Gesamtwohls durchzuhalten. Wird z. B. <strong>d<strong>er</strong></strong> Inhab<strong>er</strong>eines Lebensmittelgeschäftes im Anblick schwach<strong>er</strong> Ub<strong>er</strong>lebenschancen<strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>suchung wi<strong>d<strong>er</strong></strong>stehen, pornographische Lit<strong>er</strong>atur132


in <strong>sein</strong> Sortiment aufzunehmen, um dadurch eine größ<strong>er</strong>e Zahlvon Käuf<strong>er</strong>n anzulocken?Konkurrenz gibt es nicht ohne Gewinnmotiv. Streng unt<strong>er</strong> diesemAspekt hat Marx <strong>de</strong>n Kapitalismus <strong>de</strong>fini<strong>er</strong>t und kritisi<strong>er</strong>t.Er hat das Auge einzig auf die Möglichkeit sozialmoralisch<strong>er</strong> Deka<strong>de</strong>nz,auf das, was man mit Grenzmoral bezeichnet, g<strong>er</strong>ichtet.Diese pointi<strong>er</strong>en<strong>de</strong> Betrachtung ist legitim, sich<strong>er</strong>lich kein Unsinn.Sie ist und bleibt ab<strong>er</strong> nur eine Teilbetrachtung, weil dasPrinzip <strong>d<strong>er</strong></strong> Konkurrenz ein<strong>er</strong> höh<strong>er</strong>en Norm unt<strong>er</strong>worfen ist,nämlich <strong>d<strong>er</strong></strong> V<strong>er</strong>wirklichung <strong>de</strong>s Gemeinwohls. Daß diese Normauch praktisch <strong>er</strong>füllt w<strong>er</strong><strong>de</strong>, dazu braucht es die gesetzliche Umrahmung.Die Gruppe, die sich um W. Eucken und W. Röpkescharte, nannte diese geordnete Wettbew<strong>er</strong>bswirtschaft Ordolib<strong>er</strong>alismus.All<strong>er</strong>dings hätte man <strong>de</strong>m anfänglichen Ordolib<strong>er</strong>alismusgewünscht, daß <strong>er</strong> ein bess<strong>er</strong>es gesellschaftspolitisches Programmentworfen hätte, gemäß <strong>de</strong>m <strong>d<strong>er</strong></strong> Wettbew<strong>er</strong>b zu ordnenist. Freiheit allein ist nicht ausreichend.133


PERSONENVERZEICHNISAbraham, K. 109Amelung, E. 37, 92, 121Am<strong>er</strong>y, C. 82Aristoteles 46, 66, 72Arrupe, P. 7Augustinus 39, 48Barth, K. 86, 92Blanquart, P. 40Bonhoeff<strong>er</strong>, D. 73Brunn<strong>er</strong>, E. 86, 92Cajetanus <strong>de</strong> Vio 124Cardonnel, J. 40Celsus 78Delekat, F. 86D<strong>er</strong>ix, H. H. 93Dionysius Areopagita 45Dom<strong>er</strong>gue, R. 40Drei<strong>er</strong>, W. 106, 108Engels, F. 91Engels, W. 116Eucken, W. 32, 83, 133Galen, B. Gr. v. 8Girardi, G. 40Hegel, G. W. F. 15, 80Heintel, E. 29, 37, 91, 92, 121, 125H<strong>er</strong>tz, A. 113Hettlage, R. 58, 59Hint<strong>er</strong>au<strong>er</strong>, W. 105Hobbes, Th. 45, 46Hohoff 18Honeck<strong>er</strong>, M. 31, 90, 92, 93, 117,118, 126Horten, A. 35Ibl<strong>er</strong>, H. 103Inhoffen, P. 91Johannes XXIII. 108Johannes Paul II. 18, 50Kant, I. 39, 46, 93Kasch, W. F. 37, 72, 90-95K<strong>er</strong>b<strong>er</strong>, W. 113Kettei<strong>er</strong>, W. E. v. 22Klose, A. 30, 58-60, 95, 96, 104,106, 108, 119-121Koslowski, P. 32, 33, 69, 70, 120,124, 126Kühne, K. 19Leo XIII. 19Locke, J. 45, 46Machiavelli 132Mantl, V. 106Marin, B. 104Marx, K. 9, 14-22, 36, 38, 43, 44,47, 48,51,54,61,62, 84, 85, 87,91, 123, 126, 128, 130, 131, 133Mazurek, F. J. 98Messn<strong>er</strong>, J. 60, 96, 101, 105, 114Mock, A. 100Müll<strong>er</strong>-Schmid, P. P. 28, 42, 121Mundorf, H. D. 59Nagel, E. 92, 120Nell-Breuning, O. v. 13, 28, 30—36,38, 70, 94, 123, 128, 129, 131Pelinka, A. 104Pius XI. 21, 24, 31Pius XII. 20, 107Popp<strong>er</strong>, K. R. 42Ramirez, S. 131Rausch<strong>er</strong>, A. 60, 61, 65, 119Rawls, J. 46Ricardo, D. 18Röpke, W. 133Rousseau, J. J. 45, 46


Schambeck, H. 100Schmitz, W. 105Schöpf<strong>er</strong>, G. 103Schumpet<strong>er</strong>, J. A. 86Sik, O. 53, 56Sombart, W. 24Stingl,J. 121Streissl<strong>er</strong>, E. 111, 115Streithofen, H. B. 118Taul<strong>er</strong>, J. 50Teilhard <strong>de</strong> Chardin, P. 37Thomas v. Aquin 11, 45—47, 61,62, 66, 129, 131Tillich, P. 86, 92Tischn<strong>er</strong>, J. 110Türk, HJ. 38, 64, 95, 119Utz, A. F. 8, 9, 39, 50, 58, 68, 98,104, 123, 125, 127Walth<strong>er</strong>, Ch. 36, 37, 68Watrin, Ch. 111, 115Weiskirch, H. 8Welty, E. 108, 113Whitehead, A. N. 116Willg<strong>er</strong>odt, H. 29, 32, 34, 61-64,68, 69, 91, 93, 120, 124, 129Zsifkovits, V. 106


V<strong>er</strong>zeichnis <strong>d<strong>er</strong></strong> Autoren und Diskussionsteilnehm<strong>er</strong>Amelung, Prof. Dr. Eb<strong>er</strong>hard, MünchenBusse, Direktor Erich W. O., MünchenD<strong>er</strong>ix, Dipl.-Volkswirt Hans H<strong>er</strong>ib<strong>er</strong>t, KölnGlatzel, Prof. Dr. Norb<strong>er</strong>t, Bamb<strong>er</strong>gHeintel, Prof. Dr. Erich, WienHettlage, Prof. Dr. Dr. Rob<strong>er</strong>t, RegensburgHoneck<strong>er</strong>, Prof. Dr. Martin, BonnHorten, Alphons, Nohn/EifelInhoffen, Prof. Dr. Pet<strong>er</strong>, FuldaKasch, Prof. Dr. Wilhelm F., BayreuthKley, Dr. Gisb<strong>er</strong>t, PullachKlose, Prof. DDDr. Alfred, WienKoslowski, Dipl.-Volkswirt Dr. Pet<strong>er</strong>, MünchenMüll<strong>er</strong>-Schmid, PD Dr. Pet<strong>er</strong> Paul, MönchengladbachMundorf, Dipl.-Volkswirt Dr. Heinz-Diet<strong>er</strong>, Bensb<strong>er</strong>gNagel, Prof. DDr. Ernst, BarsbüttelNell-Breuning, Prof. Dr. Oswald von, Frankfurt a. M.Rausch<strong>er</strong>, Prof. Dr. Anton, AugsburgRohr<strong>er</strong>, Dr. H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t, Garmisch-PartenkirchenStingl, Dr. Josef, Nürnb<strong>er</strong>gTürk, Prof. Dr. Hans Joachim, Nürnb<strong>er</strong>gUtz, Prof. Dr. Arthur F., Fribourg-Pensi<strong>er</strong>Walth<strong>er</strong>, Prof. Dr. <strong>Christ</strong>ian, HamburgWeiskirch, Frau Hedwig, BonnWillg<strong>er</strong>odt, Prof. Dr. Hans, Köln


Aus <strong>de</strong>n früh<strong>er</strong>enV<strong>er</strong>öffentlichungen<strong>d<strong>er</strong></strong> Int<strong>er</strong>nationalen Stiftung Humanuni:Arbeitskonflikte und ArbeitskampfAuswirkungen und B<strong>er</strong>echtigungen von Arbeitskonflikten.Mit Beiträgen von Karl H. Friedmann, Ben C. Rob<strong>er</strong>ts,Malcolm R. Fish<strong>er</strong>, Folke Schmidt, G<strong>er</strong>hard Müll<strong>er</strong>,B<strong>er</strong>nardo Zanetti, Walt<strong>er</strong> R. Schluep,Jack Keis<strong>er</strong>, Friedrich Beutt<strong>er</strong>, August Vanistendael.Web<strong>er</strong>, Wilhelm:D<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>Eine umstrittene Sozialgestalt zwischen I<strong>de</strong>ologieund Wirklichkeit.Utz, Arthur F.:Zwischen Neolib<strong>er</strong>alismus und NeomarxismusDie Philosophie <strong>de</strong>s Dritten Weges.Neomarxismus und pluralistische WirtschaftsordnungMit Beiträgen von Günt<strong>er</strong> Geissei<strong>er</strong>, Rudolf Hickel,Pet<strong>er</strong> Paul Müll<strong>er</strong>-Schmid, Heinz-Dietrich Ortlieb,Hans Tietmey<strong>er</strong>, Günt<strong>er</strong> Triesch,Arthur F. Utz, B<strong>er</strong>nardo Zanetti.Gesellschaftspolitik mit o<strong>d<strong>er</strong></strong>ohne Weltanschauung?Mit Beiträgen von Wilhelm Arnold,Horst Jürgen Helle, Rob<strong>er</strong>t Hettlage, Otto Koenig,Anton Rausch<strong>er</strong>, Karl Steinbuch,Paul Trappe, Arthur F. Utz, Wilhelm Web<strong>er</strong>Utz, Arthur F.:Die marxistische Wirtschaftsphilosophie


DIE KATHOLISCHESOZIALDOKTRININ IHRER GESCHICHTLICHENENTFALTUNGh<strong>er</strong>ausgegeben vonProf. Dr. Arthur Utzund Dr. Brigitta Gräfin von Galen1976, 4 B<strong>de</strong>., 32% S.,Reduzi<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Preisfür Restauflage DM 400 —Eine Sammlung <strong>d<strong>er</strong></strong> päpstlichen Dokumente zusozialen und politischen Fragen vom 15. Jahrhun<strong>d<strong>er</strong></strong>tbis in die Gegenwart, Originaltexte undUb<strong>er</strong>setzung. Analytisches, chronologisches,P<strong>er</strong>sonen- und <strong>de</strong>tailli<strong>er</strong>tes Sachv<strong>er</strong>zeichnis. EinStandardw<strong>er</strong>k von un<strong>er</strong>reicht<strong>er</strong> P<strong>er</strong>fektion.

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