Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 19.04.2010<strong>81.</strong>24.1 Grundsatz429943004301Ein etwaiger Verstoß einer öffentlichen Ausschreibung gegen <strong>§</strong> 9 <strong>VOB</strong>/A begründetallein noch keinen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss. Erfor<strong>der</strong>lich istvielmehr, dass <strong>der</strong> Auftragnehmer/Bieter in seinem schutzwürdigen Vertrauen auf dieEinhaltung <strong>der</strong> <strong>VOB</strong>/A enttäuscht worden ist. Ein Vertrauen in diesem Sinne ist nurgegeben, wenn <strong>der</strong> Antragnehmer/Bieter den maßgeblichen Verstoß gegen die <strong>VOB</strong>/A nichterkannt hat. Darüber hinaus muss sein Vertrauen schutzwürdig sein. Das ist in <strong>der</strong> Regelnicht <strong>der</strong> Fall, wenn er den Verstoß bei <strong>der</strong> ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfunghätte erkennen können. Die an die Prüfung des Bieters zu stellenden Anfor<strong>der</strong>ungen hängenvon den Umständen des Einzelfalles ab. Maßstab ist ein sorgfältiger Bieter mit dem branchenspezifischenFachwissen. Ein Bieter muss sich jedenfalls ein Bild darüber verschaffen, ob eralle für eine sichere Kalkulation erfor<strong>der</strong>lichen Angaben zur Verfügung hat. Zweifelsfragensind durch vorherige Besichtigung <strong>der</strong> Gegebenheiten vor Ort sowie durch Einsichtnahme invorhandene Planungsunterlagen o<strong>der</strong> durch entsprechende Rückfragen und Hinweise beimAuftraggeber zu klären. Diese Aufklärungspflicht besteht unabhängig davon, ob sie vomAuftraggeber in <strong>der</strong> öffentlichen Ausschreibung vorgegeben wird (OLG Naumburg, Urteilvom 30.11.2000 - Az: 2 U 149/00).Ist eine private o<strong>der</strong> öffentliche <strong>Leistung</strong>sbeschreibung erkanntermaßen o<strong>der</strong> zumindest fürden Fachmann ersichtlich unklar/risikoreich, darf <strong>der</strong> Bieter diese Lückenhaftigkeitnicht durch eigene für ihn günstige Kalkulationsannahmen ausfüllen. Tut er es dennoch,handelt er auf eigenes Risiko und kann später keine Mehrkosten beanspruchen, wenn sichseine Erwartungen als falsch erweisen. Ein etwaiger vom öffentlichen Auftraggeberbegangener Verstoß gegen <strong>§</strong> 9 <strong>VOB</strong>/A wird durch das spätere Verhalten des Bieterskompensiert. Etwas an<strong>der</strong>es kann in Betracht kommen, wenn die Ausschreibung den Bieternein <strong>der</strong>art ungewöhnliches Wagnis auflegt, dass es dem Auftraggeber nach Treu und Glaubenversagt wäre, sich auf die Risikoverlagerung auf den Bieter zu berufen (OLG Düsseldorf,Urteil vom 18.11.2003 - Az: I-23 U 27/03; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, B. v.14.10.2008 - Az.: 11 Verg 11/2008).Es existiert also kein Rechtsgrundsatz dahin, dass ein Werkunternehmer riskante<strong>Leistung</strong>en (auch im Rahmen einer <strong>VOB</strong>/A-Vergabe) nicht übernehmen könnte (OLGKoblenz, Urteil vom 17.4.2002 - Az: 1 U 829/99).<strong>81.</strong>24.2 Beispiele aus <strong>der</strong> Rechtsprechung4302• eine nicht ordnungsgemäße und daher unvollständige <strong>Beschreibung</strong> einer<strong>Leistung</strong> in einem <strong>Leistung</strong>sverzeichnis kann grundsätzlich Ansprüche unterdem Gesichtspunkt <strong>der</strong> c.i.c. auslösen. Dies gilt erst Recht, wenn <strong>der</strong> Auftraggeberschuldhaft falsche o<strong>der</strong> unvollständige Angaben über solche ihm bekannte Umständemacht, die für die Preisermittlung von Bedeutung sind (OLG Naumburg, Urteil vom15.12.2005 - Az.: 1 U 5/05)• ein ungewöhnliches Wagnis i.S.v. <strong>§</strong> 9 Nr. 2 <strong>VOB</strong>/A wird dem potenziellenAuftragnehmer aufgebürdet, wenn <strong>der</strong> Auftraggeber die Vorerkundung auf den vorabausgewählten Testfel<strong>der</strong>n nicht vollständig durchführt und dieVorerkundungsergebnisse nicht vollständig in <strong>der</strong> <strong>Leistung</strong>sbeschreibung darstellt(hier: Abbruch <strong>der</strong> Testberäumung eines von drei Testfel<strong>der</strong>n und Verschweigen <strong>der</strong>
Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 19.04.2010Vorerkundungsergebnisse dieses beson<strong>der</strong>s hoch belasteten Testfelds). Im Fallepositiver Kenntnis außergewöhnlich hoher Bodenbelastungen in Teilbereichen<strong>der</strong> zu beräumenden Fläche verstößt es auch gegen das vergaberechtlicheTransparenzgebot, wenn <strong>der</strong> Auftraggeber nur pauschal auf die Möglichkeit vonBelastungsabweichungen von einer durchschnittlichen Belastung hinweist, undzwar selbst dann, wenn er – entgegen <strong>der</strong> Auffassung des von ihm beauftragtenSachverständigen – die Ergebnisse des hoch belasteten Testfelds als nichtrepräsentativ ansieht (OLG Naumburg, Urteil vom 15.12.2005 - Az.: 1 U 5/05)• die im Rahmen eines öffentlichen Bauauftrags getroffene Vereinbarung, dass für dieVertragserfüllung erfor<strong>der</strong>liche zusätzliche <strong>Leistung</strong>en auch dann nicht vergütetwerden, wenn sie bei Vertragsschluss nicht bekannt und/o<strong>der</strong> nicht absehbar waren, isttrotz eines Verstoßes gegen <strong>§</strong> 9 <strong>VOB</strong>/A we<strong>der</strong> sittenwidrig noch nach <strong>§</strong> 134 BGBunwirksam. Bei einer <strong>der</strong>artigen gegen <strong>§</strong> 9 <strong>VOB</strong>/A verstoßenden offenenRisikozuweisung stehen dem Auftragnehmer auch keine Ansprüche ausenttäuschtem Vertrauen o<strong>der</strong> wegen Wegfalls <strong>der</strong> Geschäftsgrundlage zu(Landgericht Berlin, Urteil vom 12.11.2002 - Az: 13 O 264/02)• wenn ein Bodengutachten auf konkrete Risiken hinweist, darf <strong>der</strong> Bieter denNichteintritt dieses Risikos (z. B. Wassereinbrüche infolge hoherBodendurchlässigkeit) nicht als sicher unterstellen und dies seinem Angebot (bei <strong>der</strong>Einheitspreisberechnung für die Wasserhaltung) zu Grunde legen (OLG Koblenz,Urteil vom 17.4.2002 - Az: 1 U 829/99)• wenn das schriftliche <strong>Leistung</strong>sverzeichnis lediglich eine funktionale<strong>Leistung</strong>sbeschreibung ohne genaue Maße enthält und sich die endgültigen Maßeerst aus <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Entwurfsplanung zu entwickelnden Ausführungsplanung ergeben,gehören <strong>der</strong>artige Maßän<strong>der</strong>ungen zum <strong>Leistung</strong>sumfang. Sie liegen imVergütungsrisiko des Unternehmers und berechtigen ihn nicht zu einerNachfor<strong>der</strong>ung (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.1.2002 - Az: 12 U 126/01)• wenn in <strong>der</strong> erfolgsorientiert funktional gestalteten <strong>Leistung</strong>sbeschreibung füreine von einer Gemeinde ausgeschriebene Schmutzwasserkanalisation <strong>der</strong> Baugrundmit Bodenklasse 3 bis 5 angegeben ist, muss <strong>der</strong> (den Zuschlag erhaltende)Tiefbauunternehmer auch das Vorhandensein einer sog. Tonlinse (i.e. hier: eine 270 mlange und mehrere Meter dicke wasserundurchlässige tonige Schluffschicht)einkalkulieren. Das "Baugrundrisiko" trifft den Unternehmer. Er kann dann keineZusatzvergütung deshalb verlangen, weil er die Wasserhaltung durch Minifilterergänzen muss (OLG Celle, Urteil vom 29.12.2000 - Az: 7 U 249/96 - durchNichtannahmebeschluss vom Bundesgerichtshof bestätigt)• ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen lückenhafter,unvollständiger o<strong>der</strong> missverständlicher Ausschreibung <strong>der</strong> Bauleistung istausgeschlossen, wenn <strong>der</strong> Auftragnehmer den Ausschreibungsmangel kennt unddiesen in Kauf nimmt, um den Auftrag zu erhalten (OLG Bamberg, Urteil vom7.6.1999 - Az: 4 U 255/98)• gibt ein <strong>Leistung</strong>sverzeichnis, das nach den Grundsätzen <strong>der</strong> <strong>VOB</strong>/A aufgestellt ist,eine Vergütung für das Herstellen von Mauerwerksöffnungen als Zulage vor,werden damit alle verbundenen Schwierigkeiten vollständig abgegolten. Eine solcheVereinbarung bewirkt aber nicht auch noch zusätzlich einen Ausschluss <strong>der</strong>Abrechnungsregeln nach den ATV DIN 18330 <strong>VOB</strong>/C Nr. 5.2.1 und 5.2.2. Ausfachtechnischer Sicht ist das <strong>Leistung</strong>sverzeichnis so zu verstehen, dass zwar eineZusatzvergütung erfolgen soll, das Mauerwerk selbst aber nach DIN 18330 Abschnitt5 aufgemessen werden muss (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.1.1998 - Az: 22 U149/97)
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