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BDA Informationen 2.11 - Bund Deutscher Architekten BDA

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Die von Kracauer geäußerte Hoffnung aufeinen neuen Reichtum architektonischerGestaltung hat sich nicht erfüllt. Der spätereÜberdruss an der Moderne resultiert nichtzuletzt aus ihrer Bilderarmut, dem Fehlen vonsymbolischen Formen. Ernst Bloch hat bereitszu einem frühen Zeitpunkt die Erstarrung derModerne in formaler Askese beklagt: „Seitüber einer Generation stehen darum diesesStahlmöbel-, Betonkuben-, Flachdach-Wesengeschichtslos dar, hochmodern und langweilig,scheinbar kühn und echt trivial, voll Hassgegen die Floskel angeblich jedes Ornamentsund doch mehr im Schema festgerannt als jeeine Stilkopie im schlimmen 19. Jahrhundert.“(Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, AusgabeFrankfurt/Main 1973) Die kritische Geschichtsauffassungder Moderne lässt weder einenlegitimen Rückgriff auf die Geschichte zu,noch ermöglicht sie die Bildung einer neuenTradition.Zugleich sind die Formen der Vergangenheit,wenn auch ohne Relevanz für die Gegenwart,immer noch präsent. Sie hinterlassen tausendSpuren im Alltag, sei es als Firmenzeichen, aufReiseprospekten, auf Geldscheinen etc. undin den Bildern der Sprache – die Architekturder historischen Epochen und ihre Formenweltsind ein wesentlicher Teil unseres kulturel-len Gedächtnisses. In den Worten von Jan Assmann: „KulturellesGedächtnis bezeichnet die Tradition in uns, die über Generationen,in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausendelanger Wiederholung gehärtetenTexte, Bilder und Riten, die unser Zeit- und Geschichtsbewusstsein,unser Selbst- und Weltbild prägen.“ Dazu zählen auchund nicht zuletzt die architektonischen Bilder.So befindet sich die architektonische Moderne in einem Zwiespaltzwischen jenem, für sie konstitutiven kritischen Verhältnis zurGeschichte, das Nietzsche beschrieben hat und seinen zugespitztenAusdruck in dem zuvor zitierten Text von Corbusier findet, undjenem kulturellen Gedächtnis, das den nicht zu leugnenden Erinnerungshintergrundfür die Wahrnehmung von Architektur bildet.Und noch einmal Nietzsche, der genau auch diese Gefährdungfür die kritische Geschichtsauffassung vorausgesehen hat: „Es istimmer ein gefährlicher, nämlich für das Leben selbst gefährlicherProzeß: und Menschen oder Zeiten, die auf diese Weise dem Lebendienen, daß sie eine Vergangenheit richten und vernichten, sindimmer gefährliche und gefährdete Zeiten und Menschen. .... Wennwir jene Verirrungen verurteilen, so ist die Tatsache nicht beseitigt,daß wir aus ihnen herstammen.“Die symbolischen Formen vergangener Epochen befriedigen einBedürfnis nach Bildern, nach visueller Information, nach Identifikation,dem die Moderne nicht genügen kann. Die architektonischePostmoderne stellt den Versuch dar, diesem Bedürfnis durchden Rückgriff auf die Geschichte dennoch zu entsprechen. Dereigentlich reaktionäre Akt eines neuerlichen Historismus wird inder ideologischen Verkrustung der spätmodernen Architektur zumrevolutionären Tabubruch. Der Widerspruch, dass damit für dieGegenwart nicht mehr relevante Formelemente reaktiviert werden,wird auf diese Weise nicht ausgeräumt.„Die Frage ist nun, wie sich die kulturelle Erinnerung in der gegenwärtigenArchitektur äußern kann. Sie kann es nicht, indemsie auf den Eklektizismus zurückgreift. Architektur ist eine Formvon Kenntnis durch Erfahrung. Es ist aber dieses Element innererKenntnis, das heute fehlt. Es ist bloß die Vergangenheit als Vergangenheit– the pastness of the past – die nun evoziert wird.“ (AlanColquhoun, Historismus, in archithese 4/1986, S. 20ff) Wie lässtsich der Zwiespalt zwischen dem Bedürfnis nach Bauschmuck undsymbolischen Formen einerseits und der asketischen Bildlosigkeitder Moderne andererseits auflösen?Robert Venturi ist in den 1960er Jahren einer der ersten modernen<strong>Architekten</strong>, der historische Zitate in seine Entwürfe integriert. SeinHanna House ist ein postmoderner Bau avant la lettre. Der Eingangdes Hauses wird von einem Bogenmotiv bekrönt, das ganz offensichtlichnachträglich appliziert wurde und zudem einen Betonsturzüberschneidet, der sich ebenfalls oberhalb der Türöffnung befindet.Beide Motive schließen einander eigentlich aus; jedes für sichwürde genügen, den oberen Abschluss der Eingangssituation zubilden. Die Botschaft ist deutlich: Hier geht es um ein intellektuellesSpiel mit Architekturmotiven, nicht um die Veranschaulichung vonKonstruktion im Sinne der klassischen Moderne. Die Eingangssituationist gleichsam eine Illustration zu Venturis Erfolgstitel „Complexityand Contradiction in Architecture“. Anders als manche naivpostmodernen<strong>Architekten</strong> trägt Venturi der Unwiederbringlichkeitder klassischen Architektur durch die Ironie Rechnung, mit der erihre Motive anwendet. Ironie ist ein seit der literarischen Romantikgeläufiges Stilmittel der Distanzierung. Siewird, wenn auch selten in der Qualität wiebei Venturi, zu einem der Leitmotive in derArchitekturdebatte der Postmoderne. Zugleichenthält Venturis Umgang mit den historischenMotiven einen echten Bezug zur Architekturgeschichte:Die bewusste Regelverletzung,die sich in der sinnwidrigen Überschneidungbeider Motive äußert, ist ein Rückgriff auf Entwurfsstrategiendes Manierismus, wie sie sichbeispielsweise am Palazzo del Te in Mantuafinden lassen.In der post-postmodernen Moderne verschwindendie historischen Zitate und Bezügeso schnell aus dem architektonischen Repertoire,wie sie hineingeraten sind. Es bleibt aberein gelockerter Umgang mit den Dogmen derarchitektonischen Moderne; dies gilt insbesonderefür das Verhältnis zum Ornament. ZweiBeispiele aus dem Werk des Münchener ArchitekturbürosHild & K können dies veranschaulichen.Das erste, ein äußerst kleines Objekt inLandshut, besteht im Wesentlichen aus einemgekanteten Cortenstahlblech. Um Möglichkeitendes Durchblicks zu schaffen und dasGewicht des Blechs zu reduzieren, wurde ausdem Blech ein florales Motiv ausgeschnitten,das einem Musterbuch aus dem 19. Jahrhundertentnommen wurde. Bemerkenswert ist42 43

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