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BDA Informationen 2.11 - Bund Deutscher Architekten BDA

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FREMDES UND VERTRAUTES –STADTSKIZZEN AUS INDIENMichael GebhardNew-DelhiStadt ohne Eigenschaften, Planungsimport desbeginnenden 20. Jahrhunderts. Lange Achsen,sternförmig von roundabouts ausstrahlend,so begrünt, ja so begrünt, dass sich New-DelhisHäuser dahinter zu verstecken scheinen.Ein getrübter Blick sucht die Ferne im Smog.New-Delhi belohnt uns mit Kopfschmerz amNachmittag. Connaught Place – als Zentrumbeschrieben. Connaught Place – als zentralesNiemandsland erlebt. New Delhis Häuser sindHäuser mit einem grünen Bart, einem struppigenGewächs, das alles auf Distanz hält. ZweiHäuser einander gegenüber, Nachbarn sozusagen.In New-Delhi kennen sie sich nicht. Siebleiben einander fremd, genauso fremd wieuns New-Delhi bleibt. (1)Old-DelhiDas Gegenteil von New Delhi. Der Inderwarnt: No-Go-Area – selbst für manche Inder.Dicht, dichter, am dichtesten. Menschen undAutos und Mopeds und Rikschas und Warenund Händler, alle in einem Raum, der bei unsStraße genannt wird, in Old Delhi Lebensraumist. Selbst der Luftraum wird benutzt. Kabel-gewirr als Affenpfade, auf ihren eigenen Wegen über den Straßenund über den Häusern. Gassen, drei Mann breit und vier Geschossehoch – schattiges Halbdunkel, das nur mit etwas Mut betretenwerden kann. Geruch nach Gewürzen, Moder, Verfall, Urin undimmer wieder Urin. Auslagen mit Nüssen, Mandeln, Kardamon,Chilis, Masalas in allen Schattierungen. Bettler, Hunde, Krüppel,kleine schwarzbraune Kinder, die die Hand aufhalten. Hupenimmer wieder hupen – das indische Stadtkonzert. DunkelhäutigeMänner mit dunklen Augen, dunkelhäutige Frauen in farbenfrohenGewändern, sitzend, stehend, fahrradfahrend, lastentragend inund aus allen Richtungen. Ein stetes dichtes Fließen und Kreuzen,sich begegnend, sich störend, einander ausweichend im unendlichenFluss der Bewegung. (2)nialen Aufbruchs, in ihrer Weite und rudimentärenFassung durch drei Monumentalbautenheute nur noch als große unzusammenhängendeWeite lesbar. Austausch verhindertdurch räumliche Distanz. Es flanierenRatte und Eidechse. Trotz allem oder geradedeshalb – Chandigarh ist die teuerste StadtIndiens, ein heißbegehrter Wohnort. (3)JaipurPinke Stadt – pinke Stadt? Eher sand- odererdrosa – zu Ehren eines britischen Prinzgemahls.Pink als indisches Symbol für Gastlichkeit.Die Altstadt – klare, eindeutige Räumeals Hinterlassenschaft einer starken, planendenHand – Maharaj Jai Singh II. Sandrosaoder erdpink, sandpink und erdrosa haltenin ihren Abtönungen alles zusammen. ErdgeschossigeArkaden über hunderte von Meterngeben dem Auge Halt, Pink bändigt die sichdarüber gen Himmel arbeitende indischeFormenvielfalt. Fußgänger – sie schreitenhier leicht erhaben über der Straße, gedecktvom nicht enden wollenden Arkadendach.Geschäfte – unzählige und klein – meist nurein Raum, völlig zur Straße zu öffnen – bis andie Decke mit Waren gefüllt – Ausbuchtungender Straße. Sitzen möchten wir hier, inRuhe schauen, ein Stück weitergehen, wiedersitzen, chai masala trinken – welch euro-ChandigarhChandigarh, oh Chandigarh, Ikone der Moderne. Höhepunkt europäischenStädtebaus und europäischer Architektur seiner Zeit – einerdamals jungen Nation implantiert als Symbol ihres Aufbruchs indie Unabhängigkeit. Heute befällt uns ein gewisses Unbehagen, einzwiespältiger Eindruck. Wir vermissen hier Indien. In wohlgeplanterOrganisation entstanden in sich ungewöhnlich unindisch ruhigeSektoren – ein uns bekanntes europäisches Raumgefühl, ein europäischesFlair. Zwischen den Sektoren – als Tribut sozusagen – dieZirkulation der Fahrzeuge in erschreckender Ausschließlichkeit.An den Rändern der Sektoren – Mauern, die sich mit den breitenStraßen gegen den Wunsch der Sektorenbewohner nach Näheverschworen haben. Das Regierungsforum in Sektor 1, nördlicherKopf und Highlight vor den Bergen des Himalayas, monumentalerräumlicher Versuch und ultimative Ikone Corbusierscher Raumprägung.Räumlich-architektonisches Symbol eines politisch-postkolozentrischeVorstellung. Indien funktioniert so nicht. Stehen heißthandeln, Sitzen heißt Verkaufsgespräch. Alles ist geschäftig, laut,schmutzig und trotzdem faszinierend, faszinierend vielfältig unddicht und intensiv. Gegensätze aller Orten, Geschäftemacher stetsan deiner Seite. (4)JaisalmerDie Stadt am Rande der Wüste Thar, die goldene Stadt – wiederso ein schöner Name. Die bewohnte Festung. Dicht und eng sitztsie 99-fach bastoniert über der Stadt, eins mit dem Berg auf demsie thront. Die Stadt – ohne Autos, nur Motorräder, auch dieseomnipräsent und laut. Prachtvolle, feinstziselierte Bauten an jederEcke. Gelber Sandstein. Stein der Wüste Thar, fünf Tage gewässert,dann mikrofein gemeißelt. Feinste Strukturen vor flächigem Hintergrundoder filigranste Gitter komplett durchbrochen. Fassadenflächig mit Mustern überzogen, vorspringende Erker, Dachgesimsein allen Höhen lassen uns tatsächlich an tausend und eine Nachtdenken. Handels- und Kaufmannshäuser – Haveli genannt, drei-,vier-, fünf- und sechsgeschossig errichtet um eine Mitte aus ruhigen,kühlen Höfen. Prachträume mit Spiegelfliesen und belgischemGlas, gesplittert, mit Fehlstellen, Spiegel des vergangenen Glanzes– des Opiumhandels. Fette Mörtelfugen als moderne Allzweckwaffegegen den omnipräsenten Zerfall. Der Charme des Morbiden alszwiespältige Frucht allgegenwärtiger Korruption. (5)(1) New-Delhi: Hauptstadt Indiens; im Norden Indiens, ca. 300.000Einwohner, 6.900 Einwohner/qkm; 1912 bis 1928 nach Plänen vonSir Edward Luytens südlich des alten Delhi errichtet, löste Kalkuttaals Hauptstadt des britischen Indiens ab.16 17

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