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Der geschärfte Blick Heft Nr. 1/09 - Arbeitsstelle Kinder- und ...

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März 20<strong>09</strong> <strong>Heft</strong> <strong>Nr</strong>. 1/<strong>09</strong> 12. Jg.Kommentierte Daten der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe,Informationsdienst der Dortm<strong>und</strong>er <strong>Arbeitsstelle</strong><strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfestatistik, AKJ Stat ,gefördert durch das BMFSFJ <strong>und</strong> MGFFI NW<strong>Der</strong> geschärfte <strong>Blick</strong>Wiederholt sind in den letzten Jahren Ausgaben von Kom Dat Jugendhilfe umfangreicherausgefallen. Immer wieder haben uns, ob Ende 2006 das tragische Schicksal des 2-jährigenKevin, 2007 die ersten Ergebnisse der verbesserten Statistik zur <strong>Kinder</strong>tagesbetreuungoder auch im letzten Jahr der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfetag in Essen, aktuelle Ereignisseganz unterschiedlicher Art dazu veranlasst, die Auswertungen <strong>und</strong> Analysenzu Stand <strong>und</strong> Entwicklung in den Arbeitsfeldern der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe über das›Normalmaß‹ von Kom Dat hinaus auszuweiten. Auch für die aktuelle Ausgabe haben wiruns zu diesem Schritt entschlossen. So hat das Statistische B<strong>und</strong>esamt vor einigen Wochendie ersten Ergebnisse zu der 2007 erstmalig in dieser Form durchgeführten Erhebungzu den Erzieherischen Hilfen veröffentlicht. Die hierüber möglichen Erkenntnissewerden das Wissen um das Arbeitsfeld Hilfen zur Erziehung nachhaltig erweitern. EinMeilenstein dieser Art konnte für die <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung bereits gesetzt werden. Mitden nunmehr veröffentlichten <strong>und</strong> hier ausgewerteten Ergebnissen zum 15.03.2008 fälltes nicht nur leichter, einzelne Bef<strong>und</strong>e zu validieren, sondern vor allem können auchweitaus verlässlichere Aussagen zu Veränderungen im zeitlichern Verlauf gemachtwerden. In beiden Fällen können mit einem geschärften <strong>Blick</strong> zusätzliche Erkenntnissefür die Weiterentwicklung der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe gewonnen werden.Neue Einsichten in die Hilfen zurErziehungJeder vierte Euro für Leistungen <strong>und</strong>Strukturen der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfewird für die Finanzierung von Hilfen zurErziehung ausgegeben. Mit zuletztetwa 5,5 Mrd. EUR ist dieser Postennach der <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung derausgabenstärkste. Für eine empirischeDauerbeobachtung auf der Basis deramtlichen Statistik wurde deshalbschon Anfang der 1990er-Jahre einedifferenzierte Statistik eingeführt (vgl.Schilling 2007). Nach mehr als 15 Jahrenhaben sich allerdings Veränderungenim Feld ergeben, die auch in derStatistik berücksichtigt werden müssen.Zudem war es an der Zeit, Verfahrensfragenim Sinne der Auskunftspflichtigenneu zu regeln. Kurzum:Dieser Teil der amtlichen Statistikmusste bei all seinen Verdiensten generalüberholtwerden.Mit den nunmehr vorgelegten Ergebnissender überarbeiteten Statistikist es möglich, erstmalig das Spektrumder in Anspruch genommenen Hilfenzur Erziehung vollständig abzubilden.Es gibt keinen Fortschreibungsfehlermehr, die sich jenseits des etabliertenLeistungsspektrums entwickelten Hilfeformenwerden erfasst <strong>und</strong> endlichkönnen Aussagen zum Umfang <strong>und</strong>zur Klientel von Eingliederungshilfen fürseelisch behinderte junge Menschengemacht werden. Es liegen zudemzum Teil sozialpolitisch brisante Informationenüber die Lebenslagen vonFamilien vor, bei denen die Erziehungihrer <strong>Kinder</strong> sozialpädagogisch zumindestbegleitet <strong>und</strong> unterstützt, mitunterauch ersetzt werden muss.In dieser Ausgabe legt die AKJ Staterste Analysen zu diesem veränderten<strong>und</strong> in Teilen neuen Datenkorpus für dieHilfen zur Erziehung vor. Wir haben unsdabei auf Fragen konzentriert, zu denendie amtliche Statistik bislang Antwortenweitestgehend schuldig bleibenmusste. Die vorgenommenen Analysensind noch nicht abschließend, verdeutlichenaber das Erkenntnispotenzialder neuen Datengr<strong>und</strong>lage.Frühkindliche Bildung – ein Feldin BewegungDas Feld der frühkindlichen Bildung,Betreuung <strong>und</strong> Erziehung wird zurzeitdominiert durch die Diskussion um denquantitativen Ausbau der Angebote fürunter 3-Jährige. Dadurch gerät die Entwicklungdes gesamten Feldes etwasin den Hintergr<strong>und</strong>. In dieser etwas umfangreicherenAusgabe wollten wir aufzeigen,was sich neben der Ausbaueuphorienoch alles für wichtige Entwicklungenergeben haben:Angebote für unter 3-Jährige werdenaus- <strong>und</strong> solche für <strong>Kinder</strong>gartenkinderabgebaut. Hier wirkt sich weiterhinder demografische Rückgang imWesten aus. Die Kirchengemeinden<strong>und</strong> die öffentlichen Träger ziehen sichdabei am stärksten zurück.Inhalt<strong>Der</strong> geschärfte <strong>Blick</strong> . . . . . . . . . . . . . . . .Hilfen zur Erziehung –1zur Struktur der Maßnahmen. . . . . . . . . . 2›27er-Hilfen‹ – was steckt dahinter?. . . . . 5Seelische Behinderung – eineJugendhilfemaßnahme wird sichtbar . . . 7Armut, Migration, Alleinerziehend –HzE in prekären Lebenslagen . . . . . . . . . 9Expansion der <strong>Kinder</strong>tagesbetreuungnicht nur in Westdeutschland . . . . . . . . . 12<strong>Der</strong> U3-Ausbau kommt (zu) langsamvoran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Zwischen konfessionellen Trägern <strong>und</strong>Wirtschaftsunternehmen – stabile Trägerlandschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Akademisierung in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen– Schein oder Sein? . . . . . . . . . . 18Notizen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Auch in Ostdeutschland gibt esdurchaus Überraschungen: Bei denunter 3-Jährigen ging man bisher davonaus, dass das umfassende Angebotdem Bedarf entspricht. Da die Inanspruchnahmeaber in den letzten Jahrenleicht gestiegen ist, müssen sich dieöstlichen Länder auch auf zunehmendeBedarfe einstellen.Die intensiv geführte Ganztagschuldebatteerweckt den Eindruck, dassder Hort ein »Auslaufmodell« ist. DieZahlen zeigen für die ost- <strong>und</strong> für diemeisten westdeutschen Länder einegenau gegenläufige Entwicklung.Ein <strong>Blick</strong> auf das Personal: Aufgr<strong>und</strong>des »U3-Ausbaus« ist das Personalvolumenangestiegen. <strong>Der</strong> Einsatz hochschulausgebildeterFachkräfte bleibtaber weit hinter den Erwartungen <strong>und</strong>Notwendigkeiten zurück.In einer Gesamtbilanz darf natürlichdie Entwicklung bei den Angeboten fürdie unter 3-Jährigen nicht fehlen: DieAusbaubilanz ist zwar ganz respektabel,aber die Verantwortlichen habennoch nicht die ›Sieben-Meilen-Stiefel‹angezogen.AKJ Stat


März 20<strong>09</strong>Tab. 1: Leistungen der Hilfen zur Erziehung 1 nach Hilfearten(Deutschland; 2007; Aufsummierung andauernder<strong>und</strong> beendeter Hilfen; Anteile in %)Hilfen zur Erziehunginsgesamt(N=725.742)Hilfen zur Erziehungohne Erziehungsberatung(N=302.979)LeistungssegmenteInsgesamt 100 100dv. Beratung 2 58 /dv. amb. Hilfen 3 23 54dv. VZ u. Heim 4 19 461 Einschl. der Hilfen für junge Volljährige; 2 Erziehungsberatung(§ 28); 3 Familienunterstützende <strong>und</strong> ergänzende Hilfen (§§ 27(ambulante Hilfen), 29-32,35); 4 Familienersetzende Hilfen (Vollzeitpflege,Heimerziehung, §§ 33,34 <strong>und</strong> 27 (stationäre Hilfen)).Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – ErzieherischeHilfen 2007; eigene BerechnungenAkteure auf dem ›Markt‹ dererzieherischen HilfenEin für die <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe typischesCharakteristikum ist ihre Trägervielfalt.Bislang war es jedoch über dieamtliche Statistik nicht möglich, die Pluralitätder Akteure hinsichtlich derDurchführung erzieherischer Hilfen abzubilden.Lediglich für die familienunterstützenden<strong>und</strong> -ergänzenden Hilfenstanden Informationen über die Maßnahmendurchführungnach öffentlichen<strong>und</strong> freien Trägern ohne eine weitereDifferenzierung zur Verfügung.Doch schon bei der Frage nach demAnteil einer bestimmten Trägergruppe,z.B. eines Wohlfahrtsverbandes, konntedie Statistik keine Auskunft geben.Und bei der Heimerziehung war es erstgar nicht möglich, die Fälle überhauptin irgendeiner Form nach Trägern zu differenzieren.Mittels der reformierten Erhebungssystematikhat sich dies geändert. Mitden 2007er-Ergebnissen liegen erstmaligDaten zu den im Feld der Hilfenzur Erziehung agierenden Trägern <strong>und</strong>ihrem Engagement bei der Maßnahmendurchführungfür alle Hilfen vor.Wirft man einen ersten <strong>Blick</strong> auf diebislang vorliegenden Ergebnisse, sosind zwischen den Erziehungsberatungen,weiteren ambulanten Hilfen sowieden stationären Maßnahmen deutlicheUnterschiede im Hinblick auf die Relevanzeinzelner Trägergruppen festzustellen(vgl. Abb. 2). So wirddie Erziehungsberatung inder Regel von einem öffentlichenTräger oder aber vonden Wohlfahrtsverbändendurchgeführt. Letzteres giltb<strong>und</strong>esweit für 57% der Fälle.Allein Caritas <strong>und</strong> Diakonieführen zusammen 45%aller Hilfen durch. Danebenhaben sonstige anerkannteTräger der Hilfen im Feld derErziehungsberatung mit 4%aller Fälle nur eine marginaleBedeutung.Hiervon unterscheidetsich das Spektrum der beteiligtenTräger bei den ambulantenHilfen zur Erziehung%-Anteil100deutlich. Lediglich 19% dieserfamilienunterstützenden<strong>und</strong> -ergänzenden Leistungenwerden vom öffentlichenTräger selbst durchgeführt. 2Und auch der Anteil derWohlfahrtsverbände ist mit40% deutlich geringer als beider Erziehungsberatung. Immerhinetwa jeder dritte Fallwird von so genannten sonstigenanerkannten Trägernder Jugendhilfe durchgeführt.Knapp 9% der Hilfenwerden zudem von Wirtschaftsunternehmenbzw.sonstigen juristischen Personengetragen. Signalisiertwird hierüber nicht nur einebeachtliche Trägerpluralität,sondern auch eine bemerkenswerteempirische Relevanzprivatgewerblicher Träger(vgl. auch Pluto u.a.2007).Ein heterogenes Trägerspektrumzeigt sich ebenfalls für die stationärenHilfen. Hierzu lagen zwar bislang überdie Einrichtungsstatistik <strong>und</strong> die dort erfasstenPlatzzahlen bereits Daten zurTrägerverteilung vor, doch über die Zahlder durchgeführten Hilfen in diesen Einrichtungenfehlten Informationen (sieheKasten auf S. 4). Mit diesen erstmaligvorgelegten Bef<strong>und</strong>en zeigt sich, dass500der Anteil der öffentlichen Träger an derMaßnahmendurchführung bei lediglich12% liegt. Knapp 44% der Hilfen werdenlaut dieser Daten von den Wohlfahrtsverbändendurchgeführt, dabeietwa jeweils 15% von Caritas <strong>und</strong> Diakonie.<strong>Der</strong> Anteil der sonstigen anerkanntenTräger der Jugendhilfe liegt mit39% noch einmal höher als bei den ambulantenLeistungen. Zu berücksichtigensind allerdings auch hier die angedeutetenAbgrenzungsschwierigkeitenzwischen den genannten Trägerkategorien(siehe Fußnote 2).Die dargestellten B<strong>und</strong>esergebnissebeinhalten erhebliche Ost-West-Unterschiede.Lässt man die Erziehungsberatungunberücksichtigt, so wird dieAbb. 2: Hilfen zur Erziehung 1 nach Art des Trägers(Deutschl.; 2007; Aufsummierung andauernder <strong>und</strong>beendeter Hilfen; in %) 20,34,056,838,9ErziehungsberatungWirtschaftsunternehmen,sonstige juristische PersonSonstiger anerkannter Träger8,532,040,219,3AmbulanteHilfen5,539,043,512,0StationäreHilfenWohlfahrstverbändeÖffentlicher Träger1 Einschließlich der Hilfen für junge Volljährige; 2 Erziehungsberatungensind Hilfen gem. § 28; ambulante Hilfen entsprechenHilfen gem. §§ 27 (amb. Hilfen), 29-32, 35 <strong>und</strong> schließen damitdie teilstationären Hilfen mit ein; stationäre Hilfen sind Leistungengem. §§ 27 (stat. Hilfen) <strong>und</strong> 34. Maßnahmen der Vollzeitpflege(§ 33) bleiben unberücksichtigt.Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – ErzieherischeHilfen 2007; eigene Berechnungen———————————————2 Die Grenzen zwischen den hier gebildeten Kategorien»Wohlfahrtsverbände« <strong>und</strong> »sonstigefreie Träger« sind an einigen Stellen nichttrennscharf. Dies gilt nicht zuletzt für den anerkanntenTräger der Jugendhilfe, der Mitgliedim ›Paritätischen‹ ist. Obwohl laut Erläuterungenzur amtlichen Statistik ein solcher Falldem ›Paritätischen‹ zugeschlagen werdensollte, scheint dennoch eine in Teilen uneinheitlicheMeldepraxis in diesen Fällen wahrscheinlich.Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist voneinem höheren Wert für die Wohlfahrtsverbändeauszugehen (siehe Kasten auf S. 4).3


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Tab. 2: Hilfen zur Erziehung 1 nach Art des Trägers(West- <strong>und</strong> Ostdeutschl.; 2007; andauernde<strong>und</strong> beendete Hilfen; Anteile in %)West Ost(N = 198.735) (N = 37.975)Öffentlicher Träger 19 5AWO 4 12Paritätischer 7 17DRK 1 5Diakonie/EKD 16 10Caritas/kath. Kirche 13 3Sonst. Rel'gemeinsch. 1 >0,5Sonst. anerk. Träger 2 32 43Wirtschaftsuntern. 3 8 51 Angaben ohne Erziehungsberatung <strong>und</strong> Vollzeitpflege(einschl. Hilfen für junge Volljährige); 2 Sonstigeanerkannte Träger der Jugendhilfe; 3 Wirtschaftsunternehmeneinschl. sonst. jurist. Personen.Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe– Erzieherische Hilfen 2007; eigene BerechnungenDurchführung von Leistungen der Hilfenzur Erziehung im Osten mit 95% zueinem noch höheren Anteil von freienTrägern geleistet als in Westdeutschland(81%). Entsprechend ist der anteiligeBeitrag für die AWO, den Paritätischen,das DRK sowie erst recht fürdie sonstigen anerkannten Träger ander Maßnahmendurchführung imOsten deutlich höher als im Westen.Im Westen hingegen sind die konfessionellenWohlfahrtsverbände, aberauch die Wirtschaftsunternehmenstärker vertreten (vgl. Tab. 2).Die Trägerfrage – Möglichkeiten<strong>und</strong> Grenzen der StatistikMit den ersten differenzierten Bef<strong>und</strong>enzu den Trägern ist das Erkenntnispotenzialder ›neuen‹ Statistik zudieser Frage noch nicht ausgeschöpft.Weitere Analysen zur Verteilung,zur Qualität, aber auch zurKlientel der Hilfen bezogen auf Trägergruppen,aber auch einzelnenWohlfahrtsverbänden werden genausofolgen müssen wie weitere Regionalauswertungen.Allerdings stößt die Statistik bei derFrage nach einer genaueren Beschreibungvon Trägerstrukturen jenseits derWohlfahrtsverbände auch an ihre Grenzen.So werden zur Beschreibung anerkannterTräger der Jugendhilfe nebenden Wohlfahrtsverbänden weitere empirischeUntersuchungen notwendigsein. Zu fragen wäre beispielsweisenach den so genannten sonstigen freienTrägern. Welche Trägerstrukturenhaben sich hier in Ost- <strong>und</strong> Westdeutschlandherausgebildet? Wie agierendiese Organisationen auf dem›Markt‹ Hilfen zur Erziehung? Und unterwelchen Rahmenbedingungen könnendie bei den Trägern Beschäftigten dieHilfeaufträge von den Jugendämterndurchführen? Dabei wird aufmerksamzu verfolgen sein – <strong>und</strong> an dieser Stellekann wiederum auf die Ergebnisse derStatistik zu den erzieherischen Hilfenzurückgegriffen werden –, inwiefernsich dies auf die Qualität der Hilfen zurErziehung auswirkt.Jens Pothmann/Sandra FendrichFallzahlen sind nicht gleichPlatzzahlen[jp] Angesichts der Ergebnisse zur Verteilungder durchgeführten stationären Hilfennach Trägern bietet sich ein Vergleichzur Einrichtungsstatistik <strong>und</strong> den hier erfasstenPlätzen an. Immerhin hätte manhierüber Ergebnisse zu den Platzkapazitätender Träger auf der einen sowie zuder Belegung auf der anderen Seite. EineGegenüberstellung der beiden Perspektivenist allerdings ernüchternd. Hierkommt man vor allem aus methodischenGründen zu voneinander abweichendenErgebnissen.Schon der Abgleich für die Gesamtsummeder Plätze auf der einen (N = 88.450)sowie die der Hilfen auf der anderen Seite(N = 52.793) lässt ein Scheitern der Verknüpfungdieser beiden Teile der Jugendhilfestatistikerahnen (vgl. Tab. a). DieseAbweichung wird nur zu einem kleinenTeil auf die vermutete Untererfassung beider Fallzahlenstatistik zum 31.12.2007zurückzuführen sein, zumal auch das erhobene<strong>und</strong> mit <strong>Blick</strong> auf die Vollzähligkeitverlässlichere Fallzahlenvolumen zum31.12.2005 mit 63.169 Hilfen immer nochweit unter den knapp 88.500 Plätzen derEinrichtungsstatistik liegt. Ebenfalls kannals Erklärung eine möglicherweise geringeAuslastung vorhandener Kapazitätenverworfen werden – das Gegenteil ist vielmehrzu konstatieren (vgl. Gragert u.a.2006). Plausibler hingegen scheint daschon der Hinweis, dass der § 34 SGB VIIInur eine rechtliche Gr<strong>und</strong>lage für die Belegungvon Plätzen in stationären Einrichtungender <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe ist.Vorhandene Plätze <strong>und</strong> durchgeführteHilfen wären somit im übertragenen Sinnenicht bzw. nur zu einem Teil zwei Seitenvon ein- <strong>und</strong> derselben Medaille.Doch nicht nur hinsichtlich der Gesamtsummen,sondern auch mit <strong>Blick</strong> auf dieTrägerverteilung werden zwischen denDaten zu den Fall- <strong>und</strong> den PlatzzahlenAbweichungen deutlich. Während nochdie Ergebnisse für die AWO, das DRKoder auch die Caritas weitgehend übereinstimmen,zeigen sich deutliche Differenzenfür die Diakonie, den Paritätischensowie die sonstigen freigemeinnützigenTräger (vgl. Tab. a). So entfallenbei den stationären Hilfen 39% auf dieKategorie »Sonstiger anerkannter Trägerder Jugendhilfe«, zudem 7% auf denParitätischen Wohlfahrtsverband. Beiden Platzzahlen liegt hingegen der Anteildes Paritätischen bei 18% sowie derder sonstigen Träger (hier: »Sonstige juristischePerson«) bei 24%. Auch hierkönnte eine trägerspezifische Belegungspraxisjenseits der Heimerziehungim Rahmen der Hilfen zur Erziehungeine Erklärung darstellen.Eine weitere wären die angedeutetenAbweichungen zwischen Fallzahlen<strong>und</strong>Platzzahlenstatistik bei der Bezeichnungder Kategorien. Und schließlichkönnte eine Rolle spielen, dass zur Einrichtungsstatistiköffentliche <strong>und</strong> freie, fürdie Fallzahlenstatistik nur der öffentlicheTräger auskunftspflichtig ist. Es scheintnicht ausgeschlossen, dass das Jugendamtbei der Meldung der Hilfen nach Trägerngar keine Kenntnis davon besitzt,dass der für die Hilfedurchführung beauftragteTräger z.B. Mitglied beim Paritätischenist.Tab. a: Stationäre Hilfen <strong>und</strong> Plätze in Einrichtungender Erziehungshilfe nach Art desTrägers (Deutschland; 2006/07; in %)Fälle 1 Plätze 2Öffentlicher Träger 11,4 5,2AWO 3,5 3,9Paritätischer 7,2 17,8DRK 1,3 1,6Diakonie/EKD 16,2 24,5Caritas/kath. Kirche 15,0 16,6Religionsgemein. 3 0,8 0,8Sonst. anerk. Träger 39,2 /Sonstige jur. Person 1,7 23,7Wirtschaftsuntern. 3,8 5,91 Fallzahlen zum 31.12.2007 (N = 52.793) gem. §§27 (stat. H.) <strong>und</strong> 34 (einschl. Hilfen für junge Volljährige);2 Angaben zur Zahl der Plätze am 31.12.2006(N = 88.450); 3 Einschließlich des ZWST.Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe– Erzieherische Hilfen 2007; Einrichtungen <strong>und</strong>tätige Personen 2006; eigene Berechnungen4


März 20<strong>09</strong>›27er-Hilfen‹ – was steckt dahinter?Hinweise zum Charakter der Hilfen zur Erziehung jenseits des etablierten LeistungskanonsVor dem Hintergr<strong>und</strong> der Kritik an einer vermeintlich ›versäulten‹ Erziehungshilfelandschaft hat sich mindestens in den letzten 15Jahren die Gewährungspraxis zu den Hilfen zur Erziehung erweitert. Jugendämter sind aufgr<strong>und</strong> der Öffnungsklausel in § 27,2 SGBVIII dazu übergangen, Leistungen der Hilfen zur Erziehung auch jenseits des Maßnahmenkataloges der in den §§ 28 bis 35 rechtlichkodifizierten Leistungen zu gewähren. So sind die Ausgaben der Jugendämter für diese Leistungen zwischen 1997 <strong>und</strong> 2007 von 33,6Mio. EUR auf 158,0 Mio. EUR gestiegen. Begleitet <strong>und</strong> begründet wurde diese Entwicklung häufig mit plakativen Formeln wie »Hilfenaus einer Hand« oder »Maßanzüge schneidern« statt »Hilfen von der Stange«. Gefordert wurde hierüber mehr Flexibilität bei derAusgestaltung erzieherischer Hilfen (vgl. Peters/Koch 2004). Diese Entwicklung ist zwar sicher kein blinder Fleck der Jugendhilfeforschung– vielmehr liegen einschlägige Untersuchungen hierzu vor (vgl. zuletzt z.B. Rosenbauer 2008) –, doch fehlte es bislang aneiner Datengr<strong>und</strong>lage über die Gewährung <strong>und</strong> Inanspruchnahme dieser Formen der Hilfen zur Erziehung. Mit den 2007er-Ergebnissender amtlichen Statistik gilt dies zumindest insofern nicht mehr. Nunmehr liegen Informationen über das Fallzahlenvolumen, dieKlientel sowie das Hilfesetting von Leistungen vor, die von den Jugendämtern jenseits des etablierten Leistungskanons gewährtwerden. Das heißt allerdings nicht, dass es sich bei diesen Hilfen allesamt um flexible integrierte Hilfesettings handelt.Eine Frage derGewährungspraxisLaut amtlicher Statistik werden im Jahr2007 insgesamt 23.364 so genannteHilfen zur Erziehung gem. § 27 SGB VIIIohne Verbindung zu erzieherischen Hilfengem. §§ 28-35 SGB VIII ausgewiesen.Das ist die Summe aus den amJahresende andauernden <strong>und</strong> den imLaufe des Jahres beendeten Hilfen. Pro10.000 der unter 21-Jährigen entsprichtdies einer Inanspruchnahmequote vonknapp 14 Hilfen. Für den Westen liegtdieser Wert bei fast 15, für den Osten lediglichbei 6 Leistungen. Im Vergleichder Flächenländer schwankt die Inanspruchnahmequotezwischen nur 4 inMecklenburg-Vorpommern sowie 25bzw. 26 in Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong>dem Saarland.Diese regionalen Schwankungenzeigen sich auch bei der Betrachtungdes Anteils der ›27er-Leistungen‹ gemessenan den erzieherischen Hilfeninsgesamt. Hier reicht das Spektrumvon etwa 1% in Mecklenburg-Vorpommernüber 8% in Baden-Württemberg<strong>und</strong> 11% in Hessen bis zu 14% in Nordrhein-Westfalen.Diese Länderergebnisseverweisen auf eine uneinheitlicheGewährungspraxis bezüglich dieserHilfeform in den kommunalen Jugendämtern.Dies ist sicherlich nicht zuletztauf divergierende Einschätzungen derJugendämter zur Ausgestaltung vonHilfen jenseits des etablierten Leistungskanonszurückzuführen (vgl.auch Pluto u.a. 2007).■ Fast jede 10. ambulante Leistung ist eine›27er-Hilfe‹.■ Die ›27er-Hilfen‹ sind nach der SPFH geradebei Familien mit kleinen <strong>Kinder</strong>n eine wichtigeReaktionsmöglichkeit für die Jugendämter.■ Die Gewährungspraxis der ›27er-Leistungen‹gestaltet sich regional unterschiedlich. Hiermiteinher gehen unterschiedliche Einschätzungenzur Ausgestaltung von Hilfen jenseits desetablierten Leistungskanons.Zwischen Familienhilfe <strong>und</strong>EinzelbetreuungDas Spektrum dieser Hilfen wird geprägtdurch ambulante/teilstationäreLeistungen – deren Anteil liegt bei 63%–, gefolgt von den so genannten ergänzendenbzw. sonstigen Hilfen (26%).Hierbei handelt es sich um Maßnahmen,die mit einem vereinfachten oderohne Hilfeplanverfahren gewährt werden.Das sind – um nur zwei Beispielezu nennen – Hausaufgabenhilfen oderauch Freizeithilfen (vgl. Schilling/Pothmann2002). Nur 11% der ›27er-Leistungen‹sind stationäre Maßnahmen.B<strong>und</strong>esweit sind das r<strong>und</strong> 2.500 Hilfen.Das Gros sind mit 14.702 Hilfen allerdingsfamilienunterstützende <strong>und</strong>-ergänzende Leistungen. Damit machendiese Hilfen im Spektrum der ambulantenLeistungen einen Anteil vonimmerhin 9% aus. Mit anderen Worten:Fast jede 10. ambulante Hilfe ist eineLeistung gem. § 27 SGB VIII. Dieser Anteilist damit höher als der der Betreuungshilfen,der sozialen Gruppenarbeitoder der ISE-Maßnahmen.Einerseits, andererseits hätte manvielleicht angesichts der intensiv geführtenDebatten um eine ›Versäulung‹der Hilfen zur Erziehung erwarten können,dass deren quantitative Bedeutung– jedenfalls, sofern diese alleinüber § 27 gewährt werden – höher ausfällt.Zu berücksichtigen ist dabei aberauch die nicht unübliche Praxis in denJugendämtern, dass die Bewilligungflexibler integrierter Hilfen auch mit Verweisauf die im SGB VIII kodierten Hilfen,z.B. nach §§ 30, 31 oder auch 34,erfolgt (vgl. Pluto u.a. 2007).Die ambulanten ›27er-Hilfen‹ könnennoch weiter nach deren konzeptionellerAusrichtung unterschieden werden.Überwiegend handelt es sich bei diesenLeistungen um Hilfen, die einem familienbezogenenAnsatz folgen (72%).Unmittelbar orientiert am jungen Menschensind diese Leistungen nur in 28%der Fälle.Breite Klientel – Hinweise zumAlter der jungen MenschenBetrachtet man die Altersstruktur derAdressaten/-innen der ambulanten›27er-Leistungen‹ – sowohl der familienorientiertenals auch der individuellen– so wird im Gegensatz zu anderenambulanten Hilfearten ein breitesAdressatenspektrum deutlich, gleichzeitigzeigen sich aber auch leichte Parallelenzu dem ambulanten Leistungskanon(vgl. Abb. 1). War die SPFH bis5


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Abb. 1: Verteilung von Hilfen zur Erziehung 1 gem. § 27 SGB VIIIim Vergleich zu anderen ambulanten Hilfen nach Altersgruppen(Deutschl.; 2007; andauernde u. beendete Hilfen; Anteile in %)§27ambulant,familienorientiert§ 31 SozialpädagogischeFamilienhilfe§30Betreuungeinzelner jungerMenschen§ 32 Erziehung in einerTagesgruppe§27ambulant,orientiert amjungen Menschendato die einzige ambulante Maßnahme,die sich zum größten Teil an jüngereJahrgänge gerichtet hat <strong>und</strong> damiteine wichtige Reaktionsmöglichkeit fürdie Jugendämter darstellt, zeigt sich,dass auch bei den ambulanten familienorientierten›27er-Hilfen‹ immerhinfast jedes 4. Kind unter 6 Jahre alt ist(vgl. Abb. 1).Die ambulanten am jungenMenschen orientierten ›27er-Hilfen‹weisen bezogen auf die Altersverteilunghingegen kaum Ähnlichkeitenzu anderen familienunterstützenden<strong>und</strong> -ergänzenden Hilfenauf. Allenfalls zeigen sich Ähnlichkeitenzur Altersstruktur für dieTagesgruppenerziehung (vgl. Abb.1). So ist jeder zweite jungeMensch dieser individuellen ›27er-Maßnahme‹ im Alter von 10 bis 15Jahren. Bei den Hilfen gem. § 32SGB VIII sind es 63%.Eine Besonderheit der individuellen›27er-Hilfen‹ besteht sicherlichdarin, dass hier die unter6-Jährigen immerhin einen Anteilvon 10% ausmachen. Dieser Anteilist im Vergleich zu anderen ambulantenindividuellen Maßnahmenungewöhnlich hoch.622,8 21,1 38,9 15,1 2,133,3 24,5 30,7 10,0 1,52,4 2,44,6 34,5 51,1 7,33,4 29,5 62,9 4,30,<strong>09</strong>,9 20,6 50,5 17,4 1,60 20 40 60 80 100%-AnteilIm Alter von ... bis unter ... Jahrenunter 6 6-9 10 - 15 16 - 19 20 - 261 Einschließlich der Hilfen für junge VolljährigeQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – ErzieherischeHilfen 2007; eigene BerechnungenGründe für dieHilfegewährungSchaut man sich dieGewährungspraxisder ambulanten familienorientierten›27er-Leistungen‹genauer an, liegendie Gründe für diebegonnenen Maßnahmenvor allem ineinem problematischenfamiliärenKontext. Bei jederzweiten begonnenenHilfe wird die»eingeschränkte Erziehungskompetenz«als Hauptgr<strong>und</strong>angegeben.Dieser Wert ist damitannähernd sohoch wie das Ergebnisfür die SPFHmit 63% (vgl. Tab. 1).Doch eine genauere Betrachtungder Gründe dieser Hilfen jenseits familiärerProbleme macht auch Unterschiedezur SPFH deutlich. So spielenfür die familienorientierten ›27er-Hilfen‹persönliche Probleme des einzelnenjungen Menschen ebenfalls eine Rolle.Tab. 1: Ausgewählte Gründe 1 für familienunterstützende<strong>und</strong> ergänzende (ambulante) Hilfen zur Erziehung(Deutschland; 2007; Anteile in %) 2Ambulantefamilienorientierte›27er-Hilfe‹SozialpädagogischeFamilienhilfeImmerhin werden bei r<strong>und</strong> 28% dieserHilfen Auffälligkeiten im sozialen Verhaltengenannt <strong>und</strong> bei 22% der Leistungenschulische Probleme. Diese Werteliegen jeweils höher als die für dieSPFH.Für die anderen ambulanten Hilfen,wie die Erziehungsbeistandschaften,die ISE-Maßnahmen, aber auch die amjungen Menschen orientierten ›27er-Hilfen‹,haben Auffälligkeiten im sozialenVerhalten oder schulische Probleme fürden Beginn einer Hilfe eine größere Bedeutungals familiäre Schwierigkeiten.Hingewiesen wird über diese Zweiteilungauf unterschiedliche Indikationenzwischen familienorientierten Hilfen<strong>und</strong> Einzelbetreuungsmaßnahmen.SonstigeambulanteHilfen 3(N=5.746) (N=31.689) (N=42.227)Gefährdung desKindeswohls 13 16 5EingeschränkteErziehungskomp. 52 63 38Auffälligkeiten imsozialen Verhalten 28 20 46Schulische/beruflicheProbleme 22 17 401 Bei den Angaben zu den Gründen für eine Hilfe sind Mehrfachnennungenmöglich; 2 Nur begonnene Hilfen; 3 Zusammengefasstwerden hier die Ergebnisse für die am jungen Menschen orientierten27er-Hilfen, die soz. Gruppenarbeit, die Betreuungshilfen, dieTagesgruppenerziehung <strong>und</strong> die ISE-Maßnahmen.Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – ErzieherischeHilfen 2007; eigene Berechnungen›27er-Hilfen‹ – eine ›neue‹familienorientierte HilfeVor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser ersten Ergebnissezu den ›27er-Hilfen‹ stellt sichdie Frage, was diese <strong>und</strong> damit dieneue statistische Erfassung überhauptüber die vielfach diskutierten ›flexibleren‹Maßnahmen aussagen. Eine abschließendeAntwort hierauf kann andieser Stelle nicht gegeben werden. Allerdingsermöglicht die Auswertung derErgebnisse zu den ›27er-Leistungen‹ einenersten Ansatz zur Profilierung mit<strong>Blick</strong> auf die Altersstruktur, die Gewährungspraxissowie den Hilfeansatz.Gerade die beiden letztgenanntenAuswertungsdimensionenunterstreichen, dass es sichbei den ›27er-Leistungen‹ mehrheitlichum familienorientierteMaßnahmen handelt. Die Altersstrukturzeigt zudem, dass dieseMaßnahmen nicht, wie andereambulante Hilfen, eine bezogenauf das Alter bestimmte Zielgruppeim <strong>Blick</strong> haben, sonderndiesbezüglich eine breitereKlientel ansprechen.Sicherlich können weitere Datenwie z.B. zur Dauer <strong>und</strong> zur Intensität,aber auch Ergebnisseauf kommunaler Ebene das Profildieser Maßnahmen weiterschärfen. Alles in allem zeigtsich bei den ›27er-Hilfen‹ dochschon jetzt ein beachtliches


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Abb. 1: Inanspruchnahme von Eingliederungshilfen nach § 35a nachausgewählten Altersjahrgängen (Deutschl.; 2007; Aufsummierungandauernder <strong>und</strong> beendeter Hilfen; pro 10.000 der altersgleichenBevölkerung)Pro 10.000 eines Altersjahrgangs80706050403020100schen wird im Alter zwischen 9 <strong>und</strong> 13Jahren gewährt. Diese Altersverteilungist mit einem Seitenblick auf die Hilfenzur Erziehung bemerkenswert. <strong>Der</strong> Anteilder 9- bis 13-Jährigen liegt hier überalle Hilfen hinweg bei etwa 30%.Bei den Eingliederungshilfen fürseelisch behinderte junge Menschenwerden für die 9- bis unter 13-Jähirgenje nach Altersjahrgang zwischen 36<strong>und</strong> 54 Hilfen pro 10.000 der altersentsprechendenBevölkerung ausgewiesen.Die höchsten Werte erreichen dabeiinteressanterweise die 10- <strong>und</strong>11-Jährigen (vgl. Abb. 1). <strong>Der</strong> Bedarf anMaßnahmen dieser Art ist damit vor allemin der für <strong>Kinder</strong> kritischen Phasedes Übergangs von der Primarstufe zurSek<strong>und</strong>arstufe I am höchsten.Und in der Tat: Vor allem die schulischenAnforderungen scheinen oftmalsausschlaggebend für die Einleitungeiner Eingliederungshilfe zu sein.So werden in 60% aller ›35a-Maßnahmen‹– egal, ob bei Jungen oder Mädchen– schulische Probleme als Gr<strong>und</strong>für eine Hilfe angegeben. 1Sowohl die Altersverteilung als auchdie Bedeutung schulischer Problemezeigt sich für die Jungen ebenso wie fürdie Mädchen. Nichtsdestotrotz wird———————————————1 Nicht erfasst werden über die amtliche Statistikweitere Informationen über die zugr<strong>und</strong>eliegendeStörung bzw. die Art der seelischen Behinderung,die die Teilhabe am gesellschaftlichenLeben zumindest gefährdet.auch in diesenHilfen sichtbar,dass sie bei Jungenin weitaushöherem Maßezur Anwendungkommen als beiMädchen (vgl.Abb. 1). Mit <strong>Blick</strong>auf die Geschlechterverteilung<strong>und</strong> dieGründe für eineHilfe deuten sichdamit Parallelenzur Erziehungsberatungan,auch wenn dortdie höchsten Inanspruchnahmewertefür die 6- bis unter9-Jährigen ausgewiesen werden,gefolgt von den 9- bis unter 12-Jährigen(vgl. Schilling/Overmann 2006). Schondies deutet auf eine ›innere Verbindung‹dieser Hilfeformen hin.6- 77 - 88 - 99 - 1010 - 1111 - 1212 - 1313 - 1414 - 1515 -1616 - 1717 - 18Im Alter von ... bis unter ... JahrenInsgesamt Männlich WeiblichQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen2007; eigene BerechnungenUntypische TrägerstrukturenAufschlussreich sind auch die Trägerstrukturen,die sich bei diesen Hilfenzeigen. So werden die Hilfen nur in Ausnahmefällenvom öffentlichen Trägerselber durchgeführt (8,6%). Und auchdie Wohlfahrtsverbände sind mit knapp22% an diesen Hilfen, verglichen mit ihrersonstigen Präsenz in der <strong>Kinder</strong><strong>und</strong>Jugendhilfe, nicht sonderlich starkbeteiligt (vgl. Abb. 2). Andereanerkannte Träger der Jugendhilfe,die nicht zur Gruppeder Wohlfahrtsverbändegehören, sind da mit einemAnteil von 38% an der Durchführungvon Maßnahmenschon weitaus stärker beteiligt.Und die Gruppe der»Wirtschaftsunternehmen«sowie »sonstigen juristischenPersonen <strong>und</strong> Vereinigungen«führen immerhinein Drittel der Hilfen durch(31%). Insbesondere dieletztgenannten Werte sindein Hinweis darauf, dass dieEingliederungshilfen oftmalsWohlfahrtsverbändeWirtschaftsunternehmen,sonst.Vereinigungendurch Praxen von Ärzten, Psychologen<strong>und</strong>/oder Therapeuten erbracht werden(siehe auch Kasten auf S. 9).›35a-Maßnahmen‹ – Hilfen miteinem MittelschichtbiasUnd schließlich zeigt sich ein weitereswichtiges Ergebnis: Die ersten Datender neuen Statistik bestätigen, dass –bei allen Streitigkeiten in Verfahrens<strong>und</strong>Zuständigkeitsfragen im Detail – essich um einen weitestgehend etabliertenLeistungstatbestand der <strong>Kinder</strong><strong>und</strong>Jugendhilfe handelt, bei dem aberdie Adressaten nicht bzw. nur partiellidentisch sind mit der Klientel für die Hilfenzur Erziehung. Es sind vor allemJungen zwischen 9 <strong>und</strong> 13 Jahren mitSchulproblemen aus ›intakten‹ Familien,die zu einem weitaus geringerenAnteil als bei den Hilfen zur Erziehungauf sozialstaatliche Transferleistungenangewiesen sind (vgl. Rauschenbachu.a. in diesem <strong>Heft</strong>). Anders formuliert:Mit <strong>Blick</strong> auf den Adressatenkreis zeigensich vor allem Überschneidungenzur Erziehungsberatung. Für beide Hilfendeutet sich somit ein Zusammenhangan, der sich eher an Mittelschichtenadressiert <strong>und</strong> einen auffälligenProblembezug zur Schule aufweist.Diese <strong>und</strong> weitere Ergebnisse derneuen Erhebung zu den Eingliederungshilfenfür seelisch behinderte jungeMenschen werden in Zukunft dazubeitragen können, den Streit um Zu-Abb. 2: Eingliederungshilfen für seelisch behindertejunge Menschen nach Art des Trägers (Deutschl.;2007; Aufsummierung andauernder <strong>und</strong> beendeterÖffentlicheTräger38,3SonstigeanerkannteTrägerQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – ErzieherischeHilfen, 2007; eigene Berechnungen8,631,4 EingliederungshilfenDeutschland200721,78


März 20<strong>09</strong>ständigkeiten, Rahmenbedingungen,die Organisation oder auch die Qualitätfür diese Maßnahmen zu versachlichen.Das scheint auch dringend notwendig,nimmt man zur Kenntnis, dassein seit mehr als 20 Jahren währenderStreit um die Verankerung aller Eingliederungsleistungenfür junge Menschenmit einer (drohenden) Behinderung unterdem Etikett der ›großen Lösung‹ erneutauf die Tagesordnung kommenkönnte (vgl. Tammen 2007).Jens PothmannArmut, Migration, Alleinerziehend – HzE in prekären LebenslagenNeue Einsichten in die sozialen Zusammenhänge der Adressaten der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> JugendhilfeDas Wissen über die Hilfen zur Erziehung in Deutschland wies bislang an entscheidenden Stellen Lücken über die Lebenslagen derAdressaten/-innen auf. Über die familiäre Situation, über die soziale Seite der <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> ihrer Familien fehlten zentrale Informationen.Dabei haben Studien wiederholt gezeigt, dass prekäre Lebenslagen von Familien auch folgenreich für das Aufwachsen jungerMenschen sind. Wichtige Indikatoren, die häufig einen Zusammenhang mit diesen prekären Lebenslagen aufweisen, sind beispielsweisedie ökonomische Situation, die ethnische Herkunft sowie der familiale Status. Anhand der neuen Statistik können künftig möglicheVerknüpfungen zwischen der sozialen Situation von jungen Menschen <strong>und</strong> ihren Familien sowie den gewährten Hilfen zur Erziehungaufgezeigt werden. Dies wird durch die aktuell in dieser Form erstmalig vorgelegten Ergebnisse zu den Hilfen zur Erziehung<strong>und</strong> den Lebenslagen der betroffenen Familien möglich (Familienstatus, Migration, Transfergeldbezug). Mit <strong>Blick</strong> auf die Gewährungspraxisder Jugendämter wird dabei auf die im Jahre 2007 neu begonnenen Hilfen Bezug genommen.Hilfen nach dem Familienstatus?In den letzten Jahren ist laut Mikrozensusdie Zahl der traditionellen Familienweiter zurückgegangen, während derAnteil alternativer Familienformen zugenommenhat. Hierzu gehören auchdie Alleinerziehenden, derenAnteil 2007 bei 18% lag(vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt2008a). WenngleichStudien belegen, dass dieLebensform Alleinerziehendnicht durchweg alsproblematisch anzusehenist (vgl. Hammer 2003), sosind die zu bewältigendenHerausforderungen <strong>und</strong>Zuschreibungen oftmalsvielfältig – Arbeitslosigkeit,Armut, fehlende sozialeUnterstützung <strong>und</strong> Erschwernissedes Alltagsmit <strong>Kinder</strong>n (vgl. Fegert/Ziegenhain2003).Im Lichte dieser Überlegungenzeigt sich fürDeutschland ein bemerkenswerterZusammenhang:Während die Erzie-Familienunterstützende<strong>und</strong> -ergänzende HilfenFamilienersetzendeHilfenErziehungsberatungEingliederungshilfenEingliederungshilfen sind in der Regel ambulante Maßnahmen[jp] Zumindest beim ersten Hinschauen stößt man im Rahmen der Ergebnisse zu den Eingliederungshilfenfür seelisch behinderte junge Menschen auf ein irritierendes Ergebnis.Von den b<strong>und</strong>esweit 25.743 am Ende des Jahres 2007 andauernden Hilfen wurden 86% inEinrichtungen durchgeführt. Für Westdeutschland (ohne Berlin) liegt dieser Anteil bei 87%(N=22.743). Allerdings handelt es sich nur bei einem Bruchteil dieser Hilfen tatsächlichauch um stationäre Maßnahmen in einer Einrichtung über Tag <strong>und</strong> Nacht.Nach Auskunft des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes ist der Anteil der in Einrichtungen durchgeführtenEingliederungshilfen nicht mit dem Anteil stationärer Maßnahmen gleichzusetzen.Vielmehr wurden von den 22.743 am Jahresende 2007 für Westdeutschland (ohne Berlin)gezählten Maßnahmen lediglich 33% in einer Einrichtung über Tag <strong>und</strong> Nacht erfasst. Dieausgewiesene Kategorie »in einer Einrichtung« umfasst daneben auch die Maßnahmen,die in einer Beratungsstelle oder den Räumen eines ambulanten Dienstes – Praxen von z.B.Therapeuten dürften ebenfalls hierzu gehören – durchgeführt wurden (43%). Hinzu kommenzudem Hilfen mit den Durchführungsorten Schule, Klinik oder auch Frauenhaus.hungsberatung <strong>und</strong> die Eingliederungshilfenfür seelisch behinderte jungeMenschen anteilig am stärksten vonzusammenlebenden Eltern nachgefragtwerden, werden familienergänzende<strong>und</strong> -unterstützende sowie, erstAbb. 1: Hilfen zur Erziehung 1 nach Familienstatus (Deutschl.;2007; begonnene Hilfen; in %)2,42,52,95,1Eltern leben zusammenPatchworkfamilien15,413,218,320,024,831,429,834,147,950,248,054,10 30 60%-AnteilAlleinerziehendeEltern verstorben bzw. unbekannt1 Einschließlich der Hilfen für junge Volljährige; Erziehungsberatung: § 28;Familienunterstützende <strong>und</strong> -ergänzende Hilfen: §§ 27 (ambulante Hilfen),29-32, 35; Familienersetzende Hilfen: §§ 33, 34 <strong>und</strong> 27 (stationäre Hilfen).Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen2007; eigene Berechnungenrecht, familienersetzende Hilfen mehrheitlichvon Alleinerziehenden in Anspruchgenommen (vgl. Abb. 1). R<strong>und</strong>jede zweite Heimeinweisung, jedezweite Vollzeitpflege, aber auch jedezweite SPFH wurde 2007 einer Alleinerziehendenfamiliegewährt. Hiervonunterscheidet sich deutlich die Verteilungfür die Erziehungsberatungsowie die Eingliederungshilfen fürseelisch behinderte junge Menschen.Hier liegt bei den begonnenenHilfen der Anteil der Alleinerziehendenbei 34% bzw. 30%. In jeweilsjedem zweiten neu begonnenenFall leben die Eltern zusammen.Das heißt, allein erziehende Elternhaben im Vergleich zu Ehepaaren<strong>und</strong> nichtehelichen Lebensgemeinschaftenüber alle Leistungenhinweg eine etwa dreimal so hoheWahrscheinlichkeit eine Hilfe zur Erziehungbeanspruchen zu müssen(vgl. Tab. 1). Für die Erziehungsberatung<strong>und</strong> die Eingliederungshilfenist die Wahrscheinlichkeit jeweilsdoppelt so hoch, für die familienunterstützenden<strong>und</strong> -ergänzenden9


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Tab. 1: Begonnene erzieherische Hilfen 1 für Ehepaare<strong>und</strong> nichteheliche Lebensgemeinschaftensowie für Alleinerziehende (Deutschland; 2007;pro 10.000 Haushalte der jeweiligen Familienform)Hilfen jenseits der Erziehungsberatungviermal sowie für Vollzeitpflege <strong>und</strong>Heimerziehung (familienersetzendeHilfen) zusammengenommen sogarfünfmal so hoch.Die Bef<strong>und</strong>lage weist in Anbetrachtdieser Deutlichkeit auf drei Punkte hin:Erstens ist die Gruppe der Alleinerziehenden– wie auch beim Sozialgeld<strong>und</strong> ALG II – in besonderer Weise mitProblemen des Aufwachsens konfrontiert.Zweitens deuten die Daten damitan, dass der Familienstatus alleinerziehendoffenk<strong>und</strong>ig weit mehr an öffentlicherUnterstützung benötigt als diesbislang politisch wahrgenommen wordenist. Und drittens erweckt die unterschiedlicheInanspruchnahme der verschiedenenHilfen den Eindruck, alswürden Hilfen in Deutschland noch immernach dem Muster der traditionellenFürsorge gewährt: intervenierende,also familienersetzende Hilfen stärkerfür die Gruppe der Alleinerziehenden,beratende <strong>und</strong> familienunterstützendeHilfen hingegen eher für <strong>Kinder</strong> vonzusammenlebenden Eltern.Armut – ein Erziehungsrisiko?Erstmalig sind über die <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> JugendhilfestatistikDaten zum Bezug10Ehepaareu. nichtehelicheLebensgemeinschaften2AlleinerziehendeVerhältnisderFamilienformenInsgesamt 3 351 1.022 1 : 2,9Beratung 4 267 641 1 : 2,4Amb. Hilfen 5 57 243 1 : 4,3Fremdunter. 6 28 138 1 : 5,035a-Maßn. 7 13 26 1 : 2,01 Einschl. Hilfen für junge Volljährige; 2 Für eine Trennungdieser Familienformen fehlen Kriterien, die für Mikrozensus<strong>und</strong> Jugendhilfestatistik gleichermaßen differenzbildendsind; 3 HzE insg. ohne § 35a; 4 Erziehungsberatung§ 28; 5 Familienunterstützende u. -ergänzende Hilfen §§27 (amb. Hilfen), 29-32, 35; 6 Familienersetzende Hilfen§§ 33, 34 <strong>und</strong> 27 (stat. Hilfen); 7 Eingliederungshilfen fürseelisch behinderte junge Menschen.Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe –Erzieherische Hilfen 2007; StaBa 2008a; eig. Berechn.von Transferleistungen für die Hilfenzur Erziehung in Anspruchnehmenden Familien erhobenworden. Dieses Merkmal liefertHinweise zur Inanspruchnahmevon Leistungen nach §§ 27ff. SGBVIII durch Familien, die zumindestvon Armut bedroht sind.Was bislang nur vermutet werdenkonnte, wird nunmehr auf derBasis der neuen Erhebung deutlichsichtbar: der Zusammenhangvon Armutslage <strong>und</strong> erzieherischemBedarf. Demzufolge liegtder Anteil der Familien, denen eineHilfe zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung)gewährt wird <strong>und</strong>die zugleich Transferleistungenbeziehen, bei knapp 59%. Je nachHilfeart schwankt dieser Wert zwischen48% (Erziehungsbeistandschaft)auf der einen <strong>und</strong> 73%(Vollzeitpflege) auf der anderenSeite (vgl. Abb. 2).Demgegenüber liegt der Anteil derFamilien mit Bezug von Transferleistungenin der Erziehungsberatung bei lediglichknapp 17%. Und ebenfalls deutlichniedriger fällt in diesem Zusammenhangmit 25% das Ergebnis für dieEingliederungshilfen für seelisch behindertejunge Menschen nach § 35a aus.Dies verweist auf einen mit <strong>Blick</strong> auf dieErziehungsberatungwiederholt diskutiertenMittelschichtscharakter(vgl. bereitsBMJFFG 1990), dersich offenk<strong>und</strong>ig nunauch für die Diagnoseeiner »Seelischen Behinderung«andeutet.Obgleich die Erzie-%-Anteil10050070HzEinsgesamthungsberatung auchfür Familien mit Transfergeldbezugaufgr<strong>und</strong>der großen Absolutzahlenmit zuletztfast 49.000 Neufällender wichtigste Akteurist, ist der überproportionaleAnteil der Familienmit Transfergeldbezugbei allen anderenHilfen zur Erziehung doch sehr auffällig.<strong>Der</strong> bereits in der Bildung unterdem Etikett der »Bildungsarmut« diskutierteZusammenhang muss nun wohlauch unter dem Etikett der »Erziehungsarmut«für diese Fälle formuliertwerden.Kumulierte Erziehungsproblemebei Alleinerziehenden?Die bereits genannte Durchschnittszahlvon 59%, die einen Transfergeldbezugaufweisen <strong>und</strong> denen gleichzeitig eineHilfe zur Erziehung gewährt wird (ohneErziehungsberatung), erhöht sich nocheinmal bei der Gruppe der Alleinerziehenden(vgl. Abb. 2). Demnach erhöhtsich der Durchschnittswert auf einenAnteil von 70%; je nach Hilfeartschwankt dieser Anteil zwischen 58%<strong>und</strong> 78%. Das heißt z.B.: Von allen Alleinerziehenden,die jenseits der Erziehungsberatungeine Hilfe in Anspruchnehmen, sind 70% auf Transferleistungenangewiesen. Zum Vergleich: BeiEhepaaren <strong>und</strong> nichtehelichen Lebensgemeinschaftenliegt dieser Wert bei48%. Verdeutlicht wird hierüber, dassinsbesondere Alleinerziehende durchzusätzliche Belastungen in Form vonfehlenden materiellen Ressourcen stärkerunter Druck geraten. Die Wahrscheinlichkeitnegativer Auswirkungenauf das Erziehungsgeschehen steigtdadurch (vgl. Strantz 2006).Abb. 2: Anteil der Familien mit Transferleistungen 1 bei derGewährung von Hilfen zur Erziehung 2 (Deutschl.; 2007; in %)4878 766856SPFHEhepaare u. nichtehelicheLebensgemeinschaften70 6849 47ISE6240 3858VollzeitpflegeHeimerziehungTagesgruppeErziehungsbeist.AlleinerziehendeLesebeispiel: 76% aller Alleinerziehendenfamilien, die eine sozialpädagogischeFamilienhilfe (SPFH) in Anspruch nehmen, sind ganz oderteilweise auf Transferleistungen angewiesen. Bei den Ehepaaren <strong>und</strong>nichtehelichen Lebensgemeinschaften beträgt dieser Anteil 56%.1 Mit Transferleistungen sind gemeint: ALG II, Gr<strong>und</strong>sicherung (Altero. Erwerbsminderung), Sozialhilfe, <strong>Kinder</strong>zuschlag; 2 Begonnene Hilfeneinschl. Hilfen für junge Volljährige (ohne Erziehungsberatung).Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – ErzieherischeHilfen 2007; eigene Berechnungen


März 20<strong>09</strong>Wie ›migrationssensibel‹ sind dieHilfen zur Erziehung?Die Analysen zum Familienstatus sowiezu ökonomisch prekären Lebenslagenzeigen, dass infolge der negativen Auswirkungenauf familiäre Erziehung die<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe verstärkt überdas Angebot von Hilfen zur Erziehungreagiert. Es liegt nahe, dass dies auchbei Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong>der Fall ist. Dabei ist die Tatsache, dassjemand einen Migrationshintergr<strong>und</strong>aufweist, für sich betrachtet sicherlichnoch kein hinreichendes Merkmal einerprekären Lebenslage. Gleichwohl istbekannt, dass der Migrationsstatusnach wie vor eine diskriminierende Einflussvariablefür das Aufwachsen von<strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen sein kann(vgl. Rauschenbach/Züchner 2007).Insofern ist es zunächst einmal auffällig,dass junge Menschen mit einemMigrationshintergr<strong>und</strong> mit <strong>Blick</strong> auf dieDaten 2007 in den erzieherischen Hilfenunterrepräsentiert sind. Unter Berücksichtigungdes Anteils dieserGruppe an der altersentsprechendenBevölkerung, der für die unter 21-Jährigenbei 28% liegt, ist der Anteil der jungenMenschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>bei den begonnenen erzieherischenHilfen mit 21% (einschl. Erziehungsberatung)deutlich darunter zuverorten (siehe auch Methodenkasten).Allerdings wird auch dieses Ergebnismaßgeblich durch die Erziehungsberatungbestimmt. Hier liegt der Anteilder jungen Menschen mit einem Migrationshintergr<strong>und</strong>bei 19%; <strong>und</strong> bei denEingliederungshilfen für seelisch behindertejungen Menschen sogar nur bei16%. Auch dies ist ein Indiz für den spezifischenCharakter dieser Hilfen.Bei den familienersetzenden Maßnahmen(Vollzeitpflege <strong>und</strong> Heimerziehung)sind die jungen Menschen mitMigrationshintergr<strong>und</strong> hingegen schonmit einem Anteil von immerhin 23% vertreten.Noch höher, nämlich bei 27%<strong>und</strong> damit nahe an dem über den Mikrozensusausgewiesenen Bevölkerungsanteilmit einem Migrationshintergr<strong>und</strong>,liegt indessen die Quote für diefamilienunterstützenden <strong>und</strong> -ergänzendenLeistungen, also die ambulantenHilfen jenseits der Erziehungsberatung.Auch hier zeigt sich also: Bei denstärker interventionsorientierten Hilfennimmt der Migrationsanteil deutlich zu.Bewertungen zu diesen Bef<strong>und</strong>enmüssen sicherlich noch sehr vorsichtigausfallen. Hierzu sollten die Detailanalysensowie die Ergebnisse der Folgejahreabgewartet werden, um so die Bef<strong>und</strong>ebesser in den fachlichen Diskursum interkulturelle Kompetenzen oderauch migrationssensibles Handeln der<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe einzubinden.Migrationshintergr<strong>und</strong> im Spiegel von Mikrozensus <strong>und</strong> Jugendhilfestatistik[jp] <strong>Der</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> der jungen Menschen wird im Rahmen der amtlichen Statistik ab2007 über die Merkmale Herkunftsland der Eltern – mindestens ein Elternteil muss im Auslandgeboren sein – <strong>und</strong> der vorrangig in der Familie gesprochenen Sprache erfasst. In der erstenAuswertung der Daten wurde lediglich das Datum der Herkunft der Eltern in den <strong>Blick</strong> genommen.Als Referenzgröße wird hier auf die vom Statistischen B<strong>und</strong>esamt zur Verfügung gestelltenErgebnisse des Mikrozensus 2007 rekurriert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Migrationskonzeptder <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfestatistik nicht dem des Mikrozensus entspricht (vgl. hierzuauch auch DJI/AKJ Stat 2007, S. 160f.). Die derzeit verfügbaren Ergebnisse des Mikrozensus fassenMigration weiter als das Erhebungskonzept der Jugendhilfestatistik.Vorrangig sind zwei Abweichungen zu berücksichtigen. So zählt der Mikrozensus alle inDeutschland geborenen Ausländer, bei denen weder eine persönliche Zuwanderungserfahrungnoch eine der Eltern vorhanden ist, mit zu denjenigen mit einem Migrationshintergr<strong>und</strong>. Auch diemit einer deutschen Staatsangehörigkeit Geborenen, bei denen aber die Eltern unabhängig voneiner tatsächlichen Zuwanderungserfahrung eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeitbesitzen, gehören laut Mikrozensus mit zu den Migranten (vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2008b,S. 6). Nach dem hier zugr<strong>und</strong>e gelegten Kriterium der Jugendhilfestatistik – ausländische Herkunft(nicht Staatsangehörigkeit) eines Elternteils – zählen die beispielhaft genannten Bevölkerungsgruppenhingegen nicht zu einer Personengruppe mit einem Migrationshintergr<strong>und</strong>.Somit kann davon ausgegangen werden, dass bei gleicher Erfassungslogik der Anteil der erzieherischenHilfen in Anspruch nehmenden jungen Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an allenMigranten – wenn auch nur geringfügig – höher ausfallen wird als mit den derzeit zur Verfügungstehenden Daten. Wie hoch diese Abweichungen sind, werden letztendlich weitere Auswertungendes Mikrozensus zeigen müssen.Allerdings zeigt sich schon jetzt,dass mit dem verfügbaren Datenmaterialweitaus verlässlicher die Inanspruchnahmeerzieherischer Hilfendurch Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong>beobachtet werden kann als zuvormit dem Merkmal Staatsangehörigkeit(vgl. Schilling u.a. 2007). So wirdkünftig das statistische Merkmal »Migrationshintergr<strong>und</strong>«des jungen Menscheneine notwendige Ergänzung derDebatte um die interkulturelle Öffnungder erzieherischen Hilfen darstellen.Individuelles Versagen oder sozialpolitischeHerausforderung?Es zeigt sich, dass die Hilfen zur Erziehungganz offenk<strong>und</strong>ig notwendigeUnterstützungsleistungen für Familienin schwierigen Lebenskonstellationensind. <strong>Der</strong> Ausfall eines oder beider Elternteile,die Trennung <strong>und</strong> Scheidung,aber auch die Folgen von fehlendenmateriellen Ressourcen sowie damitverb<strong>und</strong>ene Ausgrenzungsprozessestellen Lebenslagen dar, in denen eineHilfe zur Erziehung überproportionalhäufig die familiäre Erziehung unterstützt,nicht selten aber auch ersetzt.Die gute Nachricht ist, dass die <strong>Kinder</strong>-<strong>und</strong> Jugendhilfe Familien in erkennbarschwierigen Situationen unterstützt.Bedenklich stimmt die Verteilungder in Schwierigkeiten geratenen Personenmit <strong>Blick</strong> auf den Alleinerziehendenstatussowie den Bezug von Transferleistungen.Angesichts dessen fälltes schwer, die Inanspruchnahme einerHilfe ausschließlich als Konsequenz einerim Einzelfall nicht gelingenden familiärenErziehung zu begreifen.Vielmehr muss die sozialpolitischeSeite dieser Ergebnisse zur Kenntnisgenommen werden. So ist es schon eingesellschaftlicher Gradmesser, inwieweitFamilien in allen Fällen den Bedürfnissenvon <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen,aber auch den Anforderungen an einegelingende Erziehung gerecht werdenkönnen. Es drängt sich der Verdachtauf, dass Familien in prekären Lebenslagenhier strukturell benachteiligt sind.Thomas Rauschenbach/Jens Pothmann/Agathe Wilk11


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Expansion der <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung nicht nur in WestdeutschlandDie frühkindliche Bildung, Betreuung <strong>und</strong> Erziehung ist in Deutschland ein expandierendes <strong>und</strong> sich ausdifferenzierendes Arbeitsfeld.Entscheidender Motor für diese Ausweitung ist inzwischen der beschlossene bedarfsorientierte Ausbau der Angebote für unter3-Jährige in Westdeutschland. Aber auch in Ostdeutschland sind unterdessen Expansionstendenzen bei den Betreuungsangeboten für1-Jährige zu beobachten. Und in Ländern, in denen der Hort ein etabliertes Angebot darstellt, ist auch dieses außerschulischeBildungsangebot im Ausbau begriffen.Zunahme der westdeutschen<strong>Kinder</strong>tageseinrichtungenDie Anzahl der Tageseinrichtungen für<strong>Kinder</strong> ist zwischen 2007 <strong>und</strong> 2008 inWestdeutschland noch einmal um ca.1.000 Einrichtungen gestiegen (vgl. Tab.1). Dies ist ein Indiz dafür, dass derU3-Ausbau nicht nur durch die Umstrukturierungvorhandener, sondern auchdurch Schaffung neuer Einrichtungenvollzogen wird.Zuwachs beim Personal inWestdeutschlandZwischen 2006 <strong>und</strong> 2008 ist auch dieAnzahl der Vollzeitbeschäftigungsäquivalenteum 17.000 gestiegen (vgl. Tab.1). Dies ist eine prozentuale Steigerungdes gesamten Personals um 8% innerhalbvon zwei Jahren. Auchdies muss als Effekt desAusbaus der Angebote fürunter 3-Jährige gewertetwerden. Durch den gr<strong>und</strong>sätzlichhöheren Personaleinsatzin der pädagogischenArbeit mit unter 3-Jährigenerklären sich die höheren Steigerungsratenim Vergleich zu denen beiden Einrichtungen oder bei den betreuten<strong>Kinder</strong>n.Tab. 1: Tageseinrichtungen sowie Personal (ohne Hauswirtschaft) in Vollzeitäquivalenten<strong>und</strong> <strong>Kinder</strong> in Tageseinrichtungen (Deutschland, West- <strong>und</strong> Ostdeutschland; 2006-2008;Angaben absolut <strong>und</strong> in %)Veränderungen zwischen15.03.2006 15.03.2007 15.03.20082006 u.20072007 u.20082006 u. 2008Anzahl Anzahl In %DeutschlandEinrichtungen 48.201 48.652 49.736 451 1.084 1.535 3,2Vollzeitäquival. 282.360 290.842 303.426 8.482 12.584 21.067 7,5<strong>Kinder</strong> unter 14 J. 2.954.928 2.981.993 3.017.896 27.065 35.903 62.968 2,1unter 3-Jährige 253.894 278.642 313.114 24.748 34.472 59.220 23,33 J. - Schuleintritt 2.344.144 2.319.875 2.305.045 -24.269 -14.830 -39.<strong>09</strong>9 -1,75- bis u. 14-Jähr. 356.890 383.476 399.737 26.586 16.261 42.847 12,0WestdeutschlandEinrichtungen 38.149 38.520 39.512 371 992 1.363 3,6Vollzeitäquival. 216.108 222.868 233.212 6.761 10.344 17.104 7,9<strong>Kinder</strong> unter 14 J. 2.232.841 2.231.308 2.241.396 -1.533 10.088 8.555 0,4unter 3-Jährige 116.698 137.660 167.631 20.962 29.971 50.933 43,63 J. - Schuleintritt 1.935.661 1.907.508 1.887.962 -28.153 -19.546 -47.699 -2,55- bis u. 14-Jähr. 180.482 186.140 185.803 5.658 -337 5.321 2,9Ostdeutschland mit BerlinEinrichtungen 10.052 10.132 10.224 80 92 172 1,7Vollzeitäquival. 66.252 67.974 70.214 1.722 2.240 3.962 6,0<strong>Kinder</strong> unter 14 J. 722.087 750.685 776.500 28.598 25.815 54.413 7,5unter 3-Jährige 137.196 140.982 145.483 3.786 4.501 8.287 6,03 J. - Schuleintritt 408.483 412.367 417.083 3.884 4.716 8.600 2,15- bis u. 14-Jähr. 176.408 197.336 213.934 20.928 16.598 37.526 21,3Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen,versch. Jahrgänge; eigene BerechnungenAktuell – Aktuell – Aktuell – Aktuell – AktuellKurz vor Drucklegung kam ein Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtszum neuen Unterhaltsrecht. Bei der Umsetzungdes Urteils wird es u.a. darauf ankommen, obein gut ausgebautes Netz an Ganztagsbetreuungsangebotenverfügbar ist. In Westdeutschland gibt es allerdingsbisher nur für 22% der <strong>Kinder</strong>gartenkinder Ganztagsplätze.Unsere Kurzanalyse zu den Ganztagsangeboten2008: www.akjstat.uni-dortm<strong>und</strong>.Sinkende Anzahl der <strong>Kinder</strong>gartenkinderin WestdeutschlandDurch den Ausbau der Angebote fürunter 3-Jährige wird der relativ starkeRückgang der <strong>Kinder</strong> im <strong>Kinder</strong>gartenüberlagert. Betrachtet man nur die betreuten<strong>Kinder</strong> im Alter ab 3 Jahren biszum Schuleintritt in Westdeutschland,so zeigt sich ein Rückgang innerhalbvon zwei Jahren von fast 48.000 <strong>Kinder</strong>n(vgl. Tab. 1). Dieser Rückgang istein Spiegelbild des demografischenWandels, der in kontinuierlich sinkendenGeburtenzahlen in Westdeutschlandseit dem Jahr 2000 zum Ausdruckkommt.Bis zum Jahr 2013 ist noch mit weiterhinrückläufigenZahlenzurechnen.DieErgebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnunglassen erwarten,dass zwischen 2008 <strong>und</strong> 2013die Anzahl der 3- bis 6½-Jährigen insgesamtnoch einmal um ca. 140.000 <strong>Kinder</strong>zurückgehen wird.Partieller Ausbau der Hortangebotein WestdeutschlandIn Westdeutschland nutzten 2008 ca.185.000 <strong>Kinder</strong>, die bereits die Schulebesuchen, schulergänzende Angebotein Tageseinrichtungen, d.h. in erster LinieHorte, teilweise aber auch altersübergreifendeGruppen (vgl. Tab. 1).Dieser Wert hat sich seit 2006 kaumverändert. Die Gesamtsumme nivelliertallerdings gegenläufige Tendenzen inNordrhein-Westfalen <strong>und</strong> den anderenLändern. In NRW gibt es die fachpolitischeEntscheidung, generell den Hortdurch die offene Ganztagsgr<strong>und</strong>schulebis zum Jahr 2012 zu ersetzen. In denDaten zeigt sich der angestrebte quantitativeWandel bereits deutlich: Die Anzahlder Schulkinder in Tageseinrichtungenist von 40.000 im Jahre 2006 auf12


März 20<strong>09</strong>Abb. 1: <strong>Kinder</strong> im Alter von 5 bis unter 14 J., diedie Schule u. eine Tageseinrichtung besuchen(B<strong>und</strong>esländer; 2006-2008; Angaben absolut)Baden-Württ.BayernBremenHamburgHessenNiedersachsenNordrhein-Westf.Rheinland-PfalzSaarlandSchleswig-Holstein21.98122.42424.95544.03751.70158.1774.0434.0483.70413.97015.92517.10225.65428.18729.17413.16215.55717.18740.98830.55917.3037.6167.9438.5982.45315.03.20062.5642.55415.03.20076.57815.03.20087.2327.0490 20.000 40.000 60.000AnzahlQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe –<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen,versch. Jahrgänge; eigene Berechnungen17.000 im Jahr 2008 gesunken (vgl.Abb. 1). In allen anderen B<strong>und</strong>esländernist die Anzahl der betreuten Schulkinderentweder konstant geblieben(HB, RP, SL), oder es nutzten sogarmehr Schulkinder ein Hortangebot.Aufgr<strong>und</strong> der umfangreichen Ganztagsschuldebatteist der Hort in der öffentlichenWahrnehmung in den Hintergr<strong>und</strong>getreten. Die Zahlen belegen allerdingszugleich, dass der Hort in Westdeutschland– abgesehen von NRW –kein Auslaufmodell für die außerunterrichtlicheBildung, Betreuung <strong>und</strong> Erziehungvon Gr<strong>und</strong>schülern/-innen darstellt.Mithilfe der Ganztagsschulstatistik wirddeutlich, dass in den westlichen Länderndie Inanspruchnahme der Ganztagsschulangeboteetwa der der Hortangeboteentspricht. Für das Schuljahr2007/2008 konnte abgeschätzt werden,dass ca. 350.000 Gr<strong>und</strong>schüler/-innenAngebote der Ganztagsschule oder der———————————————1 In Berlin <strong>und</strong> Thüringen sind Horte keine Einrichtungender <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe. Ausdiesem Gr<strong>und</strong> bleiben diese Länder hier unberücksichtigt.Horte nutzen (vgl. AutorengruppeBildungsberichterstattung2008). Somit stelltderHortimmernocheinAngebot»auf Augenhöhe« mitder Ganztagsschule dar.Auch in OstdeutschlandAnstieg bei unter3-JährigenEs wird zwar immer wiederbetont, dass in den östlichenLändern ein sehr umfangreichesAngebot für unter3-Jährige vorhanden ist<strong>und</strong> deshalb kein weitererAusbau notwendig sei.Gleichwohl zeigt die Entwicklungin den letzten zweiJahren, dass es offenbardoch noch einen leichten Ausbaubedarfgibt. Die Anzahl der unter3-Jährigen in Tageseinrichtungenist in dieser Zeit um ca. 8.000 angestiegen(vgl. Tab. 1). Nimmt mannoch den Zuwachs bei der <strong>Kinder</strong>tagespflegehinzu (+3.000), so ergibtsich ein Zuwachs zwischen2006 <strong>und</strong> 2008 von insgesamt 11.000betreuten unter 3-Jährigen. Insoweitgeht es auch in den östlichen Ländernum einen moderaten Ausbau.Die Analyse der Inanspruchnahmequotenfür die einzelnen Altersjahrgängezeigt, wo die Schwerpunkte des Ausbausin Ostdeutschlandliegen. Diesergeht fast ausschließlichauf die Einjährigenzurück. Hier beläuftsich der Anstieg der Inanspruchnahmequoteauf 6,7 Prozentpunkte(vgl.Abb.2).Sowohlbei den unter 1-Jährigenals auch bei den2-Jährigen fallen dieVeränderungen zwischenden beiden Beobachtungszeitpunktendeutlich moderateraus. Die Inanspruchnahmequoteder2-Jährigen ist um 3,1Quote der Inanspruchnahme1007550250Abb. 2: Inanspruchnahmequote von u. 3-Jährigenin Tageseinrichtungen <strong>und</strong> in <strong>Kinder</strong>tagespflegenach Altersjahren (Ostdeutschland (m. BE); Quotenin % <strong>und</strong> Entw. zwischen 2006 <strong>und</strong> 2008 in %)Quote der Inanspruchnahme100806040200–0,35,85,5+6,746,439,8+3,172,575,6unter 1 1 - 2 2 - 3Im Alter von ... bis unter ... Jahren (Altersjahre)15.03.2006 15.03.2008Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe –<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen 2006<strong>und</strong> 2008; eigene BerechnungenProzentpunkte gestiegen <strong>und</strong> die derunter 1-Jährigen in etwa gleich geblieben.Die starke Zunahme bei der Inanspruchnahmeder 1-Jährigen ist vermutlichdarauf zurückzuführen, dass daszweijährige Erziehungsgeld auf das 12-bis 14-monatige Elterngeld umgestelltwurde. Dadurch stehen erwerbstätigeEltern nach dem ersten Geburtstag ihresKindes verstärkt vor der Notwendigkeit,ein Tagesbetreuungsangebot inAnspruch zu nehmen.Stärkere Nutzung der Horte inOstdeutschlandEin weiteres Ergebnis für Ostdeutschlandist, dass die Anzahl der SchulkinderAbb. 3: Inanspruchnahmequote von Schulkindern im Alter von6 bis unter 14 Jahren in Tageseinrichtungen nach Altersjahren(Ostdeutschland (o. BE <strong>und</strong> TH); Quoten in % <strong>und</strong> Entwicklungzwischen 2006 <strong>und</strong> 2008 in %)+5,5+7,572,466,9+8,568,160,657,849,3 +5,9+2,133,526,4 28,627,6+1,3 +0,2 +0,14,0 5,21,1 1,3 0,2 0,36 - 7 7 - 8 8 - 9 9 - 10 10 - 11 11 - 12 12 - 13 13 - 14Im Alter von ... bis unter ... Jahren (Altersjahre)15.03.2006 15.03.2008Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätigePersonen in Tageseinrichtungen 2006 <strong>und</strong> 2008; eigene Berechn.13


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>in Tageseinrichtungen – <strong>und</strong> hier vor allemin Horten 1 – zwischen 2006 <strong>und</strong> 2008um 37.000 <strong>Kinder</strong> deutlich gestiegen ist.Diese Altersgruppe hat jedoch nicht nurabsolut zugelegt, auch die Inanspruchnahmequoteist um 4,8 Prozentpunktegestiegen. Somit handelt es sich um einereale Ausweitung des Angebots <strong>und</strong>nicht nur um eine Anpassung an die demografischeEntwicklung. Die stärkstenZuwächse sind bei den 8- <strong>und</strong> den9-Jährigen mit 7,5 bzw. 8,5 Prozentpunktenzu beobachten (vgl. Abb. 3). Bei den7- <strong>und</strong> den 10-Jährigen liegen die Steigerungsratenmit 5,5 bzw. 5,9 Prozentpunktenetwas niedriger. Angebote für über10-Jährige sind relativ selten <strong>und</strong> habensich kaum verändert. Durch die höherenSteigerungsraten bei den 8- <strong>und</strong> 9-Jährigenzeichnet sich die Tendenz ab, dass<strong>Der</strong> U3-Ausbau kommt (zu) langsam vorander Hort zunehmend die gesamteGr<strong>und</strong>schulzeit über besucht wird <strong>und</strong>nicht nur in den ersten zwei Schuljahren.Diese Tendenz begründet sich evtl. dadurch,dass Horte in Ostdeutschlandeine deutlich engere Anbindung an dieSchulen aufweisen, als dies in Westdeutschlandder Fall ist.Matthias Schilling/Jens LangeDurch das <strong>Kinder</strong>fördergesetz (KiFöG) wurde das SGB VIII zum 1. Januar 20<strong>09</strong> u.a. dahingehend geändert, dass ab 2013 auch <strong>Kinder</strong>im Alter von 1 <strong>und</strong> 2 Jahren einen Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot haben werden. B<strong>und</strong>, Länder <strong>und</strong> Kommunen habensich im Lichte dieses Ziels darauf verständigt, dass für die Umsetzung dieses Anspruchs im B<strong>und</strong>esdurchschnitt mindestens eineInanspruchnahmequote von 35% erreicht werden muss. Die Daten der KJH-Statistik vom 15. März 2008 markieren somit die Startliniedieses KiFöG-Ziels. Nachfolgend werden die wichtigsten Eckwerte des bisherigen <strong>und</strong> zukünftigen Ausbaus dargestellt.Ausbaustand im März 2008Im März 2008 nutzten insgesamt 364.190unter 3-Jährige Angebote in Tageseinrichtungen<strong>und</strong> <strong>Kinder</strong>tagespflege, davon203.721 in Westdeutschland. Somitwurde eine Quote der Inanspruchnahmevon 12,2% in Westdeutschland erreicht,die sich damit deutlich ausgeweitet hat.Im Frühjahr 2006 nutzten erst 138.000<strong>und</strong> ein Jahr später 167.000 unter 3-Jährigedie Angebote der frühkindlichen Bildung,Erziehung <strong>und</strong> Betreuung. InnerhalbvonzweiJahrenwurdenso66.000zusätzliche Betreuungsverhältnisse geschaffen,so dass dadurch die Inanspruchnahmequotevon 8,0% auf 12,2%gesteigert werden konnte.Im Rahmen des Ausbaus soll die <strong>Kinder</strong>tagespflegeeine wichtige Rolle spielen.Zwischen 2006 <strong>und</strong> 2008 hat sich dieInanspruchnahme von 21.000 <strong>Kinder</strong>tagespflegenauf 36.000 erhöht. <strong>Der</strong> Anteilder <strong>Kinder</strong>tagespflege an allen U3-Angebotenin Westdeutschland konnte somitvon 15,5% auf 17,7% gesteigert werden.Dies bedeutet aber zugleich, dass dieAbb. 1: Erreichte Quoten der Inanspruchnahme beim U3-Ausbau (westdeutsche B<strong>und</strong>esländer;2006-2008; Quote der Inanspruchnahme in %)8,0Westliche Länder 9,912,28,8Baden-Württemberg11,613,78,2Bayern 10,813,29,2Bremen 10,612,821,1Hamburg22,222,99,0Hessen12,414,35,1Niedersachsen 6,99,2Nordrhein-WestfalenRheinland-Pfalz6,56,9Politisch vereinbarte9,4Zielperspektive:9,435% im Jahr 201312,015,110,2Saarland12,114,27,6Schleswig-Holstein 8,311,70 10 20 30 40Quote der Inanspruchnahme15.03.2006 15.03.2007 15.03.2008Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen,<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in <strong>Kinder</strong>tagespflege, versch. Jahrgänge; eigene Berechnungen<strong>Kinder</strong>tagespflege bei einem angestrebtenGesamtanteil von 30% noch deutlichstärker ausgebaut werden muss als dieAngebote in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen.Vergleicht man die bisher erreichtenQuoten der Inanspruchnahme in denwestlichen Ländern, so zeigt sich zwar,dass es in allen Ländern klar erkennbareAusbaufortschritte gibt, aber die Dynamikin den einzelnen Ländern dennochunterschiedlich ist. <strong>Der</strong> stärkste Zuwachsist in Rheinland-Pfalz zu beobachten.Dort ist die Quote zwischen2006 <strong>und</strong> 2008 von 9,4% auf 15,1%hochgeschnellt (vgl. Abb. 1). Ebenfallshohe Zuwachsraten sind in Hessen(+5,3), Bayern (+5,0) <strong>und</strong> Baden-Württemberg(+4,9) zu verzeichnen.Das bisher Erreichte ist allerdings nurderersteSchrittzueinembedarfsgerechtenAusbau, der politisch gegenwärtigbei durchschnittlich 35% gesehenAusbauberichtIn der Pressemitteilung des BMFSFJvom 11. März 20<strong>09</strong> wird darauf hingewiesen,dass der Tagesbetreuungsausbaubericht,in dem die Entwicklungder Angebote für unter 3-Jährigezwischen 2007 <strong>und</strong> 2008 analysiertwird, vom Kabinett beschlossen wurde.Weitere Informationen zum Berichtsind der Pressemeldung vom 11. März20<strong>09</strong> unter www.bmfsfj.de sowie denInformationen des BMFSFJ zur <strong>Kinder</strong>betreuungzu entnehmen.14


März 20<strong>09</strong>Abb. 2: Erreichte Quoten d. Inanspruchnahme beim U3-Ausbau (ostdeutsche B<strong>und</strong>esländer;2006-2008; Quote d. Inanspruchnahme in %)Östliche LänderBerlinBrandenburgMecklenburg-Vorp.SachsenSachsen-AnhaltThüringen0 10 20 30 40 50Quote der Inanspruchnahme15.03.2006 15.03.2007 15.03.2008wird. In den verbleibenden fünf Jahrenmuss demnach die Angebotsquotenoch um 22,8 Prozentpunkte angehobenwerden, was einer jährlichen Steigerungsquotevon 4,6 Prozentpunkten entspricht.Da diese Quote bisher jährlichnur um ca. 2 Prozentpunkte zugenommenhat, ist somit eine erhebliche Steigerungder Ausbaudynamik notwendig,um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen:Die bisherige Ausbaudynamikmuss mehr als verdoppelt werden.39,741,037,939,840,543,443,144,133,534,650,251,837,937,5Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen,<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in <strong>Kinder</strong>tagespflege, versch. Jahrgänge; eigene BerechnungenQuote der Inanspruchnahme10075502501,51,81,75,47,29,525,220,116,736,540,538,942,444,844,952,7In den ostdeutschen Ländern liegendie Quoten der Inanspruchnahmebereits deutlich über dem Wertvon 35%, der in den westlichen Ländernangestrebt werden soll. Allerdingsist auch hier in den letzten Jahreneine leichte Steigerung zu verzeichnen.Die Quote ist dabei von40% auf 42% gestiegen. Die länderspezifischeAuswertung macht deutlich,dass zwischen den Länderndeutliche Unterschiede bestehen. InAbb. 3: Erreichte Quoten der Inanspruchnahme beim U3-Ausbau nach Altersjahrgängen(West- <strong>und</strong> Ostdeutschland jeweils ohne Berlin; 2006-2008; Quote der Inanspruchnahmein %)unter 1 1 - 2 2 - 3 unter 1 1 - 2 2 - 3WestdeutschlandOstdeutschland6,06,55,747,543,040,475,272,6 72,5Sachsen liegt die Quote bei 37%,während sie in Sachsen-Anhalt auf53% angestiegen ist.Die Inanspruchnahme nachAltersjahrgängenDie Diskussion um den Ausbau derAngebote für unter 3-Jährige ist gegenwärtignoch stark durch denDurchschnittswert für alle drei Altersjahrgängegeprägt. Die Auswertungnach den Altersjahren macht unterdessendeutlich, dass es erheblicheUnterschiede bei der Inanspruchnahmegibt. So liegt die Inanspruchnahmequotebei den unter 1-Jährigen inWestdeutschland bei 1,7%. In Ostdeutschlandist die Quote mit 5,7% imVergleich zu den anderen Altersjahrenebenfalls erheblich niedriger. Damitdeutet sich an, dass die Nachfragenach Angeboten für unter 1-Jährigeausgesprochen gering ist. Aber auchzwischen den 1- <strong>und</strong> den 2-Jährigengibt es ein deutliches Gefälle. In Westdeutschlandbeträgt die Quote beiden 1-Jährigen 9,5%, während dieQuote bei den 2-Jährigen mit 25,2%fast dreimal so hoch liegt. <strong>Der</strong> <strong>Blick</strong>nach Ostdeutschland lässt erahnen,in welchen Größenordnungen sich dieInanspruchnahme im Westen entwickelnkönnte. Dort liegt die Quote der1-Jährigen bei 47,5% <strong>und</strong> die der2-Jährigen bei 75,2%. Nimmt man dieprozentualen Anteile dieser Altersjahre<strong>und</strong> bezieht diese auf den angestrebtenDurchschnittswert von 35% inWestdeutschland, so hieße das, dassnach der Umsetzung des Rechtsanspruchsbei den 1-Jährigen die Quotebei ca. 40% <strong>und</strong> bei den 2-Jährigenbei ca. 60% liegen dürfte. Das wiederumbedeutet, dass für die 1-Jährigendie Quote der Inanspruchnahme nochum 29 Prozentpunkte <strong>und</strong> für die2-Jährigen noch um 36 Prozentpunktegesteigert werden muss.Matthias Schilling15.03.2006 15.03.2007 15.03.2008Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen,<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in <strong>Kinder</strong>tagespflege, versch. Jahrgänge; eigene Berechnungen15


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Zwischen konfessionellen Trägern <strong>und</strong> Wirtschaftsunternehmen –stabile TrägerlandschaftenAnalysen zur Trägerstruktur von Tageseinrichtungen sind selten zu finden. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass die Datenlagebis 2006 kaum differenzierte Erkenntnisse ermöglichte <strong>und</strong> andererseits sich Veränderungen zumeist auf der lokalen Ebene vollziehen<strong>und</strong> selten eine landes- oder b<strong>und</strong>eseinheitliche Strategie damit verb<strong>und</strong>en ist. Seit 2006 hat sich die Datenlage erheblich verbessert.Mit dem neuen Datenmaterial können nun auch zeitliche Entwicklungen zwischen drei Zeitpunkten beschrieben werden. Nebeneinem allgemeinen Überblick zur Trägerlandschaft in West- <strong>und</strong> Ostdeutschland werden zwei aktuelle Fragestellungen behandelt. Inden letzten Jahren haben die Kirchen angekündigt, dass sie sich angesichts der wegbrechenden Kirchensteuereinnahmen z.T. aus derTrägerschaft von Tageseinrichtungen zurückziehen müssen, da sie den finanziellen Eigenanteil (teilweise bis zu 19% der Betriebskosten)nicht mehr aufbringen können. Zeigt sich dieser angekündigte Rückzug auch in der Realität? Zudem sollte im Lichte der anstehendenAusbauanstrengungen der Angebote für unter 3-Jährige die öffentliche Förderung auch auf nicht gemeinnützige, privatgewerblicheTräger ausgeweitet werden. Hat sich die Trägerlandschaft in dieser Hinsicht verändert?Die Trägerlandschaft in West<strong>und</strong>OstdeutschlandWelche Träger in welchem Umfang Tageseinrichtungenbetreiben, hängt sehrstark von den regionalen Gegebenheitenab, insbesondere davon, ob die Regionin West- oder Ostdeutschland liegt.Deshalb muss die Trägerlandschaft fürWest- <strong>und</strong> Ostdeutschland getrenntdargestellt werden. In Westdeutschlandhaben die evangelischen <strong>und</strong> katholischenKirchengemeinden sowie diekirchlichen Wohlfahrtsverbände immernoch die größte Bedeutung bei den Angebotenim <strong>Kinder</strong>gartenalter. Fast dieAbb. 1: <strong>Kinder</strong> in Tageseinrichtungen nach Alter <strong>und</strong> Art des Trägersder besuchten Einrichtung (West- <strong>und</strong> Ostdeutschlandeinschl. Berlin; 2008; Angaben in %)Westdeutschlandunter 3 Jahren3bisunter8Jahre8bisunter14Jahreunter 3 Jahren3 bis unter 8 Jahre8bisunter14JahreÖffentlicherTräger29,5 32,1 14,1 19,8 4,434,6 48,1 10,9 6,0 0,441,6 26,3 15,9 15,6 0,60 20 40 60 80 100in %Ostdeutschland38,9 11,1 33,8 15,041,9 12,2 31,1 14,00 20 40 60 80 100in %EKD/Diakonie<strong>und</strong> kath.Kirche/Caritas59,1 5,2 23,2 12,3Hälfte (48%) aller <strong>Kinder</strong> im Alter von 3bis 8 Jahren besuchen einen kirchlichen<strong>Kinder</strong>garten (vgl. Abb. 1). Bei den unter3-Jährigen beträgt der Anteil der Kirchenca. ein Drittel. In diesem Bereichhaben sich insbesondere die sonstigenTräger, zumeist Elterninitiativen, mitknapp 20% etabliert.Wirtschaftsunternehmen, die nichtgemeinnützig ausgerichtet sind, habennur bei den Angeboten für unter 3-Jährigeeine nennenswerte Bedeutung. IhrAnteil beläuft sich dort auf 4,4%. Beiden Hortangeboten stellen die öffentlichenTräger mit 42% den größten Anteil.SonstigeTräger1,20,70,2Nicht konfessionelleWohlfahrtsverbändeWirtschaftsunternehmenQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personenin Tageseinrichtungen 2008; eigene BerechnungenIn Ostdeutschlandhaben dieKirchengemeindeninallenAltersgruppennur einesehr geringe Bedeutung.Bei den<strong>Kinder</strong>n im Altervon 3 bis 8 Jahrenliegt ihr Anteil zwischen11% <strong>und</strong>12%. In Ostdeutschlandhabendie nicht konfessionellenWohlfahrtsverbände(ca. 30%)<strong>und</strong> die öffentlichenTräger (ca.40%) die größteBedeutung. DieAngebote fürSchulkinder sindmit einem Anteilvonfast60%weiterhineineDomänederöffentlichen Träger.Bedeutungsabnahme deröffentlichen Träger inOstdeutschlandÜber alle Altersgruppen ist der Anteilder öffentlichen Träger zwischen 2006<strong>und</strong> 2008 um jeweils 4 Prozentpunktezurückgegangen. Die Rückgänge beidenöffentlichenTrägernhabensichinsbesondere zu Gunsten der sonstigenTräger verschoben. Dahinter verbergensich in erster Linie einzelne juristischePersonen wie z.B. Elterninitiativen.Absolut hat die Anzahl der <strong>Kinder</strong>,die Einrichtungen solcher Trägerbesuchen, um 25.000 <strong>Kinder</strong> zugenommen.Dieses Ergebnis könnte einHinweis darauf sein, dass es bestimmteBedarfslagen gibt, die die traditionellenTräger nicht mehr bedienen wollenoder können <strong>und</strong> hier verstärkt dieEigeninitiative von Betroffenen gefragtist.Abbau von <strong>Kinder</strong>gärten beikonfessionellen <strong>und</strong> öffentlichenTrägern in WestdeutschlandBetrachtet man die zeitliche Entwicklungder Trägeranteile in Westdeutschland,so deuten sich zwischen 2006<strong>und</strong> 2008 nur sehr geringfügige Veränderungenan. So ist etwa der Anteil derKirchen bei den Angeboten für 3- bisunter 8-Jährige (<strong>Kinder</strong>garten) von48,6% auf 48,1% (-0,5 Prozentpunkte)gesunken, der Anteil der öffentlichen16


März 20<strong>09</strong>Träger von 35,7% auf 34,6%(-1,1 Prozentpunkte).Ähnliche Tendenzen zeigensich auch bei den Angebotenfür unter 3-Jährige<strong>und</strong> für <strong>Kinder</strong> im Hortalter.Da bei der Analyse der Prozentwertejedoch Veränderungender Gr<strong>und</strong>gesamtheitunberücksichtigt bleiben,sind die absoluten Werteein präziserer Indikator fürVeränderungen.Ein <strong>Blick</strong> auf die träger-Evang. Kirche D./DiakonieKath. Kirche/CaritasÖffentlicheTrägerSonstigeTrägerspezifischen Veränderungenbei den <strong>Kinder</strong>gärtenzeigt, dass dieses Felddurch die demografischenVeränderungen am stärkstenvon Rückgängen betroffenist. Dabei sind diehöchsten Rückgänge beidenöffentlichenTrägernzubeobachten,<strong>und</strong> zwar von 715.<strong>09</strong>0 auf 678.555<strong>Kinder</strong>, also einem Minus von 36.535<strong>Kinder</strong>nbzw.5,1%(vgl.Abb.2).Beiden katholischen Kirchengemeinden/derCaritas ist die Anzahl der betreuten<strong>Kinder</strong> um ca. 21.000 (-3,6%)<strong>und</strong> bei den evangelischen Kirchengemeinden/der Diakonie um etwaWirtschaftsunternehmen2006200820062008200620082006200820062008Abb. 3: <strong>Kinder</strong> in Tageseinrichtungen von Wirtschaftsunternehmennach Altersgruppen (Westdeutschland;2006-2008; Angaben absolut)Anzahl10.0008.0006.0004.0002.00007.5707.2988.5076.9587.7793bisunter unter 3 Jahren14 Jahre15.03.2006 15.03.2007 15.03.2008Abb. 2: 3- bis unter 8-Jährige in Tageseinrichtungen nach Art des Trägers(Westdeutschland; 2006 <strong>und</strong> 2008; Angaben absolut)308.740331.<strong>09</strong>6397.357388.9340 250.000 500.000 750.000Anzahl8.500 (-2,1%) zurückgegangen. Zuwächseverzeichnen unterdessen diesonstigen Träger mit einem Plus vonr<strong>und</strong> 22.000 betreuten <strong>Kinder</strong>n(+7,2%). Die Ergebnisse machendeutlich, dass sich die beiden großenKirchen etwas aus der Trägerschaftder <strong>Kinder</strong>gärten zurückgezogen haben,»Ausstiegstendenzen« bei denöffentlichen Trägern jedochdeutlich stärker ausgeprägtsind.Wird die frühkindlicheBildung zumGeschäft?<strong>Kinder</strong>tageseinrichtungenwerden seit jeher fast ausschließlichvon öffentlichen<strong>und</strong> freigemeinnützigenTrägern betrieben. Wirtschaftsunternehmenbzw.privatgewerbliche Trägerbewegten sich nur in einigenNischen. Aufgr<strong>und</strong>des anstehenden Ausbaubedarfswurde angestrebt,die Einrichtungen dieserTräger ebenfalls mit öffentlichenMitteln zu fördern.Zwar wurde letztlich keineb<strong>und</strong>eseinheitliche Rege-575.556554.580715.<strong>09</strong>0678.555Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen inTageseinrichtungen 2006 <strong>und</strong> 2008; eigene Berechnungen4.1354.6897.451Quelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong><strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen, versch. Jahrgänge;eigene Berechnungenlung durchgesetzt, dennochräumen mehrereLänder entsprechendeFördermöglichkeitenein.Da sich der Ausbaubedarffür unter 3-Jährigein erster Linie aufWestdeutschland bezieht,wird nachfolgendnur die Entwicklung inden westlichen B<strong>und</strong>esländernanalysiert. Zwischen2007 <strong>und</strong> 2008wurden die Angeboteder Wirtschaftsunternehmenausgeweitet.Die Anzahl dieser Einrichtungenerhöhte sichvon 418 auf 606, wasimmerhin einer Steigerungum 45% entspricht.Zwischen 2006 <strong>und</strong> 2007 gabes nur einen kleinen Zuwachs von 26Einrichtungen.Die Anzahl der betreuten <strong>Kinder</strong> bisunter 14 Jahren stieg zwischen 2006<strong>und</strong> 2008 von 11.700 auf 16.000. <strong>Der</strong>größte prozentuale Zuwachs ist allerdingsbei den betreuten <strong>Kinder</strong>n im Altervon unter 3 Jahren zu beobachten.Ihre Anzahl erhöhte sich von ca. 4.100auf 7.500 bzw. um 80% (vgl. Abb. 3).Wendet man noch einmal den <strong>Blick</strong><strong>und</strong> fragt nach dem Anteil der Wirtschaftsunternehmenam Ausbau, sowird deutlich, dass die privatgewerblichenTräger nicht völlig bedeutungslossind. Zwischen 2006 <strong>und</strong> 2008 wurdenin Westdeutschland ca. 51.000 zusätzlicheAngebote für unter 3-Jährige geschaffen.Hiervon entfallen immerhin3.300 bzw. 7% auf Wirtschaftsunternehmen.Insgesamt ist die Bedeutung derWirtschaftsunternehmen mit einem Anteilvon 4,4% an den Angeboten für unter3-Jährige zwar relativ gering, dieAnalysen zeigen aber, dass bei denWirtschaftsunternehmen offensichtlichetwas mehr Dynamik steckt, als bei denbisherigen Trägergruppen.Matthias Schilling17


<strong>Heft</strong> 1/<strong>09</strong>Akademisierung in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen – Schein oder Sein?Die Diskussion um die Ausbildung der Erzieher/-innen ist seit den 1970er-Jahren ein Dauerbrenner in Fachkreisen: Zugangsvoraussetzungen,Verschulung, Breitbandausbildung, unzureichende Praxisorientierung auf der einen Seite <strong>und</strong> fehlende Wissenschaftsorientierungauf der anderen Seite waren <strong>und</strong> sind Themen, um die gerungen wird. Um die Jahrtausendwende erhielt diese Debatteneuen Zündstoff: Die Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse führte zu einer stärkeren Betonung des Bildungsauftrags von <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen<strong>und</strong> damit geriet auch das Qualifikationsprofil der dort Tätigen erneut auf den Prüfstand. Und im Rahmen desBologna-Prozesses zur Internationalisierung <strong>und</strong> Modularisierung von Studiengängen wurden zahlreiche, auf die frühe Kindheit spezialisierteStudiengänge an Fachhochschulen implementiert. Konsens besteht mittlerweile darüber, dass die Leitungspositionen in<strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen mit hochschulausgebildeten Fachkräften besetzt werden sollten. Inwiefern haben diese Entwicklungen Bewegungin das Feld der <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen gebracht? Sind die Hochschulabsolventen/-innen in den <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen,speziell in Leitungspositionen angekommen?Große Unterschiede zwischenden B<strong>und</strong>esländernIm Jahr 2008 lag die Akademikerquoteunter den Leitungskräften in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungenbei 21,6% (vgl. Tab.1). Nach wie vor zeigen sich erheblicheUnterschiede zwischen den einzelnenB<strong>und</strong>esländern. Die einzelnen B<strong>und</strong>esländerlassen sich bezogen auf die Entwicklungihrer Akademikerzahlen indrei Gruppen unterteilen: ZunächstB<strong>und</strong>esländer mit einer weit überdurchschnittlichenAkademikerquote.Hierzu zählen mit r<strong>und</strong> 30% Berlin, Hessenoder Schleswig-Holsteinsowie die beidenStadtstaaten Hamburg <strong>und</strong>Bremen mit Anteilen vonüber 50%. Diese Zahlendeuten darauf hin, dass indiesen B<strong>und</strong>esländerneine gezielte Umsteuerunghin zu einer Akademisierungder Leitungsebenestattgef<strong>und</strong>en hat bzw.stattfindet. Und tatsächlichsind in diesen B<strong>und</strong>esländern– insbesondere in Berlin– überproportional hoheAnstiege seit 2002 zubeobachten.An zweiter Stelle liegenB<strong>und</strong>esländer, die mit Anteilenzwischen 19% <strong>und</strong>25% um den b<strong>und</strong>esdeutschenDurchschnitt streuen.Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg,Sachsen<strong>und</strong> Niedersachsenzählen hierzu. In der drittenGruppe sind die an Hochschulenausgebildeten Fachkräfte unterden Leitern/-innen unterrepräsentiert.Hierzu zählen neben Nordrhein-Westfalen<strong>und</strong> dem Saarland vorallem die östlichen B<strong>und</strong>esländer. Siekommen auf Anteile von 8% bis 14%.Einzige Ausnahme unter den östlichenB<strong>und</strong>esländern ist Sachsen mit einernur leicht unterdurchschnittlichen Akademikerquotevon 18,3%. Allerdings istbei den östlichen B<strong>und</strong>esländern inRechnung zu stellen, dass diese von einemdeutlich niedrigerem Niveau ausgestartet sind als die westlichen B<strong>und</strong>esländer.Zieht man auch hier die Anteileder hochschulausgebildeten Leitungskräfteaus dem Jahr 2002 heran,zeigen sich erhebliche Anstiege in derAkademikerquote: In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg <strong>und</strong> Sachsen-Anhaltist sie um das eineinhalbbiszweifache gestiegen. In Thüringenarbeiten in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungenheute viermal so viele <strong>und</strong> in Sachsensogar neunmal so viele hochschulausgebildeteLeitungskräfte wie noch imJahr 2002.Tab. 1: Leitungskräfte in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen insgesamt <strong>und</strong> mit Hochschulabschluss(B<strong>und</strong>esländer; 2006-2008; Angaben absolut <strong>und</strong> Anteile in %)2006 2007 2008Insgesamt dar.: mit Insgesamt dar.: mit Insgesamt dar.: mitHS 1 insg.HS 1 insg.HS 1 insg.Schleswig-H. 604 26,7 618 27,8 640 28,6Hamburg 606 53,1 642 52,0 684 52,5Niedersachsen 1.551 26,8 1.599 27,6 1.646 25,0Bremen 192 58,3 233 57,1 218 54,1Nordrhein-W. 4.403 13,7 4.438 13,8 4.526 13,8Hessen 1.423 28,5 1.354 28,7 1.434 29,0Rheinland-Pfalz 533 15,4 504 15,9 525 18,9Baden-Württ. 788 20,4 852 20,7 946 19,8Bayern 245 20,8 368 20,9 436 22,9Saarland 118 12,7 119 11,8 1<strong>09</strong> 11,9Berlin 585 15,2 550 33,6 553 30,7Brandenburg 419 7,6 314 7,6 326 8,3Mecklenburg-V. 361 12,7 361 11,4 338 14,5Sachsen 1.116 9,9 1.138 14,9 1.190 18,3Sachsen-Anhalt 208 7,2 233 8,2 225 12,0Thüringen 323 7,1 213 11,7 205 14,1Deutschland 13.475 19,6 13.536 21,4 14.001 21,61 HS: HochschulabschlussQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personen in Tageseinrichtungen, versch.Jahrgänge; eigene Berechnungen18


März 20<strong>09</strong>Stillstand auch auf derLeitungsebene?Schaut man sich die Akademikerquoteauch in den anderen Arbeitsbereichenan, also im Bereichder Gruppenleitung, derZweit- <strong>und</strong> Ergänzungskräfte, imBereich der Förderung von <strong>Kinder</strong>nnach dem SGB VIII/SGB XIIsowie bei den gruppenübergreifendTätigen, so zeigen sich hierweiterhin Akademikerquoten in einernahezu vernachlässigbarenGrößenordnung: Sie lagen imJahr 2008 mit 8,1% noch amhöchsten beim Personal des Arbeitsbereichs›Förderung von <strong>Kinder</strong>nnach SGB VI-II/SGB XII‹.Gruppenübergreifend Tätige kamenauf eine Akademikerquotevon 3,4%, Gruppenleiter/-innenlagen bei 2,6% <strong>und</strong> erwartungsgemäßam niedrigsten war der Anteil hochschulausgebildeterFachkräfte bei denZweit- <strong>und</strong> Ergänzungskräften mit 1,7%(vgl. Abb. 1).Dabei blieben die Akademikerquotenin diesen Arbeitsbereichen in denvergangenen Jahren erstaunlich stabil:Mit Ausnahme der Leitungsebene lassensich in keinem der genannten ArbeitsbereicheVeränderungen in denAnteilen der hochschulausgebildetenFachkräfte beobachten.Aber auch bei den Leitern/-innenscheintdie–fürdieersteHälfteder2000er-Jahre konstatierte – Entwicklungsdynamikvorerst gebremst zu sein:Abb. 1: Hochschulausgebildete Fachkräfte in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungennach Arbeitsbereichen (Deutschland; 2008; Anteile in %)2521,620%-Anteil■ Die Akademisierung in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungenfand in den letztenJahren vor allem bei den Leitungskräftenstatt.■ Auch bei den Leitungspositionenscheint die Entwicklungsdynamikdes Akademisierungsprozesses(vorübergehend?) gebremst.■ Nach wie vor sind die Unterschiedeim Akademisierungsgrad zwischenden einzelnen B<strong>und</strong>esländern groß.■ Die östlichen B<strong>und</strong>esländer holenim Hinblick auf die Einstellung hochschulausgebildeterFachkräfte auf.1510503,0Freigestellte GruppenleitungEinrichtungsleitung1,9Nachdem zwischen 2002 <strong>und</strong> 2006 derAnteil hochschulausgebildeter Fachkräftein Leitungspositionen von 15,3%auf 19,6%, <strong>und</strong> damit um immerhin gutvier Prozentpunkte angestiegen ist, <strong>und</strong>auch zwischen 2006 <strong>und</strong> 2007 noch einmalein Anstieg um fast zwei Prozentpunkteauf 21,4% zu beobachten war,kam es zwischen 2007 <strong>und</strong> 2008 zurStagnation. <strong>Der</strong> Anteil der hochschulausgebildetenFachkräfte unter den Einrichtungsleitern/-innenlag im Jahr 2008mit 21,6% fast auf gleicher Höhe wie imJahr 2007.Die östlichen Länder holen auf!Wirft man noch einmal einen <strong>Blick</strong> zurückauf die letzten drei Jahre, so ist in diesemZeitraum der Anteil hochschulausgebildeterFachkräfte auf der Leitungsebenenur um 2% gestiegen. Und dabei lässtsich kein für Gesamt-Deutschland gültigerTrend ausmachen. Vielmehr sind eseinzelne B<strong>und</strong>esländer, die hier zu Bucheschlagen. Und so erstaunt es nicht, dasssich auch bei der Entwicklung der Akademikerquoteerhebliche Unterschiedezwischen den B<strong>und</strong>esländern zeigen. Inden östlichen B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong> in Berlinhaben die hochschulausgebildetenFachkräfte stärker zugelegt als in denwestlichen B<strong>und</strong>esländern. In Niedersachsen<strong>und</strong> in Bremen ist die Akademikerquotesogar wieder leicht gefallen <strong>und</strong>8,6Förderungvon <strong>Kinder</strong>nnachSGB VIII/XIIQuelle: StaBa: Statistiken der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe – <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> tätige Personenin Tageseinrichtungen 2008; eigene BerechnungenZweit-/Ergänzungskraftzwar um 1,9 bzw. 4,2Prozentpunkte. Lässtsich hieran ein ›Zurückrudern‹in Bezugauf die Einstellungspraxisder letztenJahre erkennen?Besonders hochist der Zuwachs inden letzten drei JahreninBerlinausgefallen:Hier ist der An-3,3teil der hochschulausgebildetenFach-Gruppenübergreifendtätig Jahr 2006 auf 30,7%kräfte von 15,2% imim Jahr 2008 <strong>und</strong> damitum r<strong>und</strong> 16 Prozentpunktegestiegen.Ebenfalls deutlichzugelegt habendie Länder Sachsen, Thüringen <strong>und</strong>Sachsen-Anhalt mit Zuwächsen von 5bis 9 Prozentpunkten. Von den westlichenB<strong>und</strong>esländern hat lediglichRheinland-Pfalz einen überdurchschnittlichhohen Anstieg zu verzeichnen.Hier stieg die Akademikerquote beiden Leitungspositionen um 3,5 Prozentpunkteauf 18,9%.Selbst wenn in Rechnung gestelltwird, dass sich die Akademisierung einesBerufsfeldes nur langsam <strong>und</strong>schrittweise vollziehen kann – etwawenn aufgr<strong>und</strong> von Altersausstiegenfrei werdende Stellen mit hochschulausgebildetenFachkräften besetztwerden –, so wäre auch weiterhin einzwar geringer, gleichwohl kontinuierlicherAnstieg zu erwarten gewesen.Eine Voraussetzung hierfür wäre jedocheine flächendeckende <strong>und</strong> gezieltePersonalpolitik der Einstellungsträgergewesen. Die jüngsten Entwicklungenlassen keine Hinweise auf einederartige Strategie vermuten.Kirsten Fuchs-Rechlin19


12. JahrgangHerausgeber:Prof. Dr. Th. RauschenbachRedaktion:Dr. Jens PothmannDr. Matthias SchillingSandra FendrichErscheinungsweise: 3-mal jährlichImpressumISSN 1436-1450Dortm<strong>und</strong>er <strong>Arbeitsstelle</strong> <strong>Kinder</strong>- &Jugendhilfestatistik – AKJ StatTechnische Universität Dortm<strong>und</strong>FB12/Forschungsverb<strong>und</strong> DJI/TUDoCDI-Gebäude, Vogelpothsweg 7844227 Dortm<strong>und</strong>Tel.:Fax:www.akjstat.uni-dortm<strong>und</strong>.deE-Mail: komdat@fb12.uni-dortm<strong>und</strong>.deBezugsmöglichkeiten:Die Ausgaben von Kom Dat sind kostenfrei.Die <strong>Heft</strong>e werden als PDF-Datei perE-Mail oder als Druckfassung auf demPostwege verschickt.Satz: AKJ StatDruck: Offsetdruck J. Heinze Dortm<strong>und</strong>20Statistische ÄmterAuch in diesem Jahr werden die StatistischenÄmter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Ländereine Übersicht der Inanspruchnahmeder <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung für alleKreise <strong>und</strong> kreisfreien Städte herausgeben.Die Broschüre ›Kita regional 2008‹erscheint bis Ende April. <strong>Der</strong>zeit verfügbarist die im Mai 2008 veröffentlichteAusgabe »<strong>Kinder</strong>tagesbetreuung regional2007« (www.destatis.de > Publikationen> Publikationsservice).Neues aus der AKJ Stat <strong>und</strong>dem Forschungsverb<strong>und</strong>Zusammen mit dem LandesjugendamtWestfalen-Lippe hat der Forschungsverb<strong>und</strong>DJI/TU Dortm<strong>und</strong> am 05. Februardieses Jahres eine Veranstaltungzur Teamberatung als Qualitätsmerkmalim Allgemeinen Sozialen Dienstdurchgeführt. Im Rahmen der Tagung»Ganz alleine geht es nicht!« wurdeeine Untersuchung des Forschungsverb<strong>und</strong>eszu den Rahmenbedingungensowie zu den Definitions- <strong>und</strong> Entscheidungsprozessenin institutionalisiertenTeamberatungen durchgeführt.Die dokumentierten Beiträge der Veranstaltungstehen im Internet zur Verfügung(www.akjstat.uni-dortm<strong>und</strong>.de).Unter Beteiligung der AKJ Stat veranstaltetdie Universität Jena am 14. <strong>und</strong>15. Mai dieses Jahres einen Kongresszur <strong>Kinder</strong>armutsprävention: »Wir brauchenalle! Strategien gegen <strong>Kinder</strong>armut<strong>und</strong> Bildungsbenachteiligung«.(www.kinderarmut.uni-jena.de).Am 17. <strong>und</strong> 18. Juni dieses Jahresveranstaltet die Stadt Dortm<strong>und</strong> zusammenmit der TU Dortm<strong>und</strong> einenKongress zum Thema »Familien stärken& unterstützen«. Die Veranstaltungbietet ein breites thematisches Spektrum.Es geht um Familienfre<strong>und</strong>lichkeit<strong>und</strong> -gerechtigkeit von Kommunen,Vernetzung <strong>und</strong> Ressourcenbündelung,Integration <strong>und</strong> interkulturelle Vielfalt,Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf,<strong>Kinder</strong>tagesbetreuung <strong>und</strong> offeneGanztagsschule oder auch Möglichkeitender Prävention im <strong>Kinder</strong>schutz(www.familienkongress.dortm<strong>und</strong>.de).In diesem <strong>Heft</strong> verwendete LiteraturAutorengruppe Bildungsberichterstattung(Hrsg.): Bildung in Deutschland 2008. Einindikatorengestützter Bericht mit einerAnalyse zu Übergängen im Anschluss anden Sek<strong>und</strong>arbereich I, Gütersloh 2008.[BMJFFG] B<strong>und</strong>esminister für Jugend, Familie,Frauen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit (Hrsg.): AchterJugendbericht. Bericht über Bestrebungen<strong>und</strong> Leistungen der Jugendhilfe,Bonn 1990.[DJI/AKJStat] Deutsches Jugendinstitut/<strong>Arbeitsstelle</strong><strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfestatistik:Zahlenspiegel 2007. <strong>Kinder</strong>betreuungim Spiegel der Statistik, München 2007.Fegert, J.M./Ziegenhain, U. (Hrsg.): Hilfen fürAlleinerziehende. Die Lebenssituation vonEinelternfamilien in Deutschland, Weinheimu.a. 2003.Hammer, V.: Einelternfamilien mit besonderenBelastungen. Praxis- <strong>und</strong> Forschungserfahrungen,in: J.M. Fegert, U. Ziegenhain,Weinheim u.a. 2003, S. 47-58.Kunkel, C./Haas, G.: Die Eingliederungshilfenach § 35a SGB VIII in der Neufassungdurch das KICK aus rechtlicher <strong>und</strong> medizinischerSicht, in: Zeitschrift für Kindschaftsrecht<strong>und</strong> Jugendhilfe, 2006, <strong>Heft</strong>3, S. 148-153.Münder, J. u.a.: Frankfurter Kommentar zumSGB VIII: <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe, 5. 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Schrapper (Hrsg.): Zukunftder Erziehungsberatung. Herausforderungen<strong>und</strong> Handlungsfelder, Weinheim u.München 2006, S. 43-60.Schilling, M./Pothmann, J.: HzE Bericht 2000.Entwicklung <strong>und</strong> Stand der Hilfen zur Erziehungin Nordrhein-Westfalen, Dortm<strong>und</strong>2002.Schilling, M. u.a.: HzE-Bericht 2007. Hilfen zurErziehung in Nordrhein-Westfalen, Dortm<strong>und</strong>u.a. 2007.Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.): FamilienlandDeutschland, Berlin 2008a (einschl. Tabellenanhang).Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.): Bevölkerung<strong>und</strong> Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergr<strong>und</strong>– Ergebnisse des Mikrozensus2007, Wiesbaden 2008b.Strantz, C.: Zur Armutssituation von Familienin Deutschland, in: Statistisches MonatsheftBaden-Württemberg, 2006, <strong>Heft</strong> 3.Tammen, B.: Eingliederungshilfen für seelischbehinderte <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, in: J.Münder/R. Wiesner (Hrsg.): <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong>Jugendhilferecht, Baden-Baden 2007, S.275-286.

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