PEP Nr. 3 2003 - Polarity-Verband Deutschland eV
PEP Nr. 3 2003 - Polarity-Verband Deutschland eV
PEP Nr. 3 2003 - Polarity-Verband Deutschland eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
die zum ersten Mal im Susutra Samhita zu finden ist und dazu<br />
dient, Rektalfisteln zu kurieren.<br />
Als wir zum Büro von Dekan Sarma zurückkommen, schlägt<br />
er vor, dass ich morgen vielleicht eine Vorlesung geben möchte,<br />
damit sie mehr über <strong>Polarity</strong> Therapie lernen können. Ich<br />
stimme zu, ohne groß darüber nachzudenken. Später an diesem<br />
Abend, als ich im Bett liege, kommt mir die Ironie meiner<br />
Situation in den Sinn. Ich war nach Indien gekommen um<br />
zu lernen. Weil Ayurveda die Mutter der <strong>Polarity</strong> ist, hatte ich<br />
nicht erwartet, dass ich den Ausübenden einer so reichen<br />
Tradition etwas bieten könne. Ein Irrtum offensichtlich, da sie<br />
sich nur zu begierig zeigen, etwas über Dr. Stones Interpretation<br />
des Heilungsprozesses zu erfahren.<br />
Am nächsten Morgen sitze ich zusammen mit einem vornehm<br />
aussehenden, älteren Herrn auf einem Podium. Der Dekan<br />
spricht einführende Worte zum Publikum, geht zu dem neben<br />
mir Sitzenden und legt ihm eine Blumengirlande um die<br />
Schultern. Die Zuhörer applaudieren, während mein Nachbar<br />
würdevoll die Hände zusammenbringt und sich leicht nach<br />
vorne neigt. Der Dekan kommt mit einer Girlande auf mich<br />
zu. Erstaunt realisiere ich, dass er die Absicht hat, sie mir um<br />
die Schultern zu legen! Welche Reaktion wird von mir erwartet?<br />
Da mir keine Zeit bleibt, darüber nachzudenken, imitiere<br />
ich die Verneigung meines Nachbars, außer dass meine<br />
Version, so vermute ich, mein verlegenes Erstaunen verrät. Das<br />
Auditorium applaudiert trotzdem.<br />
Dekan Sarma gibt mir zu verstehen, dass ich nun sprechen<br />
soll. Ich blicke in offene und interessierte Gesichter. Während<br />
die Anspannung von mir abfällt, halte ich meinen einführenden<br />
<strong>Polarity</strong>-Vortrag, den ich schon tausend Mal vorher gehalten<br />
habe: »Dr. Stone ... bla bla bla ... Energie ... bla bla bla ...<br />
Fünf Elemente ... bla bla bla ... Polarisation ... bla bla bla ...<br />
Elektromagnetische Kraft ... etc. ...«<br />
Das Publikum reagiert mit interessanten Fragen: »Bringt es die<br />
Kundalini Energie dazu, aufzusteigen?« »Wie sieht die<br />
Verbindung zwischen dieser Energie und den Ojas aus dem<br />
Ayurveda aus?« Als nächstes stellt Professor Gurdipsingh einen<br />
Patienten für eine Demonstration vor. Er trägt einen <strong>Verband</strong><br />
um den Hals, verspürt starke Schmerzen in seiner rechten<br />
Schulter und im Hals und kann seinen Kopf nur noch eingeschränkt<br />
drehen. Beim Palpieren stelle ich fest, dass die<br />
Schultern stark verspannt sind, genau wie Nieren- und Knöchel-<br />
Reflexe. Ich entscheide, eine Luft-Triade zu demonstrieren. Ein<br />
Arzt aus dem Auditorium erwähnt, dass im Ayurveda diese<br />
Symptome als Irritation des Luftelements betrachtet werden.<br />
Ich frage nach Freiwilligen unter den Zuhörern und positioniere<br />
sie so, dass sie Energiepunkte am Knöchel, der Niere und<br />
den Schultern gleichzeitig verbinden (siehe Foto).<br />
Bald spüren sie den Energiefluss, hocherfreut über das kribbelnde,<br />
warme Gefühl. Nachdem die Energie sich gelöst und<br />
ausbalanciert hat, setzt sich der Patient auf. Auf seinem Gesicht<br />
breitet sich erleichtertes Erstaunen aus. Er berichtet, dass der<br />
Schmerz vollständig verschwunden ist. Als wir ihn bitten, den<br />
Kopf von einer Seite zur anderen zu bewegen, können wir<br />
sehen, dass er seine volle Beweglichkeit zurückerlangt hat.<br />
Bei der Diskussion über den Fall mit dem Auditorium erfahre<br />
ich später, dass die konventionelle Ayurvedische Behandlung<br />
über mehrere Wochen nur zu einer leichten Besserung geführt<br />
hatte. Dies unterstreicht Dr. Stones einzigartigen Beitrag zu<br />
den Heilkünsten. Ihm ist es gelungen das Energiekonzept aus<br />
dem Yoga/Ayurveda zu nutzen, Techniken der klassischen<br />
Osteopathie und Chiropraktik umzuwandeln und daraus eine<br />
6<br />
ayurveda & polarity in indien<br />
polarity energie post / <strong>2003</strong><br />
Synthese zu schaffen, die sogar in Situationen effektiv ist, in<br />
denen beide »Eltern«-Therapien keinen nennenswerten Erfolg<br />
verzeichnen konnten. Obwohl Ayurvedische Ärzte Massage routinemäßig<br />
als Teil ihrer Punchakarma Behandlung nutzen,<br />
besitzt diese Methode doch nicht annähernd die Komplexität<br />
von <strong>Polarity</strong>, welches ironischerweise näher an das indische<br />
Energiekonzept angelehnt zu sein scheint als klassische indische<br />
Massage.<br />
Andererseits beinhaltet Ayurveda eine Fülle naturheilkundlicher<br />
und phytotherapeutischer Therapien, die <strong>Polarity</strong> ergänzen und<br />
so seine Wirksamkeit erhöhen können.<br />
Am Ende meiner Vorlesung ist die Gruppe aufgeregt über die<br />
Aussicht, <strong>Polarity</strong> und Ayurveda zusammen unter dem Mantel<br />
einer Energietheorie zu nutzen. Später, beim Abendessen mit<br />
heißem Curry und einem kühlen Mango-Lassi, diskutieren die<br />
Mitglieder der Fakultät und ich die Ayurveda-Ausbildung der<br />
Gujarat Universität für Menschen aus dem Westen, die im<br />
Gesundheitssystem tätig sind. Es handelt sich um ein<br />
Vollzeitstudium von drei Monaten Dauer mit einer Reihe von<br />
theoretischen und klinischen Themen, die in kleinen Klassen<br />
behandelt werden, und praktischen Erfahrungen im<br />
Lehrkrankenhaus. Es klingt nach einem exzellenten Programm,<br />
und der Preis ist für uns aus dem Westen gut tragbar. Vielleicht<br />
werde ich eines Tages hierher zurückkommen und es absolvieren.<br />
Wer sich für die Ausbildung interessiert kann an folgende<br />
Adresse schreiben: Foreign Health Professional`s<br />
Training Program, Gujarat Ayurveda University, Jamnagar 361<br />
008, India, www.ayurveduniversity.com.<br />
Ich bin schon wieder unterwegs nach Punjab und zu neuen<br />
Abenteuern, dankbar, dass dieses so gut ausgegangen ist.<br />
Fußnoten<br />
1. Ayurveda ist allgemein gut integriert in die indische<br />
Gesellschaft, von Seiten des Gesetzes her anerkannt, die<br />
Ausbildung wir vom Staat finanziert und es verfügt über eine<br />
eigene professionelle Organisation. Naturheilkunde und<br />
Homöopathie erfreuen sich ähnlicher Vorteile.<br />
2. Caraka Samhita (circa 200) ist die älteste bestehende wissenschaftliche<br />
Abhandlung über Ayurvedische Medizin. Darauf<br />
folgt Susutra Samhita (circa 300) mit dem Schwerpunkt<br />
Chirurgie. Die mündliche Überlieferung lässt sich noch weiter<br />
zurückverfolgen. Obwohl es noch weitere vier Texte gibt,<br />
die von früher erhalten sind und als die Veden zusammengefasst<br />
werden, wird keiner davon als Ayurveda bezeichnet. (Es<br />
sind dies die Rig, Atharna, Sama und Yajur Veden, die das klassische<br />
Werk des Hinduismus bilden.) Atharna Veda (circa 1700)<br />
enthält einige medizinische Ratschläge, aber die meisten sind<br />
magischer Natur und stehen im Widerspruch zur empirischen<br />
Herangehensweise des Ayurveda. »Veda« wird wörtlich als<br />
Wissen übersetzt, »ayur« als Leben. Aurveda kann also als<br />
Wissen um das Leben bezeichnet werden. In dieser allgemein<br />
gehaltenen Bedeutung will der Begriff Ayurveda verstanden<br />
sein, nicht im engeren Sinn als »Text«.<br />
Der Autor<br />
Howard Kiewe ist <strong>Polarity</strong> Therapeut RPP, Ausbilder, Forscher<br />
und Autor von »New Paradigms for Life, Energy and <strong>Polarity</strong><br />
Therapy«.<br />
Der Originalartikel erschien im APTA-Newsletter »Energy«,<br />
Ausgabe Winter 1997. Wir danken Jean Beaulieu stellvertretend<br />
für die freundliche Genehmigung von Übersetzung und<br />
Abdruck!<br />
Übersetzung: Elisabeth Merklin, RPP, Freiburg