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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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durchleben zu können? Und wenn es auch nur e<strong>in</strong>mal, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal [.]“(2/ S.81/ Z.27-34). Beson<strong>der</strong>s<strong>der</strong> Satz „Und wenn diese St<strong>und</strong>e die letzte war, nun so war es die letzte [.]“ zeugt von ihrerschicksalsergebenen E<strong>in</strong>stellung <strong>und</strong> klarsichtigen Auffassung Lenes von ihrer Liebe <strong>und</strong> von Glück.Obwohl Lene, wie gerade geschil<strong>der</strong>t, die kurze geme<strong>in</strong>same Zeit mit Botho so <strong>in</strong>tensiv wie möglichverleben möchte, ist ihr Verhalten doch oft von dem ihr zu eigenen Ernst bestimmt. Kontrolliertunterdrückt sie häufig sentimentale Gefühlsanwandlungen, um ke<strong>in</strong>e Stimmung „[...] von Weichheit <strong>und</strong>Rührung [...]“(2/ S.58/ Z36f.) aufkommen zu lassen. Denn Lene fürchtet, dass sie verletzbar wird, sobaldsie solche Gefühle zulässt <strong>und</strong> zeigt. Somit ist diese Selbstbeherrschung genau wie die schon erwähnteAngewohnheit Lenes, sich die Trennung immer wie<strong>der</strong> vor Augen zu führen, unter an<strong>der</strong>em auch e<strong>in</strong>Mittel, um sich selbst vor dem Schmerz <strong>der</strong> Trennung zu schützen. Geht es um ihre wahren Gefühle, wirdLene trotz aller Fröhlichkeit über e<strong>in</strong> paar unbeschwerte Momente ernst, so zum Beispiel auch bei demschon zitierten Ausflug nach Hankels Ablage, als Lene sich zuerst weigert den Strauß mit ihrem Haar zub<strong>in</strong>den, es aber nach Auffor<strong>der</strong>ung Bothos doch tut <strong>und</strong> die Situation mit e<strong>in</strong>em ernst <strong>und</strong> bedeutendkl<strong>in</strong>genden „Du hast es gewollt [...] Nun bist du geb<strong>und</strong>en [.]“(2/ S.72/ Z.4f.) kommentiert.Doch dient diese Selbstbeherrschung nicht nur ihrer Absicht, sich ke<strong>in</strong>en falschen Hoffnungenh<strong>in</strong>zugeben, son<strong>der</strong>n auch um die Gefühle, die bei dem Gedanken an das bevorstehende Endezwangsläufig aufkeimen müssen, <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> zu drängen, damit sie den Augenblick wirklichauskosten kann. So schiebt sie mit e<strong>in</strong>er Art Selbstaffirmation „Und ich b<strong>in</strong> doch glücklich [.]“(2/ S.80/ 28f.)alle Bedenken <strong>und</strong> Sorgen beiseite, um sich ganz auf dieses momentane Glück konzentrieren zu können.Als weiterer Beweis für Lenes außergewöhnliche Selbstbeherrschung, die mit <strong>der</strong> realistischenE<strong>in</strong>schätzung ihrer Beziehung zusammenhängt, ist ihr würdevoller Abschied, den sie ruhig <strong>und</strong> kontrolliertüber sich ergehen lässt. Erwartet man vielleicht e<strong>in</strong>e große Szene mit Tränen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>enRührseligkeiten, so wi<strong>der</strong>spricht das ganz <strong>und</strong> gar Lenes Wesen. Trotz ihrem emotionalen Schmerz bleibtsie tapfer <strong>und</strong> lässt Botho illusionslos ziehen. Ihr Wunsch „Und wirklich (<strong>und</strong> sie wies h<strong>in</strong>auf) ich wäregerne da. Da hätt‘ ich Ruh‘ [!]“(2/ S.105/ Z.1-3) bezeichnet nicht den Wunsch, ihrem Leben e<strong>in</strong> Ende zusetzen, so wie es Botho zuerst befürchtet, son<strong>der</strong>n ist Ausdruck <strong>der</strong> Sehnsucht Lenes, endlich wie<strong>der</strong>Ruhe <strong>und</strong> Ordnung <strong>in</strong> ihr durch die unstandesgemäße Beziehung aufgewühltes Leben zu br<strong>in</strong>gen. So istdieser vernunftbed<strong>in</strong>gte Ernst, dadurch, dass Lene schon seit K<strong>in</strong>destages an auf sich alle<strong>in</strong>e gestellt ist,zu e<strong>in</strong>em wesentlichen Bestandteil ihres Charakters geworden <strong>und</strong> bee<strong>in</strong>flusst sie auch <strong>in</strong> emotionalenAngelegenheiten.Jedoch ist Lene trotz dieses rationalen Ernst <strong>und</strong> <strong>der</strong> Selbstbeherrschung e<strong>in</strong> emotionaler Mensch, nurversucht sie, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> Gefühlsangelegenheiten sehr kontrolliert ist, damit über ihre eigeneEmpf<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> Verletzbarkeit h<strong>in</strong>weg zu täuschen. Doch da sie eben sehr gefühlsbetont ist, kommtes bei ihr zwar selten, doch immer wie<strong>der</strong> zu plötzlichen emotionalen Anwandlungen, die <strong>in</strong> Kontrast zuihrer sonstigen Zurückhaltung stehen. Selbst ihr Fre<strong>und</strong> Botho w<strong>und</strong>ert sich über die raren‚Gefühlsausbrüche‘, als sie ihn zum Beispiel mit „[...] e<strong>in</strong>er Leidenschaftlichkeit, die ihr sonst ganz fremdwar[.]“(2/ S.60/ Z.34) o<strong>der</strong> „[...] mit be<strong>in</strong>ah leidenschaftlichen Ungestüm [...]“(2/ S.94/ Z.26f.) küßt, denn erist von Lene sonst eher ernste Entschlossenheit gewohnt.In Hankels Ablage, als sich für kurze Zeit <strong>der</strong> Druck <strong>der</strong> Öffentlichkeit von ihr löst, hält diese emotionaleSeite länger als nur den Augenblick des Gefühlsüberschwangs an: „Etwas Entschlossenes <strong>und</strong> be<strong>in</strong>ahHerbes, das sonst <strong>in</strong> ihrem Charakter lag, war wie von ihr genommen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er ihr sonst fremdenGefühlsweichheit gewichen <strong>und</strong> dieser Wechsel schien ihr selber unendlich wohlzutun [.]“(2/ S.67/ Z.20-25). Dort kann Lene nämlich ihre Liebe zum<strong>in</strong>dest für kurze Zeit unbeschwert genießen, was sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>egelöste <strong>und</strong> sanfte Stimmung versetzt.Jedoch s<strong>in</strong>d diese Ausnahmen nicht nur im positiven S<strong>in</strong>n, nämlich als Anwandlungen vonGlücksgefühlen aufzufassen, son<strong>der</strong>n symbolisieren auch den großen Schmerz, unter dem Lene leidet.Da sie normalerweise kaum über ihre Empf<strong>in</strong>dungen spricht, so ist es als Zeichen von großer Belastungzu deuten, wenn sie sich plötzlich ihre schwache Seite e<strong>in</strong>gesteht. Selbst während <strong>der</strong> Trennung bleibtsie tapfer <strong>und</strong> stark <strong>und</strong> offenbart nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kurzen Satz ihren Schmerz: „Me<strong>in</strong>e Kräfte reichen nichtmehr; es war doch zuviel […]“(2/ S.107/ Z.17f.). Auch nach ihrem Zusammenbruch <strong>und</strong> demdarauffolgenden Umzug erholt sich Lene - ihrer kontrollierten, aber doch ges<strong>und</strong>en Art im Umgang mitGefühlen entsprechend – vergleichsweise schnell <strong>und</strong> nur e<strong>in</strong>e „weiße Strähne“(2/ S.122/ Z.29) zeugtnoch von <strong>der</strong> erheblichen psychischen Belastung, unter <strong>der</strong> Lene gelitten hat. Zusammenfassend ist zusagen, dass diese Gefühlsausbrüche bzw. Stimmungsän<strong>der</strong>ungen treffend <strong>in</strong> das Bild passen, dasFontane zeichnet: nämlich das e<strong>in</strong>er jungen Frau, die ihr Leben trotz aller Schwierigkeiten mit e<strong>in</strong>emäußerst seltenen ‚ges<strong>und</strong>en‘ <strong>und</strong> vernünftigen Menschenverstand meistert.Fontane ist dafür bekannt, se<strong>in</strong>e Figuren durch se<strong>in</strong>e herausragende Dialogtechnik immer treffend zucharakterisieren, genau wie es <strong>in</strong> ‚Irrungen, Wirrungen‘ <strong>der</strong> Fall ist. Lene Nimptsch ist dafür das bestesBeispiel, denn ihre Persönlichkeit tritt zum Großteil alle<strong>in</strong> durch ihre Sprache hervor <strong>und</strong> es fällt leicht,nicht nur ausgehend von ihren Handlungen, son<strong>der</strong>n vor allem auch an Hand <strong>der</strong> Dialoge sich e<strong>in</strong> klaresBild von Lene zu machen. An ihr wird beson<strong>der</strong>s deutlich, wie sich ihre bestimmenden Wesenszüge, ihrrationales Denken <strong>und</strong> ihre Natürlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache wi<strong>der</strong>spiegeln. So spricht Lene immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachgebauten, aber klar verständlichen Sätzen, wodurch sich ihr Durchblick <strong>in</strong> Bezug auf ihre Emotionenzeigt. Zwar ist ihr Wortschatz weniger umfangreich als <strong>der</strong> ihres Geliebten Bothos, jedoch drücken se<strong>in</strong>egehobenen <strong>und</strong> teilweise sogar kompliziert formulieren Gedankengänge nur se<strong>in</strong>e eigeneUnentschlossenheit <strong>und</strong> Schwäche aus. Dagegen wird bei Lene weitgehend auf komplizierte Satzgefüge5

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