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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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son<strong>der</strong>n erkennt die ausweglose Situation für ihre Beziehung. Fast weise stellt sie schon zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong>Romanhandlung für ihren Fall fest: „Es heißt immer, die Liebe mache bl<strong>in</strong>d, aber sie macht auch hell <strong>und</strong>fernsichtig [.]“(2/ S.33/ Z.11f.). Dass sie <strong>in</strong> ihrer Beziehung zu Recht ke<strong>in</strong>e Chance sieht, führt sie Bothobei fast jedem Treffen vor Augen: Anfangs noch <strong>in</strong> teilweise naiver Form, <strong>in</strong>dem sie ihren Geliebten mite<strong>in</strong>em Vogel vergleicht: „Aber wegfliegen wirst du, das seh ich klar <strong>und</strong> gewiß.“(2/ S.33/ Z.10), währendsie später <strong>in</strong> ihrer Wortwahl deutlicher wird <strong>und</strong> klarstellt: „[...] aber es geht zu End. Und rasch, ich weißes [.]“(2/ S.95/ Z.2f.). Diese Vermutung bestätigt sich tatsächlich sehr „rasch“, denn e<strong>in</strong>en Tag nachdiesem Gespräch erhält Botho von se<strong>in</strong>er Mutter den entscheidenden Brief, <strong>in</strong> dem sie ihn auffor<strong>der</strong>t,se<strong>in</strong>e reiche Cous<strong>in</strong>e zu heiraten.Lenes klarer Verstand <strong>und</strong> ihre scharfe Beobachtungsgabe s<strong>in</strong>d also nicht getrübt durch ihr großes Maßan Gefühlen. „[..]Lene, die stärkere <strong>und</strong> klarere, gibt sich ke<strong>in</strong>er auch nur vorübergehenden Täuschungh<strong>in</strong> [...]“(3) <strong>und</strong> macht sich auch ke<strong>in</strong>erlei Illusionen über e<strong>in</strong> Fortdauern <strong>der</strong> Beziehung zwischen ihr <strong>und</strong>Botho. E<strong>in</strong>er ihrer Gr<strong>und</strong>sätze: „Man muß allem ehrlich <strong>in</strong>s Gesicht sehen <strong>und</strong> sich nichts weismachenlassen <strong>und</strong> vor allem sich selber nichts weismachen [.]“(2/ S.34/ Z.8-10) ist bezeichnend für ihr ganzesVerhalten, da Lene <strong>in</strong> ihrer realistisch – nüchternen Art sich gegen jede aufkeimende Hoffnung mitbestimmten Ernst wehrt. So weigert sie sich zum Beispiel, e<strong>in</strong>en Blumenstrauß für Botho mit e<strong>in</strong>er ihrerHaarsträhnen zu b<strong>in</strong>den, da sie sich an e<strong>in</strong> auf Aberglaube basierendes Sprichwort „Haar b<strong>in</strong>det.“ hält:Würde Lene es um den Strauß b<strong>in</strong>den, so wäre Botho dem Sprichwort entsprechend an sie geb<strong>und</strong>en (2/vgl.S.71/ Z.5 – S.72/ Z.8). Doch diese scherzhaft geme<strong>in</strong>te Anspielung möchte Lene nicht als Anlassnehmen, Illusionen o<strong>der</strong> Träumereien zu verfallen, die sich für sie niemals verwirklichen werden. Natürlichist dieser Gedanke schmerzhaft für sie, berücksichtigt man die Stärke ihrer Gefühle, <strong>und</strong> gerade deshalbversucht sie, sich vor falschen, da unerfüllbaren Hoffnungen zu schützen, <strong>in</strong>dem sie das Ende ihrerBeziehung immer wie<strong>der</strong> rational – distanziert erwähnt. Somit könnte man diese auffallendenWie<strong>der</strong>holungen als Lenes Methode ansehen, sich größeren Kummer zu ersparen. Beson<strong>der</strong>s deutlichwird dieses Verhalten, als beide während ihres Ausfluges nach Hankels Ablage e<strong>in</strong>e Bootsfahrtunternehmen möchten <strong>und</strong> ihnen zwei Boote dafür zur Verfügung stehen: e<strong>in</strong>es namens Forelle, dasan<strong>der</strong>e heißt Hoffnung. Lene entgegnet Botho auf die Frage, welches sie nehmen wollen, <strong>in</strong>pragmatischer, doch zugleich sticheln<strong>der</strong> Art: „Natürlich die Forelle. Was sollen wir mit <strong>der</strong> Hoffnung[?]“(2/ S.69/ Z.6). Diese Bemerkung ist bezeichnend für Lene, die von Anfang an weiß, dass es ke<strong>in</strong>eChance, ke<strong>in</strong>e Hoffnung für ihre Liebe gibt.Realistisch erkennt sie, dass das Verhältnis mit Botho „gegen“ die Gesellschaft ist, das heißt von ihrmißbilligt <strong>und</strong> nicht akzeptiert wird, aber Lene, die die gesellschaftlichen Regeln ver<strong>in</strong>nerlicht hat, kannnicht ‚gegen‘ die Gesellschaft leben (vgl. dazu 3), im Gegenteil opfert sie sogar ihr eigenes Glück <strong>und</strong> fügtsich ohne Wi<strong>der</strong>stand <strong>in</strong> die bestehende Ordnung. Dass sie wirklich diese Regeln anerkannt hat, belegtunter an<strong>der</strong>em die verständnisvolle Bemerkung „Da kommt niemand [.]“(2/ S.54/ Z.12) mit <strong>der</strong> Lenebegründet, weshalb sie e<strong>in</strong>en sehr e<strong>in</strong>samen Spazierweg zusammen mit Botho e<strong>in</strong>schlägt: Sie weiß, dassdie Gesellschaft ihr Verhalten für moralisch verwerflich hält, <strong>und</strong> <strong>in</strong> diesem Wissen verzichtet sie auf ihrpersönliches Glück, um Botho <strong>und</strong> sich selbst nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e pe<strong>in</strong>lich – kompromittierende Situation zubr<strong>in</strong>gen.Lene handelt somit den gesellschaftlichen Regeln entsprechend, wovon ihre vernünftige <strong>und</strong> nüchterneE<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Beziehung zeugt.Doch trotz dieser allgegenwärtigen Erkenntnis um die zeitliche Begrenztheit ihres Verhältnisses genießtLene dieses bescheidene Glück, denn es entspricht ihrer offenen natürlichen Art, e<strong>in</strong> kurzes Glück garke<strong>in</strong>em Glück vorzuziehen. Ihre realistische E<strong>in</strong>schätzung <strong>in</strong> Bezug auf ihre Liebe zu Botho lässt sie nichtverzweifeln, son<strong>der</strong> ermöglicht es ihr, die kurzen glücklichen Momente sogar noch mehr auszukosten, dasie sich mit ihrem Schicksal, e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven, aber kurzen Liebe ohne Zukunft abf<strong>in</strong>det. Auf Gr<strong>und</strong> dieserfatalistischen E<strong>in</strong>stellung kann Lene sich vollständig auf ihre Beziehung e<strong>in</strong>lassen <strong>und</strong> sich ihreremotionalen Seite h<strong>in</strong>geben. So gesteht sie Botho schon relativ früh mit <strong>der</strong> Aussage „Glaube mir, daßich dich habe, diese St<strong>und</strong>e habe, das ist me<strong>in</strong> Glück. Was daraus wird, das kümmert mich nicht [.]“(2/S.33/ Z.2-4), dass sie ke<strong>in</strong>erlei Hoffnungen auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Zukunft hat, was sie aber nicht daranh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, die geme<strong>in</strong>same Zeit voll <strong>und</strong> ganz zu genießen. Auch die Tatsache, dass Lene Botho frei gibtohne den „[...] kle<strong>in</strong>ste[n] Zug [...] [von] schmerzlicher Entsagung[...]“(2/ S.103/ Z.27-29), deutet auf ihrevon Besitzansprüchen Bothos gegenüber vollkommen freie Liebe h<strong>in</strong>, <strong>der</strong>en Ende sie mit be<strong>in</strong>aheschicksalhafter Gelassenheit erträgt.Lene vergleicht diese Zeit mit e<strong>in</strong>em schönen Traum, für den man dankbar se<strong>in</strong> muss, aber gleichzeitignicht darüber verärgert se<strong>in</strong> darf, wenn diese Glücksmomente vorbei s<strong>in</strong>d (2/ vgl. S.105/ Z.31-37).Obwohl sie um ihr Unglück weiß, bekennt sie nüchtern: „Dann lebt man ohne Glück.“(2/ S.106/ Z.2) - e<strong>in</strong>Ausspruch, <strong>der</strong> ungeachtet e<strong>in</strong>er gewissen Gleichgültigkeit, die man ihm ohne Zweifel zuschreiben kann,für Lenes e<strong>in</strong>faches <strong>und</strong> ungekünsteltes Wesen bezeichnend ist. Außerdem drückt diese „Die Zeit heiltalle W<strong>und</strong>en“ Mentalität auch Lenes allen Widrigkeiten zum Trotz lebensbejahende E<strong>in</strong>stellung aus. So istsie „[...] nicht wie das Mädchen, das an den Ziehbrunnen lief <strong>und</strong> sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stürzte, weil ihr Liebhaber mite<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en tanzte[...]“(2/ S.104/ Z.32-34), da sie den Schmerz über die unglückliche Liebe akzeptiert<strong>und</strong> nicht daran verzweifelt.Indem sie sich mit ihrem Schicksal abzuf<strong>in</strong>den versucht, kann sie nämlich ihre Liebe ohne Zweifel o<strong>der</strong>Sorgen genießen. Beson<strong>der</strong>s während ihres Ausfluges nach Hankels Ablage werden Lenes Gefühlegenau dieser Denkweise entsprechend dargestellt: „Ja, sie war glücklich, ganz glücklich <strong>und</strong> sah die Welt<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em rosigen Lichte. Sie [...] genoß e<strong>in</strong>e kostbare St<strong>und</strong>e. War das nicht genug? Und wenn dieseSt<strong>und</strong>e die letzte war, nun so war es die letzte. War es nicht schon e<strong>in</strong> Vorzug, e<strong>in</strong>en solchen Tag4

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