Lene ist e<strong>in</strong>e Plätter<strong>in</strong> aus dem Roman "Irrungen, Wirrungen", e<strong>in</strong>e junge blonde Frau mit blauen Augen. Sie iste<strong>in</strong> Waisenk<strong>in</strong>d <strong>und</strong> lebt bei ihrer Pflegemutter Frau Nimptsch, um die sie sich aufopfernd kümmert, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emkle<strong>in</strong>en Häuschen bei <strong>der</strong> Gärtnerei Dörr. Sie ist e<strong>in</strong>e sehr selbständige junge Frau, die es schon von früh angelernt hat, für sich selbst zu sorgen. So hat sie auch e<strong>in</strong>e realistische Sicht auf die Welt entwickelt, sie kennt ihreStellung mit allen Konsequenzen. Lene hat gelernt, stark zu se<strong>in</strong>, ihren eigenen Weg zu gehen <strong>und</strong> nicht daraufzu hören, was an<strong>der</strong>e sagen.Ihr bis dah<strong>in</strong> ruhiges Leben än<strong>der</strong>t sich radikal, als sie den jungen Offizier Botho von Rienäcker kennenlernt, <strong>der</strong>sich <strong>in</strong> sie verliebt <strong>und</strong> mit dem sie e<strong>in</strong>e glückliche aber kurze Zeit verlebt. Sie ist sich immer <strong>der</strong> Kluft zwischenihr <strong>und</strong> Botho bewußt, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en ganz an<strong>der</strong>en gesellschatlichen Rang <strong>in</strong>ne hat, <strong>und</strong> macht sich deswegenke<strong>in</strong>erlei romantische Hoffnungen, die e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Zukunft erträumen lassen. Sie genießt die Zeit, die siemit Botho hat, ohne das unabwendbare Ende aus den Augen zu verlieren <strong>und</strong> bleibt stets sie selbst, offen <strong>und</strong>ehrlich.Auch wenn ihre eigentliche Herkunft nicht bekannt ist, <strong>und</strong> Lene sich so e<strong>in</strong>e märchenhafte Geschichte erf<strong>in</strong>denkönnte, macht sie we<strong>der</strong> sich noch an<strong>der</strong>en etwas vor; was sie tut, sagt <strong>und</strong> fühlt kommt von ganzem Herzen. Sosteht sie zurück, als es um Bothos Zukunft geht <strong>und</strong> fügt sich <strong>in</strong> das Unvermeidliche: die von Gesellschaft <strong>und</strong>Familie erzwungene Trennung wird von ihr akzeptiert, <strong>und</strong> konsequent wie sie ist, geht sie je<strong>der</strong> möglichenBegegnung o<strong>der</strong> Konfrontation mit Botho o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit aus dem Weg.Lene fügt sich auch <strong>in</strong> den von <strong>der</strong> Gesellschaft diktierten normalen Lebensweg, sie heiratet später denchristlichen Sektengrün<strong>der</strong> Gideon Franke. Offen erzählte sie ihm, was zwischen ihr <strong>und</strong> Botho war, se<strong>in</strong>eZuneigung ist aber groß genug, um darüber h<strong>in</strong>wegzusehen, was früher war.FrauenDie Rolle <strong>der</strong> Frau war im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert genau festgelegt, denn alle Bereiche des täglichen Lebens warengeschlechtsspezifisch aufgeteilt, so kamen <strong>der</strong> Frau <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Rolle <strong>der</strong> fürsorgenden Mutter <strong>und</strong> <strong>der</strong>gehorsamen Ehefrau zu. Sie war dem Mann untergeordnet <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen sehr abhängig, man kann sogarsagen, daß nach <strong>der</strong> Heirat <strong>der</strong> Mann die Vorm<strong>und</strong>schaft für se<strong>in</strong>e Frau, die zuvor vom Vater getragen wurde,übernahm. Während <strong>der</strong> Mann das absolute Entscheidungsmonopol hatte <strong>und</strong> ganz <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong>Herrschaft, <strong>der</strong> Öffentlichkeit angehörte, war die bürgerliche Frau dazu bestimmt, im Privaten für Mann <strong>und</strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu sorgen.Ihr oblagen alle häuslichen Pflichten: die Beaufsichtigung des Personals, die gesamte Haushaltsplanung <strong>und</strong> dieErziehung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, aber auch alle wichtigen Aufgaben <strong>der</strong> Repräsentation wie E<strong>in</strong>ladungen <strong>und</strong> Feste, die fürdie gesellschaftliche Akzeptanz außerordentlich wichtig waren. Die Frau mußte ihren Mann angemessenverteten, wenn es sich um gesellschaftliche Belange handelte. Sie mußte also schlicht <strong>und</strong> aufopferungsvoll<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie se<strong>in</strong>, an<strong>der</strong>erseits aber schön <strong>und</strong> elegant, wenn es sich um große öffentliche Ereignissehandelte. Der Ehemann wirkte im rationalen Bereich, die Frau war im Gegensatz dazu für alles Emotionale <strong>und</strong>Intime verantwortlich; es lag an ihr, die Familie zu e<strong>in</strong>em Ort <strong>der</strong> Geborgenheit <strong>und</strong> Harmonie zu machen, an dem<strong>der</strong> Mann Erholung <strong>und</strong> Entspannung, gleichzeitig aber auch Unterhaltung <strong>und</strong> Ablenkung fand.Für die adligen Frauen war die Situation auch nicht besser, sie hatten außer den repräsentatorischen Pflichtenüberhaupt ke<strong>in</strong>e Aufgaben <strong>und</strong> waren zum Nichtstun <strong>und</strong> zur Langeweile verurteilt (wie Cecile). Sie waren nurSchmuckstücke <strong>und</strong> Untergebene des Mannes.In <strong>der</strong> patriarchischen Gesellschaft <strong>der</strong> Zeit Fontanes war <strong>der</strong> Lebensweg für e<strong>in</strong> junges Mädchen genauvorgezeichnet: noch relativ jung heiratete es e<strong>in</strong>en Mann, <strong>der</strong> meistens von den Eltern nach ökonomischen <strong>und</strong>gesellschaftlichen Kriterien ausgesucht worden war. Auch die ganze Hochzeit wurde von den Eltern organisiert, <strong>in</strong>diese Entscheidungen konnten die Frauen meistens nicht e<strong>in</strong>greifen (so auch Effi).Die durch e<strong>in</strong>seitige Bildung hervorgerufene Traumvorstellung e<strong>in</strong>er Liebesheirat <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Ehe vollerKomplimente <strong>und</strong> Schmeicheleien, die viele junge Frauen hatten, zerplatzte oft recht schnell. Das wirkliche Lebenwar ganz an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den romantischen Geschichten <strong>und</strong> Träumen <strong>der</strong> Frauen. Die Männer waren meistensälter als ihre Frauen, zehn bis zwanzig Jahre Altersunterschied waren ke<strong>in</strong>e Seltenheit. Ehe <strong>und</strong> Familie warenZiel <strong>und</strong> meist auch e<strong>in</strong>ziger Weg für das bürgerliche Mädchen, hier nur konnte es sich selbst verwirklichen. Dieswar aber auch nur <strong>in</strong> beschränktem Maße möglich, weil sie doch von ihrem Mann abhängig <strong>und</strong> vom größten Teildes öffentlichen Lebens abgeschirmt war. Auch e<strong>in</strong>e Scheidung war <strong>in</strong> <strong>der</strong> damaligen Zeit so gut wie unmöglich,denn sie bedeutete, für die Frau zum<strong>in</strong>dest, den völligen Ausschluß aus <strong>der</strong> Gesellschaft; wie auch <strong>der</strong> Ehebruch,<strong>der</strong> e<strong>in</strong> unverzeihliches Vergehen war.E<strong>in</strong>e unverheiratete Frau war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft nicht anerkannt, genau wie auch alles Garconhafte verpönt war.Wollte e<strong>in</strong>e Frau e<strong>in</strong>en Beruf ausüben, hieß das automatisch Ehelosigkeit <strong>und</strong> stellte die Frau damit vor großeProbleme, da das <strong>in</strong> <strong>der</strong> strengen Gesellschaftsordnung e<strong>in</strong>fach nicht vorgesehen war.Nach <strong>und</strong> nach kam später langsam e<strong>in</strong>e Frauenbewegung auf, die mehr Rechte für Frauen for<strong>der</strong>te <strong>und</strong> die fürEmanzipation <strong>und</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frauen e<strong>in</strong>trat, vor allem sollten die berufliche Situation <strong>und</strong> auch dieAusbildung <strong>der</strong> Frauen verbessert werden. Sie hatten doch bisher fast nur die Schulen für höhere Töchterbesucht, <strong>in</strong> denen außer gesellschaftlichen Umgangsformen <strong>und</strong> Konversation, Haushaltsführung <strong>und</strong>Unterordnung nichts gelehrt wurde.Bourgeoisie32
Die Bourgeoisie, auch Groß- o<strong>der</strong> Wirtschaftsbürgertum genannt, besteht aus Unternehmern, großen Kaufleuten<strong>und</strong> Fabrikanten, die nach dem Besuch von höheren Schulen o<strong>der</strong> dem Studium <strong>in</strong> die Wirtschaft e<strong>in</strong>stiegen, umentwe<strong>der</strong> dort den schon vorhandenen Reichtum ihrer Familie noch zu vergrößern; allerd<strong>in</strong>gs wurde auch vielGeld durch Spekulation gewonnen, es handelt sich bei <strong>der</strong> Bourgeoisie zum großen Teil ebenfalls um Neureiche.Rationalität, Leistung, Fleiß, Kompetenz, Ehrgeiz, Konkurrenzfähigkeit <strong>und</strong> Eigenständigkeit gehörten zu denunumstrittenen Idealen dieser Schicht, die sich wie ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e nach unten abgrenzte. Müßiggang <strong>und</strong>Abenteurertum waren den Wirtschaftsbürgern unverständlich <strong>und</strong> verwerflich, für sie zählten alle<strong>in</strong> Arbeit <strong>und</strong>Erfolg, wobei es nicht um körperliche Arbeit, son<strong>der</strong>n um Planung <strong>und</strong> Organisation g<strong>in</strong>g, die körperliche Arbeitwurde von an<strong>der</strong>en, Untergebenen wie Arbeitern <strong>und</strong> Dienstboten, erledigt; das Dienstmädchen wurde rasch zumStatussymbol des Wirtschaftsbürgertums. Fontane bezeichnete die Profitsucht <strong>der</strong> Bourgeosie e<strong>in</strong>mal als"Geldsackges<strong>in</strong>nung", e<strong>in</strong> Ideal, das ihm verhaßt war.Die Bourgeoisie war f<strong>in</strong>anziell die stärkste Kraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> damaligen Gesellschaft, politisch dom<strong>in</strong>ierte aber <strong>der</strong> meistviel ärmere Adel. Beide Klassen blieben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel genau getrennt, es kam dadurch nur sehr selten zu e<strong>in</strong>erVermischung von politischer <strong>und</strong> wirtschaftlicher Macht.Da das Wirtschaftsbürgertum aber kaum eigene Traditionen hatte, lehnte es sich <strong>in</strong> Lebens- <strong>und</strong> Umgangsformenstark an den Adel an, es ahmte ihn bisweilen geradezu nach. Stück für Stück eroberten sich die reichen Bürgerauch den Zugang zu den Militärakademien, die bis dato nur von Adligen besucht wurden, so konnten sie ihrenRang- <strong>und</strong> Ordenskult weiter ausbauen <strong>und</strong> differenzieren. Die fehlende Geschichte wurde außerdem durchbetonte, manchmal schon unechte Vornehmheit überspielt, was die Abgrenzung noch weiter verstärkte.Gegenpol zu dieser schon überzogenen Geziertheit war e<strong>in</strong>e genauso falsche Sentimentalität, mit <strong>der</strong> allesE<strong>in</strong>fache verherrlicht wurde, solange es nur weit genug weg war; das eigentliche Ideal dieser Klasse blieb <strong>der</strong>Reichtum. Die falsche Nostalgie, wie man sie auch bei Jenny Treibel beobachten kann, unterstreicht dasGekünstelte, Phrasenhafte <strong>und</strong> Leere, anstatt sie zu verbergenFamilieDie Familie galt im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert als die Keimzelle von Staat <strong>und</strong> Gesellschaft, sie war <strong>der</strong> Ursprung aller Moral<strong>und</strong> Tugend. E<strong>in</strong>e Familie ist die Idealform des Lebens <strong>und</strong> wird zur Norm, deswegen kam es auch zu vielenKonventionsheiraten, die mit Liebe o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest Zuneigung nichts zu tun hatten. Dieses Zentrum des privatenLebens ist durch alle gesellschaftlichen Schichten h<strong>in</strong>durch stark patriarchisch geordnet, alle Aufgaben s<strong>in</strong>d nachGeschlechtern aufgeteilt. Die Entscheidungen fällt jedoch alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Mann, denn bei ihm liegt alle Autorität.Vor allem <strong>in</strong> den bürgerlichen Familien wird das Private streng vom Öffentlichen getrennt, sie ist Konsum-,Freizeit- <strong>und</strong> Erziehungsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> hat darüber h<strong>in</strong>aus im Gegensatz zum Adel ke<strong>in</strong>e öffentlichegesellschaftliche Funktion. Aus den Großfamilien mit drei <strong>und</strong> mehr Generationen entwickeln sich kle<strong>in</strong>ereKernfamilien, die nur noch zwei Generationen umfassen. Es entstehen engere Geme<strong>in</strong>schaften mit <strong>in</strong>timerenBeziehungen, <strong>in</strong> denen man sich den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n liebend zuwendet <strong>und</strong> von ihnen geduzt wird, was für uns etwasganz normales ist, im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert aber etwas ganz neues war.Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d nicht mehr potentielle Arbeitskräfte, son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>der</strong> Stolz <strong>der</strong> Familie, Glück <strong>und</strong>Lebenserfüllung. Sie werden als Individuen geliebt, es wird aber dennoch wi<strong>der</strong>spruchsloser Gehorsam von ihnenverlangt, denn die Erziehung bleibt nach wie vor autoritär. Gr<strong>und</strong>sätze <strong>der</strong> Erziehung s<strong>in</strong>d Ordnung, Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong>Leistung, auch die traditionelle Rollenverteilung wird weiterh<strong>in</strong> gelehrt <strong>und</strong> gelebt: den Söhnen kommt immer e<strong>in</strong>ebessere Ausbildung zu, sie s<strong>in</strong>d schließlich Stammhalter <strong>und</strong> Zukunft <strong>der</strong> Familie <strong>und</strong> damit auch <strong>der</strong>Gesellschaft.ErklärungIch erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt habe <strong>und</strong> nur die im Literaturverzeichnisaufgeführten Quellen <strong>und</strong> Hilfsmittel benützt habe.Heroldsbach, den 1.2.2004<strong>Mart<strong>in</strong>a</strong> <strong>Igel</strong>33