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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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Lene ist e<strong>in</strong>e Plätter<strong>in</strong> aus dem Roman "Irrungen, Wirrungen", e<strong>in</strong>e junge blonde Frau mit blauen Augen. Sie iste<strong>in</strong> Waisenk<strong>in</strong>d <strong>und</strong> lebt bei ihrer Pflegemutter Frau Nimptsch, um die sie sich aufopfernd kümmert, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emkle<strong>in</strong>en Häuschen bei <strong>der</strong> Gärtnerei Dörr. Sie ist e<strong>in</strong>e sehr selbständige junge Frau, die es schon von früh angelernt hat, für sich selbst zu sorgen. So hat sie auch e<strong>in</strong>e realistische Sicht auf die Welt entwickelt, sie kennt ihreStellung mit allen Konsequenzen. Lene hat gelernt, stark zu se<strong>in</strong>, ihren eigenen Weg zu gehen <strong>und</strong> nicht daraufzu hören, was an<strong>der</strong>e sagen.Ihr bis dah<strong>in</strong> ruhiges Leben än<strong>der</strong>t sich radikal, als sie den jungen Offizier Botho von Rienäcker kennenlernt, <strong>der</strong>sich <strong>in</strong> sie verliebt <strong>und</strong> mit dem sie e<strong>in</strong>e glückliche aber kurze Zeit verlebt. Sie ist sich immer <strong>der</strong> Kluft zwischenihr <strong>und</strong> Botho bewußt, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en ganz an<strong>der</strong>en gesellschatlichen Rang <strong>in</strong>ne hat, <strong>und</strong> macht sich deswegenke<strong>in</strong>erlei romantische Hoffnungen, die e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Zukunft erträumen lassen. Sie genießt die Zeit, die siemit Botho hat, ohne das unabwendbare Ende aus den Augen zu verlieren <strong>und</strong> bleibt stets sie selbst, offen <strong>und</strong>ehrlich.Auch wenn ihre eigentliche Herkunft nicht bekannt ist, <strong>und</strong> Lene sich so e<strong>in</strong>e märchenhafte Geschichte erf<strong>in</strong>denkönnte, macht sie we<strong>der</strong> sich noch an<strong>der</strong>en etwas vor; was sie tut, sagt <strong>und</strong> fühlt kommt von ganzem Herzen. Sosteht sie zurück, als es um Bothos Zukunft geht <strong>und</strong> fügt sich <strong>in</strong> das Unvermeidliche: die von Gesellschaft <strong>und</strong>Familie erzwungene Trennung wird von ihr akzeptiert, <strong>und</strong> konsequent wie sie ist, geht sie je<strong>der</strong> möglichenBegegnung o<strong>der</strong> Konfrontation mit Botho o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit aus dem Weg.Lene fügt sich auch <strong>in</strong> den von <strong>der</strong> Gesellschaft diktierten normalen Lebensweg, sie heiratet später denchristlichen Sektengrün<strong>der</strong> Gideon Franke. Offen erzählte sie ihm, was zwischen ihr <strong>und</strong> Botho war, se<strong>in</strong>eZuneigung ist aber groß genug, um darüber h<strong>in</strong>wegzusehen, was früher war.FrauenDie Rolle <strong>der</strong> Frau war im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert genau festgelegt, denn alle Bereiche des täglichen Lebens warengeschlechtsspezifisch aufgeteilt, so kamen <strong>der</strong> Frau <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Rolle <strong>der</strong> fürsorgenden Mutter <strong>und</strong> <strong>der</strong>gehorsamen Ehefrau zu. Sie war dem Mann untergeordnet <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen sehr abhängig, man kann sogarsagen, daß nach <strong>der</strong> Heirat <strong>der</strong> Mann die Vorm<strong>und</strong>schaft für se<strong>in</strong>e Frau, die zuvor vom Vater getragen wurde,übernahm. Während <strong>der</strong> Mann das absolute Entscheidungsmonopol hatte <strong>und</strong> ganz <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong>Herrschaft, <strong>der</strong> Öffentlichkeit angehörte, war die bürgerliche Frau dazu bestimmt, im Privaten für Mann <strong>und</strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu sorgen.Ihr oblagen alle häuslichen Pflichten: die Beaufsichtigung des Personals, die gesamte Haushaltsplanung <strong>und</strong> dieErziehung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, aber auch alle wichtigen Aufgaben <strong>der</strong> Repräsentation wie E<strong>in</strong>ladungen <strong>und</strong> Feste, die fürdie gesellschaftliche Akzeptanz außerordentlich wichtig waren. Die Frau mußte ihren Mann angemessenverteten, wenn es sich um gesellschaftliche Belange handelte. Sie mußte also schlicht <strong>und</strong> aufopferungsvoll<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie se<strong>in</strong>, an<strong>der</strong>erseits aber schön <strong>und</strong> elegant, wenn es sich um große öffentliche Ereignissehandelte. Der Ehemann wirkte im rationalen Bereich, die Frau war im Gegensatz dazu für alles Emotionale <strong>und</strong>Intime verantwortlich; es lag an ihr, die Familie zu e<strong>in</strong>em Ort <strong>der</strong> Geborgenheit <strong>und</strong> Harmonie zu machen, an dem<strong>der</strong> Mann Erholung <strong>und</strong> Entspannung, gleichzeitig aber auch Unterhaltung <strong>und</strong> Ablenkung fand.Für die adligen Frauen war die Situation auch nicht besser, sie hatten außer den repräsentatorischen Pflichtenüberhaupt ke<strong>in</strong>e Aufgaben <strong>und</strong> waren zum Nichtstun <strong>und</strong> zur Langeweile verurteilt (wie Cecile). Sie waren nurSchmuckstücke <strong>und</strong> Untergebene des Mannes.In <strong>der</strong> patriarchischen Gesellschaft <strong>der</strong> Zeit Fontanes war <strong>der</strong> Lebensweg für e<strong>in</strong> junges Mädchen genauvorgezeichnet: noch relativ jung heiratete es e<strong>in</strong>en Mann, <strong>der</strong> meistens von den Eltern nach ökonomischen <strong>und</strong>gesellschaftlichen Kriterien ausgesucht worden war. Auch die ganze Hochzeit wurde von den Eltern organisiert, <strong>in</strong>diese Entscheidungen konnten die Frauen meistens nicht e<strong>in</strong>greifen (so auch Effi).Die durch e<strong>in</strong>seitige Bildung hervorgerufene Traumvorstellung e<strong>in</strong>er Liebesheirat <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Ehe vollerKomplimente <strong>und</strong> Schmeicheleien, die viele junge Frauen hatten, zerplatzte oft recht schnell. Das wirkliche Lebenwar ganz an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den romantischen Geschichten <strong>und</strong> Träumen <strong>der</strong> Frauen. Die Männer waren meistensälter als ihre Frauen, zehn bis zwanzig Jahre Altersunterschied waren ke<strong>in</strong>e Seltenheit. Ehe <strong>und</strong> Familie warenZiel <strong>und</strong> meist auch e<strong>in</strong>ziger Weg für das bürgerliche Mädchen, hier nur konnte es sich selbst verwirklichen. Dieswar aber auch nur <strong>in</strong> beschränktem Maße möglich, weil sie doch von ihrem Mann abhängig <strong>und</strong> vom größten Teildes öffentlichen Lebens abgeschirmt war. Auch e<strong>in</strong>e Scheidung war <strong>in</strong> <strong>der</strong> damaligen Zeit so gut wie unmöglich,denn sie bedeutete, für die Frau zum<strong>in</strong>dest, den völligen Ausschluß aus <strong>der</strong> Gesellschaft; wie auch <strong>der</strong> Ehebruch,<strong>der</strong> e<strong>in</strong> unverzeihliches Vergehen war.E<strong>in</strong>e unverheiratete Frau war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft nicht anerkannt, genau wie auch alles Garconhafte verpönt war.Wollte e<strong>in</strong>e Frau e<strong>in</strong>en Beruf ausüben, hieß das automatisch Ehelosigkeit <strong>und</strong> stellte die Frau damit vor großeProbleme, da das <strong>in</strong> <strong>der</strong> strengen Gesellschaftsordnung e<strong>in</strong>fach nicht vorgesehen war.Nach <strong>und</strong> nach kam später langsam e<strong>in</strong>e Frauenbewegung auf, die mehr Rechte für Frauen for<strong>der</strong>te <strong>und</strong> die fürEmanzipation <strong>und</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frauen e<strong>in</strong>trat, vor allem sollten die berufliche Situation <strong>und</strong> auch dieAusbildung <strong>der</strong> Frauen verbessert werden. Sie hatten doch bisher fast nur die Schulen für höhere Töchterbesucht, <strong>in</strong> denen außer gesellschaftlichen Umgangsformen <strong>und</strong> Konversation, Haushaltsführung <strong>und</strong>Unterordnung nichts gelehrt wurde.Bourgeoisie32

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