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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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präsentiert sie ke<strong>in</strong>eswegs ausschließlich als Opfer: we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Grausamkeit Innstettens noch <strong>der</strong>gesellschaftlichen Verhältnisse.E<strong>in</strong>er von Effis hervorstechenden Charakterzügen ist zweifellos ihre Eitelkeit. Allerd<strong>in</strong>gs wird schon zu Beg<strong>in</strong>n desRomans deutlich gemacht, daß ihr Ehrgeiz, etwas Beson<strong>der</strong>es zu se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> von <strong>der</strong> Mutter übernommenerAnspruch ist: Als Innstetten um Effis Hand anhält, treibt Luise von Briest ihre Tochter regelrecht <strong>in</strong> die Ehe: »[...]<strong>und</strong> wenn du nicht 'ne<strong>in</strong>' sagst, was ich mir von me<strong>in</strong>er klugen Effi kaum denken kann, so stehst du mit zwanzigJahren da, wo an<strong>der</strong>e mit vierzig stehen. Du wirst de<strong>in</strong>e Mama weit überholen.« Dieser Ratschlag fällt bei Effi auffruchtbaren Boden. War sie vorher noch <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, Innstetten sei »ältlich«, so verkündet sie kurz darauf:»Gewiß ist er <strong>der</strong> Richtige. [...]. Je<strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Richtige. Natürlich muß er von Adel se<strong>in</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Stellung haben<strong>und</strong> gut aussehen.« Und als ihre Mutter sie fragt, ob sie Innstetten denn nicht liebe, antwortet sie: »Ich liebe alle,die’s gut mit mir me<strong>in</strong>en <strong>und</strong> gütig gegen mich s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> mich verwöhnen. Und Geert wird mich auch wohlverwöhnen. [...] Geert ist e<strong>in</strong> Mann, e<strong>in</strong> schöner Mann, e<strong>in</strong> Mann, mit dem ich Staat machen kann <strong>und</strong> aus demwas wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt.«Effis Eitelkeit ist lediglich die e<strong>in</strong>er 'Tochter aus gutem Hause'; im Gr<strong>und</strong>e genommen begreift sie dieEheschließung nicht an<strong>der</strong>s als e<strong>in</strong> neues Spiel. Das Bild des schaukelnden Mädchens im ersten Kapitel stehtmetaphorisch für die noch nicht erlangte Reife, die von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e partnerschaftliche Beziehung kaumzuläßt. So kann sie nur re<strong>in</strong> äußerlich die ihr zugewiesene gesellschaftliche Rolle als Ehefrau erfüllen. Immernoch K<strong>in</strong>d, sucht sie weniger nach e<strong>in</strong>er emotionalen B<strong>in</strong>dung, son<strong>der</strong>n sehnt sich nach »Zerstreuung, immer wasNeues, immer was, daß ich lachen o<strong>der</strong> we<strong>in</strong>en muß. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.«Und was ihr Sorgen macht, ist die Tatsache, daß Innstetten e<strong>in</strong> »Mann von Gr<strong>und</strong>sätzen« ist. »Ach, <strong>und</strong> ich ... ichhabe ke<strong>in</strong>e.« In Effis Charakter s<strong>in</strong>d moralische Normen noch so gut wie gar nicht verankert, ganz im Gegensatzzu Innstetten, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Ausb<strong>und</strong> von Pflichtbewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> Korrektheit ist – <strong>und</strong> aus dieser Konstellation ergibtsich das spätere Verhängnis.Die Eltern, genauer: die Mutter sehen sehr wohl den sich anbahnenden Konflikt. Luise von Briest weiß, daßInstetten Effis Bedürfnissen nicht gerecht werden kann: »Und was das Schlimmste ist, er wird sich nicht e<strong>in</strong>malrecht mit <strong>der</strong> Frage beschäftigen, wie das wohl anzufangen sei.« Doch <strong>in</strong> Erfüllung <strong>der</strong> gesellschaftlichvorgegebenen Konvention befürwortet sie die standesgemäße Eheschließung <strong>der</strong> Tochter, ebenso wie sie selberachtzehn Jahre zuvor auf e<strong>in</strong>e Heirat mit Instetten verzichtet hatte. Geschieht bei <strong>der</strong> Mutter die Unterdrückung<strong>der</strong> eigenen (<strong>und</strong> Effis) persönlichen Wünsche durchaus bewußt, so ist Effis Vater vollständig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konventionaufgegangen. Der Verlust e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Persönlichkeitsstruktur drückt sich nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unfähigkeit zue<strong>in</strong>er eigenen Me<strong>in</strong>ung aus, son<strong>der</strong>n ist s<strong>in</strong>nbildhaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Redewendung »Das ist e<strong>in</strong> weitesFeld« auf sprachlicher Ebene kodiert.Das geme<strong>in</strong>same Eheleben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>stadt Stett<strong>in</strong> gestaltet sich dann eigentlich erwartungsgemäß. Instetten,ganz mit se<strong>in</strong>er Karriere beschäftigt, verbr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Großteil se<strong>in</strong>er Zeit außer Haus <strong>und</strong> läßt Effi dabeiweitgehend isoliert zurück, zumal sie auch im Ort selbst kaum standesgemäße Kontakte knüpfen kann. Soverharrt sie <strong>in</strong> ihrer noch sehr k<strong>in</strong>dlichen Vorstellungswelt, was sich an ihrer Empfänglichkeit für dieSpukgeschichte zeigt, die ja von Innstetten als e<strong>in</strong>deutig erzieherisches Mittel e<strong>in</strong>gesetzt wird.Nach <strong>und</strong> nach baut sich Effi e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheitskonstellation auf mit dem Apotheker Gieshübler als 'Ersatzvater',Roswitha als K<strong>in</strong><strong>der</strong>mädchen <strong>und</strong> schließlich <strong>der</strong> eigenen Tochter als »liebes Spielzeug«.Trotzdem wird Effi erwachsen. Auf Dauer kann diese Konstruktion ihre Bedürfnisse als Frau kaum befriedigen,<strong>und</strong> Innstetten ist aus offensichtlichen Gründen nicht <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> die entstehende emotionale Lücke füllenkönnte. Die Affäre mit Crampas ersche<strong>in</strong>t unter diesen Umständen als geradezu vorprogrammiert: »die Kugel warim Rollen, <strong>und</strong> was an e<strong>in</strong>em Tage geschah, machte das Tun des an<strong>der</strong>en zur Notwendigkeit«. Effis Kommentarbezieht sich zwar auf ihre Begegnungen mit Crampas, läßt sich aber durchaus auf die vorangegangeneEntwicklung ausdehnen.Doch im Gr<strong>und</strong>e genommen ist die Figur Crampas’ austauschbar, denn er füllt nur vorübergehend e<strong>in</strong>e Leerstelleaus – <strong>und</strong> auch er ist ke<strong>in</strong>eswegs an e<strong>in</strong>er dauerhaften Verb<strong>in</strong>dung mit Effi <strong>in</strong>teressiert. So gestaltet sich <strong>der</strong>Ehebruch ebenso konventionell wie vorher die Eheschließung, <strong>und</strong> als <strong>der</strong> Umzug nach Berl<strong>in</strong> das Verhältnisbeendet, ist Effi eher erleichtert <strong>und</strong> identifiziert sich bald mit ihrer Rolle als Ehefrau <strong>und</strong> Mutter, die sie jetzt erstfür sich annimmt.Damit hätte die Geschichte e<strong>in</strong> harmloses Ende nehmen können, aber Innstettens zufälliges Entdecken <strong>der</strong> Briefenach sechs Jahren setzt neue Mechanismen <strong>in</strong> Gang. Wie<strong>der</strong> ist 'die Kugel im Rollen', diesmal allerd<strong>in</strong>gs durchden rigiden Ehrenkodex, dem Innstetten verpflichtet ist. »Fühlen Sie sich so verletzt, beleidigt, empört, daß e<strong>in</strong>erweg muß, er o<strong>der</strong> Sie?« fragt Wüllersdorf, <strong>und</strong> Innstetten verne<strong>in</strong>t. Aber se<strong>in</strong>e persönliche Bereitschaft, dieAngelegenheit zu vergessen, zählt nichts gegen die Macht <strong>der</strong> gesellschaftlichen Norm. »Und dagegen zuverstoßen geht nicht; die Gesellschaft verachtet uns, <strong>und</strong> zuletzt tun wir es selbst <strong>und</strong> können es nicht aushalten<strong>und</strong> jagen uns die Kugel durch den Kopf.«Mit <strong>der</strong> nun e<strong>in</strong>tretenden Wende sche<strong>in</strong>t das Schicksal als ideologisch motivierte Gerechtigkeits<strong>in</strong>stanz zu wirken.Crampas fällt, Effi wird durch die Scheidung geächtet <strong>und</strong> stirbt schließlich. Damit wären die 'Täter' bestraft, <strong>und</strong>Effis spätes Verständnis für die Handlungsweise ihres Mannes käme e<strong>in</strong>er Läuterung gleich: »Was sollt’ er amEnde an<strong>der</strong>es tun? [...] Denn er hatte viel Gutes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Natur <strong>und</strong> war so edel, wie jemand se<strong>in</strong> kann, <strong>der</strong> ohnerechte Liebe ist.«Aber Fontanes Roman ist weit davon entfernt, e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>art vere<strong>in</strong>fachte Deutung zuzulassen. Schon die Tatsache,daß Effis Vater gegen den Willen <strong>der</strong> Mutter die kranke Tochter nach Hause holt, stellt den S<strong>in</strong>n <strong>der</strong> starrenVerhaltensmuster <strong>in</strong> Frage: »Aber das ist nun schon wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e halbe Ewigkeit her; soll ich hier bis an me<strong>in</strong>Lebensende den Groß<strong>in</strong>quisitor spielen?«29

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