Am 20. September gibt es e<strong>in</strong> letztes Gedicht "Als ich zwei dicke Bände herausgab" ["Von Zwanzig bis Dreißig"<strong>und</strong> "Stechl<strong>in</strong>"].www.theodorfontane.deDie ewig unterschätzten FrauenIn <strong>der</strong> Literaturbesprechung gibt es e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Neigung zur Übergehung, Unterschätzung o<strong>der</strong> gar Schlecht-Machung von Dichtergatt<strong>in</strong>nen. So erg<strong>in</strong>g es beispielsweise Goethes Christiane Vulpius, die für die meistenBew<strong>und</strong>erer des Schriftsteller-Genies bisher nicht mehr als e<strong>in</strong> "r<strong>und</strong>es Nichts" - e<strong>in</strong> gutes Bettvergnügen, umden Herrn bei Laune zu halten - gewesen ist. Unlängst setzt hier e<strong>in</strong>e Biographie von Sigrid Damm ("Christiane<strong>und</strong> Goethe. E<strong>in</strong>e Recherche", Insel-Verlag, 56,- DM) an<strong>der</strong>e Zeichen. Und auch Theodor Fontanes EhefrauEmilie Fontane erg<strong>in</strong>g es lange Zeit nicht an<strong>der</strong>s; sie wurde als eher unbedeutend, wenn nicht sogar h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich fürdie schriftstellerische Entfaltung ihres Mannes, da nicht überzeugt von se<strong>in</strong>em Talent, angesehen. GeradeGerhart Hauptmann, jener Naturalisten, dessen Stücke Fontane entgegen <strong>der</strong> gängigen Me<strong>in</strong>ung bew<strong>und</strong>erte,war es, <strong>der</strong> uns das Ammenmärchen e<strong>in</strong>st auftischte, Emilie habe nichts geahnt <strong>und</strong> nichts gewusst vomDichtertalent ihres Mannes - <strong>und</strong> die Literaturwissenschaftler haben ihm treuherzig geglaubt. Natürlich führteauch manches Zeugnis von Fontane selbst <strong>in</strong> diese Richtung, <strong>der</strong> sich oft <strong>in</strong> ironischer Weise über dasSicherheitsstreben se<strong>in</strong>er Gatt<strong>in</strong>, die ihn am liebsten als Beamten gesehen hätte, mokierte. Dabei war sie vielmehr als das brave <strong>und</strong> dumme Frauchen, wie wir <strong>in</strong>zwischen dank e<strong>in</strong>iger Publikationen wissen.Wer war Emilie?Sie hatte es nicht leicht <strong>in</strong> ihrer K<strong>in</strong>dheit, die vor allem durch Unsicherheit, wenig Liebe <strong>und</strong> wenigZugehörigkeitsgefühl geprägt war. Emilie wird am 14. November 1824 als uneheliches K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>er Pfarrerswitwegeboren; <strong>der</strong> leibliche Vater spielt nach <strong>der</strong> Zeugung ke<strong>in</strong>e Rolle mehr. Bald entschließt man sich, das K<strong>in</strong>d zurAdoption freizugeben, es kommt zu Rath Kummer, e<strong>in</strong>er Spielernatur, <strong>und</strong> dessen Frau, die sich um das K<strong>in</strong>dkümmert. Doch die Adoptivmutter stirbt, <strong>und</strong> die unbändige Emilie bleibt nicht selten den Dienstboten überlassen,die sich mehr schlecht als recht um das K<strong>in</strong>d kümmern. In <strong>der</strong> Schule ist sie gut, aber nicht beliebt, wirdverspottet, sie lernt sich zu wehren. Schon 1835 wird sie mit dem jungen Theodor zufällig bekannt, <strong>der</strong> für e<strong>in</strong>eWeile bei se<strong>in</strong>em Onkel ganz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe wohnt. Dann trennen sich ihre Wege. Erst nach Jahren treffen sie sichwie<strong>der</strong>, <strong>und</strong> so kommt es 1845 zur Verlobung <strong>und</strong> fünf Jahre später - Fontane wartete ab, bis er e<strong>in</strong>eangemessene Stellung fand - zur Hochzeit, e<strong>in</strong>er Liebesheirat.Fortsetzung <strong>der</strong> Unterhaltung mit an<strong>der</strong>en Mitteln" - die EhebriefeWie war sie denn nun, diese Dichtergatt<strong>in</strong>? Wahr ist, daß sich Emilie zeitlebens nach e<strong>in</strong>er gesicherterenLebensweise gesehnt hat, bed<strong>in</strong>gt durch die Erfahrungen <strong>in</strong> ihrer Jugend; gerne hätte sie ihren Mann alsBeamten gesehen mit regelmäßigen E<strong>in</strong>künften, se<strong>in</strong> sprunghaftes Leben <strong>und</strong> zuletzt die Aufgabe se<strong>in</strong>erberuflichen Laufbahn zugunsten des freien Schriftstellertums waren ihr daher unlieb. Unwahr ist die"Verdummung" Emilies, sie war namentlich für ihren Ehemann mehr als e<strong>in</strong> braves Hausmütterle<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>nAnsprechperson <strong>und</strong> Diskussionspartner. Gotthard Erler äußert sich dazu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gespräch mit B2-Radio*:Emilie Fontane ist e<strong>in</strong>e sehr sensible, sehr kluge Frau, <strong>und</strong> ohne diese Sensibilität, ohne das Verständnis für denDichter Theodor Fontane hätte diese Ehe gar nicht funktioniert. Dafür war Fontane auch im Umgang mit se<strong>in</strong>enPartnern viel zu anspruchsvoll. Sie kann das "Dummerle", das man ihr immer nachgesagt hat, wirklich nichtgewesen se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> wenn man e<strong>in</strong>ige Briefdebatten verfolgt, gerade <strong>in</strong> den achtziger Jahren, als diesepersönlichen D<strong>in</strong>ge alle gestorben s<strong>in</strong>d - man hat sich mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> arrangiert, man hat sich ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gewöhnt -dann gibt es eben diese hoch<strong>in</strong>teressanten Debatten über französischen Naturalismus - sie lesen beide Zolat <strong>und</strong>tauschen sich darüber aus - o<strong>der</strong> über Ausstellungen. [...]Emilie Fontane war e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tuitiv-<strong>in</strong>telligente Frau, die ihrem Ehemann tatsächlich <strong>in</strong> vielen Gesprächen e<strong>in</strong>eangemessene Partner<strong>in</strong> war. Sie teilt se<strong>in</strong>e Liebe zum Theater, hat diesbezüglich e<strong>in</strong> gutes Urteilsvermögen,ebenso was Literatur angeht. Bei geme<strong>in</strong>samen Fre<strong>und</strong>en wird sie geschätzt, wie beispielsweise e<strong>in</strong> kurzer BriefWilhelm Lübkes zeigt, <strong>in</strong> dem es heißt:[...] Nöhl, Nöhl [Spitzname Fonanes], was verlieren wir an dieser Frau! Sie ist uns nicht nur Mutter imgewöhnlichen S<strong>in</strong>n des Wortes: sie ist uns e<strong>in</strong> ganzes Elternpaar, Vater <strong>und</strong> Mutter zumal. [...] [Emiliebeabsichtigte damals, nach England umzusiedeln]Lübke spielt auf Emilies Rolle im Berl<strong>in</strong>er Literatur-Kreis "Ellora" an, an dem auch die Frauen <strong>der</strong> Literaten <strong>und</strong>Intellektuellen teilnahmen <strong>und</strong> Emilie die "Ellora-Mutter" war. - Emilie verfasst auch selbst kle<strong>in</strong>e Gedichte, lerntneben Haushalt <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n fleißig Englisch, um ihrem Mann nach Großbrittanien folgen zu können, <strong>und</strong> schreibtspäter sogar an e<strong>in</strong>er eigenen Autobiographie, die nur lei<strong>der</strong> nicht vollendet wird.Natürlich gab es auch etliche Spannungen <strong>und</strong> Krisen, oft waren die beiden getrennt, ihre Verhältnisse nichtselten unsicher. Dazu Jürgen Kolbe <strong>in</strong> B2*:Frau Emilie Fontane – sie galt den meisten Fontane-Kennern eher als stille, duldende Seele, die langeJahre, während ihr Theodor auf Reisen namentlich <strong>in</strong> England unterwegs war, sich recht <strong>und</strong> schlechtdurchschlagen mußte. Das Geld reichte vorn <strong>und</strong> h<strong>in</strong>ten nicht, erst als <strong>der</strong> Mann mit demRomaneschreiben begann, also mit sechzig Jahren, "trippelte es man etwas", wie Fontane <strong>in</strong> an<strong>der</strong>emZusammenhang sagte, es kam was zusammen. Daß freilich Emilie über die Probleme des Hausstandes<strong>und</strong> ihrer Rolle als Mutter h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> ihrer langen Ehe e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung für den SchriftstellerFontane hatte, das ist bis heute so gut wie unbekannt.26
Und trotz <strong>der</strong> größeren <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>eren Tiefpunkte, war die Ehe <strong>der</strong> Fontanes wohl e<strong>in</strong>e erfüllte, die auf großergegenseitiger Zuneigung, Ehrlichkeit <strong>und</strong> Vertrauen beruhte. Dankbarerweise können wir uns <strong>in</strong>zwischen alle e<strong>in</strong>eigenes Bild über die Ehe bilden, denn gerade jene häufigen Trennungen bescheren uns heute e<strong>in</strong>enungeheuren Segen <strong>in</strong> Form von Briefen. Die Kommunikation zwischen Emilie <strong>und</strong> Theodor brach nie ab, auchnicht während <strong>der</strong> Trennungen, woraus alle<strong>in</strong> man schon ersehen kann, wie <strong>in</strong>tensiv ihre Unterhaltungengewesen se<strong>in</strong> mussten, wenn sie nicht getrennt waren.www.xlibris.de/Autoren/Fontane/Fontane.htmIrrungen WirrungenMit Empörung reagierte e<strong>in</strong> Teil des Lesepublikums auf das Ersche<strong>in</strong>en des Romans Irrungen, Wirrungen imJahre 1887 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vossischen Zeitung; dem prüden Bürgertum <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>zeit g<strong>in</strong>g die Freizügigkeit <strong>der</strong><strong>Darstellung</strong> außerehelicher Liebesverhältnisse zu weit – »Wird denn die gräßliche Hurengeschichte nicht baldaufhören?« fragte e<strong>in</strong> Mit<strong>in</strong>haber des Blattes den Chefredakteur.E<strong>in</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert später fällt es schwer, <strong>in</strong> diesem Text <strong>in</strong> puncto Sexualität/Sitten etwas Anstößiges zu entdecken.Wenn <strong>der</strong> heutige Leser so etwas wie 'Empörung' spürt, dann über die Ergebenheit, mit <strong>der</strong> die beidenHauptfiguren auf ihr persönliches Glück verzichten <strong>und</strong> sich dem Diktat <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Lagebeugen. Die offizielle Verb<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er jungen Frau aus e<strong>in</strong>er unteren Gesellschaftsschicht mit e<strong>in</strong>em Adligen galtals nicht akzeptabel, <strong>und</strong> Botho <strong>und</strong> Lene halten durch ihre Trennung <strong>und</strong> spätere standesgemäße Heirat dieseklare Abgrenzung <strong>der</strong> Schichten aufrecht. Dabei ist das Thema <strong>der</strong> klassenübergreifenden Liebe ke<strong>in</strong>eswegsneu. Spätestens seit <strong>der</strong> Aufklärung, beson<strong>der</strong>s aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Romantik, wurde die freie Wahl des Partners alsnatürliche Konsequenz <strong>der</strong> Freiheit des Individuums betrachtet. Das Zusammenprallen von (Liebes-) Ideal <strong>und</strong>gesellschaftlicher Realität fand deshalb immer wie<strong>der</strong> E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> literarische Werke. Aber während etwa <strong>in</strong>Schillers Kabale <strong>und</strong> Liebe das Liebespaar sich mit aller Kraft gegen die fe<strong>in</strong>dlich e<strong>in</strong>gestellte Umwelt wehrt, ist <strong>in</strong>Irrungen, Wirrungen von Wi<strong>der</strong>stand nichts zu bemerken.Nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Flucht als Alternative zur offenen Konfrontation wird erwogen; Botho <strong>und</strong> Lenehandeln absolut systemkonform, <strong>in</strong>dem sie sich den äußeren Gegebenheiten wi<strong>der</strong>standslos fügen. Vor allemLene gibt sich ke<strong>in</strong>erlei Illusionen h<strong>in</strong> (»Man muß allem ehrlich <strong>in</strong>s Gesicht sehn <strong>und</strong> sich nichts weismachenlassen <strong>und</strong> vor allem sich selber nichts weismachen«), son<strong>der</strong>n akzeptiert »von Anfang an«, daß die Verb<strong>in</strong>dungmit Botho nicht von Dauer se<strong>in</strong> kann. Lene hat die gesellschaftlichen Mechanismen ver<strong>in</strong>nerlicht, <strong>und</strong> sokorrespondiert ihre fatalistische Haltung (»Ich hab’ es so kommen sehen«) mit <strong>der</strong> im Roman festgestelltenAbhängigkeit des Individuums von <strong>der</strong> Gesellschaft: »ja, wer ist dieser Stärkre? Nun, entwe<strong>der</strong> ist’s die Muttero<strong>der</strong> das Gerede <strong>der</strong> Menschen o<strong>der</strong> die Verhältnisse. O<strong>der</strong> vielleicht alles drei«.Konsequenterweise entwickelt Lene ke<strong>in</strong>e Zukunftsvisionen, dafür aber auch ke<strong>in</strong>e Schuldgefühle:Alles war me<strong>in</strong> freier Entschluß. Ich habe dich von Herzen liebgehabt, [...] <strong>und</strong> wenn es e<strong>in</strong>e Schuld war, so wares me<strong>in</strong>e Schuld. Und noch dazu e<strong>in</strong>e Schuld, <strong>der</strong>er ich mich [...] von ganzer Seele freue, denn sie war me<strong>in</strong>Glück. Indem sie ke<strong>in</strong>erlei Erwartungen hegt, ist sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, den Augenblick, d. h. die Nähe zu Botho ohneE<strong>in</strong>schränkung auszukosten. Hier allerd<strong>in</strong>gs unterscheidet sich Lene radikal von ihren Standesgenoss<strong>in</strong>en.Während <strong>in</strong> den Figuren <strong>der</strong> Frau Dörr o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Begleiter<strong>in</strong>nen von Bothos Fre<strong>und</strong>en e<strong>in</strong> für die damalige Zeitdurchaus häufiger Typus <strong>der</strong> Geliebten gezeichnet ist, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Liason mit e<strong>in</strong>em Adligen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ief<strong>in</strong>anzielle Vorteile sah, zählt für Lene ausschließlich die emotionale Nähe:'Jott, K<strong>in</strong>d, Sie verfärben sich ja; Sie s<strong>in</strong>d wohl am Ende mit hier dabei' – <strong>und</strong> sie wies aufs Herz – '<strong>und</strong> tun allesaus Liebe' Ja, K<strong>in</strong>d, denn is es schlimm, denn gibt es ’nen Klad<strong>der</strong>adatsch.?Mit ihrer nicht berechnenden H<strong>in</strong>gabe durchbricht sie die gängigen Verhaltensmuster also <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht;die 'Echtheit' ihrer Liebe – die sich auch am völligen Fehlen e<strong>in</strong>es Besitzanspruchs ablesen läßt (»wegfliegenwirst du, das seh’ ich klar <strong>und</strong> gewiß«) – ersche<strong>in</strong>t im gegebenen gesellschaftlichen Kontext als Ver-Irrung.Es verw<strong>und</strong>ert daher nicht, daß für Botho Lenes »E<strong>in</strong>fachheit, Wahrheit, Natürlichkeit« die entscheidendenCharaktermerkmale s<strong>in</strong>d, die es ihm »angetan« haben. Es muß jedoch befremden, daß er diese Eigenschaftenexplizit als »Kle<strong>in</strong>igkeiten« bezeichnet, <strong>und</strong> wirft die Frage auf, wie ernst se<strong>in</strong>e Gefühle überhaupt genommenwerden können.Auffallend ist se<strong>in</strong>e Reaktion auf den Brief <strong>der</strong> Mutter: »Dacht’ ich’s doch... Ich weiß schon, eh ich gelesen. ArmeLene«. Ohne jeden Anflug von Bestürzung nimmt er das Ende se<strong>in</strong>er Beziehung als gegeben h<strong>in</strong>. Daß se<strong>in</strong>Mitleidsausruf nur Lene gilt, deutet darauf h<strong>in</strong>, daß ihm selber die neue Lage gar nicht so unangenehm se<strong>in</strong> kann.Zweifellos empf<strong>in</strong>det Botho für Lene echte Zuneigung, die er während se<strong>in</strong>es anschließenden Ausritts noche<strong>in</strong>mal ausspricht (»Weil ich sie liebe«), doch zeigt gerade se<strong>in</strong>e Art <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong>bevorstehenden Trennung, wie wenig er tatsächlich 'leidet'. E<strong>in</strong> unglücklich Lieben<strong>der</strong> führt ke<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artigen<strong>in</strong>neren Monologe zu Pferde: Statt e<strong>in</strong>es Aufschreis <strong>der</strong> Verzweiflung erfolgt hier wortreiches Räsonnieren überdas Scheitern se<strong>in</strong>er Liebe.Damit offenbart sich se<strong>in</strong>e Unfähigkeit zu wirklich tiefen Empf<strong>in</strong>dungen, <strong>und</strong> se<strong>in</strong> »Wi<strong>der</strong>willen gegen allesUnwahre, Geschraubte, Zurechtgemachte«, den er <strong>der</strong> Gesellschaft entgegenbr<strong>in</strong>gt, könnte sich ebenso gutgegen ihn selbst richten. Im Gr<strong>und</strong>e genommen spielt Botho die Rolle des Liebenden, mehr als daß er sietatsächlich lebt. So fällt ihm <strong>der</strong> Abschied zwar nicht leicht, doch vollzieht er ihn nach allen Regeln des Anstandsmit brieflicher Vorankündigung <strong>und</strong> persönlicher Vorsprache bei <strong>der</strong> Mutter: »Und nun geben Sie mir die Hand.So. Und nun gute Nacht«. Nur Lenes verme<strong>in</strong>tliche Andeutung e<strong>in</strong>es Suizids droht ihn vorübergehend aus <strong>der</strong>Fassung zu br<strong>in</strong>gen – hier könnte sich die Wirklichkeit se<strong>in</strong>er Kontrolle entziehen.Letztlich ersche<strong>in</strong>t Bothos Leben als dauernde Selbst<strong>in</strong>szenierung. Sei es, daß er sich von Mutter Nimptsch <strong>und</strong>Frau Dörr als adliger Galan bew<strong>und</strong>ern läßt, sei es, daß er unter se<strong>in</strong>esgleichen als E<strong>in</strong>zelgänger auftritt, <strong>der</strong>»fürs Natürliche« ist <strong>und</strong> sich als Kunstkenner e<strong>in</strong>gerichtet hat, o<strong>der</strong> sei es se<strong>in</strong> späteres Dah<strong>in</strong>leben als etwasmelancholischer, aber im Großen <strong>und</strong> Ganzen doch glücklicher Ehemann – stets handelt es sich um e<strong>in</strong>e fast27