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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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Doch nicht nur das Frauenbild <strong>der</strong> damaligen Zeit schränkt die Frauen e<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n auch die allgeme<strong>in</strong>engesellschaftlichen Normen, die für jeden Bürger gelten, engen das Streben nach <strong>in</strong>dividuellerVerwirklichung e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e freie Entwicklung <strong>der</strong> Persönlichkeit ist Angesichts dieser strengen Konventionennahezu unmöglich, da jede Art von Verhalten von <strong>der</strong> Öffentlichkeit nach überzogenen <strong>und</strong> teilweiseantiquierten Wertmaßstäben be- bzw. auch verurteilt wird. Wer gegen die Normen verstößt, f<strong>in</strong>det sich imäußersten Fall am Rande <strong>der</strong> Gesellschaft wie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> wird sogar ganz geächtet. Natürlich s<strong>in</strong>d dieseRegeln ke<strong>in</strong>e festgeschriebenen Gesetze, aber sie haben auf den e<strong>in</strong>zelnen Menschen, <strong>der</strong> als Teil <strong>der</strong>Gesellschaft leben möchte, aus diesem Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e große Macht <strong>und</strong> können so erheblichesDruckpotential entwickeln. Deshalb kommt es beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> wilhelm<strong>in</strong>ischen Gesellschaft desausgehenden 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, die von starren, konservativen Normen maßgeblich geprägt ist,logischerweise immer wie<strong>der</strong> zu Konflikten, <strong>in</strong> denen das persönliche Individualitätsstreben des E<strong>in</strong>zelnenmit den geltenden Konventionen <strong>der</strong> Gesellschaft zusammenprallt.In Bezug auf die drei dargestellten <strong>Frauengestalten</strong> Fontanes, dem als Schriftsteller se<strong>in</strong>er Zeit dieseProblematik nicht verborgen bleibt, ist es <strong>in</strong>teressant zu vergleichen, wie sie sich mit diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>gegenüber den Regeln <strong>und</strong> Konventionen ihrer Zeit verhalten.So tritt Jenny Treibel überhaupt nicht <strong>in</strong> Konflikt mit <strong>der</strong> Gesellschaft, denn sie hat das Wertesystem ihrerSchicht vollständig ver<strong>in</strong>nerlicht. Betrachtet man diese Figur als satirische Kritik an <strong>der</strong> Bourgeoisie – wassie zweifelsfrei ist – lässt sich diese Kritik auch auf die geltenden Normen ausweiten. Denn gerade dieFrauenfigur, die nach diesen von e<strong>in</strong>er Doppelmoral zeugenden Werten <strong>der</strong> Gesellschaft lebt, sie sogarals eigene Gr<strong>und</strong>sätze übernimmt, wird im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Figuren, die diese Werte anzweifeln,als lügnerisch, heuchlerisch <strong>und</strong> im allgeme<strong>in</strong>en eher negativ dargestellt.Somit ist Jenny Treibel aus diesem <strong>Vergleich</strong> weitgehend herauszunehmen. Konzentriert man sichdeshalb auf Lene Nimptsch <strong>und</strong> Effi Briest, so fällt e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legende Geme<strong>in</strong>samkeit auf. Denn beidetreten mehr o<strong>der</strong> weniger <strong>in</strong> Konflikt mit <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> haben vor allem Probleme damit, ihr<strong>in</strong>dividuellen, natürliches Streben nach Glück den starren Konventionen unterzuordnen.Bei Lene Nimtpsch wird das deutlich an ihrer vernunftbed<strong>in</strong>gten Entscheidung gegen die Liebe zu Botho<strong>und</strong> für e<strong>in</strong> von <strong>der</strong> Gesellschaft anerkanntes Leben. Die Beziehung zu Botho bedeutet <strong>in</strong> ihrem Fall daspersönliche Glück, da sie aber von <strong>der</strong> Öffentlichkeit nicht akzeptiert wird <strong>und</strong> Lene nicht dazu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lageist, gegen diese gesellschaftlichen Regeln zu leben, fügt sie sich.Auch bei Effi Briest tritt das gleiche Problem zu Tage. Ordnet sie sich aber den gesellschaftlichen <strong>und</strong>moralischen Gr<strong>und</strong>sätzen ihrer Zeit unter, so kann sie ihr ganzes Leben nicht glücklich werden. DiesesStreben nach Glück jedoch ist e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> natürlichsten Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong> somit auch <strong>in</strong> Effisdem Natürlichem verb<strong>und</strong>enen Wesen zu f<strong>in</strong>den. Die Affäre als Ausdruck persönlicher ‚Entfaltung‘ ist e<strong>in</strong>für Effi selbst zwar unbewusstes, aber <strong>in</strong> den Augen <strong>der</strong> damaligen Öffentlichkeit um so schärfer zuverurteilendes Auflehnen gegen die Gesellschaft. Doch letztendlich ist Effi e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> vielen, die an diesemKonflikt zwischen Individuum <strong>und</strong> Gesellschaft zerbricht, da sie sich nicht wie Lene Nimtpsch mit dengeltenden Regeln abf<strong>in</strong>den kann.Deshalb ist Lene auch als ‚berl<strong>in</strong>erischer‘ zu charakterisieren, def<strong>in</strong>iert man diese Eigenschaft wieFontane als die „[…]für Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> die Mark bezeichnende verstandesmäßige Haltung bei dem Gefühlzustehenden Entscheidungen […]“(16/ S.497). Man arrangiert sich eben so gut es geht mit denGegebenheiten, da man als E<strong>in</strong>zelperson an <strong>der</strong> Gesamtlage nichts än<strong>der</strong>n kann, <strong>und</strong> steckt eher zurück,als ganz daran zu zerbrechen.Trotzdem haben beide <strong>in</strong> Bezug auf diesen Konflikt auch e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>samkeit: So schreibt Fontane 1887<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief über die gesellschaftlichen Konventionen: „>Die Sitte gilt <strong>und</strong> muß gelten

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