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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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) Kritik an dem durch Effi dargestellten Frauenbild aus heutiger Sicht S. 43IV<strong>Vergleich</strong> <strong>der</strong> drei <strong>Frauengestalten</strong>1) Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Position S. 442) Der Konflikt Individuum – Gesellschaft S. 46C) Die Bedeutung <strong>der</strong> literarischen Held<strong>in</strong>nen Fontanes für se<strong>in</strong>e Kritik an <strong>der</strong>patriarchalischen Gesellschaft S. 48Die Rolle <strong>der</strong> Frau war im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert trotz <strong>der</strong> ersten langsam anlaufendenEmanzipationsbewegungen, die <strong>in</strong> Deutschland zum Beispiel die Gründung von revolutionärenFrauenklubs um 1848 zur Folge hatte, war die Rolle <strong>der</strong> Frau noch lange Zeit genau festgelegt. DieAufgaben des täglichen Lebens waren geschlechtsspezifisch aufgeteilt entsprechend <strong>der</strong> striktentraditionellen Rollentrennung zwischen Mann <strong>und</strong> Frau.Demzufolge galt <strong>der</strong> Mann – wie schon seit Jahrh<strong>und</strong>erten vorher – nicht nur als Ernährer, son<strong>der</strong>naußerdem als <strong>der</strong> Vorm<strong>und</strong> <strong>der</strong> Frau <strong>und</strong> <strong>der</strong> gesamten Familie. Er alle<strong>in</strong> trug die Verantwortung für dief<strong>in</strong>anzielle <strong>und</strong> wirtschaftliche Situation <strong>der</strong> Familie <strong>und</strong> konnte somit auch alle Entscheidungen ohneRücksprache mit se<strong>in</strong>er Familie treffen.Innerhalb dieses patriarchalischen Gesellschaftssystems waren die Möglichkeiten für Frauen natürlichäußerst begrenzt <strong>und</strong> wie anfangs schon erwähnt genau festgelegt. Abgesehen von den zahlreichenFrauen aus den unteren Gesellschaftsschichten, die neben Haushalt <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung zusätzlichnoch zum Lebensunterhalt <strong>der</strong> Familie beitragen mussten, war Frauenarbeit <strong>in</strong> den wohlhaben<strong>der</strong>enSchichten verpönt, da es als Zeichen für die Unfähigkeit des Mannes, se<strong>in</strong>e Familie zu ernähren,gewertet wurde. Das Leben <strong>der</strong> Frauen aus höheren Gesellschaftsschichten beschränkte sich somitausschließlich auf die Organisation des Haushaltes, die Erziehung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> auf die Repräsentation<strong>der</strong> Familie bei offiziellen Anlässen. ‚Selbstverwirklichung‘ musste bei diesen Frauen also <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>eigenen vier Wände stattf<strong>in</strong>den, wo sie je nach Durchsetzungsvermögen mehr o<strong>der</strong> weniger zu sagenhatten, da sie außerhalb ihres Hausstandes als unmündiges ‚Anhängsel‘ ihres Mannes galten.Fehlende politische Rechte <strong>und</strong> die fehlende Möglichkeit zur beruflichen Ausbildung gaben den Frauen im19.Jahrh<strong>und</strong>ert ke<strong>in</strong>e Chance, sich zu e<strong>in</strong>em selbst- <strong>und</strong> öffentlich eigenständigen Individuum zuentwickeln. Von K<strong>in</strong>dheit an wurden deshalb die Töchter aus nahezu allen Gesellschaftsschichten zurstillen <strong>und</strong> angepassten Unterordnung ihrer eigenen Person unter die Autorität des Patriarchen – sei esnun Vater o<strong>der</strong> Ehemann – erzogen.Doch war es für viele Frauen problematisch, sich mit diesen strengen, ihre persönliche Freiheit starke<strong>in</strong>grenzenden Konventionen zu arrangieren <strong>und</strong> ihre persönlichen Bedürfnisse <strong>in</strong> das starre‚Regelkorsett‘ <strong>der</strong> damaligen Zeit zu zwängen. So kam es häufig zu mehr o<strong>der</strong> weniger tragischen <strong>und</strong>öffentlich gemachten Konflikten zwischen dem weiblichen Individuum <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft – e<strong>in</strong> Thema,das zur damaligen Zeit sehr brisant wahr <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>iger Kritik an <strong>der</strong> bestehenden Gesellschaft anregte.Auch <strong>der</strong> bekannteste deutsche Schriftsteller des Realismus, Theodor Fontane (1819-1898), maß diesemgesellschaftlichen Brennpunkt e<strong>in</strong>e große Bedeutung zu <strong>und</strong> beschäftigte sich mit diesem Problem vorallem aus weiblicher Sicht. So behandelt er den Konflikt zwischen weiblichem Individuum <strong>und</strong> <strong>der</strong> vonMännern <strong>und</strong> starren Regeln dom<strong>in</strong>ierten Gesellschaft stellvertretend für alle Schichten an drei weiblichenHauptfiguren, die für se<strong>in</strong> Werk von beson<strong>der</strong>er Bedeutung s<strong>in</strong>d: Lene Nimptsch aus se<strong>in</strong>em Roman‚Irrungen, Wirrungen‘ als emanzipierte Frau aus kle<strong>in</strong>bürgerlichen Verhältnissen; auf <strong>der</strong> Ebene deshohen Besitzbürgertums, <strong>der</strong> Bourgeoisie, die von <strong>der</strong> Hauptfigur se<strong>in</strong>es gleichnamigen Romans ‚FrauJenny Treibel‘ treffend vertreten wird <strong>und</strong> zuletzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> höchsten Gruppe <strong>der</strong> damaligen Gesellschaft,dem Adel, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestalt se<strong>in</strong>er tragischen Held<strong>in</strong> Effi Briest, die an dem Konflikt zwischen persönlichemIndividualitätsanspruch <strong>und</strong> gesellschaftlichen Zwängen zu Gr<strong>und</strong>e geht.Betrachtet man sich die weibliche Hauptfigur des Romans „Irrungen, Wirrungen“, den Fontane 1888veröffentlicht hat, so fällt schnell auf, warum sogar schon die zeitgenössische Kritik über die Figur <strong>der</strong>Lene Nimptsch urteilt: „Sie gehört ohne Frage zu den anziehendsten weiblichen Gestalten, die er[Fontane] geschaffen hat [.]“(1/ S.88).Lene, eigentlich Magdalene Nimptsch, ist die Pflegetochter e<strong>in</strong>er alten Waschfrau, die von allen nurMutter Nimptsch genannt wird. Ihre Herkunft ist unklar, auf e<strong>in</strong>e nicht ernst zu nehmende Äußerung vonFrau Dörr, <strong>der</strong> Nachbar<strong>in</strong> <strong>und</strong> Vermieter<strong>in</strong>, „[...] un vielleicht is es e<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> o<strong>der</strong> so was [.]“(2/ S.6/Z.27f.) wird im weiteren Romanverlauf nicht e<strong>in</strong>gegangen. Lene <strong>und</strong> ihre Pflegemutter leben <strong>in</strong> sehrbescheidenen Verhältnissen <strong>und</strong> bewohnen mietweise e<strong>in</strong> Häuschen, das zum Anwesen <strong>der</strong> GärtnereiDörr <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gehört. Wie die meisten Frauen aus den sozial schwächer gestellten Schichten muss auchLene, die mit Anfang 20 ungewöhnlicher Weise noch nicht verheiratet ist, ihren <strong>und</strong> den Lebensunterhaltihrer Mutter selbst verdienen, <strong>in</strong>dem sie als Plätter<strong>in</strong> bzw. Näher<strong>in</strong> arbeitet. Sie ist somit alle<strong>in</strong>everantwortlich, nicht nur für sich selbst, son<strong>der</strong>n auch für die kränkelnde Pflegemutter. Diese Tatsacheverleiht Lene neben e<strong>in</strong>er gewissen Unabhängigkeit <strong>und</strong> Selbständigkeit, vor allem S<strong>in</strong>n für den Ernst desLebens, den sie von K<strong>in</strong>dheit an kennengelernt hat. Trotz dieses ernsten Wesenszuges ist Lene, die2

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