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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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dafür steht ihr verzweifelter Wutausbruch über die Gefühlskälte, die Instetten ihrer geme<strong>in</strong>samen TochterAnnie gegenüber ihrer verstoßenen Mutter anerzogen hat, nachdem sie diese zum ersten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zigenMal nach drei Jahren Trennung wie<strong>der</strong>gesehen hat (10/ S.309/ Z.18- S.310/ Z.8). Dieser Zorn führtdeutlich den Wi<strong>der</strong>spruch zwischen Akzeptanz <strong>der</strong> gesellschaftlichen Regeln <strong>und</strong> Auflehnung gegen ebendiese Konventionen vor Augen, <strong>der</strong> Effis Persönlichkeit gemäß <strong>der</strong> ihrem Charakter zu Gr<strong>und</strong>e liegendenGegensätzlichkeit entspricht.Effis Wutausbruch endet mit dem <strong>in</strong>direkten Bekenntnis, dass sie den Tod als Erlösung von <strong>der</strong> Last ihresSchicksals sieht: „Ich muss leben, aber ewig wird es ja wohl nicht mehr dauern [.]“(10/ S.310/ Z.7f.).Danach verschlechtert sich ihr Ges<strong>und</strong>heitszustand zusehends, die Annahme, sie habe ihrenLebenswillen aufgegeben, liegt nahe. Auch <strong>der</strong> Aufenthalt <strong>in</strong> Hohen – Cremmen, woh<strong>in</strong> sie nach e<strong>in</strong>emBrief ihres Arztes an ihre Eltern zurückkehren darf, lässt Effi nur kurzzeitig wie<strong>der</strong> aufleben. Im Wissen,dass es ihre letzten Wochen <strong>und</strong> Monate se<strong>in</strong> werden, genießt sie dort bewusst noch e<strong>in</strong>mal dieUnbeschwertheit <strong>und</strong> die emotionale Wärme ihrer K<strong>in</strong>dheit. Das Kittelkleid, das nun wie<strong>der</strong> trägt, drücktihre Sehnsucht aus, zu den sorglosen Tagen zurückzukehren.Letztendlich aber stirbt Effi, wobei sie sich mit Instetten versöhnt wissen will. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Bedeutungdieser Worte an ihrem Sterbebett gibt es viele verschiedene Me<strong>in</strong>ungen, jedoch ist die Annahme, dass essich dabei e<strong>in</strong>fach um den natürlichen Wunsch handelt, im Frieden mit <strong>der</strong> Umwelt <strong>und</strong> ohne Schuld ruhigzu sterben, am wahrsche<strong>in</strong>lichsten, berücksichtigt man das gegen Ende ihres Lebens entstehendeBedürfnis nach Befreiung <strong>und</strong> Ruhe.Auf ihrem Grabste<strong>in</strong>, <strong>der</strong> sich genau am Platz ihrer geliebten Schaukel <strong>in</strong> Hohen – Cremmen bef<strong>in</strong>det, istihr Mädchenname Effi Briest <strong>und</strong> nicht Effi von Instetten zu lesen, was im Rückblick auf ihr ganzes Lebenzeigt, dass sie ke<strong>in</strong>erlei Verb<strong>in</strong>dungen zu diesem Namen hatte <strong>und</strong> trotz des Versuchs, sich <strong>in</strong> ihregesellschaftliche Rolle zu fügen, doch immer das k<strong>in</strong>dliche Mädchen blieb, das nie zur Dame gemachtwerden wollte.Wie bereits schon an se<strong>in</strong>em Roman ‚Frau Jenny Treibel‘ bewiesen, griff Fontane <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Werkenhäufig auf wahre Geschichten <strong>und</strong> Personen aus se<strong>in</strong>em Umfeld zurück. Noch genauer als sich bei ‚FrauJenny Treibel‘ Parallelen zwischen <strong>der</strong> Romanfigur <strong>und</strong> realen Personen nachweisen lassen, wird bei ‚EffiBriest‘ deutlich, dass Fontane hier die wirkliche Geschichte <strong>der</strong> Elisabeth Freifrau von Ardenne, geborenevon Plotho, literarisch verarbeitete, <strong>der</strong>en Ehebruchäffare im Berl<strong>in</strong> <strong>der</strong> 80er Jahre des 19.Jahrh<strong>und</strong>ertserhebliches Aufsehen erregte.So überrascht es auch nicht, dass sich viele Geme<strong>in</strong>samkeiten zwischen beiden Frauen f<strong>in</strong>den lassen.Betrachtet man alle<strong>in</strong> die Namensgebung, fallen große Ähnlichkeiten zwischen Elisabeth, genannt Else,von Plotho <strong>und</strong> Effi, was wie<strong>der</strong>um auch e<strong>in</strong> Rufname ist – ihren vollständigen Namen erfährt <strong>der</strong> Leserwährend des ganzen Romans nicht – von Briest. Neben dieser eher oberflächlichen Geme<strong>in</strong>samkeitwerden vor allem bei e<strong>in</strong>er Beschreibung Elses wesentliche Charaktermerkmale Effis deutlich: Genau wieElse, die „wild <strong>und</strong> eigenwillig“(14/ S.84) aufwächst, hat auch Effi e<strong>in</strong> sehr ausgelassenes, stürmischesWesen, das durch die freie K<strong>in</strong>dheit begründet ist. Zwar lassen sich bei beiden Lücken <strong>in</strong> <strong>der</strong>(schulischen) Bildung feststellen, aber sowohl Else als auch ihr literarischer ‚Zwill<strong>in</strong>g‘ verfügen imGegensatz dazu über e<strong>in</strong>e „natürliche Klugheit“ (10/ S.6/ Z.30), Menschenverstand <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e großePhantasie.Auch <strong>in</strong> bestimmten Details wird deutlich, dass Fontane sich genau mit dem Schicksal <strong>der</strong> Else vonArdenne beschäftigt hat. So übernahm er den Ruf „Else, komm !“ mit dem die Mutter nach ihrer Tochterschickte <strong>und</strong> wandelte ihn um <strong>in</strong> den für se<strong>in</strong> Werk aussagekräftigen Ausruf „Effi, komm.“ um.Auch die Mutter arrangierte die Verlobung zwischen ihrer Tochter Else <strong>und</strong> Baron Armand von Ardenne,vergleichbar dem Verhalten von Effis Mutter Luise. Bei <strong>der</strong> Hochzeit ist Else genau wie Effi 17 Jahre alt,jedoch ist <strong>der</strong> Altersunterschied <strong>der</strong> Eheleute <strong>in</strong> <strong>der</strong> wahren Geschichte nicht so hoch wie im Roman, daArmand von Ardenne mit 22 Jahren vom Alter her gesehen besser zu Else passt , als <strong>der</strong> knapp 40jährigeInstetten zu se<strong>in</strong>er jungen Frau.Im ersten Jahr <strong>der</strong> noch jungen Ehe br<strong>in</strong>gt Else e<strong>in</strong> Mädchen zur Welt, auch diese Tatsache übernahmFontane <strong>und</strong> so bekommt auch Effi nicht lange nach <strong>der</strong> Hochzeit ihre Tochter Annie. E<strong>in</strong>e weitereGeme<strong>in</strong>samkeit ist das Verhältnis zwischen den Eheleuten. Während Else unter <strong>der</strong> Unaufmerksamkeitihres Mannes leidet, fühlt sich Effi entsprechend oft von Instetten vernachlässigt <strong>und</strong> alle<strong>in</strong>e gelassen.In e<strong>in</strong>em Fre<strong>und</strong> ihres Ehemannes, dem Amtsrichter Emil Hartwich, f<strong>in</strong>det Else zunächst e<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong><strong>und</strong> Vertrauten, mit dem sie viele Interessen, wie zum Beispiel das Theaterspielen teilt. Man er<strong>in</strong>nere sichan dieser Stelle nur an das von Crampas organisierte Theaterstück „E<strong>in</strong> Schritt vom Wege“, um weitereParallelen zu f<strong>in</strong>den. Auch diese Fre<strong>und</strong>schaft wird im Laufe <strong>der</strong> Zeit immer enger <strong>und</strong> führt schließlich zue<strong>in</strong>em Verhältnis, genau wie sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> literarischen Verarbeitung e<strong>in</strong>e Affäre zwischen Effi <strong>und</strong> Crampasentwickelt.Jedoch g<strong>in</strong>g Fontane nicht so weit, auch die echten Gefühle zwischen Else <strong>und</strong> ihrem Geliebten, die sichbeide scheiden lassen wollten, um ihrerseits e<strong>in</strong>e Ehe e<strong>in</strong>zugehen, zu übernehmen, son<strong>der</strong>n so stellte erdas Verhältnis nur als Zeitvertreib für Effi dar.Die Folgen dieser Affäre aber entnahm Fontane fast wahrheitsgetreu dem Schicksal <strong>der</strong> Else vonArdenne: So lässt er Instetten die versteckten Briefe f<strong>in</strong>den, genau wie es Armand von Ardenne getanhat. Auch das Duell, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Liebhaber fällt, <strong>und</strong> die darauffolgende Scheidung <strong>der</strong> Eheleute, bei <strong>der</strong>das Sorgerecht für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dem Vater zugesprochen wird, f<strong>in</strong>den sich sowohl bei <strong>der</strong> wirklichenBegebenheit, als auch im Roman.Während Else von Ardenne ihr Leben nach dem Schicksalsschlag <strong>der</strong> Pflege alter <strong>und</strong> kranker Menschenwidmet – wor<strong>in</strong> sich Effis Wunsch nach karitativen Aufgaben ausdrückt – <strong>und</strong> mit 99 Jahren 1952 <strong>in</strong>18

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