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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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[…]“(10/ S.206/ 2f.) entspricht aber nicht <strong>der</strong> wirklichen Tatsache, denn Effi hat sich nicht aus eigenenAntrieb befreit, son<strong>der</strong>n ist auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es glücklichen Umstandes befreit worden. Somit wird ohneZweifel deutlich, dass ihr passives ‚sich treiben lassen‘ Ausdruck von fehlen<strong>der</strong> Willensstärke <strong>und</strong>mangeln<strong>der</strong> Selbstdiszipl<strong>in</strong> ist. Die (moralischen) Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Pr<strong>in</strong>zipien, um wi<strong>der</strong>stehen zu können,s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem schwachen <strong>und</strong> jungen Wesen noch nicht verankert.Deshalb hat die Schuld, die sie aber durch die Affäre auf sich zieht, um so schwerwiegen<strong>der</strong>e Folgen <strong>und</strong>wirkt sich auf Effis gesamtes Wesen aus. Denn sie leidet unter dem unmoralischen Verhältnis zuCrampas <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht: Zum e<strong>in</strong>en fühlt sie sich wie e<strong>in</strong>e „Gefangene“(10/ S.189/ Z.27f.), die sichaus dem von ihr selbst geschaffenen Netz aus Heimlichkeiten <strong>und</strong> Lügen nicht mehr befreien kann. Dadieses Verhalten, das aber notwendig ist, wenn Effi ihre emotionalen Bedürfnisse wenigstens annäherndbefriedigen will, absolut gegen ihre offene <strong>und</strong> natürlich – direkte Art spricht, leidet sie schwer darunter(10/ vgl. S.189/ Z.26-29). An<strong>der</strong>erseits ist es auch das schlechte Gewissen gegenüber ihrem Ehemann –den sie zwar nicht liebt, aber trotzdem achtet <strong>und</strong> schätzt -, das Effi belastet. In e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Monolog,als sie kurzzeitig glaubt, sie sehe den Ch<strong>in</strong>esen wie<strong>der</strong> spuken, erkennt Effi, dass nicht die Geistergestalt,son<strong>der</strong>n ihr eigenes Gewissen sie belastet: „Ich weiß schon, was es ist; es war nicht <strong>der</strong> […]. Es war […]me<strong>in</strong> Gewissen... Effi, du bist verloren [.]“(10/ S.190/ Z.9-12). Dieser verzweifelte Ausspruch beweist, wiesehr die junge Effi auch <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht leidet.Da sie aber nicht nur <strong>in</strong> Bezug auf ihren Willen <strong>und</strong> ihre Selbstdiszipl<strong>in</strong> zu schwach ist, sche<strong>in</strong>t es, als obdie Belastungen allmählich zu erdrückend werden <strong>und</strong> sie ihnen auf längere Zeit h<strong>in</strong> nicht standhaltenkann. Man sieht ihr diese Verän<strong>der</strong>ung auch äußerlich an, denn „ihre Gesichtszüge hatten e<strong>in</strong>en ganzan<strong>der</strong>en Ausdruck angenommen <strong>und</strong> das halb rührend, halb schelmisch K<strong>in</strong>dliche, das sie noch als Fraugehabt hatte, war h<strong>in</strong> [.]“(10/ S.194/ Z.26-29). Ihr Äußeres drückt jedoch nur ihr Inneres <strong>und</strong> ihre Gefühleaus, denn wegen <strong>der</strong> auf ihr lastenden Schuld legen sich Zwang <strong>und</strong> Befangenheit wie e<strong>in</strong> Schleier aufEffis sonst so heiter – sorgloses Wesen. Verstärkt wird diese ganze Problematik dadurch, dass sie sich –wie vorher schon erläutert – aus eigener Kraft nicht befreien kann.Obwohl Effi nach Beendigung <strong>der</strong> Affäre äußerlich wie<strong>der</strong> auflebt – ihrem Mann, dem diese Verän<strong>der</strong>ungnatürlich nicht entgangen ist, gibt sie vor, sie freue sich nur auf Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> das gesellschaftliche Leben <strong>der</strong>Stadt -, lässt sie ihre Schuld nicht los, ja sie begleitet Effi sogar nach Berl<strong>in</strong>. So muss sie sich selbste<strong>in</strong>gestehen: „Wohl blickte das Vergangene noch <strong>in</strong> ihr Leben here<strong>in</strong> […]“( 10/ S.232/ Z.7f.) <strong>und</strong> soversucht sie ihre Schuld im Verborgenen wie<strong>der</strong> gut zu machen, denn „[<strong>in</strong>] jeglichem, was sie [tut], [liegt]etwas Wehmütiges, wie e<strong>in</strong>e Abbitte […]“(10/ S.232/ Z.11f.).Trotzdem hat Effi immer das Gefühl, ihre Schuld verfolge sie. Dies drückt sich zum Beispiel aus, als dasEhepaar Instetten während ihres geme<strong>in</strong>samen Urlaubs auf <strong>der</strong> Insel Rügen von e<strong>in</strong>em Dorf erfährt, dasden Namen ‚Crampas‘ trägt. Daraufh<strong>in</strong> reagiert Effi erschrocken <strong>und</strong> versucht fast panisch das Dorf zumeiden, woran deutlich wird, wie sehr sie immer noch unter <strong>der</strong> Schuld leidet.Alle<strong>in</strong> die Tatsache, dass Effi die Briefe von Crampas fe<strong>in</strong> säuberlich im Verborgenen aufbewahrt, könntedarauf h<strong>in</strong>weisen, dass auch Effi von ihrer Seite her noch nicht mit ihrer Schuld abgeschlossen hat. Denn<strong>in</strong> sentimentaler H<strong>in</strong>sicht bedeuten ihr die Briefe, die nicht nur dazu dienen, die Affäre letztendlichaufzudecken, nichts <strong>und</strong> so lassen sie sich unter an<strong>der</strong>em auch als Symbol <strong>der</strong> zwar (noch) imVerborgenen liegenden, aber doch existierenden <strong>und</strong> unverarbeiteten Schuld auffassen.S<strong>in</strong>d es während <strong>der</strong> Affäre sowohl das schlechte Gewissen, als auch die Lügen, unter denen Effi leidet,zeichnet sich nun nach dem Ende des Verhältnisses ab, dass die Schuld <strong>in</strong> Bezug auf die Heimlichkeitendoch überwiegt. Nicht die moralische Schuld, die sie durch den Ehebruch auf sich gezogen hat, lastet aufihr, son<strong>der</strong>n sie gesteht sich selbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Monolog e<strong>in</strong>: „Ich schäme mich bloß wegen demewigen Lug <strong>und</strong> Trug […]“(10/ S.245/ Z.33f.). Doch das macht die Lage ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>facher, son<strong>der</strong>nsogar noch schwerer: Effi fühlt sich eben deswegen schuldig, gerade weil sie ke<strong>in</strong>e Schuld über ihrenEhebruch, <strong>der</strong> nach den damaligen streng moralischen Gr<strong>und</strong>sätzen als höchst verwerflich zu beurteilenist, empf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> ihr somit – wie auch <strong>in</strong> vielen an<strong>der</strong>en Charakteristiken bestätigt – e<strong>in</strong> „moralisches,tiefes Schuldempf<strong>in</strong>den“ (9/ S.51) fehlt. Effi spricht wie<strong>der</strong>um auch nur von ihrer ‚Schuld‘, weil ihrVerhalten <strong>in</strong> den Augen <strong>der</strong> Gesellschaft, nicht aber nach ihrer eigenen Auffassung e<strong>in</strong>e ‚Schuld‘ ist.Genau dieses komplizierte Gefühlsgeflecht ist nämlich die wahre Belastung <strong>und</strong> so erkennt Effiverzweifelt : „Aber Scham über me<strong>in</strong>e Schuld, die hab ich nicht […], o<strong>der</strong> doch nicht genug, <strong>und</strong> dasbr<strong>in</strong>gt mich um, dass ich sie nicht habe [.]“ (10/ S.246/ Z.6-9). Aus diesem Gr<strong>und</strong> dauert es auch übersechs Jahre, bis Effi diese für sie beson<strong>der</strong>s belastende ‚Schuld‘ e<strong>in</strong>igermaßen verarbeitet hat, denn so‚abgebrüht‘ wie an<strong>der</strong>e Damen <strong>der</strong> höheren Gesellschaft, die zwar auch ihre außerehelichen Verhältnissehaben, aber sich nur um die Entdeckung <strong>der</strong>selben <strong>und</strong> die sich daraus ergebenden Konsequenzensorgen, ist Effi nicht.Aber gerade als es so sche<strong>in</strong>t, dass Effi diese schwere Belastung überw<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> allmählich wie<strong>der</strong>zu Ruhe gekommen ist, bricht mit <strong>der</strong> Entdeckung <strong>der</strong> Affaire <strong>und</strong> ihrer Folgen e<strong>in</strong> neuerSchicksalsschlag <strong>und</strong> neue Verzweiflung über Effi here<strong>in</strong>. Von Ehemann, Eltern <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gesellschaftverstoßen <strong>und</strong> als Ehebrecher<strong>in</strong> geächtet muss sie sich alle<strong>in</strong>e – nur unterstützt durch ihre Bedienstete<strong>und</strong> e<strong>in</strong>zige Vertrauensperson Roswitha – aus <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Wohnung zurückziehen.Zwar sche<strong>in</strong>t sie sich mit ihrer Schuld <strong>und</strong> dem Schicksalsschlag, als natürliche, den gesellschaftlichenRegeln entsprechende Konsequenz aus ihrem Handeln, abgef<strong>und</strong>en zu haben , denn so sagt sie faste<strong>in</strong>sichtig <strong>und</strong> die harten Regeln <strong>der</strong> Gesellschaft akzeptierend: „Wie es ist, so ist es recht; ich habe esnicht an<strong>der</strong>s gewollt [.]“(10/ S.304/ S.11f.)Jedoch ist es nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen, dass Effi allmählich an ihrem Schicksal zerbricht. Symbolisch17

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