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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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Mann „von Stellung“(10/ S.17/ Z.21f.) mit Karriereambitionen <strong>und</strong> äußerst erfolgreichenZukunftsaussichten. So wird er noch weiter beruflich <strong>und</strong> gesellschaftlich aufsteigen, womit sich dannauch Effis „Wunsch nach gesellschaftlicher Stellung“(12/ S.50) erfüllen wird. Instetten ist also sowohlreich an Geld , als auch an beruflichem Erfolg <strong>und</strong> kann se<strong>in</strong>er jungen Frau <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht alles bieten,was sie sich erhofft.Diese materielle Veranlagung wird beson<strong>der</strong>s deutlich an Effis Verhalten: So heiratet sie trotz Zweifellieber Instetten aus den oben genannten Gründen als ihren Vetter Dagobert von Briest. Er würde zwarvom Wesen viel besser zur jugendlichen Effi passen, da er genauso heiter <strong>und</strong>, was noch viel wichtigerfür sie ist, unterhaltsam ist. Jedoch eignet er sich ihrer Ansicht nach nicht zum Ehemann, auf Gr<strong>und</strong>se<strong>in</strong>er beruflichen Stellung als e<strong>in</strong>facher Leutnant ohne große Aussichten auf e<strong>in</strong>e erfolgreiche Zukunftwie Instetten. Als ihre Mutter sie ausdrücklich fragt, ob sie nicht lieber Vetter Dagobert heiraten wolle,lehnt Effi mit den Worten „Um Gottes willen nicht [!]“(10/ S.36/ Z.12) entschieden ab. Daraufh<strong>in</strong> betont diezukünftige Frau Baron<strong>in</strong> von Instetten die Vorzüge ihres Verlobten: Neben <strong>der</strong> Tatsache, dass sie mit ihm<strong>in</strong> gebühren<strong>der</strong> Weise Staat machen kann, zählt vor allem se<strong>in</strong> beruflicher <strong>und</strong> gesellschaftlicher Aufstieg(10/ vgl. S.36/ Z.14f.).Dieses Verhalten zeugt also sehr wohl von e<strong>in</strong>em die gesellschaftlichen Konventionen bejahendemWesenszug, <strong>in</strong> welchem sie offensichtlich stark von ihrer Mutter geprägt ist. Auch <strong>in</strong> Tradition ihrer Mutterwünscht sich Effi zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt für ihre Tochter Annie e<strong>in</strong>e ‚gute Partie‘. So wäre „[…] e<strong>in</strong>eleganter <strong>und</strong> welterfahrener <strong>und</strong> vor allem sehr, sehr reicher Bankierschwiegersohn […] durchaus nichtgegen ihre Wünsche […]“(19/ S.250/ Z.22-25) – was wie<strong>der</strong>um als Beleg für die traditionell – konservativeSeite im Wesen <strong>der</strong> Effi Briest zu nennen ist.Zusammen mit dem Aspekt des Naturk<strong>in</strong>des, des ausgelassenen, risikofreudigen jungen Mädchensbetrachtet ergibt dieser Wunsch nach Reichtum <strong>und</strong> gesellschaftlicher Position e<strong>in</strong>e gewisseWi<strong>der</strong>sprüchlichkeit. Denn eigentlich handelt es sich dabei um zwei gegensätzliche Züge, die nur schwerzu vere<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d. Da aber beide Seiten <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße ausschlaggebend für ihr Wesen <strong>und</strong>Verhalten s<strong>in</strong>d, lässt sich nicht verleugnen, dass die Persönlichkeit <strong>der</strong> Effi Briest wie<strong>der</strong>um weitgehendvon diesem Wi<strong>der</strong>spruch zwischen Naturk<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Gesellschaftsdame bestimmt wird.Diese Gegensätzlichkeit verursacht, obwohl sich Effi ihrer nicht bewusst ist, e<strong>in</strong>e gewisse Unsicherheit,welche sich <strong>in</strong> ihrer deutlich zum Ausdruck kommenden Naivität zeigt. Somit wird anhand diesesWesenszuges e<strong>in</strong>deutig betont, dass Effi mit <strong>der</strong> neuen Situation <strong>und</strong> den sich daraus ergebendenVerän<strong>der</strong>ungen im Gr<strong>und</strong>e genommen nicht zurecht kommt. Deshalb versucht sie, diese verän<strong>der</strong>teRealität so gut <strong>und</strong> so lange es geht zu verdrängen. Hierfür ist als Beispiel ihr Verhalten direkt nach <strong>der</strong>Verlobung zu nennen: Anstatt sich mit ihrem zukünftigen Ehemann, <strong>der</strong> ihr ja völlig fremd ist, vertraulichzu machen, f<strong>in</strong>det man Effi kurz darauf wie<strong>der</strong> bei ihren Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>nen. Sie macht weiter wie bisher, alswolle sie nicht e<strong>in</strong>sehen, dass sich ihr Leben jetzt von Gr<strong>und</strong> auf än<strong>der</strong>n werde.Doch diese Erkenntnis verdrängt Effi zunächst noch weiter, was sich daran zeigt, dass sie die tägliche<strong>in</strong>treffenden Briefe Instettens äußert wenig <strong>in</strong>teressieren. So zögert sie das Öffnen e<strong>in</strong>es Briefs so langeh<strong>in</strong>aus, dass sie ihn fast vergisst. Von ihrer Mutter dazu aufgefor<strong>der</strong>t, überfliegt sie das Schreiben ihreszukünftigen Mannes nur kurz (10/ vgl. S.33/ Z.1f.). Auffällig ist <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht auch die Häufigkeit <strong>der</strong>Briefe, die Effi an ihn schreibt: Während Instetten ihr täglich schreibt, sendet sie ihm wenn überhaupte<strong>in</strong>mal pro Woche e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Antwort „[…] voll reizend nichtigen Inhalts[.]“(10/ S.22/ Z.5f.). Dies erwecktden E<strong>in</strong>druck, dass <strong>der</strong> Kontakt mit ihrem wesentlich älteren Verlobten Effi nicht son<strong>der</strong>lich <strong>in</strong>teressiert<strong>und</strong> sie ihm zudem absolut nichts zu sagen hat. Insgeheim zweifelt Effi nämlich an <strong>der</strong> Richtigkeit <strong>der</strong>Verb<strong>in</strong>dung, jedoch will sie darüber nicht nachdenken, weshalb sie es weitgehend zu verdrängenversucht.Diesem Verhaltensmuster entsprechend beschäftigt sie sich außerdem nicht mit den Vorbereitungen fürdie Feierlichkeiten „[…] <strong>und</strong> es [ist] ganz unverkennbar, dass sie sich um Polterabend <strong>und</strong> Hochzeit nichtallzu sehr kümmert[e][.]“(10/ S.28/ Z.13-15). Indem sie also versucht, so weiter zu leben wie bisher,täuscht sie sich selbst über ihre Unsicherheit <strong>und</strong> über den sich jetzt schon abzeichnenden Konflikth<strong>in</strong>weg.Diese Verdrängung entspricht e<strong>in</strong>er naiven Realitätsflucht, die sich am deutlichsten im Gespräch mit ihrenFre<strong>und</strong><strong>in</strong>nen ausdrückt: Auf die Frage, ob Baron von Instetten überhaupt <strong>der</strong> Richtige für sie sei,antwortet Effi mit den typischen Floskeln ihres Standes: „Je<strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Richtige. Natürlich muss er vonAdel se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Stellung haben <strong>und</strong> gut aussehen[.]“(10/ S.20/ Z.13f.). Diese stereotype Aussage, die manauch jedem an<strong>der</strong>en adeligen Mädchen zu dieser Zeit <strong>in</strong> den M<strong>und</strong> legen könnte, beweist, dass sie dieoberflächlichen, materiellen Gr<strong>und</strong>sätze ihres Standes ohne nachzudenken übernommen hat. Aber davonist sie selbst nicht vollkommen überzeugt, was sich im weiteren Gesprächsverlauf zeigt: Als nämlich ihreFre<strong>und</strong><strong>in</strong> weiter fragt, ob sie auch glücklich sei mit <strong>der</strong> bevorstehenden Hochzeit, antwortet Effi abermalsmit e<strong>in</strong>er Floskel: „Wenn man zwei St<strong>und</strong>en verlobt ist, ist man immer ganz glücklich[.]“. DiesesAusweichen auf e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Formulierung macht deutlich, dass Effi sich ke<strong>in</strong>erlei eigene Gedankenüber den Ernst ihrer Lage gemacht hat. Der naive Zusatz „Wenigstens denk ich es mir so[.]“(10/ S.20/Z.19f.) deckt auf, dass sie zudem ke<strong>in</strong>e Vorstellung davon hat, was die Verlobung überhaupt für siebedeutet. Die Antworten zeugen also von e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fältigen Naivität, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Effi e<strong>in</strong>fach diestandestypischen konventionellen Denkweisen übernimmt. Weil sie gar nicht weiß, wie sie auf diebevorstehende Hochzeit reagieren soll -schließlich kommt alles ja sehr plötzlich für sie – spricht sie <strong>in</strong>Floskeln, um so ihre Unsicherheit zu überspielen. Ihre Flucht vor <strong>der</strong> Realität wird also wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong>diesen angelernten Antworten deutlich erkennbar gemacht.14

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