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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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den Tag h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>‘ zu leben <strong>und</strong> ständig von ihrem Umfeld unterhalten zu werden, was sich später vor allem<strong>in</strong> ihrer Ehe zeigt <strong>und</strong> sich als e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> für ihre Affäre mit Major von Crampas erweist. Die wichtigsteAuswirkung allerd<strong>in</strong>gs ist diese anziehende, k<strong>in</strong>dliche Natürlichkeit, die sich Effi trotz allerSchicksalsschläge <strong>und</strong> Sorgen immer erhält <strong>und</strong> die ihren beson<strong>der</strong>en Reiz <strong>und</strong> Charme ausmacht,weshalb ihr <strong>der</strong> Leser auch den moralischen Fehltritt nicht ankreiden kann.Dieser E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>er unbefangenen, ungekünstelten Effi wird im Verlauf <strong>der</strong> ersten beiden Kapitel, diemit <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Umstände von Effis Jugend die Gr<strong>und</strong>lage für ihr unbeschwertes Wesenbe<strong>in</strong>halten, noch weiter ausgestaltet. Das Bild <strong>der</strong> „Tochter <strong>der</strong> Luft“(10/ S.7/ Z.3f.), das die Muttereigentlich scherzhaft e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt, ergänzt treffend diesen E<strong>in</strong>druck. Denn es steht nicht nur für e<strong>in</strong>unbelastetes, stürmisches Wesen – wie es eben bei e<strong>in</strong>em richtigen ‚Naturk<strong>in</strong>d‘ <strong>der</strong> Fall ist – son<strong>der</strong>nführt auch zu Assoziationen mit Leichts<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Wagemut. E<strong>in</strong>e Annahme, die sich bestätigt, betrachtetman Effis Liebl<strong>in</strong>gsspiel: wildes, stürmisches Schaukeln. Abgesehen davon, dass Schaukeln eher e<strong>in</strong>eBeschäftigung für kle<strong>in</strong>ere K<strong>in</strong><strong>der</strong>, aber vor allem nicht für junge Damen ist – wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> Beweis für dieAuswirkungen ihrer freien Erziehung – br<strong>in</strong>gt dieses Liebl<strong>in</strong>gsspiel das für Effis Charakter bedeutendeMotiv des Schaukelns bzw. des Fluges e<strong>in</strong>. Symbolisch für ihre Lust an gefährlichen Situationen drückt esihren leichts<strong>in</strong>nigen Übermut aus. Effi sucht Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> teilweise auch die Gefahr, denn dieGefahr des Sturzes ist beim Schaukeln nicht zu vernachlässigen. Als Gr<strong>und</strong> für diese ungewöhnlicheRisikobereitschaft ist neben „k<strong>in</strong>dlichen Bewegungsdrang“(9/ S.43) vor allem Effis Sehnsucht nachUnbeschwertheit im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes anzuführen, die sie nur zu Hause <strong>in</strong> Hohen – Cremmen,wo sie auf ihrer Schaukel fast schwerelos durch die Lüfte ‚fliegt‘, f<strong>in</strong>den kann.Diese k<strong>in</strong>dliche Unbeschwertheit <strong>und</strong> Natürlichkeit, die durch das Bild <strong>der</strong> „Tochter <strong>der</strong> Luft“(10/ S.7/ Z.3f.)noch zusätzlich verdeutlicht wird, bee<strong>in</strong>flusst maßgeblich Effis weiteres Schicksal <strong>und</strong> ist somit als e<strong>in</strong>erihrer wichtigsten Wesenszüge zu nennen. Geprägt durch die sorglose K<strong>in</strong>dheit ist Effis deshalb trotz ihrer17 Jahren noch äußerst k<strong>in</strong>dlich. Wie e<strong>in</strong> großes K<strong>in</strong>d wirkt sie sehr liebenswert <strong>und</strong> entzückt mit ihrerunkonventionellen, stürmisch – anmutigen Persönlichkeit.Dies kann sehr anziehend wirken <strong>und</strong> auch Instetten erliegt ihrem natürlichen Charme, dessen sie sichselbst anfangs völlig unbewusst ist. Jedoch bedeutet die Verlobung e<strong>in</strong> unfreiwilliges <strong>und</strong> für Effi abruptersche<strong>in</strong>endes Ende ihrer fast idyllischen K<strong>in</strong>dheit. Das K<strong>in</strong>d, das noch vor wenigen Wochen im Gartengespielt hat, soll plötzlich die gesellschaftlichen, repräsentativen Pflichten e<strong>in</strong>er Ehefrau übernehmen. Daes ihr nicht möglich ist, sich Schritt für Schritt an ihre neue Rolle zu gewöhnen, wird sie zu e<strong>in</strong>er Art‚K<strong>in</strong>dfrau‘ – was nicht ausschließlich ihr Äußeres me<strong>in</strong>t, son<strong>der</strong>n vor allem darauf abzielt, dass sie durchihr k<strong>in</strong>dliches Wesen stark bee<strong>in</strong>flusst wird. Sie selbst sieht später e<strong>in</strong>: „[…] Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> werde esauch wohl bleiben [.]“ (10/ S.78/ Z.31f.) <strong>und</strong> bezeichnet sich als „so jung“(10/ S. 84/ Z.1). Somit def<strong>in</strong>iertsich <strong>der</strong> Begriff ‚K<strong>in</strong>dfrau‘ <strong>in</strong> Bezug auf Effi so , dass sie zwar eigentlich vom Wesen her noch e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist,jedoch von gesellschaftlicher Seite her plötzlich Frau se<strong>in</strong> muss.Doch es ist nicht nur e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dlich – natürliche Unbefangenheit, die Effis Charakter so maßgeblichzeichnet, denn sie hat auch e<strong>in</strong>e eher konventionelle <strong>und</strong> die gesellschaftlichen Normen bejahende Seitean sich, was zu e<strong>in</strong>em gewissen Gegensatz <strong>in</strong> ihrem Wesen führt. Dieser konventionellen Seite entsprichtEffis Wunsch nach Reichtum <strong>und</strong> Besitz, was auch als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Hauptbeweggründe für ihre Ehe mitLandrat Baron von Instetten zu nennen ist. Er kann ihr nämlich <strong>in</strong> materieller H<strong>in</strong>sicht genau das bieten<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e zukünftige Frau so verwöhnen, wie sie es von ihren Eltern gewöhnt ist. Desweiteren hat Effie<strong>in</strong>e Vorliebe für luxuriöse <strong>und</strong> teure D<strong>in</strong>ge. Dafür verzichtet sie zwar lieber auf „[…] mehr o<strong>der</strong> wenigeralltägliche[r] D<strong>in</strong>ge[…]“ (10/ S.24/ Z.2), was jedoch nicht von Bescheidenheit o<strong>der</strong> Anspruchslosigkeitzeugt. Es ist vielmehr e<strong>in</strong> Verzicht „[…] auf das Zweitbeste, weil ihr dies Zweite[…]“(10/ S.24/ Z.9f.) nichtsmehr wert ist, sobald sie das Erstbeste nicht haben kann. Das heißt, dass Effi eigentlich von allem immernur das Beste, das „Eleganteste“(10/ S.24/ Z.8) haben möchte. Im Gr<strong>und</strong>e genommen ist sie dar<strong>in</strong> sogarsehr anspruchsvoll, denn „[…] wenn es […] wirklich etwas zu besitzen [gilt], so [muss] dies immer etwasganz Apartes se<strong>in</strong> [.]“(10/ S.24/ Z.12-14). Hierbei liegt die Betonung ganz e<strong>in</strong>deutig auf „Apartes“, wasihren außergewöhnlichen Geschmack kennzeichnet, wobei sie aber großen Wert auf Luxus legt.Am deutlichsten drückt sich das bei den D<strong>in</strong>gen, die sie sich für ihr neues Leben <strong>in</strong> Kess<strong>in</strong> wünscht, aus:E<strong>in</strong>es ihrer Anliegen ist „[…] e<strong>in</strong> japanischer Bettschirm […], schwarz <strong>und</strong> goldene Vögel darauf […]“ <strong>und</strong>dazu „[…] e<strong>in</strong>e Ampel für [das] Schlafzimmer, mit rotem Sche<strong>in</strong> [.]“(10/ S.31/ Z.9-12) – alles sehrkostspielige <strong>und</strong> für die damalige Zeit sehr außergewöhnliche Anschaffungen. Auch ihr Vater bestätigtden edlen <strong>und</strong> vor allem kostspieligen Geschmack se<strong>in</strong>er Tochter, jedoch kann er se<strong>in</strong>er verwöhnten,geliebten Effi ke<strong>in</strong>en Wunsch abschlagen. Leicht erstaunt bemerkt er beim Anblick <strong>der</strong> Rechnung für dieAussteuer: „Etwas teuer, o<strong>der</strong> sagen wir lieber sehr teuer […]“(10/ S.26/ Z.4f.), trotzdem zahlt er ohnesich zu beklagen. Denn er kennt die Vorlieben se<strong>in</strong>er Tochter <strong>und</strong> hat schon vorher ihre Aussteuer als„[…] >trousseau< für Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> Effi […]“(10/ S.22/ Z.17f.) bezeichnet. Damit ist eigentlich e<strong>in</strong>e überausfe<strong>in</strong>e, vornehme Brautausstattung geme<strong>in</strong>t, die normalerweise nur Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nen zusteht. Somit spieltdiese scherzhafte Wendung auf Effis speziellen Geschmack an <strong>und</strong> beweist, dass sie durchaus großenWert auf Reichtum <strong>und</strong> Besitz legt, denn ohne könnte sie nicht wie e<strong>in</strong>e ‚Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>‘ verwöhnt werden.Das, was sie sich wünscht, weist dagegen auf ihre k<strong>in</strong>dliche Art h<strong>in</strong>, so s<strong>in</strong>d es allesamt schöne, bunteschillernde D<strong>in</strong>ge, wie es e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Mädchen auch bevorzugt. Jedoch rät ihre Mutter Luise Effi davonab, sich zu extravagante Sachen zuzulegen, sorgt sie sich doch um das Ansehen ihrer Tochter <strong>in</strong> <strong>der</strong>Kess<strong>in</strong>er Öffentlichkeit.Dieses Ansehen wie<strong>der</strong>um ist äußert wichtig für Effi Briest <strong>und</strong> stellt somit e<strong>in</strong>en weiteren Gr<strong>und</strong> für dieHochzeit mit Instetten, die ihrer konventionellen Art entspricht, dar. Denn Geert von Instetten ist schon e<strong>in</strong>13

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