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Martina Igel Darstellung und Vergleich der Frauengestalten in

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wohlhabende Leute leisten können. Dieser bei Jenny Treibel beson<strong>der</strong>s ausgeprägte <strong>und</strong> auffälligdargestellte Wesenszug war typisch für die Damen <strong>der</strong> damaligen Haute Bourgeoisie, die trotz häufigmangelndem Verständnis <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>sprüchlichem Verhalten dem Ideal <strong>der</strong> sentimentalen,gefühlsbetonten <strong>und</strong> poetisch – künstlerisch <strong>in</strong>teressierten Ehefrau entsprechen wollten.Als weiterer wichtiger <strong>und</strong> herausragen<strong>der</strong> Charakterzug von Frau Jenny Treibel ist sicherlich ihreDurchsetzungsfähigkeit <strong>in</strong> Bezug auf ihre familiäre Vorrangstellung zu nennen. Obwohl es e<strong>in</strong> häufigparodiertes Klischee ist, entspricht es <strong>der</strong> Wirklichkeit, dass <strong>der</strong> Mann zwar nach außen das Oberhaupt<strong>der</strong> Familie war, - da sich jedoch die ‚Selbstverwirklichung‘ <strong>der</strong> Frauen im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>in</strong> den privatenRaum verlagern musste –, se<strong>in</strong>e Ehefrau aber oftmals im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> die Entscheidungen, zum<strong>in</strong>destwas familiäre Angelegenheiten betrifft beschloss. Beson<strong>der</strong>s deutlich wird dieses Verhaltensmuster imFalle e<strong>in</strong>er so ehrgeizigen <strong>und</strong> willensstarken aber trotzdem konservativen Frau wie Jenny Treibel. Sostellt Fontane diesen Sachverhalt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Roman <strong>in</strong> satirisch überspitzter Weise dar, denn Jennyunterdrückt ihre Söhne <strong>und</strong> ihren Mann regelrecht <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie, während sie nach Außen über„[…] jene hohe Freude <strong>der</strong> Unterordnung[…]“ (4/ S.134/ Z.30) spricht.Auch ihr Verhalten <strong>in</strong> Bezug auf die Verlobung zeugt von ihrer familiären Vorrangstellung. So empört sieneben <strong>der</strong> Mittellosigkeit von Cor<strong>in</strong>na wohl am meisten die Tatsache, dass diese Entscheidung Leopoldsüber ihren Kopf h<strong>in</strong>weg getroffen worden ist. Jenny Treibel möchte h<strong>in</strong>gegen sowohl Sohn, als auchEhemann unter ihrer Kontrolle haben, dies äußert sie auch bezüglich Leopold: „Leopold tut ke<strong>in</strong>en Schrittohne me<strong>in</strong> Wissen <strong>und</strong> Willen, am wenigstens e<strong>in</strong>en so wichtigen Schritt wie e<strong>in</strong>e Verlobung[…]“(4/S.175/ Z.6-8). Selbst Leopold persönlich bestätigt diese Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> Mutter, gegen die er aber nichtanzukommen vermag: „Aber sie muß immer die Fäden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand haben, sie muß alles bestimmen,alles anordnen[…]“(4/ S.108/ Z.18-20). Damit ihre Vormachtstellung nicht durch e<strong>in</strong> eventuellesUnabhängigkeitsstreben ihres erwachsenen Sohnes gefährdet wird, sorgt sie dafür, dass Leopold ke<strong>in</strong>eFre<strong>und</strong>e hat <strong>und</strong> somit ganz unter dem mütterlichen E<strong>in</strong>fluss bleibt (4/vgl. S.110/ Z.18-22).Ihre Stellung als oberste Entscheidungs<strong>in</strong>stanz im Hause Treibel betont Jenny im Konflikt mit ihrem Sohndurch: „In me<strong>in</strong>em Hause nicht. In me<strong>in</strong>em Hause existiert ke<strong>in</strong>e Verlobung[…]“(4/ S.161/ 5f.). Dabeivergisst sie allerd<strong>in</strong>gs ihren Ehemann, doch <strong>der</strong> hat offensichtlich ke<strong>in</strong>erlei Entscheidungsbefugnis. DennTreibel hat zunächst nichts e<strong>in</strong>zuwenden gegen e<strong>in</strong>e Hochzeit, doch wie viel Wert se<strong>in</strong>e Ehefrau aufse<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung legt, zeigt sich an folgendem Kommentar Jennys: „Ich wollte dir, als dem Manne, <strong>der</strong> zuhandeln hat, selbstverständlich auch <strong>in</strong> dieser Angelegenheit nicht vorgreifen; lehnst du jedoch jedesHandeln ab, so handle ich. Selbst auf die Gefahr de<strong>in</strong>er Nichtzustimmung [.]“(4/ S.167/ Z.21-25). Somitsteht fest, dass ihr Entschluss gefasst ist <strong>und</strong> folglich auch durchgesetzt wird.Obwohl sie sich wohl an mancher Stelle über die Temperamentlosigkeit <strong>und</strong> „Milchsuppenschaft“(4/ S.94/Z.8f) beschwert, ist es <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht nur von Vorteil für sie, da es ihr erlaubt, alle Entscheidungen<strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie zu treffen <strong>und</strong> somit sowohl Ehemann als auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu kontrollieren. Diese Annahmedeckt sich mit <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungsliteratur geläufigen Auffassung, <strong>der</strong>zufolge Jenny Treibel als „[…]dom<strong>in</strong>ierende, manipulative Figur[en][…]“(6/ S.94/95) dargestellt wird. E<strong>in</strong>e Aussage, die genau <strong>in</strong> Bezugauf Jennys Verhalten zutrifft, weshalb es nicht fern liegt, Frau Treibel –wahrheitsgetreu- als typische„Matriarch<strong>in</strong>“(6/ S.94/ 95) zu bezeichnen.Zu allererst bekommt dies natürlich ihr eigener Ehemann zu spüren, <strong>der</strong> ihr damals, <strong>in</strong>dem er sie zuse<strong>in</strong>er Frau genommen hat, zum gesellschaftlichen Aufstieg verholfen hat <strong>und</strong> nun unter ihrem E<strong>in</strong>flusssteht. Herr Treibel, <strong>der</strong> zuerst nichts gegen die Verlobung zwischen Leopold <strong>und</strong> Cor<strong>in</strong>na hat, än<strong>der</strong>tschon kurz nach dem Streit mit se<strong>in</strong>er Frau se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung <strong>und</strong> gibt zu bedenken: „Wenn sie am Endedoch recht hätte [!]“(4/ S.167/ Z.29f.). Somit wird er e<strong>in</strong>deutig von se<strong>in</strong>er Frau manipuliert, obwohl er ihrWesen genau kennt: So weiß er zum Beispiel , dass sie es nicht mag, wenn Entscheidungen ohne ihreZustimmung getroffen werden (4/ vgl. S.123/ Z.12-14). Außerdem wirft er ihr während ihres Streites, alser kurzzeitig hofft, ihre Me<strong>in</strong>ung zu än<strong>der</strong>n <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e durchzusetzen, vor, ihre Herkunft verdrängt zuhaben <strong>und</strong> nennt sie „bl<strong>in</strong>d, vergeßlich, überheblich“(4/ S.165/ Z.18). Damit kritisiert er ihreÜberheblichkeit <strong>und</strong> ihre E<strong>in</strong>bildung, denn schließlich seien die Treibels nur ‚e<strong>in</strong>fache‘ Fabrikbesitzer,nicht von Adel <strong>und</strong> Jenny selbst „[…] e<strong>in</strong>e geborene Bürstenb<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Adlerstraße [.]“. Alle<strong>in</strong> deshalbsei es ungerecht, Cor<strong>in</strong>na <strong>in</strong> diesem Maße abzulehnen (4/ S.165/ Z.16 – S.166/ Z.35). Er versucht alsose<strong>in</strong>e dünkelhafte Frau ‚auf den Boden <strong>der</strong> Realität‘ zurückzuholen, scheitert aber an ihrerunnachgiebigen Kaltherzigkeit.Noch besser als ihr eigener Ehemann kennt Jenny allerd<strong>in</strong>gs Willibald Schmidt. Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d sichbeide schon seit ihrer Jugend bekannt <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits ist er selbst ihr schon e<strong>in</strong>mal zum Opfer gefallen.Deshalb durchschaut er Jennys Wesen als E<strong>in</strong>ziger wirklich von Anfang an. So erkennt er – <strong>der</strong> gebildeteProfessor – ihre <strong>in</strong>haltlose <strong>und</strong> sche<strong>in</strong>-poetische Sentimentalität, was sich daran beweist, wie genau erdiese unbewusste Heuchelei durchschaut. Er sieht, „[…] daß er sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er alten Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> nichtgetäuscht hat[te], daß sie, völlig unverän<strong>der</strong>t, die, trotz Lyrik <strong>und</strong> Hochgefühle, ganz ausschließlich aufÄußerlichkeiten gestellte Jenny Bürstenb<strong>in</strong><strong>der</strong> von ehedem[…]“(4/ S.175/ Z.14-18) ist. Über ihr falschesIdeal, das er mit Ironie entlarvt, kann Schmidt nur schmunzeln, genauso wie über ihre Sche<strong>in</strong>bildung.Der h<strong>in</strong>ter den trivialen Rührseligkeiten ausschlaggebende Materialismus, <strong>der</strong> ihr Wesen <strong>in</strong> vollemUmfang bestimmt, bleibt ihm als Menschen- <strong>und</strong> ‚Bourgeoiskenner‘ natürlich nicht verborgen. Jedochmerkt er auch an, dass Jenny sich dieser Heuchelei vollkommen unbewusst ist. So bildet sie sich – vonSchmidt richtig e<strong>in</strong>geschätzt - zwar aufrichtig e<strong>in</strong>, „[…] e<strong>in</strong> gefühlvolles Herz <strong>und</strong> vor allem e<strong>in</strong> Herz >fürdas Höhere< zu haben[…]“, aber Schmidt weiß auch, dass sie <strong>in</strong> Wirklichkeit „[…] nur e<strong>in</strong> Herz für das10

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