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Die byzantinischen Papyri aus Petra: Stand der Bearbeitung und ...

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<strong>Die</strong> <strong>byzantinischen</strong> <strong>Papyri</strong> <strong>aus</strong> <strong>Petra</strong>:<strong>Stand</strong> <strong>der</strong> <strong>Bearbeitung</strong> <strong>und</strong> Bitte umUnterstützung*Joachim HENGSTL(Universität Marburg)1. Im Dezember 1993 entdeckte ein Archäologenteam unterLeitung von Zbigniew T. Fiema im Rahmen von Ausgrabungen des„American Center of Oriental Research“ (ACOR) in <strong>Petra</strong>(Jordanien) die karbonisierten Reste zahlreicher Papyrusrollen.F<strong>und</strong>stätte war die Ruine einer im frühen 7. Jahrh. n. Chr. durchFeuer zerstörten <strong>byzantinischen</strong> Kirche. Der Brand hatte zudem ineinem Nebenraum aufbewahrte Papyrusrollen verkohlt <strong>und</strong> damitvor dem Vermo<strong>der</strong>n bewahrt. Nicht allein die <strong>Papyri</strong>, son<strong>der</strong>n dieGrabungen <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte insgesamt führen <strong>Petra</strong> als„antike Felsstadt zwischen arabischer Tradition <strong>und</strong> griechischerNorm“ vor Augen 1 .* Vorgetragen in <strong>der</strong> Schlußsitzung des 55. Kongresses <strong>der</strong> „Société Internationale‘Fernand de Visscher’ pour l’Histoire des Droits de l’Antiquité“ (SIHDA) inRotterdam am 21.09.2001. - Dr. Antti Arjava, Prof. Dr. Jaakko Frösén (InstitutumClassicum, P.Box 4, FIN-00014 Universitas Helsingiensis, Finlandia; bzw. ) <strong>und</strong> Prof. Dr. LudwigKoenen (1312 Culver, Ann Arbor MI 49103 USA, ) habenin liebenswürdiger Weise meiner gelegentlich des 23. Papyrologenkongresses inWien (22.-28. Juli 2001) geäußerten Anregung entsprochen, mir Material für dieInformation im Rahmen <strong>der</strong> SIHDA Verfügung zu stellen. L. Koenen sandte mirText, Übersetzung <strong>und</strong> Kommentar von P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 10, die Umschriften <strong>und</strong>Übersetzungen verschiedener weiterer <strong>Papyri</strong> sowie Manuskripte mehrerer seinerBerichte <strong>und</strong> Vorträge. Von A. Arjava <strong>und</strong> J. Frösén erhielt ich große Teile des von<strong>der</strong> finnischen Arbeitsgruppe für P. <strong>Petra</strong> I 1-16 vorgesehenen Manuskripts sowievon A. Arjava aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Durchsicht meines Manuskripts einige präzisierendeAnregungen. Den Genannten danke ich sehr herzlich. - Infolge einesMißverständnisses ist das ursprüngliche Manuskript dieses Beitrags nicht inRIDA 49, 2002, aufgenommen worden. Inzwischen ist im Herbst 2002 P. <strong>Petra</strong> Ierschienen. Das Anliegen, den <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> den Weg zu alsbaldiger Resonanz in<strong>der</strong> rechtshistorischen Diskussion zu verhelfen, ist mit dieser Veröffentlichungfreilich noch nicht erledigt. Nach Rücksprache mit einem <strong>der</strong> Her<strong>aus</strong>geber des


342 JOACHIM HENGSTL<strong>Petra</strong> ist berühmt wegen <strong>der</strong> beeindruckenden Fassaden seinerFelsengräber <strong>und</strong> bekannt als Hauptstadt des Nabatäerreiches (1.Jahrh. v. / 1. Jahrh. n. Chr.) sowie als bedeuten<strong>der</strong> antikerBandes, A. Arjava, habe ich mich dazu entschlossen, das Manuskript im Hinblickauf P. <strong>Petra</strong> I sachdienlich zu ergänzen. Hierfür war praktisch nur die Einfügungvon Abschnitt 5 notwendig, da mir zuvor schon wesentliche Teile desManuskripts von P. <strong>Petra</strong> I vorgelegen hatten. - Folgende Papyrus-Editionen sindhier zitiert: P. Dura = The Excavations at Dura-Europos conducted by the YaleUniversity and the French Academy of Inscriptions and Letters, Final Report V,Part I. The Parchments and <strong>Papyri</strong>, ed. C. B. Welles, R. O. Fink, and J. F. Gilliam,New Haven 1959; P. Euphrat 1-5, 6-10; 11-17: D. FEISSEL et J. GASCOU,Documents d’archives romaines inédits du Moyen Euphrate (III e s. après J.-C.), in:Journal des Savants 1995, S. 65-119, bzw. 1997, S. 3-57, bzw. 2000, S. 157-208(P. Euphrat [gr.] 18 ist für eine Publikation zu fragmentarisch, J. Gascou, briefl.).Zu den beiden syrischen Texten (P. Euphrat [syr.] 19 <strong>und</strong> 20) vgl. J. TEIXIDOR,Deux documents syriaques du IIIe siècle après J.-C., provenant du Moyen Euphrate,in: Comptes-rendus de l’Académie des Inscriptions, 1990, S. 144-63; sowie dens.,Un document syriaque de fermage de 242 ap. J.-C., in: Semitica 41/2, 1993, S.195-208. P. Masada = Masada II. The Yigael Yadin Excavations 1963-1965. FinalReports: The Latin and Greek Documents, ed. by H. M. Cotton and J. Geiger with acontribution by J. David Thomas; P. Murabb‘ât = Discoveries in the JudeanDessert of Jordan II. Les grottes de Murabb‘ât, ed. P. Benoit, J. T. Milik, R. deVaux, Oxford 1961; P. Nahal Hever = Discoveries in the Judean Dessert of Jordan;XXVII. Aramaic, Hebrew and Greek Documentary Texts from NaHal Oever andOther Sites with an appendix containing alleged Qumran texts (The SeiyâlCollection II), ed. by H. M. Cotton and A. Yardeni, Oxford 1997; P. Nessana =Excavations at Nessana III. Non-Literary <strong>Papyri</strong>, ed. C. J. Kraemer, Jr., Princeton1958; The <strong>Petra</strong> <strong>Papyri</strong> I, ed. by J. Frösén, A. Arjava, M. Lehtinen withcontributions by Z. T. Fiema, C. A. Kuehn, T. Purola, T. Rankinen, M.Vesterinen. M. Vierros. - Amman: American Center of Oriental Research, 2002; P.Yadin = The Documents of the Bar KokhbaPeriod in the Cave of Letters: Greek <strong>Papyri</strong>, ed. by N. Lewis; Aramaic andNabatean Signatures and Subscriptions, ed. by Y. Yadin and J. C. Greenfield,Jerusalem 1989.1Zitat nach dem Titel von Th. Weber <strong>und</strong> R. Wenning (Hrsg.), <strong>Petra</strong>: AntikeFelsstadt zwischen arabischer Tradition <strong>und</strong> griechischer Norm, Mainz 1997 (zit.im weiteren als „<strong>Petra</strong>“. Der reich illustrierte Band führt die Geschichte <strong>Petra</strong>s, desNabatäerreichs <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> Stadt <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e die bei denneueren Ausgrabungen gemachten F<strong>und</strong>e plastisch vor Augen. <strong>Die</strong> darinenthaltenen Beiträge genügen im vorliegenden Zusammenhang weitgehend, die zuden P. <strong>Petra</strong> interessierenden Hintergründe zu umreißen. Weiteres z.B. bei R.WENNING, <strong>Die</strong> Nabatäer - Denkmäler <strong>und</strong> Geschichte: eine Bestandsaufnahme desarchäologischen Bef<strong>und</strong>es, Freiburg (Schweiz) 1987 (Literaturverzeichnis S. 307-334). Einen guten Überblüber die kulturellen Hintergründe gibt ferner diereichbebil<strong>der</strong>te, populärwissenschaftliche Darstellung J. TAYLOR, <strong>Petra</strong> <strong>und</strong> dasversunkene Königreich <strong>der</strong> Nabatäer, Düsseldorf/Zürich 2002 (mir nur in <strong>der</strong>deutschen Ausgabe vorliegend). Es berücksichtigt neben den P. <strong>Petra</strong> (S. 207 -210) auch das Archiv <strong>der</strong> Babatha (S.172-189).


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 343Knotenpunkt <strong>und</strong> Stapelplatz des Karawanenverkehrs <strong>und</strong> desWeihrauchhandels. Als die Sassaniden im 3. Jahrh. den Handel imwesentlichen über Palmyra leiteten, verlor <strong>Petra</strong> seine Bedeutung 2<strong>und</strong> wurde in <strong>der</strong> islamischen Zeit verlassen. Im Sommer 1812wurde die Stadt von dem in englischen <strong>Die</strong>nsten stehenden BaslerJohann Ludwig Burckhardt wie<strong>der</strong>entdeckt 3 . <strong>Die</strong> eingehen<strong>der</strong>earchäologische Erforschung setzte mit dem Beginn des 20. Jahrh.ein. Aber noch Ende <strong>der</strong> siebziger Jahre des vergangenenJahrhun<strong>der</strong>ts konnte einer <strong>der</strong> wichtigsten Nabatäerforscher dieMeinung vertreten, <strong>Petra</strong> sei lediglich eine Nekropole gewesen <strong>und</strong>man habe die Stätte allein anläßlich <strong>der</strong> Zelebration bestimmterKulte aufgesucht 4 . <strong>Die</strong> Ausgrabungen <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte habennicht nur ein vertieftes <strong>und</strong> teilweise neues Bild von <strong>der</strong>Entwicklung <strong>Petra</strong>s im Nabatäerreich <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> 106 n. Chr.erfolgten Einglie<strong>der</strong>ung in das Römische Reich ergeben, son<strong>der</strong>nlassen erstmals die Verhältnisse im <strong>Petra</strong> <strong>der</strong> späten Kaiserzeit <strong>und</strong><strong>der</strong> <strong>byzantinischen</strong> Periode bis zum Beginn <strong>der</strong> islamischenHerrschaft 636 n. Chr. <strong>und</strong> zum Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Stadt im 7./8.Jahrh. näher erkennen. Zu den wertvollsten Quellen für dieseSpätzeit gehören eben die karbonisierten <strong>Papyri</strong>.Nicht nur die Fassaden <strong>der</strong> Felsengräber, son<strong>der</strong>n die ganzenStrukturen <strong>der</strong> Stadt wie die Gestaltung ihrer Bauwerke zeigen eineeigenartige Mischung orientalischer, hellenistischer <strong>und</strong> römischerElemente. Deren Ursprünge liegen auf <strong>der</strong> Hand. Das orientalischeElement stellt die Bevölkerung selbst dar 5 . Bereits die nabatäischenKönige des 1. Jahrh. v. Chr. fühlten sich aber als hellenistischeHerrscher. „Ausdruck des griechischen Lebensstandards, auf denman wegen des eigenen <strong>und</strong> städtischen Reichtums stolz seinkonnte, waren typische Baueinheiten wie etwa Kolonadenstraßen,Brunnenhäuser, Theater, Märkte <strong>und</strong> weiträumige2A. Arjava per e-mail: „Es ist fragwürdig, ob <strong>Petra</strong> seine Bedeutung alsHandelsstadt wirklich so früh verlor“.3S. dazu R. A. STUCKY <strong>und</strong> N. N. LEWIS, Johann Ludwig Burckhardt <strong>und</strong> WilliamJohn Bankes. <strong>Die</strong> ersten neuzeitlichen Europäer in <strong>Petra</strong>, in: „<strong>Petra</strong>“, S. 5-15 (8).4S. A. NEGEV, The Nabateans and the Provincia Arabia, in: ANRW II 8, Berlin/New York 1977, S. 520-686 (560 f.).5S. dazu E. A. KNAUF, «Der sein Volk liebt». Entwicklungen des nabatäischenHandelsimperiums zwischen Stamm, Königtum <strong>und</strong> Klientel, in: „<strong>Petra</strong>“, S. 14-24.Revue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


344 JOACHIM HENGSTLTempelanlagen 6 .“ Römischer Einfluß wirkte sich schon währenddes Nabatäerreichs über das B<strong>und</strong>esgenossenverhältnis zu Rom <strong>aus</strong>.Ein entsprechen<strong>der</strong> Pluralismus ist für die schriftlichenZeugnisse anzunehmen. <strong>Die</strong> Nabatäer sprachen Arabisch 7 , <strong>und</strong> dasNabatäische wurde Ausgangspunkt für die Entwicklung desHocharabischen 8 . <strong>Die</strong> Verwendung des Arabischen spiegelt sichauch in einem Teil <strong>der</strong> Personen- <strong>und</strong> Ortsnamen <strong>der</strong> P. <strong>Petra</strong>.Daneben bedienten sich die Nabatäer des Aramäischen, <strong>der</strong>allgemeinen Verkehrssprache im Nahen Osten ab dem Ende des 2.Jahrt<strong>aus</strong>ends v. Chr. 9 , <strong>und</strong> die nabatäische Schrift ist eine kursiveForm <strong>der</strong> aramäischen Quadratschrift 10 . Das Aramäische wurdeallmählich durch das Arabische ersetzt. „Bis zum Ende <strong>der</strong><strong>byzantinischen</strong> Herrschaft im 7. Jh. n.Chr. koexistierten diegriechische Verwaltungssprache, die aramäische Umgangssprache<strong>und</strong> arabische Stammesdialekte 11 “. Abgrenzungen <strong>und</strong>Entwicklungen sind im einzelnen nicht sicher <strong>und</strong> interessieren hierauch nicht weiter.Wie in den an<strong>der</strong>en hellenistischen Staaten war das Griechischeim Nabatäerreich allein die Sprache einer kleinen Oberschicht <strong>und</strong><strong>der</strong> Verwaltung. <strong>Die</strong>s spiegelt sich wie<strong>der</strong>um in den P. <strong>Petra</strong>. Sieentstammen nämlich eben den Rechtsgeschäften einer Oberschicht-Familie, betreffen auch Steuerangelegenheiten <strong>und</strong> sind griechischgeschrieben. Lateinische Schriftzeugnisse gibt es hingegen kaum.Das entspricht gleichfalls den Gegebenheiten im einstigenhellenisierten Osten unter römischer Herrschaft: <strong>Die</strong> lateinischeSprache <strong>und</strong> Schrift wurden dort verhältnismäßig seltengebraucht 12 . Eine an<strong>der</strong>e Frage ist es hingegen, in welchem6Vgl. F. ZAYADINE, Zwischen Siq <strong>und</strong> ad-Der. Ein R<strong>und</strong>gang durch <strong>Petra</strong>, in:„<strong>Petra</strong>“, S. 38-55 (Zitat S. 48).7Vgl. E. A. KNAUF, a.a.O. (o. Anm. 5), S. 20.8Vgl. E. A. KNAUF, a.a.O. (o. Anm. 5), S. 23.9Vgl. E. A. KNAUF, a.a.O. (o. Anm. 5), S. 20; 24.10Vgl. E. A. KNAUF, a.a.O. (o. Anm. 5), S. 20; vgl. ferner J. F. HEALEY, in: J. F.Healey, K. Schmitt-Korte, R. Wenning, Scripta Nabataea <strong>und</strong> Sela Aretas,Epigraphische Zeugnisse <strong>und</strong> Münzwesen <strong>der</strong> Nabatäer, in: „<strong>Petra</strong>“, S. 99-104 (S.99-101).11Zu den Übergängen s. E. A. KNAUF <strong>und</strong> J. F. HEALEY, a.a.O. (o. Anm. 5 bzw. 10);Zitat E. A. KNAUF, S. 23.12Der relativ hohe Anteil lateinischer Texte unter den P. Masada wird durch dieAnwesenheit des römischen Militärs erklärt.


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 345Umfang römische Rechtsinstitute im Rechtsalltag maßgebendwaren.Schriftliche Belege zu diesen Gegebenheiten sind <strong>aus</strong> <strong>Petra</strong> nurin schmalen Ausschnitten erhalten. <strong>Die</strong> nabatäischen Zeugnissebeschränken sich bislang auf Inschriften <strong>und</strong> Münzen. Nabatäische<strong>Papyri</strong> des 2. Jahrh. n. Chr. haben sich mit den P. Yadin <strong>und</strong> den P.Nahal Hever dagegen in <strong>der</strong> Umgebung des Toten Meers 13gef<strong>und</strong>en. Den Gebrauch von Papyrus in <strong>Petra</strong> belegen eben die P.<strong>Petra</strong>. Darüber hin<strong>aus</strong> zeigen beispielsweise die P. Dura, ebenso dieP. Nahal Hever <strong>und</strong> <strong>der</strong> 65000 Siegel umfassende F<strong>und</strong> einesArchivs in <strong>der</strong> Euphratstadt Zeugma (Kommagene. Hellen./Röm.),daß man im Nahen Osten Pergament <strong>und</strong> Papyrus nebeneinan<strong>der</strong>benutzt hat. Im Falle <strong>der</strong> P. Dura <strong>und</strong> <strong>der</strong> P. Naval Hever hat manbeide Materialien gef<strong>und</strong>en 14 , <strong>und</strong> in jenem Archiv zeugen diegemaserten bzw. glatten Rückseiten <strong>der</strong> Siegel von dem zugr<strong>und</strong>egegangenen Material, auf dem die Siegel einst angebracht waren 15 .Entsprechend wird das Schreibmaterial in <strong>Petra</strong> beschaffen gewesensein. Aus dieser Stadt liegen an Alltagszeugnissen aber bislangallein die <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> vor.Als Hintergr<strong>und</strong> des spätantiken Wirtschaftslebensbedeutungsvoll waren zum einen die <strong>der</strong> Wasserregulierung <strong>und</strong>dem Verkehrsfluß dienenden baulichen Maßnahmen imnabatäischen <strong>und</strong> römischen <strong>Petra</strong>, zum an<strong>der</strong>en die bedachteAusnutzung <strong>der</strong> natürlichen Gegebenheiten für die landschaftliche13<strong>Die</strong> nabatäischen Texte sind sowohl bei den P. Naval Hever wie bei den P. Yadinfür einen Folgeband vorgesehen; in P. Yadin I sind lediglich nabatäischeBeischriften aufgenommen.14S. C. Bradford Welles, P. Dura S. 4; A. YARDENI, in: P. Nahal Hever, S. 19 mitAnm. 2 <strong>und</strong> 3. Im Zusammenhang mit den P. Euphrat bemerken D. FEISSEL et J.GASCOU, a.a.O. (o. *-Anm., JS 1997), S. 4 mit Anm. 3, daß Le<strong>der</strong> in diesem Raumbis zur Ankunft <strong>der</strong> Römer <strong>der</strong> gebräuchliche Schriftträger gewesen <strong>und</strong> auch dannnicht völlig verdrängt worden sei; Siegelrückseiten ließen für Palmyra erkennen,daß die Bedeutung des Le<strong>der</strong>s als Schriftträger bei weitem die des Papyrusüberwogen habe. Vgl. ferner neuerdings T. GNOLI, Roma, Edessa e Palmira nel IIIsec. d.C. Problemi istituzionali. Uno studio sui Papiri dell’Eufrate, Pisa/Roma2000, S. 17 f.15S. P. WEIß, Tonsiegel <strong>aus</strong> Kommagene, in: Gottkönige am Euphrat: neueAusgrabungen <strong>und</strong> Forschungen in Kommagene, hrsgg. von J. Wagner. MitBeiträgen von Rifat Ergeç ...., Mainz 2000, S. 100-103 (102).Revue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


346 JOACHIM HENGSTLProduktion in <strong>der</strong> Umgebung <strong>der</strong> Stadt 16 . Alles zusammen genügte,um den Böden <strong>der</strong> mal unter plötzlichem Wasserüberfluß, malunter Trockenheit leidenden Region in <strong>der</strong> römischen <strong>und</strong><strong>byzantinischen</strong> Periode beachtliche Erträge abzugewinnen. Dementsprechend lassen die P. <strong>Petra</strong> erkennen, in welch bedeutendemUmfang die Umgebung <strong>Petra</strong>s landwirtschaftlich genutzt wurde.Erst unter islamischer Herrschaft verfielen die Infrastrukturen.2. Eine erste Zählung des gef<strong>und</strong>enen Papyrusmaterials nach<strong>der</strong> vorläufigen Konservierung ergab 152 Papyrusrollen. Der inden Berichten verwendete Begriff „Rolle“ trifft übrigens nicht aufdas ganze Material zu. „Rolle“ bezeichnet nämlichaneinan<strong>der</strong>geklebte <strong>und</strong> dann aufgerollte Papyrusblätter. Bei demüberwiegenden Teil <strong>der</strong> <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> handelt es sich tatsächlich um<strong>der</strong>artige Rollen. In einigen Fällen sind Einzelblätter unverb<strong>und</strong>enzusammengerollt worden, unter Umständen in ein Deckblatteingeschlagen.<strong>Die</strong> Konservierung des F<strong>und</strong>s wurde 1994/5 durch einefinnische Forschergruppe unter Prof. J. Frösén von <strong>der</strong> UniversitätHelsinki vorgenommen. Nur wer das brikettartige Aussehenkarbonisierter Papyrusrollen <strong>und</strong> den fragilen Zustand ihrereinzelnen Schichten kennt, vermag die Leistung <strong>der</strong> Konservatorenangemessen einzuschätzen. <strong>Die</strong> eingehen<strong>der</strong>e Sichtung desMaterials zeigte, daß manches getrennt Gezählte zusammengehört<strong>und</strong> daß <strong>aus</strong> vielen Resten wenig o<strong>der</strong> keinerlei Textgewinn zuerwarten ist. Derzeit ist von folgendem Bestand <strong>aus</strong>zugehen: 42Stücke bieten einen <strong>aus</strong>führlichen Text, 23 umfangreichereTextfragmente <strong>und</strong> 19 wenigstens zusammenhängendeTextpassagen 17 . Einige <strong>der</strong> Texte sind außergewöhnlich lang,beispielsweise P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 6 mit über 4 m, Nr. 10 mit 209Zeilen <strong>und</strong> ursprünglich 3,20 m o<strong>der</strong> Nr. 83 mit 6,80 m <strong>und</strong> 460Zeilen. Derzeit werden die <strong>Papyri</strong> bei ACOR in Ammanaufbewahrt.Eine Vereinbarung zwischen ACOR, <strong>der</strong> jordanischenAntikenverwaltung <strong>und</strong> den Professoren J. Frösén (Helsinki) <strong>und</strong>L. Koenen (Ann Arbor) wies letzteren <strong>und</strong> den von diesen16Vgl. M. LINDNER, Leben in einer unwirtlichen Umwelt. <strong>Petra</strong> im geographischtopographischenUmraum, in: „<strong>Petra</strong>“, S. 25-37.17Vgl. dazu u.a. L. KOENEN in: Z. T. Fiema, L. Koenen, F. Zayadine, <strong>Petra</strong>Romana, Byzantina et Islamica, in: „<strong>Petra</strong>“, S. 145-162 (157-159 mit 171).


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 347geleiteten finnischen bzw. amerikanischen Arbeitsgruppen dieEntzifferung des Materials in gleichen Teilen zu. <strong>Die</strong> Entzifferungkarbonisierter <strong>Papyri</strong> ist gr<strong>und</strong>sätzlich möglich, weil sich die Tinteschwarz in schwarz vom Schriftträger abhebt. Darüber hin<strong>aus</strong>lassen sich auf verschiedene Weise Abbildungen karbonisierter<strong>Papyri</strong> gewinnen (u.a. Multi-Spectral Computer-Assisted DigitalImaging at Close Range), welche die Schriftzüge <strong>aus</strong>gezeichneterkennen lassen 18 . Dennoch war <strong>und</strong> ist die Entzifferung <strong>und</strong>Kommentierung <strong>der</strong> <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> eine außerordentlich schwierige<strong>und</strong> aufwendige Arbeit. Erst umfangreiche, sprachliche <strong>und</strong>sachbezogene Vorarbeiten haben es möglich gemacht, zu eineminhaltlichen Verständnis zu gelangen. Jedes Ergebnis unterstütztzudem dank des archivalischen Zusammenhangs die Weiterarbeit.Berichte vor allem in den amerikanischen Medien, eine Reihevon Vorträgen 19 <strong>und</strong> ersten Veröffentlichungen 20 informiertenalsbald über den F<strong>und</strong> <strong>und</strong> seine Bedeutung. Inzwischen liegenauch verschiedene Sachbeiträge zu Einzelfragen vor, welche sicheiner geson<strong>der</strong>ten Behandlung o<strong>der</strong> einer Erörterung vorabangeboten hatten. Das meiste davon findet sich in den kürzlicherschienenen Akten des 22. Internationalen Papyrologenkongressesin Florenz 21 . Derzeit legen die Bearbeiter in Ann Arbor18Auf die Rolle <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Technik bei <strong>der</strong> Entzifferung von Schriftmaterialbraucht hier nicht eingegangen zu werden. <strong>Die</strong>sbezügliche Beiträge finden sich inden Akten <strong>der</strong> letzten Papyrologenkongresse19S. z.B. L. KOENEN, Phoenix from the Ashes: Preliminary Remarks on the <strong>Petra</strong><strong>Papyri</strong>, gelegentlich <strong>der</strong> Eröffnungssitzung des 21. internationalerPapyrologenkongresses in Berlin am 14. 08. 1995; ferner M. Lehtinen,Conservation of the Carbonised <strong>Papyri</strong> form <strong>Petra</strong> (15.08.95).20S. z.B. P. M. BIKAI, <strong>Petra</strong> Church Project, <strong>Petra</strong> <strong>Papyri</strong>, in: AJA 100, 1996, S.533-535; L. KOENEN, The carbonized archive from <strong>Petra</strong>, in: JRA 9, 1996, S. 177-188 (gekürzte Version von University of Michigan Henry Russel Lecture 1996,in: Michigan Quarterly Review 35, 1996, S. 513-531); DERS., a.a.O. (o. Anm.17), S. 157 f. m.w.N.; S.171 Anm. 175; sowie S. 156).21Atti del XXII Congresso Internationale di Papirologia Firenze, 23-29 agosto1998, 3 Bde., a cura di I. Andorlini, G. Bastianini, M. Manfredi, G. Menci,Fiesole 2001. - S. dort: A. ARJAVA, Family Finances in Byzantine Near East:P.<strong>Petra</strong> inv. 68., Bd. I 65-70; R. W. DANIEL, P. <strong>Petra</strong> inv. 10 and its Arabic, a.a.O.Bd. I, S. 331-341; J. FRÖSEN, The First Five Years of the <strong>Petra</strong> <strong>Papyri</strong>, a.a.O. Bd.I, S. 487-493; T. GAGOS, Negotiating Money and Space in Sixth Century <strong>Petra</strong>,a.a.O. Bd. I, S. 495-509; M. KAIMIO, P. <strong>Petra</strong> inv. 83: A Settlement of Dispute,a.a.O. Bd. II, S. 719-724; L. KOENEN, Preliminary Observations on Legal Mattersin P. <strong>Petra</strong> inv. 10., a.a.O. Bd. II, S. 727-742; M. LEHTINEN, Preliminary RemarksRevue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


348 JOACHIM HENGSTLwie in Helsinki letzte Hand an ihre Manuskripte, um dieVeröffentlichung <strong>der</strong> ersten Texte baldmöglichst in Druck gehenzu lassen.3. <strong>Die</strong> P. <strong>Petra</strong> bilden das Archiv einer größeren Familie, welchezur örtlichen Oberschicht gehörte <strong>und</strong> über umfangreichenLandbesitz verfügte — nicht nur in <strong>der</strong> unmittelbarenNachbarschaft <strong>der</strong> Stadt, son<strong>der</strong>n auch in größerer Entfernung, bisnach Eleutheropolis <strong>und</strong> die Umgebung des heutigen Gaza.Wirtschaftsbasis sowohl <strong>der</strong> Stadt wie <strong>der</strong> reichen Familien war zujener Zeit eben die Landwirtschaft.<strong>Die</strong> datierten Stücke <strong>der</strong> in <strong>Petra</strong> gef<strong>und</strong>enen <strong>Papyri</strong> umfassendie Zeit zwischen 537 <strong>und</strong> 593/4 n. Chr., <strong>und</strong> einiges <strong>und</strong>atierteMaterial mag etwas älter o<strong>der</strong> jünger sein. Alle <strong>Papyri</strong> sind Rechts<strong>und</strong>Steuerurk<strong>und</strong>en, welche an ihrem F<strong>und</strong>ort, also im Nebenraum<strong>der</strong> Kirche, archiviert worden waren. Ob dies statt einerVernichtung o<strong>der</strong> zur Bewahrung für einen gelegentlichenGebrauch geschehen ist, muß offen bleiben. Kulturgeschichtlichzeigt sich darin eine Kontinuität, welche über die Archivegriechischer Tempel bis zu den ägyptischen Tempelbibliotheken<strong>und</strong> den den Tempeln angeschlossenen SchreiberschulenMesopotamiens zurückreicht.Als Urk<strong>und</strong>en füllen die P. <strong>Petra</strong> eine geographische <strong>und</strong>zeitliche Lücke in <strong>der</strong> — durch<strong>aus</strong> umfangreichen —rechtshistorischen papyrologischen Dokumentation außerhalbÄgyptens 22 . Räumlich nahe, in <strong>der</strong> Umgebung von Nahal Hever(Israel), gef<strong>und</strong>en wurden das Archiv <strong>der</strong> Babatha (P. Yadin) <strong>und</strong>weitere Urk<strong>und</strong>en (P. Nahal Hever), darunter das zweisprachigeArchiv <strong>der</strong> Salome Komaïse, T. d. Levi. Sie sind über 300 Jahrefrüher entstanden <strong>und</strong> führen zeitlich z.T. in das endendenabatäische Reich <strong>und</strong> vor allem nach dessen Annexion 106 n.on the Prosopography of the <strong>Petra</strong> <strong>Papyri</strong>, a.a.O. Bd. II, S. 787-794; M.VESTERINEN, Theft and Taxes. A Series of Short Documents (P.<strong>Petra</strong> inv. 69.1-8),a.a.O. Bd. II, S. 1281-1285; ferner R. W. DANIEL, Toponomastic Mal in P.Nessana 22 and P. <strong>Petra</strong> Inv. 10, in: ZPE 122, 1998, S. 195 f.; DERS. From theWork on the <strong>Petra</strong> <strong>Papyri</strong>: Arabic on a Greek Ostracon from Roman Egypt and theName of the Church Father Sozomen, in: ZPE 131, 2000, S. 173-176 (mit ZPE132, 2000, S. 150).22Vgl. H. M. COTTON, W. E. H. COCKLE, F. G. B. MILLAR, The Papyrology of theRoman Near East: a Survey, in: JRS 85, 1995, S. 214-235; sie listen 609 Texteauf.


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 349Chr. in die römische provincia Arabia. Dem 6. <strong>und</strong> 7.nachchristlichen Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>und</strong> damit etwa <strong>der</strong> gleichen Zeit wiedie P. <strong>Petra</strong> gehören die P. Nessana an. <strong>Die</strong> F<strong>und</strong>orte dieserUrk<strong>und</strong>engruppen liegen gut 100 km nördlich bzw. nordwestlichvon <strong>Petra</strong> entfernt in <strong>der</strong> Negev-Wüste. <strong>Die</strong> Verwendung vonAramäisch, Griechisch <strong>und</strong> Nabatäisch in diesem Urk<strong>und</strong>enmaterialspiegelt das gleiche kulturelle Umfeld, dem auch die <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong>entstammen 23 . Zeitlich <strong>und</strong> deshalb auch sprachlich umfangreicherist die Spannweite <strong>der</strong> im gleichen Raum gef<strong>und</strong>enen P.Murabb‘ât; sie umfassen die Zeit vom 8. vorchristlichen bis zum10. nachchristlichen Jahrh. <strong>und</strong> enthalten hebräisches, aramäisches,nabatäisches, griechisches, lateinisches <strong>und</strong> arabisches Material.Natürlich kann man die auf dem Gebiet des heutigen Israelgef<strong>und</strong>enen <strong>Papyri</strong> geographisch zusätzlich als Brückenglie<strong>der</strong>zwischen Ägypten, dem Heimatland <strong>der</strong> <strong>Papyri</strong>, <strong>und</strong> den amEuphrat gef<strong>und</strong>enen hellenistisch-römischen P. Dura <strong>und</strong> den <strong>aus</strong>dem 3. Jahrh. n. Chr. stammenden P. Euphrat verstehen. SachlicheVerbindungen sind aber nicht ersichtlich, auch soweit die Texterömische Institutionen spiegeln. <strong>Die</strong> beiden Urk<strong>und</strong>engruppenliegen im übrigen zeitlich beträchtlich vor den P. <strong>Petra</strong>. Zwar tritt inden P. Euphrat mit syrischen Beischriften <strong>und</strong> zwei syrischgeschriebenen Urk<strong>und</strong>en die lokale Bevölkerung mit ihrer Spracheauch schriftlich entgegen, doch die Mehrsprachigkeit an sich warim hellenisierten Osten nichts Beson<strong>der</strong>es. Im <strong>byzantinischen</strong>Ägypten existierten dem entsprechend in dieser Zeit griechische<strong>und</strong> koptische Texte, früher griechische <strong>und</strong> demotische <strong>und</strong> spätergriechische, koptische <strong>und</strong> arabische nebeneinan<strong>der</strong>.Auf die Bedeutung, welche die P. <strong>Petra</strong> für unsere Kenntnis vonden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, ethnischen, sprach-, kultur<strong>und</strong>allgemeingeschichtlichen Gegebenheiten in diesem Gebietwährend <strong>der</strong> früh<strong>byzantinischen</strong> Epoche besitzen, ist bereits ebensoangespielt worden <strong>und</strong> ebenso auf den fiskalischenbeziehungsweise rechtlichen Charakter <strong>der</strong> Texte. Nur letzteres, diemögliche rechtliche Tragweite <strong>der</strong> P. <strong>Petra</strong>, kann hier interessieren.Den besten Eindruck hiervon vermitteln die folgendenBemerkungen von L. Koenen: „The papers contain property-23Zu den entsprechenden ethnischen, sprachlichen <strong>und</strong> kulturellen Verhältnissenvgl. C. J. KRAEMER in: P. Nessana, S. 18 f., N. LEWIS, in: P. Yadin, S. 13-26.Revue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


350 JOACHIM HENGSTLrelated documents, mostly sales, gifts, dowries, property divisionsand related tax documents.“ „Terminology as well asadministrative and legal procedures in <strong>Petra</strong> are by and largesimilar to what we know from Byzantine Egypt, althoughdifferences in language and administrative details have emerged.“„Of particular interest is the way how Roman law worked in the<strong>Petra</strong>ean communities.“ „There is evidence that the general culture(of the) <strong>Petra</strong>ean society was based on negotiated contracts andsettlements, as is typical for the Byzantine epoch and best knownfrom the Egyptian papyri and in agreement with Roman law. Butthe Nabataeans seem to have had such a tradition that madegovernmental courts avoidable.“ „Despite of plenty ofpeculiarities, the legal and administrative language in 6 thcentury<strong>Petra</strong> was very similar to contemporary language in Egypt and inNessana.“Um ein deutlicheres Bild zu geben, seien einige <strong>der</strong> Texte aufGr<strong>und</strong> <strong>der</strong> übermittelten Unterlagen kurz umrissen: P. <strong>Petra</strong> I 2(=Inv. Nr. 4) ist eine Übereinkunft über Besitz, vielleicht überNachlaß. — P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 10 enthält einen langenTeilungsvertrag über umfangreichen Besitz unter drei Brü<strong>der</strong>n. —Der fragmentarische P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 43 stellt eineMitgiftbestellung () dar; P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr.65+63 einen Ehegütervertrag, P. <strong>Petra</strong> I 1 (=Inv. Nr. 68) einenEhegüter- <strong>und</strong> Erbvertrag <strong>und</strong> P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 6 eine Schenkungauf den Todesfall in sechsfacher Ausfertigung. — P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr.60.1 ist die Anzeige eines Gr<strong>und</strong>stücksverkaufs anSteuereinnehmer ( ) zwecks Übertragung <strong>der</strong>Abgabenpflicht auf den Erwerber. Derartige Anzeigen( ) sind mit zumindest 7 weiteren, an an<strong>der</strong>eEmpfänger (z.B.) gerichteten Exemplaren(zuzüglich einer Kopie) einer <strong>der</strong> häufigeren Urk<strong>und</strong>entypen desArchivs (u.a. P. <strong>Petra</strong>. I 3-5 = Inv. Nr. 13, 14, 17). — In P. <strong>Petra</strong>Inv. Nr. 60.2 wird die — vielleicht innnerfamiliäre — Zahlungrückständiger annona militaris (?) im Zusammenhang mit P. <strong>Petra</strong>Inv. Nr. 60.1 quittiert; noch mehrere Quittungen (P. <strong>Petra</strong> 7-10,ferner z.B. P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 71.1; 71.2, 71.3) betreffenrückständige Abgaben, die aber nicht unmittelbar an einenSteuereinnehmer gezahlt werden. — P. <strong>Petra</strong> I 6 (= Inv. Nr. 69.6)listet abhandengekommenes Gut auf, benennt den Verdächtigten


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 351<strong>und</strong> registriert dessen Reinigungseid; die beiden Beteiligten sindKleriker. — Das Fragment P. <strong>Petra</strong> I 11 (=Inv. Nr. 69.8) ist einbeschädigter „Umschlag“ mit fragmentarischen Angaben wohl zudrei Abgaben betreffenden Quittungen.4. We<strong>der</strong> die amerikanischen noch die finnischen Bearbeiter <strong>der</strong>Urk<strong>und</strong>en sind Rechtshistoriker. Allerdings sind Rechtsinstitutionen<strong>und</strong> rechtsspezifische Fragen den mit Urk<strong>und</strong>enarbeitenden Papyrologen keineswegs fremd; A. Arjava von <strong>der</strong>finnischen Equipe hat sich darüber hin<strong>aus</strong> bereits stärker in Frauenbetreffende Rechtsfragen eingearbeitet 24 , <strong>und</strong> die übermitteltenKommentare <strong>der</strong> finnischen Equipe zeugen von <strong>der</strong> eingehendenBeschäftigung mit den Rechtsvorschriften. Auch die angeführtenÄußerungen von L. Koenen unterstreichen, daß das Rechtliche bei<strong>der</strong> Publikation <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> nicht — wie vor allem in <strong>der</strong>Vergangenheit in vielen Papyruseditionen — weitgehendunbeachtet bleibt.Trotz dieser Bemühungen bleibt Raum für die Tätigkeit vonRechtshistorikern. Deren Aufmerksamkeit will die vorliegendeMitteilung wecken; sachbezogene Exegesen sind an dieser Stelle<strong>aus</strong>geschlossen. Statt dessen sollen drei Beispiele an dierechtshistorische Bedeutung von Textgruppen bzw. Erscheinungenerinnern, welche auch die Bearbeiter <strong>der</strong> P. <strong>Petra</strong> selbst gesehen<strong>und</strong> erwähnt, aber rechtshistorisch nicht vertieft haben.Das eine Beispiel bieten die griechischen Urk<strong>und</strong>en des Archivs<strong>der</strong> Jüdin Babatha (Judäa. 110-132 n. Chr.), die römische,griechische <strong>und</strong> jüdische Elemente enthalten. Das Formular verrätgriechische Vorlagen. Materiell aber liegt jüdisches Recht vor, <strong>und</strong>das erstaunt bei Angelegenheiten des Ehe- <strong>und</strong> des Erbrechtskeineswegs 25 . Spezifisch römisch sind die Datierungsweise nachKonsuln <strong>und</strong> die Stipulationskl<strong>aus</strong>el, beides weicht von den gräkoägyptischenUrk<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Zeit ab. Vor allem aber sind dieprozessualen Institutionen römisch geprägt. Bezeichnend ist, daß24Vgl. A. ARJAVA, Women and Law in Late Antiquity, Oxford 1996; ferner z.B.DERS., <strong>Die</strong> römische Vorm<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> das Volljährigkeitsalter in Ägypten, in:ZPE 126, 1999, S. 202-206.25Vgl. aber T. J. CHIUSI, Zur Vorm<strong>und</strong>schaft <strong>der</strong> Mutter, in: ZRG Rom.Abt. 111,1994, S. 155-196 (zu P. Yadin 12 S. 178-191), sowie H. COTTON, TheGuardianship of Jesus Son of Babatha: Roman and Local Law in the Province ofArabia, in: JRS 83, 1993, S. 94-108.Revue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


352 JOACHIM HENGSTLdie materiellrechtlichen Fragestellungen kompetent auch vonnichtjuristischer Seite erörtert worden sind 26 . <strong>Die</strong> prozessualenAspekte hingegen blieben Rechtshistorikern überlassen 27 .Sprachlich-ethnisch in etwa mit <strong>Petra</strong> vergleichbareGegebenheiten hat es in Nessana gegeben: <strong>Die</strong> Bevölkerungbestand <strong>aus</strong> Christen arabischer Herkunft, die Geschäfts-, dieVerwaltungs- <strong>und</strong> wohl auch die Umgangssprache warGriechisch 28 . Im Zusammenhang mit den P. <strong>Petra</strong> wird auf diesenF<strong>und</strong>komplex also mit gutem Gr<strong>und</strong> verwiesen. Gerade anhanddieses Komplexes sowie einiger P. Dura hat H. J. Wolff dieaußerägyptische Herkunft gewisser Eigenheiten des <strong>byzantinischen</strong>Urk<strong>und</strong>enstils in Ägypten nachgewiesen 29 . Es bietet sich folglichan, auch den möglichen Hinweisen <strong>der</strong> P. <strong>Petra</strong> zum spätantikenUrk<strong>und</strong>enstil nachzugehen.<strong>Die</strong> Auffassung, die <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> zeichneten sich in beson<strong>der</strong>emMaß durch die Beilegung von Streitigkeiten mittels Vergleich <strong>aus</strong> 30 ,wie dies auch in den <strong>byzantinischen</strong> <strong>Papyri</strong> Ägyptens zu erkennensei, berührt unerwähnt ein beson<strong>der</strong>es Problem. <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong>Dialysis-Urk<strong>und</strong>en <strong>aus</strong> dem <strong>byzantinischen</strong> Ägypten ist tatsächlichverhältnismäßig groß 31 . <strong>Die</strong>ses Phänomen war seinerzeit bereits A.26S. z.B. H. COTTON, A Cancelled Marriage Contract from the Judaean Desert, in:JRS 84, 1994, S. 64-86; H. M. COTTON <strong>und</strong> J. C. GREENFIELD, Babatha’s Propertyand the Law of Succession in the Babatha Archive, in: ZPE 104, 1994, S. 211-224; R. KATZOFF, An Interpretation of P. Yadin 19: A Jewish Gift after Death, in:Proceedings of the 20 th International Congress of Papyrologists. Copenhagen,23-29 August, 1992, ed. by A. Bülow-Jacobsen, Kopenhagen 1994, S. 562-565.27Z.B. K. HACKL, Der Zivilprozeß in den Provinzen, in: ZRG Rom.Abt. 114,1997, S. 141-159; D. NÖRR, Prozessuales <strong>aus</strong> dem Babatha-Archiv, in: MélangesAndré Magdelain, Paris 1998, 317-341; DERS., Römisches Zivilprozeßrecht nachMax Kaser. Prozeßrecht <strong>und</strong> Prozeßpraxis in <strong>der</strong> Provinz Arabia, in: ZRGRom.Abt. 115, 1998, S. 80-98; vgl. ferner H. J. WOLFF, RömischesProvinzialrecht in <strong>der</strong> Provinz Arabia (Rechtspolitik als Instrument <strong>der</strong>Beherrschung), in: ANRW II 13, Berlin/New York 1980, S. 763-806.28S. C. J. KRAEMER, a.a.O. (o. Anm. 23).29H. J. WOLFF, Der byzantinische Urk<strong>und</strong>enstil Ägyptens im Lichter <strong>der</strong> F<strong>und</strong>evon Nessana <strong>und</strong> Dura, in: RIDA VIII (1961) S. 115-154.30So die entsprechende oben zitierte Bemerkung von L. Koenen sowie T. GAGOS,a.a.O. (o. Anm. 21), S. 496; vgl. dazu P. <strong>Petra</strong> Inv. Nr. 10 <strong>und</strong> 83 (dazu M. KAIMIO,a.a.O. [o. Anm. 21]).31Vgl. die Liste solcher Vereinbarungen bei T. GAGOS, P. VAN MINNEN, Settling aDispute: Toward a Legal Anthropology of Late Antique Egypt, Ann Arbor:University of Michigan Press, 1995, S. 121-127.


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 353A. Schiller aufgefallen. Er hatte <strong>aus</strong> einer Musterung desspätantiken Materials den Eindruck gewonnen, für das Ägypten ab500 n. Chr. bis zum Arabersturm 642 n. Chr. sei keineZivilgerichtsbarkeit nachzuweisen, <strong>und</strong> sein Titel „The Courts Areno More“ schien geradezu die Existenz einer jeden staatlichenRechtshilfe zu verneinen 32 . Im Hintergr<strong>und</strong> steht die Frage, in wieweit die Gesellschaft des spätantiken Ägypten auf die Erkenntnis<strong>und</strong>Vollstreckungsmittel des Staates verzichtet o<strong>der</strong> sie inAnspruch genommen hat. D. Simon hat die tatsächliche Tragweitevon Schillers These klargestellt, ihr teilweise aber mit gutenGründen wi<strong>der</strong>sprochen 33 . Eine hinreichende Zahl an Belegenbezeugt sowohl die Existenz wie die Inanspruchnahme <strong>der</strong>Gerichtsbarkeit. Eine deutliche Zurückhaltung gegenüber demProzessieren ist allerdings erkennbar, <strong>und</strong> für sie sind verschiedeneUrsachen maßgebend 34 . Sollte eine entsprechende Zurückhaltungauch für die Bevölkerung des <strong>byzantinischen</strong> <strong>Petra</strong> gelten — wiedie Bearbeiter <strong>der</strong> P. <strong>Petra</strong> meinen -, so bleibt zu prüfen, ob diesauch die gleichen Ursachen hat. Möglicherweise ist eineprovinzübergreifende, wenn nicht sogar reichsumfassendeDiskussion angezeigt. <strong>Die</strong>s muß anhand von Fakten geschehen;anthropologisch begründete Vorgehensweisen genügen hierfürnicht 35 . Das mir bekannte Material rechtfertigt es m.E. allerdingsnoch nicht, Schiedsverfahren <strong>und</strong> Vergleichen eine dominanteRolle im Rechtsleben von <strong>Petra</strong> zuzuweisen 36 .5. <strong>Die</strong> im Herbst 2002 erschienene Edition P. <strong>Petra</strong> I bietetneben umfangreichen Einführungen 16 Texte. Der Band beginntmit einer Auswahlliste <strong>der</strong> bisherigen, seinerzeit dem Wecken desInteresse am Komplex <strong>der</strong> <strong>Petra</strong>-<strong>Papyri</strong> dienendenVeröffentlichungen, führt sodann in die historischen <strong>und</strong>32In: Studi E. Volterra Bd. 1, Milano 1971, S. 469-502.33D. SIMON, Zur Zivilgerichtsbarkeit im spät<strong>byzantinischen</strong> Ägypten, in: RIDAXVIII (1971) S. 623-657.34Zu diesen s. D. SIMON, a.a.O., S. 649-657.35Zu <strong>der</strong> von T. GAGOS, a.a.O., passim, vertretenen <strong>und</strong> angewendetenanthropologischen Methode vgl. (kritisch) J. HENGSTL, Rechtsanthropologie,Rechtssoziologie <strong>und</strong> die Rechtsordnung im ptolemäischen Ägypten, ebenfallsa.a.O. (o. Anm. 21), S. 619-639.36Vgl. dazu auch T. GAGOS, a.a.O., S. 500 bzw. 505: „None of the two documentscan be described as a settlement proper, a in purely formalistic terms. ---... settlements by all means of negotiation...“.Revue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


354 JOACHIM HENGSTLarchäologischen Zusammenhänge ein, orientiert über denNamenspatron — Theodoros — des mit den P. <strong>Petra</strong> gef<strong>und</strong>enenFamilienarchivs <strong>und</strong> über die mit dem F<strong>und</strong> verb<strong>und</strong>eneRestaurierungsarbeit sowie über das in den P. <strong>Petra</strong> verwendetechronologische System. Von den Urk<strong>und</strong>en betreffen Nr. 1 <strong>und</strong> 2Abmachungen über Familiengut, Nr. 3-5 sind Anträge aufUmbuchung <strong>der</strong> Steuerpflicht wegen Wechsel des Steuerpflichtigen( , Nr 6 listet abhandengekommenesGut auf <strong>und</strong> dokumentiert den Reinigungseid desVerdächtigen, Nr. 7-10 betreffen die Begleichung rückständigerAbgaben; Nr. 11 ist ein beschädigter „Umschlag“. Auf all dieseTexte ist hier schon zuvor hingewiesen worden. Eigene,<strong>aus</strong>führliche Einführungen als Urk<strong>und</strong>engruppe haben die Nrn. 3-5, 6-11 <strong>und</strong> noch einmal eigens 7-10 erhalten. <strong>Die</strong> Nrn. 12-16bieten nur eine Vielzahl an Fragmenten, in denen vereinzelteWörter o<strong>der</strong> Wendungen den rechsspezifischen Zusammenhangerkennen lassen. Eine beson<strong>der</strong>e Erwähnung verdienen die —erfolgreichen — Bemühungen um angemessene Abbildungen.Darüber hin<strong>aus</strong> sind überhaupt die ebenso umfassende wiesorgfältige Kommentierung <strong>und</strong> die gute Präsentationhervorzuheben. <strong>Die</strong>s gilt auch für die rechtlichen Analysen <strong>und</strong> dasHeranziehen <strong>der</strong> einschlägigen Literatur. Das an<strong>der</strong>weitigepapyrologische Material ist ebenfalls berücksichtigt.<strong>Die</strong> mit P. Peta I vorgelegten Texte gestatten wenigstens auf denersten Blick noch keine weitergehenden Erkenntnisse zu <strong>der</strong> vorallem interessierenden Frage, inwieweit die P. <strong>Petra</strong> über die eineo<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sprachliche Variante hin<strong>aus</strong> „Reichsrecht“ o<strong>der</strong> lokaleVerhältnisse spiegeln.P. <strong>Petra</strong> I 1 ist eine mit 99 Zeilen erhaltene, alsbezeichnete Vereinbarung zwischen Patrophilos, demOnkel mütterlicherseits des Theodoros <strong>und</strong> diesem selbst, assistiert( von seinem curator Eustathios.Es scheint, als hätten nachträglich eingetretene Umstände zurErgänzung einer früheren güterrechtlichen Abmachung bezüglich<strong>der</strong> Ehe des Theodoros mit seiner Cousine Stephanous, Tochter desPatrophilos geführt. Ein entsprechende Vereinbarungenenthalten<strong>der</strong> Ehevertrag ist in den Kreisen, um die es hier geht,seinerzeit zweifellos geschlossen worden; <strong>der</strong> Kommentar betontdies zutreffend <strong>und</strong> erörtert die möglichen Ursachen für den


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 355Abschluß des vorliegenden Vertrags. Rechtliche Unterschiede zuden ägyptischen Urk<strong>und</strong>en <strong>der</strong> nämlichen Zeit sind nichterkennbar. <strong>Die</strong>s gilt in gleicher Weise für P. <strong>Petra</strong> I 2, eineAbmachung über Nachlaßgut, welche nur in den ersten 39 Zeilenfortlaufend erhalten ist <strong>und</strong> im übrigen in Vielzahl kleinerFragmenten besteht, welche keinen zusammenhängenden Textergeben. P. <strong>Petra</strong> I 2 ist übrigens in <strong>der</strong> colonia Gazanie<strong>der</strong>geschrieben worden <strong>und</strong> damit die einzige nicht im Gebietvon <strong>Petra</strong> selbst entstandene Urk<strong>und</strong>e unter den P. <strong>Petra</strong>.<strong>Die</strong> als P. <strong>Petra</strong> I 3-5 veröffentlichten drei Anträge auf Tilgung( ) des Namens des bisherigen Steuerpflichtigen wegenEigentümerwechsel am Besteuerungsobjekt scheinen lt Editionnach F<strong>und</strong>lage, Beteiligten <strong>und</strong> Inhalt in einem gewissenZusammenhang zu stehen. P. <strong>Petra</strong> I 3 <strong>und</strong> 4 enthalten 11 bzw. 13Zeilen ab Anfang <strong>der</strong> Urk<strong>und</strong>en, Nr. 5 dagegen 10+5 stärkerfragmentierte Zeilen vom Urk<strong>und</strong>enende. Nach Nr. 5 zu schließensind in den beiden an<strong>der</strong>en Texte Detailangaben zur Steuerschuld<strong>und</strong> die Hypographai verloren gegangen. Mancherlei Fragenbleiben dem entsprechend offen, zumal sowohl in Nr. 3 wie in Nr.4 auf an<strong>der</strong>weitige Vereinbarungen Bezug genommen wird.Bemerkenswert ist, daß das Gr<strong>und</strong>geschäft nach Nr. 3 Wirksamkeitnur zu Lebzeiten des ursprünglichen Steuerschuldners entfaltensoll (vgl. S. 75); nach seinem Tod soll die Steuerpflicht wie<strong>der</strong>seinen Erben obliegen. Der Frage, ob es um eine Emphyteuse aufLebenszeit gehen könnte, läßt sich hier nicht nachgehen. Eineentsprechende Befristung enthält P. Lug. Bat. I 3 (Oxyrhynchos.Um 530 v. Chr.), Z. 17-19:„für die kommende Zeit, so lange wie <strong>der</strong> von PN mir <strong>aus</strong>gestellteHypothekenbrief gültig sein wird.“Wie schon bemerkt, enthält das unveröffentlichte Material nochweitere <strong>der</strong>artige Anträge (vgl. S. 75 f.), <strong>und</strong> <strong>aus</strong> Nessana wie <strong>aus</strong>Ägypten liegen entsprechende Texte vor, wie die Edition mit einerRevue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)


356 JOACHIM HENGSTLTabelle verdeutlicht (S. 80 f.) 37 . In den letztgenannten Texten wird<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Rechtsverän<strong>der</strong>ung (z.B. Kauf, Zession, Mitgift) oftangegeben, <strong>und</strong> auch sonst variieren die Anträge in denFormularen (<strong>und</strong> natürlich hinsichtlich <strong>der</strong> angegangenenFunktionäre, wie schon die genannte Tabelle <strong>aus</strong>weist).P. <strong>Petra</strong> I 7-10 sind ziemlich gleichförmige Quittungen, welcheSteuerzahlungen des bereits genannten Petrophilos über jeweilsdrei Jahre betreffen. <strong>Die</strong> Ed. hebt mit Recht <strong>und</strong> eingehen<strong>der</strong>Begründung hervor, daß man die Texte gleichwohl nicht alsSteuerquittungen bezeichnen kann. Zwar erfolgen die Zahlungenjeweils „für die Steuereinnehmer“ (). Der unmittelbare Rechtsgr<strong>und</strong> für die Zahlungen scheintaber eine private Vereinbarung zwischen den Beteiligten zu sein,über <strong>der</strong>en Inhalt man freilich nur spekulieren kann. Als Anlaß für<strong>der</strong>artige Abmachungen läßt sich vermuten, über sie werde dasAuseinan<strong>der</strong>fallen <strong>der</strong> abgabenrechtlichen Pflicht nach demSteuerregister <strong>und</strong> in Wirklichkeit privatim <strong>aus</strong>geglichen (s. S. 101f.). Weiter als die Erwägungen <strong>der</strong> Edition gehen, läßt sicheinstweilen nicht gelangen.„In den Problemkreis <strong>der</strong> steuerrechtlichen Praxis führen unsneben den Inschriften am besten die <strong>Papyri</strong> ein, beschränktallerdings auf Ägypten“, hielt vor an<strong>der</strong>thalb Jahrzehnten einemonographische Untersuchung zum früh<strong>byzantinischen</strong>Steuerwesen noch zutreffend fest 38 . Es ist offenk<strong>und</strong>ig, daß die P.<strong>Petra</strong> diese Gegebenheiten zu än<strong>der</strong>n im Begriff sind.6. Was die P. <strong>Petra</strong> zur Kenntnis des spätrömischen Rechts imeinzelnen beizutragen vermögen, werden letztendlich erst ihreweitere Edition durch die Papyrologen <strong>und</strong> ihre vertiefte Analysedurch die Rechtshistoriker zeigen. <strong>Die</strong> Grenzen zwischen denbeteiligten Disziplinen sind jedoch geeignet, einseitigeSchlußfolgerung zu begünstigen <strong>und</strong> weitergehende Untersuchungenzu verzögern. Direkte Kontakte zwischen den37P. Berol. 21753 Rekto, zit. S. 80, ist zum Abdruck als SB 15955 vorgesehen.-Bei dem in <strong>der</strong> Tabelle mit aufgeführten CPR IX 79 handelt es sich nicht eigentlichum ein, son<strong>der</strong>n um ein dieses vertretendesSchreiben zwischen zwei Klerikern.38U. Hildesheim, Personalaspekte <strong>der</strong> früh<strong>byzantinischen</strong> Steuerordnung. <strong>Die</strong>Personalveranlagung <strong>und</strong> ihre Einbindung in das System <strong>der</strong> capitatio-iugatio. -Pfaffenweiler 1988, S. 89.


DIE BYZANTINISCHEN PAPYRI AUS PETRA 357Her<strong>aus</strong>gebern <strong>der</strong> P. <strong>Petra</strong> <strong>und</strong> interessierten Rechtshistorikernkönnten dies vermeiden, würden gemeinsame Diskussionen <strong>und</strong>Veröffentlichungen für die Zukunft ermöglichen <strong>und</strong> gestattetenvielleicht sogar noch kleinere Revisionen an dem zurVeröffentlichung anstehenden Material.Revue Internationale des droits de l’Antiquité XLIX (2002)

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