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Festival der Künste 2009 Acht Seiten Schwarz-Special Michel Comte

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forschung / zett 2–09 35begegnung <strong>der</strong> künsteauf <strong>der</strong>marionettenbühneEin interdisziplinäres Forschungsprojekt desInstitute for Cultural Studies in the Arts ICSin Zusammenarbeit mit dem Museum Bellerivehat sich mit Sophie Taeuber-Arps exzeptionellerInszenierung „König Hirsch“ auseinan<strong>der</strong>gesetzt.Die Ergebnisse werfen ein neues Lichtauf ihre avantgardistische, multimediale Arbeit.Medea Hoch*Obgleich Sophie Taeuber-Arps Marionetteninszenierung anden wichtigsten Dada-Retrospektiven als Schlüsselwerk figuriertund sich kein Dada-Spektakel so gut dokumentierenlässt wie „König Hirsch“ (die Marionetten und das Typoskriptdes Stücks befinden sich in <strong>der</strong> Kunstgewerbesammlung desMuseum für Gestaltung Zürich), wurde es bislang nur marginalerforscht. Das mag daran liegen, dass die traditionelleKunstgeschichte die angewandten und darstellenden Künsteund somit auch die Marionetten den „nie<strong>der</strong>en“, reproduzierendenKünsten zuordnete. Hans Hildebrandt erklärt 1928das „Spielenwollen zu den Grundtrieben weiblichen Kunstgestaltens“(!). Überdies konstatiert er ein Nachrücken vonFrauen wie Sophie Taeuber-Arp in die Bühnenkunst, mit <strong>der</strong>Männer sich nicht mehr befassen wollten.Die euphorische Rezeption durch die Avantgarde machte SophieTaeuber-Arps Inszenierung jedoch zu einer Ikone desDadaismus. Sie interessierte sich indes wenig für den kunsthandwerklichenKontext. So geht keine <strong>der</strong> frühen Rezensionenauf das innovative Drechselhandwerk ein, mittels dessendie radikal rundplastischen Elemente gefertigt wurden.Erörtern jene dennoch die Technik, werden diese Elementeals Readymade missverstanden, so bei Hans Richter, <strong>der</strong> von„lose miteinan<strong>der</strong> verbundenen Garnrollen“ schreibt.Konstruktionen einer Dada-IkoneCarlo Gozzis „König Hirsch“ in einer die Psychoanalyse parodierendenAktualisierung von René Morax und Werner Wolffwurde anlässlich <strong>der</strong> Schweizerischen Werkbundausstellungin Zürich 1918 vom neu gegründeten Schweizerischen Marionettentheateraufgeführt. Obschon o<strong>der</strong> gerade weil dieInszenierung nur drei Aufführungen bekam – die Leitunghabe die Marionetten „für viel zu mo<strong>der</strong>n und zu gewagt“ 1erklärt, so Sophie Taeuber-Arp an Hans Hildebrandt –, wurdesie unter Dadaisten legendär. Diese Rezeption wurdedurch die Künstlerin angestossen, die die Figur des Freudanalytikus1919 in „Der Zeltweg“ abbilden liess. Rezensionendadaistischer Weggefährten machten Sophie Taeuber-Arpnach 1920 international als Künstlerin bekannt, als sie nochdem „Schweizer Kunstgewerbe“ zugerechnet wurde. TristanTzaras glamouröser Beitrag in „Vanity Fair”, „What we are doingin Europe“, 1922, handelt von Strawinsky, Debussy, Diaghilev,am ausführlichsten jedoch von Taeuber-Arps „KönigHirsch“.Und in <strong>der</strong> Anthologie Kunstismen, 1925, repräsentiertdie Marionette Wache den gesamten Dadaismus.Zwischen Handwerk, abstrakter Kunst und TanzDie Drechseltechnik wird erstmals 1939 im Katalog zur Schau„Contemporary Sculpture“ <strong>der</strong> Galerie Guggenheim Jeune erwähnt:„At the Zurich Exhibition in 1918, her marionettes inturned wood were the starting point for a new technique indecorative art.” Sodann in einem Brief <strong>der</strong> KunsthandwerkerinElisabeth von Ruckteschell an Hans Arp von 1961, in demsie die Zeit erinnert, als sie, Freundin von Friedrich Glauser,bei Sophie Taeuber wohnte und die ersten „König-Hirsch“-Puppen vom Drechsler kamen. 2 Bereits 1927 bemerkt Taeuber-Arp,zu jener Zeit Lehrerin an <strong>der</strong> Zürcher Kunstgewerbeschule,in <strong>der</strong> Anleitung zum Unterricht im Zeichnen fürtextile Berufe: „Bedeutende Architekten und Künstler habenaus dem maschinellen Herstellungsprozess sich ergebende,vollkommene Formen gefunden.“ 3 Der Kunstgeschichte istdie Vorstellung bis heute jedoch eher fremd, dass technischeund mediale Entwicklungen entscheidende Anstösse zur Abstraktiongeliefert haben.„König Hirsch“ machte konstruktive Kunst sehr früh einembreiten Publikum bekannt. Vor dem Hintergrund des Streitsanlässlich <strong>der</strong> Ausstellung „Les origines de l’art abstrait“ weistHans Arp in einem Brief an Hans Richter vom 31.8.1949 ausdrücklichauf Sophie Taeuber-Arps Pionierleistung hin, indemer das Szenenbild „Kabinett des Königs“ von 1917 alsabstraktes Bild beschreibt. 4Schliesslich vergegenwärtigen die Marionetten mit ihrensichtbar mittels Ringschrauben verbundenen Glie<strong>der</strong>n bisheute das dadaistische Konzept zerglie<strong>der</strong>ter, in alle Richtungenorientierter Bewegungen, das Sophie Taeuber-Arp auch in eigenen abstrakten Tänzen an Dada-Soiréenvorführte.Anmerkungen1 Brief 24.6.1927, The Getty Research Institute, Los Angeles, California(850676).2 Vgl. Brief 15.1.1961, Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e. V.,Rolandswerth.3 Sophie Henriette Arp-Taeuber / Blanche Gauchat, Anleitung zum Unterrichtim Zeichnen für textile Berufe, Gewerbeschule <strong>der</strong> Stadt Zürich 1927 (S. 6.)4 Vgl. Hans Richter Papers, B. VII.3. The Museum of Mo<strong>der</strong>n Art Archives,New YorkFör<strong>der</strong>ung des Forschungsprojekts: Schweizerischer Nationalfonds/DORELeitung: Prof. Dr. Sigrid Schade, ICSMitarbeit: Medea Hoch, ICS, Kristin Haefele, Museum Bellerive*Medea Hoch war wissenschaftl. Mitarbeiterin am ICS (hoch@arch.ethz.ch).Bild links oben: „Das Kabinett des Königs“, Bild aus Sophie Taeuber-ArpsInszenierung König Hirsch, 1918, Foto: Ernst Linck, MIZ ZHdK Archiv.© <strong>2009</strong>, ProLitteris, Zürich

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