10.07.2015 Aufrufe

Benjamin Moravec - IKOB

Benjamin Moravec - IKOB

Benjamin Moravec - IKOB

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Im Gegensatz zur gewohnten Abfolge der Sequenzen aber handelt es sich hierum monumentale Stills, die die Richtung der historischen Entwicklung umkehrenund als nunmehrige Standbilder wieder auf der Wirkung und derWahrnehmungsdauer tradierter Tafelbilder beharren. Die Bildinhalte jedoch sindbewusst zeitgenössisch-banal und verfolgen offensichtlich die Frage, welcheEinstellung eines B-Movies es mit der Erschütterung etwa des Isenheimer Altarsaufnehmen könnte; eine rhetorische Frage freilich, deren Beantwortung für denheutigen Maler nicht in resignativer Absage liegen kann, sondern vielmehr in derpermanenten Prüfung auch des Bildmülls, der massenhaften Zurichtung derImagination, der standardisierten Vorstellungsbildung bestehen sollte: denngenau dort generiert der Zeitgeist seine wahrnehmbare Form.Ein noch stärkerer Erzeuger kollektiver Bildproduktion als das Kino dürfte in denletzten Jahren das Internet geworden sein, und so ist es nicht verwunderlich,dass auch <strong>Benjamin</strong> <strong>Moravec</strong> diesen verlinkten Fundus intensiv nutzt, um denmitschwingenden Selbst- und Weltentwürfen der Nutzer auf die Spur zu kommenund sie zu kenntlichen Synthesen zu verdichten. Einen besonderen Stellenwertnehmen dabei, begünstigt durch die von der realen Person getrennte Anonymitätim Netz, pornografische Seiten ein, die, selbstredend unter dem Aspektkommerzieller Verwertung, dem zumeist jugendlichen Publikum eine medialePlattform bieten, um ausgelassene Sex-Parties zu feiern beziehungsweise sichdabei beobachten zu lassen. Unter Adressen wie „watchusparty.com“ oder„youporn.com“ finden sich denn auch inszenierte Gemeinschaften, die scheinbarnur ihren hedonistischen Gelüsten frönen und deren beabsichtigter Voyeurismusdarauf abzielt, all die einsamen Mitspieler vor ihren heimischen Geräten zuwilligen Bestandteilen einer Fun-Community zu erklären. Dieser schmale Gratzwischen triebgesteuerter Konstitution und medialer Manipulation interessiert<strong>Benjamin</strong> <strong>Moravec</strong> ungemein; er empfindet auch hier die existenzielle Kluftzwischen der Verheißung unumschränkter Libido und der Ernüchterung ihrerEinlösung, zwischen apokalyptischem Tanz auf dem Vulkan und globalemKatzenjammer nach dem großen Rausch, letztlich also die uralte Dualitätzwischen Eros und Thanatos. Arbeiten wie „Watch us party“ (2007, 240x320 cm)oder „Happy Together – Mourir Ensemble“ (2008, 252x412 cm) sprechen hiereine deutliche Sprache: im erstgenannten Bild wird der titelgebende Schriftzug,der erkennbar pornografische Binnenszenen enthält, wie eine Barrikade inmitteneines undurchdringlichen Dickichts errichtet und sendet seine ambivalenteBotschaft, ähnlich wie das Hollywood-Signet in den Bergen von Santa Monicaund dessen Stilisierung auf den Bildern Ed Rushas, in einen fahlenAbendhimmel. Wer diese Botschaft empfängt und warum sie in dieser floralenWildnis erscheint, bleibt ungewiss; evident aber ist, dass diese kulissenhafteKonstruktion des Begehrens in ihrer Umgebung ein Fremdkörper bleibt und dasssie früher oder später von der primären Natur überwuchert werden könnte. Diezweitgenannte Arbeit konfrontiert die komplementären Seiten des Lustgewinnsund der Todesahnung ganz direkt: während sich links das genital zentrierteTreiben der Leiber entfaltet, lächelt rechts eine prototypische Werbe-Familie vomUrlaubsstrand dem Betrachter entgegen. Verstörend wirkt, dass genau dieserTeil des Billboard-Diptychons als „Mourir Ensemble“, also sinngemäß alsSterbegemeinschaft, bezeichnet wird. Möglicherweise spielt <strong>Benjamin</strong> <strong>Moravec</strong>hier mit den üblichen Konventionen von Familienglück und sozial-vitalemEiapopeia, indem er seine Kritik am postulierten Ideal mit der unleugbarenTatsache beschwert, dass in jeder Familie der Tod die Beziehungen derMitglieder neu definiert und insofern eine Vater-Mutter-Tochter-Relationtatsächlich auch eine Sterbegemeinschaft ist.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!