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Sicherheit durch Bürgschaften in Bauverträgen1

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Dr. jur. Dipl.-Ing. Norbert Herig und Dr. jur. Ines Gassner<br />

<strong>Sicherheit</strong> <strong>durch</strong> <strong>Bürgschaften</strong> <strong>in</strong> Bauverträgen 1<br />

Übersicht über praxisrelevante Probleme<br />

I. E<strong>in</strong>führung<br />

1. Praktische Relevanz<br />

Mittlerweile f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> fast jedem Bauvertrag - zum<strong>in</strong>dest bei mittleren und größeren Projekten<br />

- die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Stellung von <strong>Sicherheit</strong>en. Der BGH war <strong>in</strong> früherer Vergangenheit<br />

kaum berufen, rechtsdogmatische Grundsätze <strong>in</strong> diesem Zusammenhang zu entwickeln. 2<br />

Die Tatsache, dass Bauverträge <strong>in</strong> der Praxis regelmäßig <strong>in</strong> Form von Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen<br />

geschlossen werden sowie die stetige Zunahme der Insolvenzen <strong>in</strong> der Baubranche haben <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>er wahren Flut höchstrichterlicher Entscheidungen des BGH und der Oberlandesgerichte<br />

geführt, welche sich zu e<strong>in</strong>em großen Teil mit der Wirksamkeit vertraglicher Regelungen<br />

zu <strong>Sicherheit</strong>en im Bereich des Rechts der Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen beschäftigen.<br />

Diese, nicht immer homogene Rechtsprechung ist äußerst facettenreich und verlangt auch von dem<br />

im Baurecht versierten Juristen e<strong>in</strong>e genaue Sichtung des Sachverhaltes und Prüfung unter besonderer<br />

Berücksichtigung der zu klärenden Fragestellung und Umstände des E<strong>in</strong>zelfalles.<br />

Probleme ergeben sich erst dann, wenn etwas „schiefgelaufen“ und der Auftragnehmer 3 nicht willens<br />

oder meist aufgrund drohender oder bereits e<strong>in</strong>getretener Insolvenz nicht mehr <strong>in</strong> der Lage ist,<br />

se<strong>in</strong>en vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Auch wähnen sich Auftraggeber oft zu sicher<br />

und glauben rechtsirrig, gestellte <strong>Sicherheit</strong>en ohne weiteres verwerten zu können. E<strong>in</strong>e Ansicht die<br />

trügen kann, denn die Rechtsprechung des BGH macht Bürgschaftsgläubigern oftmals e<strong>in</strong>en „Strich<br />

<strong>durch</strong> die Rechnung“. Völlig überrascht müssen diese feststellen, dass sie mit der Bürgschaft eben<br />

ke<strong>in</strong>e „Garantie“ <strong>in</strong> Händen halten, wenn die Bürg<strong>in</strong> bereits vorprozessual oder auch im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es Prozesses diverse E<strong>in</strong>wendungen oder E<strong>in</strong>reden erhebt, die dazu führen, dass e<strong>in</strong> Anspruch auf<br />

Auszahlung der Bürgschaftssumme schon aus Rechtsgründen nicht möglich ist.<br />

Die Gründe hierfür s<strong>in</strong>d mannigfaltig; generalisierende Betrachtungen und Wertungen s<strong>in</strong>d vor<br />

allem <strong>in</strong> diesem Bereich fatal. Ziel folgender Ausführungen ist e<strong>in</strong>e strukturierte Darlegung der <strong>in</strong> der<br />

Praxis am häufigsten anzutreffenden Rechtsprobleme; dem Leser soll gleichsam e<strong>in</strong> „Prüfungsmuster“<br />

an die Hand gegeben werden.<br />

2. Sicherungsmittel <strong>in</strong> Bauverträgen<br />

a) <strong>Sicherheit</strong>en zugunsten des Auftraggebers<br />

Das <strong>in</strong> der Praxis am häufigsten anzutreffende Sicherungsmittel ist die Bürgschaft. Entsprechend dem<br />

Sicherungszweck, d. h. dem gesicherten Anspruch, werden solche <strong>Bürgschaften</strong> als Vorauszahlungs-,<br />

Abschlagszahlungs-, Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften 4 bezeichnet. Insoweit<br />

1 Vorliegender Beitrag beschäftigt sich ausschließlich mit <strong>Bürgschaften</strong> zugunsten des Auftraggebers <strong>in</strong> Form von<br />

Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften<br />

2 Vgl. Thode, Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Sicherungsabrede <strong>in</strong> Bauverträgen, ZfBR 2002, S.<br />

4<br />

3 Im Gegensatz zur akzessorischen Bürgschaft, die gem. § 767 BGB vom jeweiligen Bestand der Hauptschuld abhängig<br />

ist, begründet die Garantie e<strong>in</strong>e selbständige Schuld; die Abgrenzung kann im E<strong>in</strong>zelfall jedoch schwierig<br />

se<strong>in</strong>.<br />

4 Entsprechend der neuen Term<strong>in</strong>ologie des BGB und auch der VOB/B besser als „Mängelbürgschaft“ bezeichnet.<br />

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esitzen die Sicherung der ordnungsgemäßen Ausführung (= Vertragserfüllung) und der Gewährleistung<br />

(Mängelansprüche) die größte praktische Relevanz. 5<br />

Zwar kennt das Bauvertragsrecht für den Bereich der Gewährleistung auch andere Sicherungsmittel,<br />

nämlich<br />

– den <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt, d. h. E<strong>in</strong>behalt von Geld (§ 17 Nr. 6 VOB/B)<br />

und<br />

– die H<strong>in</strong>terlegung (§ 232 ff. BGB, § 17 Nr. 5 VOB/B),<br />

doch wird <strong>in</strong> der Praxis meist e<strong>in</strong> <strong>Sicherheit</strong>s-, d. h. Bare<strong>in</strong>behalt6 vere<strong>in</strong>bart, der <strong>durch</strong> Bankbürgschaft<br />

abgelöst werden kann.<br />

Die Vertragserfüllungsbürgschaft sichert sehr weitreichend die Ansprüche des Auftraggebers auf<br />

vollständige und rechtzeitige Erfüllung - mith<strong>in</strong> Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des<br />

Vertrages. 7 Diese umfassen unter anderem Ansprüche auf Erstattung von Mehrkosten nach Kündigung<br />

(§ 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B), Verzugsschaden, Nichterfüllung aufgrund von Insolvenz, Vertragsstrafe8<br />

und unter bestimmten Voraussetzungen auch Mängelansprüche vor Abnahme. 9<br />

Die Gewährleistungsbürgschaft dient der Sicherung von Mängelansprüchen, z. B. Kostenerstattung<br />

und Vorschuss für voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten ab Abnahme110 und Schadensersatz<br />

bis - soweit die Parteien nicht anderes vere<strong>in</strong>bart haben - zum Ende der Verjährungsfrist für<br />

Mängelansprüche. 11<br />

b) <strong>Sicherheit</strong>en zugunsten des Auftragnehmers<br />

Der Absicherung des Vorleistungsrisikos des Auftragnehmers dient die Zahlungsbürgschaft („Bestellerbürgschaft“),<br />

wonach der Auftraggeber e<strong>in</strong>e Bürgschaft <strong>in</strong> Höhe e<strong>in</strong>es bestimmten Prozentsatzes<br />

der Auftragssumme zu stellen hat. E<strong>in</strong>e solche vertragliche Bestimmung führt dazu, dass der Auftraggeber<br />

zur Stellung der Bürgschaft verpflichtet ist und dem Auftragnehmer bei Nichtstellung zunächst<br />

e<strong>in</strong> Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 281 BGB ist der<br />

Auftragnehmer weiter zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt, mit der Folge das<br />

er gem. § 642 BGB Anspruch auf Zahlung der vere<strong>in</strong>barten Vergütung für die erbrachten als auch die<br />

nicht erbrachten Leistungen (unter Abzug ersparter Aufwendungen) hat.<br />

Daneben ist <strong>durch</strong> die E<strong>in</strong>führung des § 648a BGB die unabd<strong>in</strong>gbare, gesetzlich verankerte Obliegenheit<br />

des Auftraggebers geschaffen worden, den voraussichtlichen Vergütungsanspruch abzusichern.<br />

Zwar kann der Auftragnehmer auf der Grundlage des § 648a BGB nicht den Erhalt der<br />

Bürgschaft gegenüber dem Auftraggeber gerichtlich <strong>durch</strong>setzen; bei Nichtstellung e<strong>in</strong>er solchen<br />

<strong>Sicherheit</strong> nach Aufforderung unter Fristsetzung entsteht jedoch e<strong>in</strong> Leistungsverweigerungsrecht<br />

des Auftragnehmers. Weiter gilt der Vertrag gem. § 648 Abs. 5 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen<br />

als gekündigt; jedoch steht <strong>in</strong> diesem Fall dem Auftragnehmer nur e<strong>in</strong> Anspruch auf<br />

Vergütung der erbrachten Leistungen sowie Ersatz des Vertrauensschadens zu, der <strong>in</strong> Höhe von 5%<br />

der Vergütung vermutet wird (648a Abs. 5 BGB).<br />

5 Andere Arten wie z. B. Vorauszahlungs- oder Abschlagszahlungsbürgschaft werden hier nicht behandelt.<br />

6 Meist 5% der Abrechnungssumme<br />

7 Vgl. Weise, <strong>Sicherheit</strong>en im Baurecht, Rn 68<br />

8 BGH, BauR 2003, S. 870, 872<br />

9 Vgl. hierzu näher BGH, BauR 1999. S. 281<br />

10 Beim BGB-Werkvertrag auch Ansprüche vor Abnahme, wenn die Voraussetzungen des § 634 BGB erfüllt s<strong>in</strong>d.<br />

11 Beck´scher VOB/Kommentar, § 17 Nr. 2 VOB/B, Rn 10; im E<strong>in</strong>zelfall kann die Abgrenzung zwischen dem Bereich<br />

der Erfüllung e<strong>in</strong>erseits und der Gewährleistung andererseits schwer se<strong>in</strong>; auch diesem Grund verwenden<br />

Bürgen daher häufig den Zusatz, dass die Gewährleistungsbürgschaft nur für ohne Beanstandungen abgenommene<br />

Arbeiten gilt, dies ist nach OLG München (IBR 2008, S. 28) zulässig.<br />

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II. Die Rechtsbeziehungen der Beteiligten<br />

1. Das „bürgschaftsrechtliche Dreieck“ 12<br />

Bei der Prüfung rechtlicher Fragestellungen im Zusammenhang mit <strong>Bürgschaften</strong> ist strikt zwischen<br />

den verschiedenen Rechtsbeziehungen der drei Beteiligten - Auftragnehmer, Auftraggeber und Bürge<br />

- zu trennen und zwar<br />

– der Sicherungsabrede, welche die vertragliche Absprache zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer<br />

darstellt und festlegt, ob und welche <strong>Sicherheit</strong> für welche Ansprüche zu stellen ist13 sowie<br />

– dem Bürgschaftsvertrag nach welchem sich die Rechte und Pflichten zwischen AG und Bürg<strong>in</strong><br />

ergeben,<br />

– dem Avalverhältnis als dem Rechtsgrund für die Ausstellung der Bürgschaft im Verhältnis zwischen<br />

Auftragnehmer und Bürgen (<strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag).<br />

Aus diesem ergibt sich unter anderem, welche Gegenleistung der Bürge für die Übernahme der<br />

Bürgschaft beanspruchen kann und welche Regressmöglichkeiten für ihn bestehen, wenn er aus<br />

der Bürgschaft <strong>in</strong> Anspruch genommen worden ist.<br />

2. Die Sicherungsabrede<br />

Der Auftraggeber kann vom Auftragnehmer die Übergabe e<strong>in</strong>er Bürgschaft nur dann verlangen bzw.<br />

die Auszahlung e<strong>in</strong>es vere<strong>in</strong>barten Gewährleistungse<strong>in</strong>behaltes von der Stellung e<strong>in</strong>er Bürgschaft<br />

abhängig machen, wenn die Parteien dies vere<strong>in</strong>bart haben. Weder das BGB noch die VOB/B sehen<br />

e<strong>in</strong>e Verpflichtung des Auftragnehmers zur Stellung e<strong>in</strong>er Bürgschaft vor. 14 Diese vertragliche Abrede,<br />

meist Bestandteil des Bauvertrages, stellt e<strong>in</strong>e vom Hauptvertrag unabhängige, selbständige<br />

rechtsgeschäftliche Vere<strong>in</strong>barung dar. 15 Sie bildet den Rechtsgrund für die Übergabe der Bürgschaft<br />

im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. 16<br />

Die Sicherungsabrede kann<br />

17<br />

– schriftlich oder mündlich<br />

12 Schmitz, <strong>Sicherheit</strong>en für die Bauvertragsparteien, Rn 4<br />

13 Siehe hierzu näher unter Ziff. 2<br />

14 Entgegen e<strong>in</strong>em weit verbreiteten Irrtum genügt die Vere<strong>in</strong>barung der VOB/B zur Begründung e<strong>in</strong>er Sicherungsabrede<br />

nicht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der VOB/B (§ 17 Nr. 1 Abs. 1: „Wenn <strong>Sicherheit</strong>sleistung vere<strong>in</strong>bart<br />

ist...“) sowie den Vorschriften <strong>in</strong> §§ 232 ff. BGB; alle diese Regelung setzen die Vere<strong>in</strong>barung zur Stellung<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Sicherheit</strong> voraus. Fehlt es an e<strong>in</strong>er solchen, ist für die Anwendung der Regelungen <strong>in</strong> § 17 VOB/B ke<strong>in</strong><br />

Raum. Lediglich § 648a BGB regelt die Absicherung des Vorleistungsrisikos des Auftragnehmers <strong>durch</strong> den<br />

Auftraggeber, stellt jedoch ke<strong>in</strong>e selbständig e<strong>in</strong>klagbare Verpflichtung, so lediglich e<strong>in</strong>e Obliegenheit des Auftraggebers<br />

dar.<br />

15 Thode, a.a.O, S. 4<br />

16 Die Bürgschaft h<strong>in</strong>gegen trägt ihren „Rechtsgrund <strong>in</strong> sich selbst“, jedoch kann auch die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede<br />

auf die Inanspruchnahme des Bürgen „<strong>durch</strong>schlagen“, vgl. hierzu näher unter III. 2 c)<br />

17 Ausnahmsweise kann e<strong>in</strong>er Sicherungsabrede gem. § 313 BGB jedoch beurkundungspflichtig se<strong>in</strong>, BGH, NJW<br />

1994, S. 2885<br />

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18<br />

– ausdrücklich oder konkludent<br />

– <strong>in</strong>dividuell oder <strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen<br />

erfolgen.<br />

E<strong>in</strong>e wirksame Sicherungsabrede sollte als notwendige Bestandteile die Vere<strong>in</strong>barung umfassen:<br />

– welche Vertragspartei e<strong>in</strong>e <strong>Sicherheit</strong> zu leisten hat,<br />

– das Sicherungsmittel,<br />

– den Sicherungszweck,<br />

– die Sicherungshöhe und -art sowie<br />

19<br />

– den E<strong>in</strong>tritt des Sicherungsfalles.<br />

In der Praxis werden diese Regelungspunkte oft stiefmütterlich vernachlässigt, womit die Vere<strong>in</strong>barung<br />

der Parteien häufig auslegungsbedürftig ist. Nicht ausreichend ist beispielsweise die Vere<strong>in</strong>barung<br />

e<strong>in</strong>er Bürgschaft nach dem Muster des Auftraggebers <strong>in</strong> dessen Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen,<br />

wenn der Vertrag selbst ke<strong>in</strong>e Aussagen zu der genauen Ausgestaltung der Bürgschaft<br />

trifft. 20<br />

3. Der Bürgschaftsvertrag<br />

a) Wirksamkeit/Zustandekommen<br />

Das wirksame Zustandekommen von Bürgschaftsverträgen spielt <strong>in</strong> der bauprozessrechtlichen Praxis<br />

- soweit ersichtlich - ke<strong>in</strong>e Rolle. Rechte und Pflichten der Bürg<strong>in</strong> ergeben sich aus dem Bürgschaftsvertrag<br />

sowie den gesetzlichen Regelungen <strong>in</strong> den §§ 765 ff. BGB.<br />

b) Arten von <strong>Bürgschaften</strong><br />

aa) Der „Normaltyp“ der Bürgschaft<br />

In Anlehnung an § 17 Nr. 4 VOB/B ist der im Baubereich gängige Typus die selbstschuldnerische 21<br />

Bürgschaft, d. h. der Bürge verzichtet auf die sog. E<strong>in</strong>rede der Vorausklage; zudem muss die Bürgschaft<br />

unbefristet 22 se<strong>in</strong>.<br />

18 In der Literatur ist grundsätzlich anerkannt, dass die Möglichkeit e<strong>in</strong>er konkludenten Sicherungsabrede besteht<br />

(vgl. hierzu Weise, a.a.O, Rn 17); detaillierte Rechtsprechung zu diesem Thema ist bislang noch nicht ergangen.<br />

Denkbar ist jedoch folgende Fallkonstellation: Ursprünglich ist überhaupt ke<strong>in</strong>e <strong>Sicherheit</strong>sleistung vere<strong>in</strong>bart<br />

worden. Der Auftraggeber hält dem Vergütungsanspruch des Auftragnehmers jedoch e<strong>in</strong> Zurückbehaltungsrecht<br />

wegen Mängeln entgegen, deren Bestand oder auch voraussichtlichen Beseitigungskosten zwischen den Parteien<br />

streitig s<strong>in</strong>d. Der Auftraggeber macht darauf h<strong>in</strong> die Auszahlung der Restvergütung von der Stellung e<strong>in</strong>er Gewährleistungsbürgschaft<br />

abhängig. Lässt sich der Auftragnehmer hierauf e<strong>in</strong> und stellt e<strong>in</strong>e Gewährleistungsbürgschaft,<br />

so ist hier<strong>in</strong> der Abschluss e<strong>in</strong>er konkludenten Sicherungsabrede zu sehen.<br />

19 Thode, a.a.O, S. 4<br />

20 Siehe hierzu näher unter Ziffer III 1. a) bb)<br />

21 Der Bürge kann gem. § 771 BGB die Auszahlung der Bürgschaftssumme nicht verweigern bis der Gläubiger erfolglos<br />

den Versuch e<strong>in</strong>er Zwangsvollstreckung unternommen hat; gleiches gilt schon von Gesetzes wegen (§ 773<br />

Abs. 1 Nr. 3 BGB) unter anderem, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet<br />

ist.<br />

22 Das Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er unbefristeten Bürgschaft - vor allem e<strong>in</strong>er Gewährleistungsbürgschaft - liegt auf der<br />

Hand. Die Bauvertragsparteien wissen auch nach Abnahme noch nicht, wann eventuelle Gewährleistungsansprüche<br />

verjähren werden, da etwaige Hemmungstatbestände noch nicht bekannt s<strong>in</strong>d. Befristete <strong>Bürgschaften</strong> sollte<br />

jeder Auftraggeber daher als nicht vertragsgemäß zurückweisen und auf Ausstellung e<strong>in</strong>er unbefristeten Bankbürgschaft<br />

bestehen.<br />

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) Die Bürgschaft „auf erstes Anfordern“<br />

Vor allem <strong>in</strong> der Vergangenheit 23 wurde <strong>in</strong> Bauverträgen zumeist vere<strong>in</strong>bart, dass die Bürgschaft auf<br />

sog. „erstes Anfordern“ auszustellen ist. Die Besonderheit derartiger <strong>Bürgschaften</strong> liegt dar<strong>in</strong>, dass<br />

der Bürge sofort nach schriftlicher Aufforderung <strong>durch</strong> den Gläubiger zahlen muss. Der S<strong>in</strong>n des<br />

Zusatzes „auf erstes Anfordern“ ist es daher, dem AG sofort liquide Mittel - d. h. „bares Geld“ - zu<br />

verschaffen, weshalb der Bürge sich nur sehr beschränkt gegen die Inanspruchnahme zur Wehr setzen<br />

kann. Vere<strong>in</strong>barungen zur Stellung von <strong>Bürgschaften</strong> auf erstes Anfordern, liegen z. B. vor, wenn sich<br />

der Bürge verpflichten soll „sofort zu zahlen“. 24 Alle Streitfragen sachlicher und rechtlicher Art s<strong>in</strong>d<br />

erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Rückforderungsprozess zu klären, soweit nicht ausnahmsweise offensichtlich<br />

ist, dass der Gläubiger se<strong>in</strong>e formale Rechtsstellung missbraucht, weil auf der Hand liegt, dass er den<br />

Bürgschaftsbetrag nicht e<strong>in</strong>fordern darf. 25<br />

4. Der Auftrag/Geschäftsbesorgungsvertrag<br />

Der zwischen Bürge und Auftragnehmer bestehende Auftrag/Geschäftsbesorgungs-vertrag spielt<br />

<strong>in</strong> Bürgschaftsprozessen bzw. -streitigkeiten zwischen den Bauvertragsparteien grundsätzlich ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle. H<strong>in</strong>tergrund hierfür ist die Tatsache, dass dar<strong>in</strong> nur die Rechte/Pflichten von Bürgen und Auftragnehmer<br />

geregelt werden und dieser weder auf die Wirksamkeit der Sicherungsabrede noch des<br />

Bürgschaftsvertrages E<strong>in</strong>fluss hat. Dennoch hat die Rechtsprechung e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante Grundsätze<br />

entwickelt, welche Rechtspflichten den Bürgen im Innenverhältnis gegenüber dem Auftragnehmer<br />

treffen, die auf das Bürgschaftsverhältnis zum AG „<strong>in</strong>direkt“ <strong>durch</strong>schlagen können. 26<br />

III. Praxisrelevante Probleme im Zusammenhang mit Gewährleistungsbürgschaften<br />

1. Verhältnis Auftragnehmer - Auftraggeber<br />

a) Wirksamkeit der Sicherungsabrede<br />

Von größter Praxisrelevanz ist die unter dem Recht der Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen 27 vorzunehmende<br />

Prüfung von Sicherungsabreden über die Stellung von Gewährleistungsbürgschaften,<br />

hier mit e<strong>in</strong>er Flut von kaum noch zu übersehenden Entscheidungen zu den <strong>Bürgschaften</strong> auf erstes<br />

Anfordern.<br />

aa) <strong>Bürgschaften</strong> auf erstes Anfordern<br />

Aufgrund der erleichterten Inanspruchnahmen von <strong>Bürgschaften</strong> auf erstes Anfordern war die Vere<strong>in</strong>barung<br />

dieser Form von <strong>Bürgschaften</strong> nicht nur weit verbreitet, sondern geradezu schon die Regel.<br />

Der BGH hat derartigen Vere<strong>in</strong>barungen <strong>in</strong> AGB jedoch e<strong>in</strong>en Riegel vorgeschoben.<br />

23 Aufgrund der Rechtsprechung des BGH zu <strong>Bürgschaften</strong> auf erstes Anfordern an AGB (s. hierzu unter Ziff. III 1<br />

A) bb)) s<strong>in</strong>d diese Vere<strong>in</strong>barungen allerd<strong>in</strong>gs „vom Aussterben“ bedroht und <strong>in</strong> der Praxis immer seltender anzutreffen.<br />

24 LG Hamburg, IBR 2007, S. 75; e<strong>in</strong>e Bürgschaftsformulierung, wonach „die Verpflichtung zur Zahlung besteht,<br />

sofern der AG uns schriftlich mitteilt, dass der AN se<strong>in</strong>e vertragsgemäßen Verpflichtungen nicht oder nicht als<br />

gehörig erfüllt“ qualifiziert die Bürgschaft allerd<strong>in</strong>gs nicht als e<strong>in</strong>e solche auf erstes Anfordern (OLG Bamberg,<br />

BauR 2997, S. 1938 (Ls.)<br />

25 Ständige Rechtsprechung, z.B. BGH BauR 1996, S. 251; OLG Düsseldorf BauR 2001, S. 1940; so kann sich der<br />

Bürge auf die fehlende Prüfbarkeit e<strong>in</strong>er Rechnung nur dann berufen, wenn sich diese aus dem Sachverhalt ohne<br />

weiteres ergibt und die Rechtslage e<strong>in</strong>deutig ist (BGH, BauR 2007, S. 1722)<br />

26 S. hierzu näher unter Ziffer III. 3<br />

27 Individualvertragliche Sicherungsabreden s<strong>in</strong>d nach Kenntnis der Verfasser bislang nicht Gegenstand obergerichtlicher<br />

Entscheidungen; hier dürfte jedoch ke<strong>in</strong>e Bedenken gegen die Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>er Bürgschaft auf erstes<br />

Anfordern bestehen.<br />

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Bereits im Jahre 1997 hat der BGH 28 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grundsatzentscheidung die Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Gewährleistungse<strong>in</strong>behaltes<br />

<strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen, komb<strong>in</strong>iert mit der Befugnis der<br />

Ablösung <strong>durch</strong> Bürgschaft auf erstes Anfordern, für unwirksam erklärt. Begründet wurde dies damit,<br />

dass die Vere<strong>in</strong>barung des Gewährleistungse<strong>in</strong>behaltes den Auftragnehmer entgegen den Geboten<br />

von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und nur dann wirksam ist, wenn ihm hierfür ke<strong>in</strong><br />

angemessener Ausgleich zugestanden wird. Das e<strong>in</strong>geräumte Recht, den Gewährleistungse<strong>in</strong>behalt<br />

<strong>durch</strong> Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, sei ke<strong>in</strong> angemessener Ausgleich <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n,<br />

da der Auftragnehmer mit dem Insolvenzrisiko des AG belastet werde.<br />

Diese höchstrichterliche Entscheidung wurde oftmals dah<strong>in</strong>gehend ausgelegt, dass <strong>Bürgschaften</strong><br />

auf erstes Anfordern schlechterd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> AGB nicht wirksam vere<strong>in</strong>bart werden können. Dies ergab<br />

sich <strong>in</strong> zw<strong>in</strong>gender Konsequenz aus der Entscheidung allerd<strong>in</strong>gs nicht: Dieser lag e<strong>in</strong> Sachverhalt<br />

zugrunde, <strong>in</strong> welchem die anderen Sicherungsmittel des § 17 VOB/B ausgeschlossen waren - mith<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Ablösung des Gewährleistungse<strong>in</strong>behaltes ausschließlich <strong>durch</strong> Bürgschaft auf erstes Anfordern<br />

möglich war. 29<br />

Wenn auch der Senat hier nicht entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen <strong>Bürgschaften</strong> auf<br />

erstes Anfordern <strong>in</strong> AGB vere<strong>in</strong>bart werden können, 30 so konnte aus der Begründung des Gerichts<br />

doch gefolgert werden, dass dies dann möglich se<strong>in</strong> müsste, wenn dem Auftragnehmer die Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>geräumt wird, den Gewährleistungse<strong>in</strong>behalt auch <strong>durch</strong> die anderen, <strong>in</strong> § 17 VOB/B genannten<br />

Sicherungsmittel abzulösen. 31 Dies sollte ausdrücklich erfolgen, da nach Ansicht des BGH 32<br />

e<strong>in</strong>e Klausel über die Ablösung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes <strong>durch</strong> Bürgschaft auf erstes Anfordern,<br />

die vorrangig vor der VOB/B gilt, dah<strong>in</strong>gehend auszulegen ist, dass sowohl das Wahlrecht (§17 Nr.<br />

3 VOB/B) als auch die Verpflichtung des AG zur E<strong>in</strong>zahlung auf e<strong>in</strong> Sperrkonto (§ 17 Nr. 6 VOB/B)<br />

ausgeschlossen ist. In e<strong>in</strong>er neueren Entscheidung hat der BGH 33 e<strong>in</strong>e Klausel <strong>in</strong> AGB des Auftraggebers,<br />

die e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>behalt zur Sicherung der Gewährleistungsanspüche vorsieht, der <strong>durch</strong> Bürgschaft<br />

auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, auch dann für unwirksam angesehen, wenn dem Auftragnehmer<br />

die Befugnis e<strong>in</strong>geräumt wird, die H<strong>in</strong>terlegung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalts zu verlangen. 34<br />

Letztlich wird dies jedoch <strong>in</strong> der Praxis, zum<strong>in</strong>dest was die Formulierung von Bauverträgen mit<br />

E<strong>in</strong>beziehung der VOB/B <strong>in</strong> Zukunft betrifft, mehr e<strong>in</strong> theoretisches Problem se<strong>in</strong>:<br />

Die Regelungen der VOB/B s<strong>in</strong>d AGB und unterliegen daher der Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff.<br />

BGB. § 17 Nr. 4 S 3 VOB/B 35 legt ausdrücklich fest, dass e<strong>in</strong>e Bürgschaft auf erstes Anfordern vom<br />

AG nicht gefordert werden kann. Tut dies der AG dennoch, so liegt e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die VOB/B vor.<br />

Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH unter Aufgabe der sog. „Kernbereichstheorie“ führt jeder<br />

E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die VOB/B dazu, dass diese nicht mehr als „Ganzes“ vere<strong>in</strong>bart ist. Die AGB-rechtliche<br />

Privilegierung der VOB/B als Ganzes entfällt damit, so dass e<strong>in</strong>e isolierte AGB-rechtliche Prüfung<br />

28 BauR 1997, S. 829<br />

29 Dort war folgende Klausel - vorrangig vor den Regelungen der VOB/B - vere<strong>in</strong>bart: „GA= Gewährleistungse<strong>in</strong>behalt<br />

kann auf Antrag des Schuldners <strong>durch</strong> e<strong>in</strong>e Bankbürgschaft.... gemäß beiliegendem Muster abgelöst<br />

werden“. Das genannte Muster sah die Stellung e<strong>in</strong>er Bürgschaft auf erstes Anfordern vor.<br />

30 Vgl. Thode, a.a.O, S. 7<br />

31 Nach Thode, a.a.O, S. 7 ist als zusätzliche Austauschsicherheit das Sperrkonto ausreichend; mit anderen Worten<br />

e<strong>in</strong>e derartige Klausel wäre auch dann wirksam, wenn nur die H<strong>in</strong>terlegung ausgeschlossen ist; anderer Ansicht<br />

ist Schmitz, <strong>Sicherheit</strong>en für die Bauvertragsparteien, Rn 66, 67: er geht davon aus, dass <strong>Bürgschaften</strong> auf erstes<br />

Anfordern <strong>in</strong> AGB nicht wirksam vere<strong>in</strong>bart werden können, wobei er sich auf die neuere Rechtsprechung des<br />

BGH im Bereich der Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern beruft.<br />

32 BauR 2002, S. 1392<br />

33 BGH, BauR 2007, S. 1575<br />

34 Nach Ansicht des BGH wird e<strong>in</strong> angemessener Ausgleich auch nicht da<strong>durch</strong> geschaffen, dass dem AN die Möglichkeit<br />

eröffnet wird, die H<strong>in</strong>terlegung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalts zu verlangen. Da<strong>durch</strong> erhält er nicht die Möglichkeit,<br />

den ihm nach der Gesetzeslage zustehenden Werklohn dauerhaft liquide an sich zu ziehen.<br />

35 Seit 2002<br />

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jeder e<strong>in</strong>zelnen Regelung der VOB/B eröffnet ist. Auftraggeber die ihre Verträge unter E<strong>in</strong>beziehung<br />

der VOB/B schließen und <strong>in</strong> Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbed<strong>in</strong>gungen Gewährleistungsbürgschaften<br />

auf erstes Anfordern zur Ablösung des Gewährleistungse<strong>in</strong>behaltes vorsehen, könnten<br />

sich dann nicht mehr auf die Vorschriften der VOB/B berufen, die für sie vorteilhaft s<strong>in</strong>d und deshalb<br />

e<strong>in</strong>er isolierten Inhaltskontrolle nicht standhalten. Derartige Sicherungsabreden hebeln die VOB/B<br />

für Auftraggeber daher aus, was von diesen regelmäßig nicht gewollt ist.<br />

bb) Bürgschaft gem. „Muster des Auftraggebers“<br />

Im Zusammenhang mit Sicherungsabreden wird auch oft bestimmt, dass die Ausstellung der Gewährleistungsbürgschaft<br />

gem. Muster des Auftraggebers zu erfolgen hat. Solche Klauseln werden<br />

grundsätzlich 36 wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam gehalten. 37 In dieser<br />

Allgeme<strong>in</strong>heit kann diese Aussage allerd<strong>in</strong>gs nicht aufrechterhalten bleiben, denn der Verweisung<br />

auf e<strong>in</strong> Muster des Auftraggebers kommt dann ke<strong>in</strong>e eigenständige Bedeutung zu, wenn die Sicherungsabrede<br />

selbst die Ausgestaltung der Bürgschaft umfassend regelt. 38 Der Auftraggeber ist daher<br />

nicht berechtigt, die Sicherungsabrede <strong>durch</strong> das Muster zu ändern; vielmehr ist <strong>in</strong> Anlehnung an § 17<br />

Nr. 4 Satz 2 VOB/B lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Bürgschaft nach der Vorschrift des<br />

Auftraggebers auszustellen sei.<br />

Festzustellen bleibt daher, dass es völlig irrelevant ist, welche Art von Bürgschaft das vom Auftraggeber<br />

vorgegebene Muster vorsieht und ob dieses bei Vertragsschluss übergeben wurde oder nicht.<br />

E<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> entscheidend ist, ob die Klausel den Inhalt der Bürgschaft h<strong>in</strong>reichend beschreibt.<br />

Der Auftraggeber kann die Übergabe e<strong>in</strong>es Musters nicht dah<strong>in</strong>gehend verstehen, dass sich der Inhalt<br />

der geschuldeten Bürgschaft nicht nur nach dem Vertragstext, sondern auch nach dem Bürgschaftsmuster<br />

richten soll. 39<br />

cc) <strong>Bürgschaften</strong> unter Verzicht auf die E<strong>in</strong>reden des § 768 BGB<br />

In der Praxis f<strong>in</strong>den sich weiter Formulierungen <strong>in</strong> Sicherungsabreden, wonach die Bürgschaft unter<br />

Verzicht auf die E<strong>in</strong>reden des § 768 BGB ausgestaltet se<strong>in</strong> muss, was <strong>in</strong> AGB ebenfalls nicht zulässig<br />

ist. E<strong>in</strong> genereller Ausschluss der E<strong>in</strong>reden aus § 768 BGB kommt e<strong>in</strong>er Aushebelung des dort<br />

verankerten Akzessorietätsgrundsatzes gleich, wo<strong>durch</strong> die Rechtsnatur des Bürgschaftsvertrages<br />

verändert wird. Derartige Klauseln s<strong>in</strong>d mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung<br />

nicht vere<strong>in</strong>bar. 40 Höchstrichterlich allerd<strong>in</strong>gs noch nicht geklärt ist die Frage, ob derartige Abreden<br />

<strong>in</strong>sgesamt unwirksam 41 s<strong>in</strong>d oder ggf. e<strong>in</strong>e Teilunwirksamkeit vorliegt bzw. ergänzende Vertragsauslegung<br />

<strong>in</strong> Betracht kommt.<br />

dd) Rechtsfolgen<br />

Das Vorliegen e<strong>in</strong>er unwirksamen Sicherungsabrede führt dazu, dass<br />

– der Auftragnehmer e<strong>in</strong>e Bürgschaft nicht zu leisten hat, da ke<strong>in</strong>e (wirksame) vertragliche Abrede<br />

vorliegt; 42<br />

36 D. h. unabhängig von der Frage, welche Art der Bürgschaft dieses Muster vorsieht.<br />

37 BGH, BauR 2000. S. 1052<br />

38 BGH, IBR 2004, 245: Die Klausel sah e<strong>in</strong>e unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft vor;<br />

unerheblich ist nach Ansicht des BGH, ob das Muster bei Vertragsschluss bereits übergeben wird.<br />

39 Ob dies auch gilt, wenn das Bürgschaftsmuster im Vertrag als Anlage aufgeführt und beigefügt ist, bleibt offen.<br />

40 BGH, BauR 2001, S. 1039<br />

41 So LG München, IBR 2006, S. 619; LG Hamburg, IBR 2006, S. 258; LG Wiesbaden, IBR 2007, S. 618; LG<br />

Wiesbaden, IBR 2007, 618<br />

42 Nach der Rechtsprechung des BGH bilden die Klausel über den <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt und dessen Ablösung <strong>durch</strong><br />

Bürgschaft e<strong>in</strong>e untrennbare E<strong>in</strong>heit, weshalb der Werklohn <strong>in</strong> voller Höhe ohne „wenn und aber“ auszuzahlen<br />

ist.<br />

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– e<strong>in</strong>e (rechtsgrundlos) geleistete Bürgschaft nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung<br />

herausverlangt werden kann, wobei noch streitig ist, an wen; 43<br />

– bei drohender Inanspruchnahme des Bürgen der Auftragnehmers im Wege der e<strong>in</strong>stweiligen Verfügung<br />

vorgehen kann; dem Auftraggeber ist damit zu untersagen, die Bürgschaft <strong>in</strong> Anspruch zu<br />

nehmen.<br />

b) Nichtauszahlung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes<br />

Se<strong>in</strong>e frühere Rechtsprechung44 hat der BGH nunmehr aufgegeben; nach neueren Entscheidungen ist<br />

bei Nichtauszahlung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes wie folgt zu differenzieren:<br />

– grundsätzlich ist der Auftraggeber verpflichtet nach Übergabe der Bürgschaft den <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt<br />

auszuzahlen; e<strong>in</strong> etwaiger Nachbesserungsanspruch berechtigt ihn nicht, den <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt<br />

e<strong>in</strong>zubehalten; 45<br />

– der <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt darf nur bei vom Sicherungszweck erfassten geldwerten Ansprüchen<br />

(Vorschuss, Kosten der Ersatzvornahme, Schadensersatz, M<strong>in</strong>derung) verwertet werden; 46<br />

– ist der Sicherungsfall bei Übergabe der Bürgschaft noch nicht e<strong>in</strong>getreten<br />

– (d. h. s<strong>in</strong>d noch ke<strong>in</strong>e geldwerten Mängelansprüche entstanden) ist der <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt unverzüglich<br />

auszuzahlen. Hieran ändert sich nichts, wenn der Sicherungsfall später e<strong>in</strong>tritt. Mit<br />

anderen Worten: Der Auftraggeber hat den Sicherungse<strong>in</strong>behalt auch dann auszuzahlen, wenn er<br />

den <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt nicht unverzüglich ausgezahlt und erst später geldwerte Mängelansprüche<br />

entstehen; 47<br />

48 – nach der Rechtsprechung e<strong>in</strong>iger Oberlandesgerichte kann der Auftraggeber mit streitigen Gegenforderungen<br />

nicht gegen den fälligen Anspruch auf Auszahlung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes<br />

aufrechnen; 49<br />

– ist der Sicherungsfall bei Stellung der Bürgschaft bereits e<strong>in</strong>getreten hat sich der Auftraggeber<br />

unverzüglich zu erklären, ob er die Bürgschaft behält oder den E<strong>in</strong>behalt verwertet; andernfalls<br />

verbleibt es beim vertraglich vere<strong>in</strong>barten Austauschrecht des Auftragnehmers; 50<br />

– bei e<strong>in</strong>em VOB/B-Bauvertrag muss der Auftraggeber sowohl den <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt auszahlen,<br />

als auch die Bürgschaft zurückgeben, wenn er den E<strong>in</strong>behalt trotz e<strong>in</strong>er vom Auftragnehmer gesetzten<br />

Nachfrist nicht auf e<strong>in</strong> Sperrkonto auszahlt. Der Aufraggeber verliert also jeden Anspruch<br />

auf <strong>Sicherheit</strong>. 51<br />

43 Das OLG Düsseldorf (BauR 2002, S. 1714) geht davon aus, dass der Hauptschuldner auf Herausgabe an den Bürgen<br />

klagen muss (ebenso OLG Koblenz, NZBau 2007, S. 102); dem entgegen s<strong>in</strong>d das KG Berl<strong>in</strong> (IBR 2006, S.<br />

26) und OLG Bamberg (BauR 2006, S. 2072) sowie das OLG München (BauR 2007, S. 1617) der Ansicht, der<br />

Hauptschuldner haben e<strong>in</strong>en Anspruch auf Herausgabe an sich selbst.<br />

44 Demnach stand die Übergabe der Bürgschaft unter der Bed<strong>in</strong>gung, dass der Auftraggeber se<strong>in</strong>er Pflicht zur effektiven<br />

Auszahlung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes nachkommt.<br />

45 BGH, BauR 2002, S. 1543; auch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e Überzahlung oder weitergehende Ansprüche und entsprechende<br />

Verrechnung mit den Bare<strong>in</strong>behalt ist nicht zulässig (OLG München, BauR 2006, S. 2071); über den<br />

<strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behalt h<strong>in</strong>ausgehende Beträge können jedoch e<strong>in</strong>behalten werden (OLG Frankfurt, BauR 2007, S.<br />

157 (Ls.)<br />

46 BGH, BauR 2001, S. 1893<br />

47 BGH, BauR 2001, S. 1893<br />

48 OLG München, BauR 2006, S. 2071; OLG Frankfurt, IBR 2006, S. 329<br />

49 Dies ersche<strong>in</strong>t zutreffend, da der Auftraggeber wegen behaupteter strittiger Mängel und daraus resultierender Gegenansprüche<br />

die Auszahlung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes auf e<strong>in</strong>en unbestimmten Zeitraum h<strong>in</strong>auszögern kann;<br />

etwas anderes dürfte sicherlich gelten, wenn die Ansprüche des Auftraggebers unstreitig oder rechtskräftig festgestellt<br />

s<strong>in</strong>d<br />

50 BGH, BauR 2002, S. 1543<br />

51 BGH, BauR 2006, S. 379: Der BGH begründet diese Entscheidung damit, dass e<strong>in</strong>e Vertragsklausel <strong>in</strong> AGB,<br />

welche die Ablösung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes <strong>durch</strong> Bürgschaft vorsieht, dah<strong>in</strong>gehend auszulegen ist, dass die<br />

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2. Verhältnis AG - Bürge<br />

a) Akzessorietät der Bürgschaft<br />

Für den Umfang der Bürgschaftsschuld ist der jeweilige Bestand der Hauptschuld (§ 767 BGB)<br />

maßgebend, so dass der Bürge sich natürlich jederzeit darauf berufen kann, dass die Hauptschuld<br />

nicht besteht. Insbesondere haftet der Bürge nicht für nachträgliche Erweiterungen der gesicherten<br />

Hauptschuld, 52 z. B. bei e<strong>in</strong>er nachträglichen Verlängerung der Gewährleistungsfrist 53 oder dem Verzicht<br />

auf e<strong>in</strong>e vere<strong>in</strong>barte förmliche Abnahme (§ 767 Abs. 1 S 2 BGB). 54<br />

Die Gewährleistungsbürgschaft kann nur dann <strong>in</strong> Anspruch genommen werden, wenn e<strong>in</strong> auf Geld<br />

gerichteter Gewährleistungsanspruch entstanden ist. Natürlich kann der Bürge auch e<strong>in</strong>wenden, dass<br />

die Hauptschuld nicht oder nicht <strong>in</strong> geforderter Höhe entstanden ist, weil Mängel der Werkleistung<br />

oder auch die Höhe der Mängelbeseitigungskosten bestritten werden. Viele Prozesse zwischen Bürgen<br />

und Auftraggeber konzentrieren sich ausschließlich auf den Bestand und die Höhe der Hauptschuld,<br />

womit dann letztlich e<strong>in</strong> klassischer Bauprozess zu führen ist.<br />

b) Eigene E<strong>in</strong>wendungen/E<strong>in</strong>reden<br />

Die herrschende, obergerichtliche Rechtsprechung55 geht zutreffend davon aus, dass für den Umfang<br />

der Bürgenhaftung nicht die - unter Umständen auslegungsbedürftige - Sicherungsabrede ist, sondern<br />

alle<strong>in</strong> die Erklärungen der Parteien des Bürgschaftsvertrages maßgeblich s<strong>in</strong>d. Die Bürgschaft kann<br />

daher „h<strong>in</strong>ter der Sicherungsabrede zurückbleiben“. 56 Enthält die Bürgschaftserklärung den Zusatz,<br />

dass nur Ansprüche aus „mängelfrei abgenommenen Arbeiten“ gesichert werden, stellt sich dann die<br />

Frage, ob der <strong>in</strong> der Bürgschaft bestimmte Sicherungsfall überhaupt e<strong>in</strong>getreten ist. 57 Weitere praxisrelevante<br />

E<strong>in</strong>wendungen/E<strong>in</strong>reden s<strong>in</strong>d z. B.<br />

– Ablauf der Befristung: Der Bürge e<strong>in</strong>er befristeten Bürgschaft kann nach Zeitablaufs nicht mehr <strong>in</strong><br />

Anspruch genommen werden (§ 777 BGB)<br />

– Verjährung der Bürgenhaftung: Aufgrund der <strong>durch</strong> das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von<br />

30 auf 3 Jahre verkürzte, regelmäßige Verjährungsfrist wird <strong>in</strong> Zukunft die Verjährung des Anspruches<br />

aus dem Bürgschaftsvertrag e<strong>in</strong>e besondere Rolle spielen, da die Haftung des Bürgen nunmehr<br />

<strong>in</strong>nerhalb der regelmäßigen Verjährung von 3 Jahren gem. § 195 BGB n.F. verjährt. 58 Dies<br />

Verpflichtung des Auftraggebers zur E<strong>in</strong>zahlung auf e<strong>in</strong> Sperrkonto nicht abbedungen ist. Weiter gelte § 17 Nr.<br />

6 Abs. 3 VOB/B, wonach der Auftragnehmer nach Verstreichen lassen e<strong>in</strong>er gesetzten Nachfrist zur E<strong>in</strong>zahlung<br />

auf e<strong>in</strong> Sperrkonto „ke<strong>in</strong>e <strong>Sicherheit</strong> mehr zu leisten“ hat, nicht nur <strong>in</strong> die Zukunft gerichtet sei. Diese Regelung<br />

bedeute auch, dass der Auftragnehmer e<strong>in</strong>e bereits gestellte <strong>Sicherheit</strong> zurückfordern kann. Nach OLG München<br />

(BauR 2007, S. 130) stellt die Verpflichtung zur E<strong>in</strong>zahlung auf e<strong>in</strong> Sperrkonto bei Geltung der VOB/B e<strong>in</strong> qualifizierte<br />

Vermögensbetreuungspflicht dar; bei Nichte<strong>in</strong>zahlung kann dies sogar den Treuebruchtatbestand erfüllen,<br />

wenn der AG den Restwerklohn <strong>in</strong>folge eigener Insolvenz nicht mehr auszahlen kann; gegen den entstandenen<br />

Auszahlungsanspruch des AN kann der AG allerd<strong>in</strong>gs mit Schadensersatzansprüchen wegen Mängelbeseitigung<br />

aufrechnen (OLG Karlsruhe, BauR 2008, S. 114).<br />

52 BGH, IBR 2006, S. 22: Gem. § 767 Abs. 1 S. 3 BGB wird der Bürge vor späteren Erhöhungen se<strong>in</strong>er Bürgschaftsverpflichtung<br />

geschützt.<br />

53 LG Berl<strong>in</strong>, IBR 2003, S. 132<br />

54 OLG Köln, IBR 2005, S. 481; OLG Rostock, IBR 2007, S. 249; OLG Frankfurt, IBR 2007, S. 134<br />

55 OLG Hamburg, BauR 1990, S. 90; OLG Frankfurt, BauR 1987, S. 101, OLG Köln, BauR 2006, S. 418 (Ls.); IBR<br />

2006, S. 93)<br />

56 Aus diesem Grund ist jedem Auftraggeber nur zu raten, übergebene <strong>Bürgschaften</strong> dah<strong>in</strong>gehend zu prüfen, ob diese<br />

den Anforderungen der Sicherungsabrede entspricht und die Bürgschaft ggf. als nicht vertragsgerecht zurück<br />

weisen.<br />

57 Bei e<strong>in</strong>er Gewährleistungsbürgschaft tritt der Sicherungsfall regelmäßig e<strong>in</strong>, wenn dem Auftraggeber e<strong>in</strong> auf<br />

Geldzahlung gerichteter Mängelanspruch zusteht; dies ist frühestens dann der Fall, wenn e<strong>in</strong>e angemessene Frist<br />

zu Mängelbeseitigung fruchtlos abgelaufen ist und dem Auftraggeber somit e<strong>in</strong> Vorschussanspruch zusteht.<br />

58 So auch OLG Frankfurt, IBR 2007, S. 483, obwohl dies eigentlich selbstverständlich ist. Aus diesen Gründen<br />

empfiehlt es sich <strong>in</strong> die Sicherungsabrede e<strong>in</strong>en Passus aufzunehmen, wonach der Bürge zu erklären hat, dass die<br />

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führt dazu, dass z. B. die Bürgenhaftung vor Ablauf der Gewährleistungsfrist, die bei Bauverträgen<br />

<strong>in</strong> der Regel 5 Jahre beträgt, verjähren kann. Problematisch ist zudem die Bestimmung des Beg<strong>in</strong>ns<br />

der Verjährungsfrist - genauer die Fälligkeit der Forderung gegen die Bürg<strong>in</strong>. Nach e<strong>in</strong>er Ansicht<br />

tritt der Sicherungsfall e<strong>in</strong>, sobald e<strong>in</strong>e angemessene Frist zur Mängelbeseitigung furchtlos<br />

verstrichen ist. 59 Auch das OLG Köln60 hat <strong>in</strong>soweit zutreffend entschieden, dass Ansprüche aus<br />

der Bürgschaft erst mit E<strong>in</strong>tritt des Sicherungsfalles fällig werden, d. h. wenn e<strong>in</strong> auf Geldzahlung<br />

gerichteter Gewährleistungsanspruch besteht. Dies setzt grundsätzlich nach neuer Rechtslage e<strong>in</strong>e<br />

verzugsbegründende Mahnung bzw. Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung voraus,<br />

nach deren Ablauf dem Auftraggeber e<strong>in</strong> Anspruch auf Kostenvorschuss zusteht. Dies alle<strong>in</strong><br />

lässt das OLG Köln jedoch nicht genügen, sondern fordert zudem e<strong>in</strong>e Bezifferung des Kostenvorschusses<br />

- der bloße Fristablauf ohne Konkretisierung e<strong>in</strong>er auf Geld gerichteten Hauptforderung<br />

begründe noch ke<strong>in</strong> Recht zur Inanspruchnahme der Bürgschaft. 61 Diese Ansicht ist allerd<strong>in</strong>gs<br />

umstritten, weitere zu dieser Frage ergangene obergerichtliche Entscheidungen62 können nicht<br />

verallgeme<strong>in</strong>ert werden; e<strong>in</strong>e Grundlage im Gesetz f<strong>in</strong>det die Ansicht des OLG Köln nicht. Diese<br />

umstrittene Frage des Beg<strong>in</strong>ns der Verjährung der Bürgenhaftung ist nunmehr <strong>durch</strong> e<strong>in</strong>e kürzlich<br />

ergangene Entscheidung des BGH63 geklärt. Im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er Bürgschaft gem. § 7<br />

MaBV hat der BGH festgestellt, dass die Fälligkeit der Forderung aus e<strong>in</strong>er selbstschuldnerischen<br />

Bürgschaft mit der Fälligkeit der Hauptforderung e<strong>in</strong>tritt und nicht von e<strong>in</strong>er Leistungsaufforderung<br />

des Gläubigers abhängt. Dem Auftraggeber ist dennoch zu empfehlen - was sich <strong>in</strong> der Vertragspraxis<br />

auch bereits abzeichnet - <strong>in</strong> die Sicherungsabrede den Passus aufzunehmen, dass die<br />

Bürgschaft dah<strong>in</strong>gehend gestaltet se<strong>in</strong> muss, dass die Bürgenhaftung nicht vor der Hauptschuld<br />

verjährt.<br />

– Fehlende förmliche Abnahme: Sieht der Bauvertrag vor, dass e<strong>in</strong>e förmliche Abnahme zu erfolgen<br />

hat und verzichten die Bauvertragsparteien hierauf, so ist e<strong>in</strong>e Inanspruchnahme des Bürgen wegen<br />

§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht möglich. 64<br />

c) E<strong>in</strong>reden gem. § 768 BGB<br />

Gem. § 768 BGB kann der Bürge dem Auftraggeber auch sämtliche E<strong>in</strong>reden des Auftragnehmers<br />

entgegenhalten. Hierzu gehören <strong>in</strong>sbesondere<br />

– die Berufung auf e<strong>in</strong>e fehlende bzw. unwirksame Sicherungsabrede.<br />

Zwar trägt die Bürgschaft ihren Rechtsgrund <strong>in</strong> sich selbst, jedoch ist die Sicherungsabrede im<br />

Verhältnis zwischen AG und Auftragnehmer Rechtsgrund im S<strong>in</strong>ne von § 812 BGB. Dies kann der<br />

Bürge dem AG gem. § 768 i. V. m. § 821 BGB entgegenhalten. Ist die Sicherungsabrede über die Stellung<br />

e<strong>in</strong>er Bürgschaft auf erstes Anfordern unwirksam, so f<strong>in</strong>det nach ständiger Rechtsprechung65 der<br />

Bürgschaftsschuld nicht vor der Hauptschuld verjährt.<br />

59 OLG Hamm, BauR 2007, S. 1265; vgl. auch Schmitz, <strong>Sicherheit</strong>en für die Bauvertragsparteien, Rz. 174<br />

60 OLG Köln, BauR 2006, S. 418 (Ls.), IBR 2006, S. 93, OLG München, BauR 2006, S. 2076; OLG Bamberg,<br />

BauR 2006, S. 2072; ebenso: LG Regensburg, IBR 2007, S. 78<br />

61 A. A. Lubojanski, IBR 2004, S. 420<br />

62 So hat das OLG München (BauR 2006, S. 2076) entschieden, dass die Verjährung der Bürgenhaftung erst nach<br />

Aufforderung <strong>durch</strong> den Auftraggeber beg<strong>in</strong>nt, wenn der Bürgschaftsvertrag vorsieht, dass der Bürge erst „nach<br />

Aufforderung“ zu leisten hat. Nach OLG Bamberg (BauR 2006, S. 2072) trägt e<strong>in</strong>e Bürgschaft auf erstes Anfordern<br />

gleichsam das Fälligkeitsmerkmal des „Anforderns“ <strong>in</strong> sich; der BGH (IX ZR 9/03, Urteil vom 18.12.2003)<br />

geht davon aus, dass mit der Fälligstellung e<strong>in</strong>es Darlehens die Bürgschaftsforderung ebenfalls fällig wird. Nach<br />

OLG Frankfurt (IBR 2008, S. 1499) beg<strong>in</strong>nt die Verjährung der Ansprüche aus e<strong>in</strong>er Gewährleistungsbürgschaft<br />

bereits mit dem Sicherungsfall.<br />

63 Urteil vom 29.01.2008, XI ZR 160/07<br />

64 OLG Celle, IBR 2007, S. 482; OLG Rostock, BauR 2006, S. 1947 (Ls.), IBR 2006, S. 618; OLG Frankfurt, BauR<br />

2007,k S. 762 (Ls.); IBR 2007, S. 134<br />

65 Z. B. OLG Düsseldorf, IBR 2006, S. 443<br />

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Grundsatz, dass bei e<strong>in</strong>er Bürgschaft auf erstes Anfordern die E<strong>in</strong>wendungsmöglichkeiten stark e<strong>in</strong>geschränkt<br />

s<strong>in</strong>d und alle Fragen rechtlicher und tatsächlicher Art erst im Rückforderungsprozess geltend<br />

gemacht werden können, se<strong>in</strong>e Schranke im Falle des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Ist daher<br />

„liquide beweisbar“, 66 dass die Bürgschaft aufgrund e<strong>in</strong>er unwirksamen Sicherungsabrede übergeben<br />

wurde, liegt e<strong>in</strong> Rechtsmissbrauch der formalen Rechtsstellung des Bürgschaftsgläubigers vor, was<br />

der Bürge diesem gem. § 242 BGB bereits im Erstprozess erfolgreich entgegenhalten kann.<br />

Konnte der Bürge sich im Erstprozess nicht erfolgreich auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede<br />

berufen (z. B. weil das Vorliegen von Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen nicht liquide beweisbar<br />

war), so wird er im Rückforderungsprozess se<strong>in</strong>en Anspruch auf Rückzahlung der Bürgschaftssumme<br />

erfolgreich <strong>durch</strong>setzen können. E<strong>in</strong> besonderer Sachverhalt liegt e<strong>in</strong>er Entscheidung des OLG<br />

Hamm67 zugrunde. Dort hatte e<strong>in</strong> Bürge, ohne vom Inhalt des Bauvertrages Kenntnis zu nehmen68 e<strong>in</strong>e Bürgschaft auf erstes Anfordern ausgestellt; die Sicherungsabrede verlangte ke<strong>in</strong>e Bürgschaft<br />

auf erstes Anfordern. Der AG hatte weiter vorgetragen, es sei zu e<strong>in</strong>er nachträglichen Änderung der<br />

Sicherungsabrede gekommen und konnte nach der Entscheidung des Gerichts aus der Bürgschaft auf<br />

erstes Anfordern vorgehen. 69<br />

– Die Nichtauszahlung des Gewährleistungse<strong>in</strong>behaltes trotz Stellung e<strong>in</strong>er Austauschsicherheit <strong>in</strong><br />

Form der Bürgschaft. 70<br />

– Die Verjährung der Hauptschuld: Gem. §§ 768 Abs. 1 S 1 i. V. m. 214 Abs. 1 BGB kann der Bürge<br />

dem AG weiter e<strong>in</strong>redeweise entgegenhalten, dass die Hauptschuld verjährt sei. 71 Nach OLG<br />

Düsseldorf72 kann der Bürge selbst dann mit Erfolg gemäß § 768 Abs. 1 S 1 BGB die Verjährung<br />

der Hauptschuld e<strong>in</strong>reden, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren<br />

eröffnet wird und die Verjährung der Hauptschuld erst während des gegen den Bürgen geführten<br />

Rechtsstreits e<strong>in</strong>tritt, da die Klage gegen den Bürgen lediglich die Verjährung des Bürgschaftsanspruchs<br />

hemmt. Gegen den Hauptschuldner bedarf es daher eigener verjährungshemmender<br />

Maßnahmen.<br />

3. Verhältnis Auftragnehmer – Bürge<br />

Der Bürge hat aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag die Pflicht, die Interessen des Auftragnehmers<br />

als se<strong>in</strong>em Kunden mit Sorgfalt zu wahren und zu schützen. 73 Hierzu gehört die sorgfältige Prüfung<br />

der Berechtigung des Gläubigers; ohne objektive Notwendigkeit darf er nicht an diesen leisten. 74 Das<br />

OLG Köln 75 hat folgende Bürgenpflichten entwickelt:<br />

66 D. h. nach den vorliegenden Urkunden offensichtlich und unstreitig; wobei das OLG Düsseldorf (a.a.O) dem<br />

Bürgen, der vorträgt, der Hauptschuldner habe die Bürgschaft aufgrund unwirksamer vertraglicher Verpflichtung<br />

rechtsgrundlos erbracht e<strong>in</strong>en Ansche<strong>in</strong>sbeweis zuspricht, der auch für die Anwendungsvoraussetzungen des<br />

AGB-Gesetzes (jetzt § 305 ff. BGB) erfassen kann; äußerst bedenklich und aufgrund des dortigen Sachverhaltes<br />

(es fand ke<strong>in</strong> deutsches Recht Anwendung) ist e<strong>in</strong>e Entscheidung des OLG Hamm (BauR 2007, S. 440 (Ls.),<br />

wonach das Vorgehen des Bürgschaftsgläubigers aus e<strong>in</strong>er Bürgschaft auf erstes Anfordern dann nicht rechtsmissbräuchlich<br />

ist, wenn der Bürge die Bürgschaft bewusst ohne Kenntnisnahme der Sicherungsvere<strong>in</strong>barung<br />

übernommen hat.<br />

67 BauR 2007, S. 1061<br />

68 was im übrigen bei gewerblichen Bürgen die Regel ist.<br />

69 mith<strong>in</strong> war nicht liquide beweisbar, dass der übergebenen Bürgschaft auf erstes Anfordern ke<strong>in</strong>e wirksame Sicherungsabrede<br />

zugrundelag; die Entscheidung kann allerd<strong>in</strong>gs nicht dah<strong>in</strong>gehend verallgeme<strong>in</strong>ert werden, dass der<br />

Bürge die zugrundeliegende Sicherungsabrede prüfen muss.<br />

70 Vgl. hierzu näher BGH, BauR 2001, S. 1893; BauR 2002, S. 1543<br />

71 BGHZ 138, S. 49<br />

72 OLG Düsseldorf, IBR 2006, S. 25<br />

73 BGH, BauR 2000, S. 887<br />

74 OLG Köln vom 09.01.2004, Az.: 19 U 130/03<br />

75 A.a.O.<br />

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– Abwehr rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme<br />

– Unterrichtung des Auftragnehmers über die drohende Inanspruchnahme zur Erkundigung, ob dieser<br />

E<strong>in</strong>reden oder E<strong>in</strong>wendungen geltend macht (z. B. Verjährung der Hauptschuld)<br />

Verletzt der Bürge diese Pflichten und zahlt die Bürgschaftssumme trotz fehlender objektiver Notwendigkeit<br />

aus, so darf er se<strong>in</strong>e Aufwendungen i. S. v. § 670 BGB nicht für erforderlich halten. Der<br />

Bürge darf jedoch nach Ansicht des OLG Frankfurt76 - nachdem er den Hauptschuldner benachrichtigt<br />

hat - davon ausgehen, dass dieser tätig wird, um unberechtigte Mängelansprüche abzuwehren.<br />

Wenn auch diese Pflichten des Bürgen nur gegenüber dem Auftragnehmer bestehen, so können<br />

diese auch mittelbare Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zum Auftraggeber haben. Hat der Bürge<br />

im Innenverhältnis die Berechtigung des Auftraggebers sorgfältig zu prüfen, muss ihm auch der<br />

Auftraggeber die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen. Vor allem <strong>in</strong> den Fällen der<br />

Insolvenz wird der Bürge oft nur unter großen Schwierigkeiten ausreichende Informationen über<br />

die Berechtigung des Auftraggebers haben. Nach diesseitiger Auffassung ist es daher nicht zu beanstanden,<br />

dem Auftraggeber die volle Darlegungslast h<strong>in</strong>sichtlich sämtlicher anspruchsbegründender<br />

Umstände aufzuerlegen. Der Bürge muss daher im Fall der Inanspruchnahme sämtliche Unterlagen<br />

(Bauvertrag, Abnahmeprotokoll, Nachweis der Auszahlung des <strong>Sicherheit</strong>se<strong>in</strong>behaltes etc.) vom<br />

Auftraggeber verlangen können. 77 Nimmt der Auftraggeber den Bürgen „unsubstantiiert“ <strong>in</strong> diesem<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> Anspruch und kommt er se<strong>in</strong>er Darlegungslast erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Prozess nach, so kann der Bürge<br />

mit der Kostenfolge des § 93 ZPO (Kostenlast des klagenden Auftraggeber) anerkennen. 78<br />

Den Auftragnehmer trifft im Gegenzug die Obliegenheit, den Bürgen se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wendungen gegen<br />

e<strong>in</strong>e Inanspruchnahme zeitnah und substantiiert mitzuteilen. 79 Noch nicht geklärt ist die Frage,<br />

<strong>in</strong>wieweit der Bürge verpflichtet ist, e<strong>in</strong>e rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme abzuwehren. Da<br />

den Bürgen die Obliegenheit trifft, alle vom Auftragnehmer mitgeteilten Umstände und etwaige E<strong>in</strong>wendungen<br />

sorgfältig zu prüfen, wäre <strong>in</strong> Betracht zu ziehen, e<strong>in</strong>en Rückgriffsanspruch des Bürgen<br />

bei Verletzung dieser Obliegenheit auszuschließen, wenn dem Auftragnehmer hier<strong>durch</strong> e<strong>in</strong> Schaden<br />

entstanden ist.<br />

IV. Die BGH-Rechtsprechung zu Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern<br />

1. Unwirksamkeit der Vere<strong>in</strong>barung<br />

In zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2002 80 hat der BGH die zur Gewährleistungsbürgschaften<br />

entwickelten Grundsätze auf die Vertragserfüllungsbürgschaften übertragen: Die Verpflichtung zur<br />

Stellung von Vertragserfüllungsbürgschaften „auf erstes Anfordern“ können <strong>in</strong> AGB 81 nicht wirksam<br />

vere<strong>in</strong>bart werden. Die Rechtsfolgen gelten grundsätzlich analog zu den bereits dargestellten Grundsätzen<br />

wie bei Gewährleistungsbürgschaften.<br />

2. Die „ergänzende Vertragsauslegung“ <strong>durch</strong> den BGH<br />

Für den Bereich der (unwirksamen) Vere<strong>in</strong>barungen von Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes<br />

Anfordern hat der BGH jedoch e<strong>in</strong>e Ausnahme kreiert. Danach ist - für den Auftraggeber sicherlich<br />

sehr begrüßenswert, aber rechtsdogmatisch äußerst zweifelhaft - e<strong>in</strong>e ergänzende Vertragsauslegung<br />

zugelassen, da <strong>durch</strong> Wegfall der (unwirksamen) Klausel e<strong>in</strong> „lückenhafter“ Vertrag entsteht. Dieser<br />

sei bis zum Bekanntwerden der Entscheidung <strong>in</strong> den beteiligten Verkehrskreisen dah<strong>in</strong>gehend<br />

76 12.03.2008, Az.: 3 U 14/07<br />

77 E<strong>in</strong>zelheiten zum Umfang der außergerichtlichen Darlegungs- und Beweislast s<strong>in</strong>d noch nicht geklärt.<br />

78 So auch LG München I vom 08.08.2005, Az.: 11 O 8871/05<br />

79 OLG Celle; IBR 2001, S. 190<br />

80 BauR 2002, S. 1533<br />

81 Auch nicht zugunsten e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftraggebers (BGH, BauR 2004, S. 1143)<br />

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ergänzend auszulegen, dass der Auftragnehmer e<strong>in</strong>e unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft<br />

schuldet. 82 Auch die sich daran notwendiger Weise anschließende Frage (wann wurde denn die Entscheidung<br />

des BGH vom 04.07.2002 bekannt?) hat der BGH beantwortet und hierzu festgestellt, dass<br />

der maßgebliche Zeitraum mit dem 31.12.2002 endet. 83<br />

– Bis zum e<strong>in</strong>schließlich 31.12.2002 geschlossene Vere<strong>in</strong>barungen über die Stellung von Vertragserfüllungsbürgschaften<br />

auf erstes Anfordern s<strong>in</strong>d dah<strong>in</strong>gehend auszulegen, das nur e<strong>in</strong>e „normale“<br />

selbstschuldnerische Bürgschaft verlangt werden kann, was zu folgendem führt: Der Auftragnehmer<br />

hat e<strong>in</strong>e Vertragserfüllungsbürgschaft ohne den Zusatz „auf erstes Anfordern“ zu leisten. Unterlässt<br />

er dies, so ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 17 Nr. 7 VOB/B. Wurde die Bürgschaft<br />

bereits mit dem Zusatz „auf erstes Anfordern“ geleistet, so besteht ke<strong>in</strong> Herausgabeanspruch. Teilweise<br />

wurde von den Gerichten davon ausgegangen, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern Zugum-Zug<br />

gegen Stellung e<strong>in</strong>er normalen Bürgschaft herauszugeben ist. E<strong>in</strong> solcher Anspruch wäre<br />

jedoch bei Insolvenz des Schuldners nicht mehr <strong>durch</strong>setzbar. Der BGH84 hat hier begrüßenswerterweise85<br />

entschieden, dass der AG die Bürgschaft nicht herausgeben, sondern sich nur schriftlich<br />

verpflichten gegenüber dem AG verpflichten muss, die Bürgschaft nur als selbstschuldnerische<br />

Bürgschaft geltend zu machen. Hat der Bürge bereits „auf erstes Anfordern“ die Bürgschaftssumme<br />

ausgezahlt, so kann dieser den Betrag nicht zurück fordern, wenn der AG e<strong>in</strong>en Anspruch auf<br />

Verwertung der Bürgschaft besitzt. 86<br />

– Für den Zeitpunkt ab Bekanntwerden der Entscheidung wird Klauselverwendern jedoch der Vertrauensschutz<br />

versagt: Klauseln, die den Auftragnehmer zur Stellung e<strong>in</strong>er Vertragserfüllungsbürgschaft<br />

verpflichten s<strong>in</strong>d „unrettbar“ unwirksam. Der Auftragnehmer braucht e<strong>in</strong>e solche Bürgschaft<br />

nicht zu stellen. Wurde diesse dennoch übergaben, so ist sie vom Auftraggeber (und zwar unabhängig,<br />

ob diese auf erstes Anfordern lautet) herauszugeben. 87 Die Bürg<strong>in</strong> kann die Auszahlung<br />

der Bürgschaftssumme im H<strong>in</strong>blick auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede verweigern.<br />

Die Entscheidung zur „ergänzenden Vertragsauslegung“ hat <strong>in</strong> der baurechtlichen Jurisprudenz zu<br />

der heftigen Diskussion geführt, ob die neue Rechtsprechung des BGH auch auf die ältere Rechtsprechung<br />

zur Gewährleistungsbürgschaft anzuwenden ist. Zwischenzeitlich waren e<strong>in</strong>ige erst<strong>in</strong>stanzielle<br />

Gerichte und auch Oberlandesgerichte zur Entscheidung dieser Frage berufen; die Urteile waren<br />

une<strong>in</strong>heitlich. 88 Der BGH hat diese Frage nunmehr dah<strong>in</strong>gehend entschieden, dass e<strong>in</strong>e ergänzende<br />

Vertragsauslegung nicht <strong>in</strong> Betracht kommt. 89 Zur Begründung wird ausgeführt, dass e<strong>in</strong>e ergänzende<br />

Vertragsauslegung ausscheide, da angesichts der vielfältigen Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Sicherung des AG<br />

(§ 17 VOB/B) letztlich nicht feststellbar sei, wie die Parteien den Willen, dem AG e<strong>in</strong>e <strong>Sicherheit</strong> zu<br />

verschaffen, realisiert hätten.<br />

82 Nach vielfach geäußerter Kritik ist diese „ergänzende Vertragsauslegung“ nichts anderes als e<strong>in</strong>e unzulässige<br />

geltungserhaltende Reduktion.<br />

83 BGH, NJW-RR 2004, S. 880: wenn die Festlegung des Zeitraumes mehr oder weniger willkürlich ersche<strong>in</strong>t, so<br />

führt die Entscheidung doch zum<strong>in</strong>dest zu Rechtssicherheit.<br />

84 BGH, BauR 2003, S. 1385<br />

85 So zutreffend: Schmitz, IBR 2003, S. 413<br />

86 BGH, NJW 2003, S. 352: Es ist mit Treu und Glauben nicht vere<strong>in</strong>bar, wenn der Gläubiger zur Rückzahlung der<br />

auf erstes Anfordern ausgezahlten Bürgschaftssumme verpflichtet würde, obgleich feststeht, dass er den Bürgen<br />

aus e<strong>in</strong>er selbstschuldnerischen Bürgschaft <strong>in</strong> Anspruch nehmen kann.<br />

87 Nach OLG Düsseldorf kann der Auftragnehmer jedoch nicht Herausgabe an sich selbst, sondern nur an die Bürg<strong>in</strong><br />

verlangen.<br />

88 Für e<strong>in</strong>e ergänzende Vertragsauslegung hatten sich das OLG Rostock, BauR 2003, S. 928 und das LG Essen,<br />

BauR 2003, S. 1584 dagegen das OLG Düsseldorf, BauR 2003, S. 1585; das OLG München, BauR 2004 sowie<br />

das OLG Celle, NZBau 2004, S. 214) ausgesprochen.<br />

89 BGH, IBR 2005, S. 147<br />

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