Die Leistungsbeschreibung im Bauvertrag

Die Leistungsbeschreibung im Bauvertrag Die Leistungsbeschreibung im Bauvertrag

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6.2 Leistungsbeschreibung und Sachmangelbegriff 26 Die Bauleistung ist mangelhaft, wenn ihre Ausführung von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Was unter der vereinbarten Beschaffenheit zu verstehen ist, erschließt sich aus der Leistungsbeschreibung, deren genauer Inhalt nach den oben gezeigten Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln ist. Durch den Vergleich zwischen der Istbeschaffenheit und der sich aus der Leistungsbeschreibung des Vertrages ergebende Sollbeschaffenheit ist nach dem subjektiven Mangelbegriff zu ermitteln, ob eine Differenz und damit ein Mangel vorliegen. 27 Die Leistungspfl icht des Unternehmers erschöpft sich nicht darin, die einzelnen Elemente der Leistungsbeschreibung gleichsam abzuarbeiten. Mit dem subjektiven Verständnis des Mangebegriffs ist ein funktionales Verständnis verbunden. Das Werk muss ungeachtet der Einzelheiten der Leistungsbeschreibung den vertraglich vorausgesetzten Zweck erfüllen und funktionstauglich sein 32 . Setzt der Unternehmer eine unvollständige, lückenhafte oder unrichtige Leistungsbeschreibung um, ohne auf Bedenken hinzuweisen, und entspricht die Bauleistung daher nicht der vertraglich vorausgesetzten Funktionstauglichkeit, ist seine Leistung mangelhaft. Unabhängig davon schuldet der Auftragnehmer, vorbehaltlich abweichender Vereinbarung, die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik. Dem steht nicht entgegen, dass der vereinbarte Werklohn nur die vereinbarte Herstellungsart umfasst. Zusatzarbeiten, die für den geschuldeten Erfolg über die vereinbarte Leistungsbeschreibung hinaus erforderlich sind, hat der Auftraggeber gesondert zu vergüten. Führt der Auftragnehmer dennoch lediglich die unzureichende, vereinbarte Ausführungsart aus, ist die Leistung mangelhaft. Die ihm bei mangelfreier Leistung für die erforderlichen Zusatzarbeiten zustehenden Zusatzvergütungen können im Rahmen der Gewährleistung als „Sowieso-Kosten“ berücksichtigt werden 33 . 6.3 Leistungsbeschreibung und Haftungsfreistellung des Unternehmers 28 Der Unternehmer ist für den Erfolg seiner Bauleistung verantwortlich. Wird er aufgrund einer vom Auftraggeber verfassten unvollständigen Leistungsbeschreibung tätig, kann er sich von der Haftung befreien, wenn er nach Prüfung der Leistungsbeschreibung den Auftraggeber auf die Bedenken gegen die geplante Ausführung hinweist. Besteht der Auftraggeber trotz eines ausdrücklichen, klaren, richtigen und umfassenden Bedenkenhinweis auf der Ausführung gemäß der vertraglichen Leistungsbeschreibung, ist der Auftragnehmer nicht haftbar, wenn sich seine Bedenken verwirklichen. Dieser sich aus §§ 4 Nr. 3, 13 Nr. 3 VOB/B ergebende Grundsatz gilt auch beim BGB-Vertrag34 . 7 Praktische Auswirkung und Schlussbemerkung 29 Die Feststellung dessen, was die geschuldete Bauleistung ausmacht, welche Anforderungen die Vertragspartner zugrunde legen, ist, wie gezeigt, gerade für den Vergütungs- und die Gewährleistungsansprüche von besonderer Bedeutung. Deshalb ist es regelmäßig erforderlich: • festzustellen, in welchen vertraglichen Regelungen die Vertragspartner in welchem Umfang die Leistungsanforderungen festgelegt haben; • die die Leistungsbeschreibung enthaltenden vertraglichen Regeln als sinnvolles Ganzes gemäß §§ 133, 157 auszulegen und Widersprüche nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aufzulösen; 32 BGH Urt. v. 10.10.2002 – X ZR 69/01, NJW-RR 2003, 200; Urt. v. 09.07.2002 – X ZR 242/99, NJW-RR 2002, 1533; BGH Urt. v. 14.02.2001 – VII ZR 176/01, BauR 2001, 823; BGH Urt. v. 16.07.1998 – VII ZR 350/96, BGHZ 139, 244, 247 33 BGH Urt. v. 27.07.2006 – VII ZR 202/04, BauR 2006, 2040 34 BGH Urt. v. 23.10.1986 – VII ZR 48/85, NJW 1986, 643 © 2008 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH / werner-baurecht.de ••• 10

• bei Vergütungsansprüchen für zusätzliche notwendige Leistungen (§§ 1 Nr. 4, 2 Nr. 6 VOB/B) festzustellen, welche Leistungen durch die vereinbarte Vergütung abgegolten sind, welche Leistungen zur Erreichung des Vertragszweckes hinzutreten müssen (Abgrenzung von zusätzlichen, zur Erreichung des vertraglichen Leistungsziels nicht unbedingt notwendigen Leistungen) und wie die Vergütung für die Zusatzleistungen auf der vertraglichen Grundlage zu bemessen ist; • bei Gewährleistungsansprüchen aufgrund der durch die Leistungsbeschreibung defi nierten Sollbeschaffenheit die Abweichung von der Istbeschaffnheit unter Beachtung des funktionalen Leistungsbegriffs sowie bei einer möglichen Haftungsbefreiung die Notwendigkeit und die Erteilung von Bedenkenhinweisen ausgehend von der vertraglichen Leistungsbeschreibung festzustellen. 30 Für die Ermittlung des geschuldeten und verpreisten Leistungsumfangs ist wie folgt vorzugehen: • Feststellung, welche vertraglichen Regeln sich über die Leistungsanforderungen verhalten; • Auslegung der Vertragsabsprachen gemäß §§ 133, 157 BGB aus dem Empfängerhorizont, wobei der Bauvertrag als sinnvolles Ganzes zu verstehen ist. Maßgebend sind – der Wortlaut der Regelungen – Sprachgebrauch/Fachterminologie; – Begleitumstände der Vertragserklärungen, insbesondere Entstehungsgeschichte, Äußerungen der Vertragsparteien (auch spätere, soweit sie einen Rückschluss auf das Verständnis der Vertragspartner im Zeitpunkt der Vereinbarung zulassen), Interessenlage der Vertragsparteien, zu der besonders gehören: alle konkreten Verhältnisse des Bauvorhabens, der technische und qualitative Zuschnitt, der architektonischer Anspruch und die Zweckbestimmung des Bauwerks. • Wenn trotz der Auslegung des Vertrages als sinnvolles Ganzes Widersprüche zwischen Leistungsanforderungen verbleiben gilt: – wenn die Parteien eine Vorrangvereinbarung getroffen haben, gilt diese; – wenn die Parteien keine Vorrangregelung getroffen haben, gelten beim BGB-Vertrag die allgemeinen Auslegungsregeln, d.h. die detaillierten Regelungen gehen den allgemeinen Beschreibungen vor; beim VOB/B-Vertrag greift § 1 Nr. 2 VOB/B 8 Wichtige Urteile und Literatur 8.1 Urteile 31 – BGH Urt. v. 26.07.2007 – VII ZR 42/05; BauR 2007, 1761 – BGH Urt. v 14.06.2007 - VII ZR 45/06, BauR 2007, 1570 – BGH Urt. v. 27.7.2006 - VII ZR 202/04; BauR 2006, 2040 – BGH Beschl. v. 26.02.2004 – VII ZR 96/03, BauR 2004, 995 – BGH Urt. v. 05.12.2002 – VII ZR 342/01, BauR 2003, 380 – BGH Urt. v. 15.10.2002 – X ZR 69/01, BauR 2003, 236 – BGH Urt. v. 10.10.2002 – X ZR 69/01, NJW-RR 2003, 200 – BGH Urt. v. 09.07.2002 – X ZR 242/99, NJW-RR 2002, 1533 – BGH Urt. v. 28.02.2002 – VII ZR 376/00, BauR 2002, 935 – BGH Urt. v. 28.02.2002 – VII ZR 376/00, BauR 2002, 1247 – BGH Urt. v. 27.06.1996 – VII ZR 59/95, BauR 1997, 126 Literatur 32 – Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB-Kom, 16. Aufl ., zu §§ 1, 2 VOB/B – Kapellmann/Messerschmidt/ Kapellmann, VOB-Kom, 2. Aufl ., zu §§ 1, 2 VOB/B – Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag © 2008 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH / werner-baurecht.de ••• 11

• bei Vergütungsansprüchen für zusätzliche notwendige Leistungen (§§ 1 Nr. 4, 2 Nr. 6 VOB/B)<br />

festzustellen, welche Leistungen durch die vereinbarte Vergütung abgegolten sind, welche Leistungen<br />

zur Erreichung des Vertragszweckes hinzutreten müssen (Abgrenzung von zusätzlichen,<br />

zur Erreichung des vertraglichen Leistungsziels nicht unbedingt notwendigen Leistungen) und<br />

wie die Vergütung für die Zusatzleistungen auf der vertraglichen Grundlage zu bemessen ist;<br />

• bei Gewährleistungsansprüchen aufgrund der durch die <strong>Leistungsbeschreibung</strong> defi nierten<br />

Sollbeschaffenheit die Abweichung von der Istbeschaffnheit unter Beachtung des funktionalen<br />

Leistungsbegriffs sowie bei einer möglichen Haftungsbefreiung die Notwendigkeit und die Erteilung<br />

von Bedenkenhinweisen ausgehend von der vertraglichen <strong>Leistungsbeschreibung</strong> festzustellen.<br />

30 Für die Ermittlung des geschuldeten und verpreisten Leistungsumfangs ist wie folgt vorzugehen:<br />

• Feststellung, welche vertraglichen Regeln sich über die Leistungsanforderungen verhalten;<br />

• Auslegung der Vertragsabsprachen gemäß §§ 133, 157 BGB aus dem Empfängerhorizont, wobei<br />

der <strong>Bauvertrag</strong> als sinnvolles Ganzes zu verstehen ist. Maßgebend sind<br />

– der Wortlaut der Regelungen – Sprachgebrauch/Fachterminologie;<br />

– Begleitumstände der Vertragserklärungen, insbesondere Entstehungsgeschichte, Äußerungen<br />

der Vertragsparteien (auch spätere, soweit sie einen Rückschluss auf das Verständnis der Vertragspartner<br />

<strong>im</strong> Zeitpunkt der Vereinbarung zulassen), Interessenlage der Vertragsparteien,<br />

zu der besonders gehören: alle konkreten Verhältnisse des Bauvorhabens, der technische und<br />

qualitative Zuschnitt, der architektonischer Anspruch und die Zweckbest<strong>im</strong>mung des Bauwerks.<br />

• Wenn trotz der Auslegung des Vertrages als sinnvolles Ganzes Widersprüche zwischen Leistungsanforderungen<br />

verbleiben gilt:<br />

– wenn die Parteien eine Vorrangvereinbarung getroffen haben, gilt diese;<br />

– wenn die Parteien keine Vorrangregelung getroffen haben, gelten be<strong>im</strong> BGB-Vertrag die allgemeinen<br />

Auslegungsregeln, d.h. die detaillierten Regelungen gehen den allgemeinen Beschreibungen<br />

vor; be<strong>im</strong> VOB/B-Vertrag greift § 1 Nr. 2 VOB/B<br />

8 Wichtige Urteile und Literatur<br />

8.1 Urteile<br />

31 – BGH Urt. v. 26.07.2007 – VII ZR 42/05; BauR 2007, 1761<br />

– BGH Urt. v 14.06.2007 - VII ZR 45/06, BauR 2007, 1570<br />

– BGH Urt. v. 27.7.2006 - VII ZR 202/04; BauR 2006, 2040<br />

– BGH Beschl. v. 26.02.2004 – VII ZR 96/03, BauR 2004, 995<br />

– BGH Urt. v. 05.12.2002 – VII ZR 342/01, BauR 2003, 380<br />

– BGH Urt. v. 15.10.2002 – X ZR 69/01, BauR 2003, 236<br />

– BGH Urt. v. 10.10.2002 – X ZR 69/01, NJW-RR 2003, 200<br />

– BGH Urt. v. 09.07.2002 – X ZR 242/99, NJW-RR 2002, 1533<br />

– BGH Urt. v. 28.02.2002 – VII ZR 376/00, BauR 2002, 935<br />

– BGH Urt. v. 28.02.2002 – VII ZR 376/00, BauR 2002, 1247<br />

– BGH Urt. v. 27.06.1996 – VII ZR 59/95, BauR 1997, 126<br />

Literatur<br />

32 – Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB-Kom, 16. Aufl ., zu §§ 1, 2 VOB/B<br />

– Kapellmann/Messerschmidt/ Kapellmann, VOB-Kom, 2. Aufl ., zu §§ 1, 2 VOB/B<br />

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Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen be<strong>im</strong> <strong>Bauvertrag</strong><br />

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