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Prof. Dr. Ludwig Haag, Universität Bayreuth Evaluationsprojekt in ...

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Ludwig</strong> <strong>Haag</strong>, Universität <strong>Bayreuth</strong><strong>Evaluationsprojekt</strong> <strong>in</strong> der Praxis: Mentorenprogramm – von der Konzeption bis zurAuswertungSchulentwicklung <strong>in</strong> der Schule fand schon immer statt, doch neben e<strong>in</strong>es systematischen undalle Schulen betreffenden Vorgehens kommt heute etwas Entscheidendes dazu:Schulentwicklung soll auch nach außen sichtbar gemacht werden.Und das Instrumentarium hierzu heißt Evaluation. Evaluation ist also ke<strong>in</strong> Selbstzweck,sondern notwendiges Werkzeug von Schulentwicklung.Unter Evaluation versteht man die systematische und zielgerichtete Sammlung, Analyse undBewertung von Daten zur Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle. Sie gilt der Beurteilungvon Planung, Entwicklung, Gestaltung und E<strong>in</strong>satz von Bildungsangeboten bzw. e<strong>in</strong>zelnerMaßnahmen dieser Angebote unter den Aspekten von Qualität, Funktionalität, Wirkungen,Effizienz und Nutzen.Dabei stehen folgende Fragen im Zentrum:(1) Welcher Gegenstand soll evaluiert werden?(2) Wie ist der aktuelle Ist-Zustand dieses zu evaluierenden Gegenstandes?(3) Welcher Soll-Zustand soll erreicht werden?Dabei ist die Frage 2 überhaupt nicht trivial. So manche Äußerungen nach erfolgterMaßnahme wie „viel kam dabei nicht raus“, hat häufig mit e<strong>in</strong>er nicht im voraus geklärten Ist-Bilanz des Gegenstandes zu tun. Enttäuschungen s<strong>in</strong>d so vorprogrammiert. Und das trifft ganzbesonders für folgendes Projekt zu, das hier vorgestellt wird:Mentoren-Projekt <strong>in</strong> der Realschule WunsiedelAn der Sigmund – Wann – Realschule <strong>in</strong> Wunsiedel wird e<strong>in</strong> gut funktionierendesMentorensystem praktiziert, nach dem Motto „Schüler helfen Schülern“. LeistungsstärkereSchüler greifen regelmäßig am Nachmittag leistungsschwächeren Schülern bei derBewältigung ihrer schulischen Aufgaben unter die Arme.Nachdem zwei Schuljahre lang erste Erfahrungen gesammelt werden konnten, wurde dasProjekt im Schuljahr 2005/06 von me<strong>in</strong>em Lehrstuhl, federführend <strong>Dr</strong>. Hopperdietzel,wissenschaftlich begleitet. Theoriegeleitet werden prozessbegleitende Fragebögen sowohl beiden Mentoren als auch den Nachhilfeschülern e<strong>in</strong>gesetzt. Dazu wird e<strong>in</strong>e Kontrollgruppemite<strong>in</strong>bezogen, die ke<strong>in</strong>e Nachhilfe erhält.Zu drei Messzeitpunkten im Schuljahr 2005/06 wurden von allen Schülern über FragebogenDaten zum Leistungsstand und zu weiteren psychologischen Variablen erhoben. Dabei wurdesichergestellt, dass nur solche Teilnehmer des Mentorenprojekts berücksichtigt werden, dienicht noch zusätzlich außerhalb der Schule Nachhilfe erhalten. Die Stichprobe bestehtdadurch aus <strong>in</strong>sgesamt 29 Mentoren, 63 Nachhilfeschülern (erfasst Mathematik und/oderEnglisch) und 361 weiteren Schülern der Schule.Ergebnisse- LeistungsstandDieser wurde über die Schulaufgaben <strong>in</strong> den Fächern Englisch und Mathematik erhoben.Im Folgenden werden für die vier gehaltenen Schulaufgaben <strong>in</strong> Mathematik und Englisch dieDifferenzwerte zwischen den Nachhilfeschülern und allen anderen Schülern wiedergegeben.


Diese stellen sozusagen die Null L<strong>in</strong>ie dar. So lässt sich sehr übersichtlich abbilden, wie sichim Verhältnis dazu die Nachhilfeschüler entwickeln:1,510,50-0,5Schulaufgabe 1 Schulaufgabe 2 Schulaufgabe 3 Schulaufgabe 4NachhilfeschülerMentorenSchüler o. N.-1-1,5Entwicklung der Differenz <strong>in</strong> den Schulaufgaben im Fach Mathematik1,510,50-0,5Schulaufgabe 1 Schulaufgabe 2 Schulaufgabe 3 Schulaufgabe 4NachhilfeschülerMentorenSchüler o. N.-1-1,5Entwicklung der Differenz <strong>in</strong> den Schulaufgaben im Fach EnglischIn beiden Graphiken sieht man, dass mit den Mentoren tatsächlich überdurchschnittlicheSchüler rekrutiert werden konnten.In Mathematik haben sich die Nachhilfeschüler l<strong>in</strong>ear verbessert.In Englisch trat über die gesamte Zeit e<strong>in</strong>e Verbesserung um e<strong>in</strong>e halbe Notenstufe e<strong>in</strong>.- Fähigkeitsselbstkonzept im NachhilfefachHier änderte sich nichts, was auch zu schön wäre. Denn e<strong>in</strong> Fähigkeitsselbstkonzept baut sichüber mehrere Jahre auf, so dass sich kurzer Hand e<strong>in</strong>e fachliche Verbesserung nicht gleichauswirkt. Hier sollten positive Ergebnisse nach längerer Zeit erwartet werden. Doch


<strong>in</strong>teressant ist, dass auf e<strong>in</strong>er vierstufigen Skala die Mentoren e<strong>in</strong>en um über e<strong>in</strong>en ganzenGrad höheren Wert angeben.- PrüfungsangstWährend das Niveau aller nicht am Mentorenprojekt beteiligten Schüler über das Schuljahrkonstant blieb, nahm die Prüfungsangst l<strong>in</strong>ear bei den Mentoren und Nachhilfeschülern ab,wie die Graphik zeigt. Und mehr kann zunächst pädagogisch nicht erreicht werden, als dassdie Problemschüler mit ihrem Problemfach entspannter umgehen. Auch den Mentoren sche<strong>in</strong>tdie Mehrarbeit mit dem Gegenstand mehr Sicherheit <strong>in</strong> Prüfungssituationen zu geben.43,532,52NachhilfeschülerMentorenSchüler o.N.1,51Welle 1 Welle 2 Welle 3Entwicklung der Prüfungsangst (höhere Werte bedeuten ger<strong>in</strong>gere Angst)- SelbstregulationHier geht es darum zu prüfen, <strong>in</strong>wieweit die Schüler sich im Umgang mit von der Schulegeforderten Aufgaben selbst organisieren können. In diesem Bereich erzielten alle<strong>in</strong> dieMentoren über den Zeitraum h<strong>in</strong>weg positivere Werte, also wiederum e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n für dieMentoren.Interpretation der ErgebnisseHier erlebe ich seit Jahren <strong>in</strong> der Zusammenarbeit mit den <strong>Prof</strong>is vor Ort, den engagiertenPraktikern, große Unsicherheiten, was die Aussagekraft obiger Ergebnisse angeht. Eskommen Fragen wie „S<strong>in</strong>d denn diese Ergebnisse auch signifikant“? oder „S<strong>in</strong>d sie statistischabgesichert?“ Hierauf wird im Referat e<strong>in</strong> sehr e<strong>in</strong>facher und gangbarer Weg aufgezeigt, derdiese Zweifel gut ausräumen kann. Lehrer müssen <strong>in</strong> ihren <strong>Evaluationsprojekt</strong>en ke<strong>in</strong>eStatistiker se<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d aber sehr gut <strong>in</strong> der Lage, mit e<strong>in</strong>fachen Mitteln die Aussagekraft dervorliegenden Ergebnisse „wissenschaftlich“ zu untermauern.


“W<strong>in</strong> – W<strong>in</strong>“ - SituationE<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes und ermutigendes Ergebnis ist gerade die Leistungsverbesserung derNachhilfeschüler. Auch zeigen die Ergebnisse, dass die Mentoren nicht nur <strong>in</strong>vestieren,sondern tatsächlich von ihrer Arbeit profitieren.So gesehen darf man „neudeutsch“ von e<strong>in</strong>er „w<strong>in</strong>-w<strong>in</strong>“ Situation sprechen. Was will manmehr?Bei aller Bescheidenheit der Ergebnisse – „Wunderwaffen“ im täglichen Kampf gegen Notenwären eher verdächtig! – ist die Initiative mehr als zu begrüßen, nicht zuletzt deshalb, weilhier das manchmal strapazierte Wort „Schulfamilie“ hier s<strong>in</strong>nvoll <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greift. Freilichist noch e<strong>in</strong>e Optimierung durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Vorbereitung und Betreuung der Mentorenzu erwarten und zu erreichen.Abschließend soll nochmals betont werden, dass Schulentwicklung sich konkret <strong>in</strong>überschaubaren, doch wirksamen Aktionen zeigen kann und vor allem, dass Schulen selbst <strong>in</strong>der Lage s<strong>in</strong>d, Auswirkungen nachvollziehbar und korrekt aufzuzeigen.

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