Elektromobilität <strong>und</strong> <strong>Erneuerbare</strong> <strong>Energien</strong>-<strong>eine</strong> <strong>Betrachtung</strong> <strong>aus</strong> ökonomischer 17.03.2011<strong>und</strong> rechtlicher SichtAutoren: Volker Behlau, Norbert Kortlüke, Thorsten Müller, Björn Pieprzyk, Frank Sailer 46Allgemeininteresses unterzieht 193 , indem auch bei offen diskriminierendenMaßnahmen der diskriminierende Charakter „weginterpretiert“ wird.Zwar geht <strong>aus</strong> der älteren Rechtsprechung des EuGH hervor, dass zwingendeGründe des Allgemeinwohls Maßnahmen gleicher Wirkung <strong>und</strong> mengenmäßigeEinfuhrbeschränkungen nur im Falle deren unterschiedsloser Anwendbarkeiterlauben 194 . Jedoch finden sich auch Entscheidungen, in denen die Cassis-Kriterien für die Rechtfertigung von diskriminierenden Maßnahmen herangezogenwerden 195 . Dieses Phänomen taucht vor allem auch in Bereichen desUmweltschutzes auf 196 . Daher ist es durch<strong>aus</strong> denkbar, dass Maßnahmen mitdiskriminierender Regelung zu rechtfertigen <strong>und</strong> damit als mit dem gemeinsamenMarkt vereinbar anzusehen sind.4.2.1.3 Grenzen der europäischen SteuerrechtsordnungVor dem Hintergr<strong>und</strong> der zahlreich diskutierten, steuerlichen Anreize für denErwerb oder Betrieb <strong>eine</strong>s umweltverträglichen Kraftfahrzeugs zur Marktintegrationdieser Fortbewegungsmittel werden im Folgenden die Schranken der EuropäischenSteuerrechtsordnung näher betrachten.4.2.1.3.1 Die Kompetenzen der Europäischen Union im AbgabenrechtIn Folge der Harmonisierung bestimmter Steuern <strong>und</strong> Abgaben 197 bilden vor allemdie auf europäischer Ebene vorgegebenen Mindeststeuersätze neben dem193 So genanntes „Prinzip der gegenseitigen Anerkennung“: S. Leible, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), DasRecht der Europäischen Union, Art. 28 Rn. 26 mit Verweis auf: EuGH, Rs. C-184/96, Slg. 1998, S. I-6197 (6226), Rz. 28 - Kommission/Frankreich.194 Siehe dazu oben Fn. 190, ebenfalls: EuGH, Rs. C-113/80, Slg. 1981, S. I-1625 (Rn. 10 f.) –Irische Souvenirs; EuGH, Rs. C-229/83, Slg. 1985, S. I-1 (Rn. 28 f.) - Leclerc; EuGH, Rs. C-25/88Slg. 1989, S. I-1105 (Rn. 10) - Wurmser; EuGH, Rs. C-1/90, Slg. 1991, S. I-4151 (Rn. 13) -Aragonesa.195 EuGH, Rs. C-2/90, Slg. 1992, S. I-4431 (4480) Rn. 341; EuGH, Rs. C-254/98, Slg. 2000, S. I-151 ff. - TK-Heimdienst Sass; EuGH, Rs. C-300/90, Slg. 1992, S. I-249 ff. – Bachmann; zurProblematik der Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen vor dem Hintergr<strong>und</strong> der „Cassis-Formel“ vgl. auch: Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 30 EG, Rn. 34 f.; C. Nowak/J.Schnitzler, Erweiterte Rechtfertigungsmöglichkeiten für mitgliedstaatliche Beschränkungen der EG-Gr<strong>und</strong>freiheiten – Genereller Rechtsprechungswandel oder Sonderweg im Bereich der sozialenSicherheit?, EuZW 2000, 627 ff.; S. Heselh<strong>aus</strong>, Rechtfertigung unmittelbar diskriminierenderEingriffe in die Warenverkehrsfreiheit – Nationaler Umweltschutz in <strong>eine</strong>m unvollkommenenBinnenmarkt, EuZW 2001, 645 ff.196 M. A. D<strong>aus</strong>es/A. Brigola, in: D<strong>aus</strong>es (Hrsg.), HbEuWiR, Rn. 229, 245 mit Verweis auf: EuGH, Rs.C-99/78, Slg. 1978, S. I-101 ff.197 Unter Steuerharmonisierung verstehen die Verfasser die Angleichung der mitgliedstaatlichenSteuersysteme durch europäisches Sek<strong>und</strong>ärrecht, vgl. <strong>aus</strong>f. zu diesem Begriff: M. Mick, in: D. Birk(Hrsg.), HdbEurStR, § 24, Rn. 12 ff.
Elektromobilität <strong>und</strong> <strong>Erneuerbare</strong> <strong>Energien</strong>-<strong>eine</strong> <strong>Betrachtung</strong> <strong>aus</strong> ökonomischer 17.03.2011<strong>und</strong> rechtlicher SichtAutoren: Volker Behlau, Norbert Kortlüke, Thorsten Müller, Björn Pieprzyk, Frank Sailer 47europäischen Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV (ex-Art. 87 EGV) <strong>eine</strong> derwesentlichen Schranken für die Einführung nationaler Steuerprivilegien 198 .Die Komplexität der Kompetenzverteilung im europäischen Mehrebenensystem trittim Bereich des Abgabenrechts offen zutage. Die Erhebung von Steuern <strong>und</strong>Abgaben zur Finanzierung staatlicher Aufgaben ist gr<strong>und</strong>sätzlich Sache derMitgliedstaaten 199 . An deren steuerrechtlicher Souveränität hat auch dasUnionsrecht im Gr<strong>und</strong>satz festgehalten 200 . Dennoch enthält das UnionsrechtKompetenzen zur Angleichung der nationalen Steuersysteme, wobei daseuropäische Abgabenrecht zwischen den Bereichen direkter <strong>und</strong> indirekter Steuernunterscheidet 201 . Während Art. 113 AEUV (ex-Art. 93 EGV) <strong>eine</strong> Kompetenz zurAngleichung der indirekten Steuern enthält, ist <strong>eine</strong> Angleichung der direktenSteuern nur unter den Grenzen des Art. 115 AEUV (ex-Art. 94 EGV) zulässig.Angesichts des Einstimmigkeitserfordernisses 202 <strong>und</strong> der engen materiellrechtlichenAnforderungen („[…] die sich unmittelbar auf die Errichtung oder dasFunktionieren des Gemeinsamen Marktes <strong>aus</strong>wirken.“) 203 ist von dieserErmächtigung bisher kaum Gebrauch gemacht worden 204 <strong>und</strong> dies dürfte in Zukunftauch nicht zu erwarten sein. Die zunehmend an Bedeutung gewinnende <strong>und</strong> dieüblichen Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen im Wege der Spezialität verdrängendeHarmonisierungskompetenz des Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) 205 findetangesichts des Ausschlusses für Steuern in Abs. 2 des Art. 114 AEUV (ex-Art. 95EGV) k<strong>eine</strong> Anwendung 206 .In <strong>eine</strong>m deutlich vorangetriebenen Stadium befindet sich dagegen dieRechtsangleichung im Bereich der indirekten Steuern 207 . Art. 113 AEUV (ex-Art. 93EGV) enthält <strong>eine</strong> <strong>aus</strong>drückliche Ermächtigung der Europäischen Union zur198 Zur Steuerharmonisierung als Instrument des Schutzes des Gemeinsamen Marktes vorWettbewerbsverzerrungen durch die Mitgliedstaaten: R. Voß, in M. A. D<strong>aus</strong>es (Hrsg.), Handbuchdes Europäischen Wirtschaftsrechts, J., Rn. 57; M. Wienbracke, Jura 2008, S. 929 (930 f.).199 M. Everett, DStZ 2006, S. 357 (357).200 G. Jochum, Die Steuervergünstigung, S. 367.201 M. O. Mick, in: D. Birk (Hrsg.), HbEurStR, § 24, Rn. 30; C. Ohler, Die fiskalische Integration in derEuropäische Gemeinschaft, S. 201; Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1175.202 Das Einstimmigkeitserfordernis ist Ausfluss der mitgliedstaatlichen Steuerhoheit, in diesem Sinneauch: Chr. Waldhoff, in: Chr. Callies/M. Ruffert (Hrsg.), Art. 93 EGV, Rn. 6; dies übersieht J. Strese,Privatrechtsangleichung im Binnenmarkt, S. 116, wenn sie angesichts der Tendenz zurMehrheitsentscheidung in Europa, die auch in Art. 95 EG Einzug erhalten hat bzgl. desMehrheitserfordernisses in Art. 94 EG von <strong>eine</strong>m „Relikt vergangener Zeiten“ spricht.203 Zu den engen materiell-rechtlichen Grenzen: M. Silny, Die binnenmarktbezogeneRechtsangleichungskompetenz, S. 43 f.204 Erlassen wurde auf dieser Gr<strong>und</strong>lage etwa die RL 85/374/EWG über das Steuersystem beiFusionen <strong>und</strong> RL 90/435/EWG über die Besteuerung von Mutter- <strong>und</strong> Tochtergesellschaften.205 Vgl. zum Vorrang <strong>und</strong> zur her<strong>aus</strong>ragenden Bedeutung des ex-Art. 95 gegenüber ex-Art. 94 EG:P.-Chr. Müller-Graff, EuR 1989, S. 107 (121 f.); J. Strese, Privatrechtsangleichung im Binnenmarkt,S. 114; kritisch gegenüber dieser großzügigen Kompetenz der Rechtsangleichung: R. Barents,CMLR 1993, S. 85 (108); N. Reich, EuZW 1991, S. 203 (207 f.).206 Chr. Waldhoff, in: Chr. Callies/M. Ruffert (Hrsg.), Art. 93 EGV, Rn. 7.207 Vgl. zur historischen Entwicklung der Harmonisierung auf dem Gebiet der indirekten Steuern: H.Jatzke, BB 2003, S. 41 ff.