800 Jahre THOMANA - Leipzig: Richard Wagner - Jubiläumsjahr ...

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09.07.2015 Aufrufe

Das Festjahr „800 Jahre THOMANA“FestmusikenIm GesprächDas Festjahr „800 Jahre THOMANA“FestmusikenIm GesprächProf. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Gespräch mit ThomaskantorProf. Georg Christoph BillerSehr geehrter Herr Prof. Biller, im Festjahr zum 800. Jubiläum der THOMANA-Triaswerden an den fünf Hochfesten des Kirchenjahres Festmotetten erklingen, für dieKompositionsaufträge an namhafte internationale Komponisten ergingen. Sie selbstwerden einer dieser Künstler sein. So verdienstvoll ein solch künstlerisch anspruchsvollesUnterfangen ist – es könnte eingeworfen werden, dass ein derart namhaftesJubiläum in erster Linie der Erbepflege gewidmet sein müsse. Was würden Sie entgegnen,beziehungsweise: Welches Ziel verfolgt dieser Zyklus von Uraufführungen?Das Festjahr 2012 umfasst eine ganze Reihe künstlerischer und musikhistorischerAspekte. Unsere Frage bei der Vergabe der Kompositionsaufträge war die nach derFortsetzung dieser 800jährigen Geschichte. Nicht OB, sondern WIE diese Geschichtefortgesetzt wird. Neue Impulse sind uns bei allem Wert des Bewahrens höchstwichtig: „Singet dem Herrn ein NEUES Lied!“ intoniert der Chor selbst immer wieder.Hat nicht auch Johann Sebastian Bach immer wieder neue Musik komponiert, für fastjedes Wochenende?Die Menschen haben das seinerzeit gewollt! Heute gibt es gegenüber Neuer Musikhäufig Ressentiments, es scheint, als wolle die Mehrheit eher Altes hören.Es lässt sich bei der Neuen Musik eine gewisse Diskrepanz zwischen deren Anspruchund der Erwartung der meisten Hörer nicht leugnen. Die Komponisten treten nichtmehr in den Dialog mit der Mehrheit der Hörer.Woher rührt dieses Phänomen?Ich kann diesbezüglich keine umfassende Analyse aus dem Ärmel ziehen, es betrifft janicht nur die Musik. Diese jedoch besonders extrem. Möglicherweise bringt uns derTerminus „Entfremdung“ weiter. Kunst, die sich von real lebenden Menschen entfremdethat. Vielleicht hat das seinen Anfang genommen, als Arnold Schönberg die Dur-Moll-Tonalität aufgab, um mit der Zwölftontechnik ein abstraktes technisches Systeman ihre Stelle zu setzen. Im Grunde kann das bis heute kein Hörer nachvollziehen,der nicht speziell geschult ist. Bach hat mit der „Kunst der Fuge“ ebenfalls ein hochabstraktes, sehr theoretisches Werk hinterlassen. Es bündelt seine Erkenntnisse aufdiesem Gebiet, eine Art Vermächtnis. Er hat aber nie vorgehabt, mit diesen musikalischenTheoremen seine Kompositionen für die Herzen der Hörer-Mehrheit zu ersetzen.Wo wird die Musik zu den Festmotetten ansetzen?Ich hoffe stark, dass die Festmusiken im Thomanerjahr die Herzen der Besucher in derThomaskirche zu erreichen vermögen.Ihr Amt bestellt sie eo ipso zum künstlerischen Vordenker der Festjahr-Vorbereitungen.Repräsentiert die Auswahl der Komponisten Ihre Wunsch-Vorstellungen?Ich gestehe, zunächst mit dem Gedanken geliebäugelt zu haben, in diesem Rahmenvor allem Leipziger oder wenigstens regional verwurzelten Komponisten eine Chancezu geben. Die Partner argumentierten aber mit Nachdruck dafür, der internationalenProf. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Bedeutung dieses Jubiläums auch inder Wahl der Komponisten Rechnungzu tragen. Davon habe ich mich schließlichüberzeugen lassen. Mit der nunmehrgemeinsam getroffenen Auswahlbin ich sehr zufrieden. Sie lässt auf großekünstlerische Erlebnisse hoffen. Dieunterschiedlichen musikalischen Sprachenwerden den Zyklus der Festmusikenüber das ganze Jahr hin zu einemunerhört spannenden Gesamtereignismachen.Thomaskantor Prof. Georg Christoph BillerEnthielt die Ausschreibung definierte Vorstellungen hinsichtlich der Stilistik oderanderer Attribute der Kompositionen?Nein, inhaltlich unterlagen die Komponisten keinerlei Beschränkungen. Natürlich gibtbereits die Bezeichnung Motette einen gewissen formalen und inhaltlichen, weil liturgischenRahmen vor, natürlich gibt es gewisse Beschränkungen in der Besetzungsgrößedurch die Verhältnisse in der Thomaskirche. Sonst aber herrscht alle kompositorischeFreiheit. Die von uns ausgewählten Künstler verfügen über ein großesRepertoire an Ausdrucksmöglichkeiten. Kürzlich sprach ich mit Hans Werner Henzeüber seine Arbeit. Er arbeitete dem Chor zuliebe an einem reinen A-cappella-Stück.Ich versicherte ihm, dass er sich keinesfalls bezüglich der Instrumentierung zurückhaltenmüsse. Er nahm dies sofort als Bitte und komponiert nunmehr für ein sehranspruchsvoll besetztes Kammerorchester.Besonders sind wir natürlich auf die Komposition des Thomaskantors selbst gespannt.Sie treten schließlich in große Fußstapfen!Eigentlich gibt es ja das unausgesprochene Gesetz, nicht über ein Werk zu reden,das sich gerade in Arbeit befindet. Doch ich will hier eine Ausnahme machen. Ichfreue mich sehr, dass gerade mir die Aufgabe zufiel, die Festmusik für Ostern zuschreiben. Gerade weil Ostern ein Fest ist, mit dem alle Menschen stark verbundensind, nicht nur die konfessionell gebundenen. Ostern steht für die Befreiung desMenschen aus der Dunkelheit, die Auferstehung ist der Schritt ins Licht.„Denn sie sind selber auferstanden: Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern ... /Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht / Sind sie alle ans Licht gebracht.“Genau! Goethes Osterspaziergang beschreibt das sehr gut. Ich beginne mit demDunkel. Der Schluss der Matthäuspassion. Aus dieser kühnen Dissonanz, diesemdüsteren Ende heraus möchte ich den Punkt, an dem es wieder Licht wird, beschreiben.Ich hoffe, es gelingt. Doch ich fühle mich keinem Druck ausgesetzt, befinde ichmich doch in einer vergleichbar beneidenswerten Situation: Anders als die berühmtenKomponisten der anderen Festmusiken, deren bisheriges Schaffen sie natürlicheinem gehörigen Erwartungsdruck aussetzt, bin ich ja eher als Thomaskantor bekannt.Der Druck ist geringer, der Schöpfungsprozess dadurch entspannter.Wir wünschen schöpferische Lichtstunden und danken für dieses Gespräch.26 27

Das Festjahr „<strong>800</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>THOMANA</strong>“FestmusikenIm GesprächDas Festjahr „<strong>800</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>THOMANA</strong>“FestmusikenIm GesprächProf. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Gespräch mit ThomaskantorProf. Georg Christoph BillerSehr geehrter Herr Prof. Biller, im Festjahr zum <strong>800</strong>. Jubiläum der <strong>THOMANA</strong>-Triaswerden an den fünf Hochfesten des Kirchenjahres Festmotetten erklingen, für dieKompositionsaufträge an namhafte internationale Komponisten ergingen. Sie selbstwerden einer dieser Künstler sein. So verdienstvoll ein solch künstlerisch anspruchsvollesUnterfangen ist – es könnte eingeworfen werden, dass ein derart namhaftesJubiläum in erster Linie der Erbepflege gewidmet sein müsse. Was würden Sie entgegnen,beziehungsweise: Welches Ziel verfolgt dieser Zyklus von Uraufführungen?Das Festjahr 2012 umfasst eine ganze Reihe künstlerischer und musikhistorischerAspekte. Unsere Frage bei der Vergabe der Kompositionsaufträge war die nach derFortsetzung dieser <strong>800</strong>jährigen Geschichte. Nicht OB, sondern WIE diese Geschichtefortgesetzt wird. Neue Impulse sind uns bei allem Wert des Bewahrens höchstwichtig: „Singet dem Herrn ein NEUES Lied!“ intoniert der Chor selbst immer wieder.Hat nicht auch Johann Sebastian Bach immer wieder neue Musik komponiert, für fastjedes Wochenende?Die Menschen haben das seinerzeit gewollt! Heute gibt es gegenüber Neuer Musikhäufig Ressentiments, es scheint, als wolle die Mehrheit eher Altes hören.Es lässt sich bei der Neuen Musik eine gewisse Diskrepanz zwischen deren Anspruchund der Erwartung der meisten Hörer nicht leugnen. Die Komponisten treten nichtmehr in den Dialog mit der Mehrheit der Hörer.Woher rührt dieses Phänomen?Ich kann diesbezüglich keine umfassende Analyse aus dem Ärmel ziehen, es betrifft janicht nur die Musik. Diese jedoch besonders extrem. Möglicherweise bringt uns derTerminus „Entfremdung“ weiter. Kunst, die sich von real lebenden Menschen entfremdethat. Vielleicht hat das seinen Anfang genommen, als Arnold Schönberg die Dur-Moll-Tonalität aufgab, um mit der Zwölftontechnik ein abstraktes technisches Systeman ihre Stelle zu setzen. Im Grunde kann das bis heute kein Hörer nachvollziehen,der nicht speziell geschult ist. Bach hat mit der „Kunst der Fuge“ ebenfalls ein hochabstraktes, sehr theoretisches Werk hinterlassen. Es bündelt seine Erkenntnisse aufdiesem Gebiet, eine Art Vermächtnis. Er hat aber nie vorgehabt, mit diesen musikalischenTheoremen seine Kompositionen für die Herzen der Hörer-Mehrheit zu ersetzen.Wo wird die Musik zu den Festmotetten ansetzen?Ich hoffe stark, dass die Festmusiken im Thomanerjahr die Herzen der Besucher in derThomaskirche zu erreichen vermögen.Ihr Amt bestellt sie eo ipso zum künstlerischen Vordenker der Festjahr-Vorbereitungen.Repräsentiert die Auswahl der Komponisten Ihre Wunsch-Vorstellungen?Ich gestehe, zunächst mit dem Gedanken geliebäugelt zu haben, in diesem Rahmenvor allem <strong>Leipzig</strong>er oder wenigstens regional verwurzelten Komponisten eine Chancezu geben. Die Partner argumentierten aber mit Nachdruck dafür, der internationalenProf. Biller:Prof. Biller:Prof. Biller:Bedeutung dieses Jubiläums auch inder Wahl der Komponisten Rechnungzu tragen. Davon habe ich mich schließlichüberzeugen lassen. Mit der nunmehrgemeinsam getroffenen Auswahlbin ich sehr zufrieden. Sie lässt auf großekünstlerische Erlebnisse hoffen. Dieunterschiedlichen musikalischen Sprachenwerden den Zyklus der Festmusikenüber das ganze Jahr hin zu einemunerhört spannenden Gesamtereignismachen.Thomaskantor Prof. Georg Christoph BillerEnthielt die Ausschreibung definierte Vorstellungen hinsichtlich der Stilistik oderanderer Attribute der Kompositionen?Nein, inhaltlich unterlagen die Komponisten keinerlei Beschränkungen. Natürlich gibtbereits die Bezeichnung Motette einen gewissen formalen und inhaltlichen, weil liturgischenRahmen vor, natürlich gibt es gewisse Beschränkungen in der Besetzungsgrößedurch die Verhältnisse in der Thomaskirche. Sonst aber herrscht alle kompositorischeFreiheit. Die von uns ausgewählten Künstler verfügen über ein großesRepertoire an Ausdrucksmöglichkeiten. Kürzlich sprach ich mit Hans Werner Henzeüber seine Arbeit. Er arbeitete dem Chor zuliebe an einem reinen A-cappella-Stück.Ich versicherte ihm, dass er sich keinesfalls bezüglich der Instrumentierung zurückhaltenmüsse. Er nahm dies sofort als Bitte und komponiert nunmehr für ein sehranspruchsvoll besetztes Kammerorchester.Besonders sind wir natürlich auf die Komposition des Thomaskantors selbst gespannt.Sie treten schließlich in große Fußstapfen!Eigentlich gibt es ja das unausgesprochene Gesetz, nicht über ein Werk zu reden,das sich gerade in Arbeit befindet. Doch ich will hier eine Ausnahme machen. Ichfreue mich sehr, dass gerade mir die Aufgabe zufiel, die Festmusik für Ostern zuschreiben. Gerade weil Ostern ein Fest ist, mit dem alle Menschen stark verbundensind, nicht nur die konfessionell gebundenen. Ostern steht für die Befreiung desMenschen aus der Dunkelheit, die Auferstehung ist der Schritt ins Licht.„Denn sie sind selber auferstanden: Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern ... /Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht / Sind sie alle ans Licht gebracht.“Genau! Goethes Osterspaziergang beschreibt das sehr gut. Ich beginne mit demDunkel. Der Schluss der Matthäuspassion. Aus dieser kühnen Dissonanz, diesemdüsteren Ende heraus möchte ich den Punkt, an dem es wieder Licht wird, beschreiben.Ich hoffe, es gelingt. Doch ich fühle mich keinem Druck ausgesetzt, befinde ichmich doch in einer vergleichbar beneidenswerten Situation: Anders als die berühmtenKomponisten der anderen Festmusiken, deren bisheriges Schaffen sie natürlicheinem gehörigen Erwartungsdruck aussetzt, bin ich ja eher als Thomaskantor bekannt.Der Druck ist geringer, der Schöpfungsprozess dadurch entspannter.Wir wünschen schöpferische Lichtstunden und danken für dieses Gespräch.26 27

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