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Produktesicherheit im Maschinenbau - epartners Rechtsanwälte

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Christoph Islerlic. iur., dipl. ing., RechtsanwaltPartner<strong>Produktesicherheit</strong> <strong>im</strong> <strong>Maschinenbau</strong>: Die Spielregeln <strong>im</strong> Konflikt zwischenHersteller und BehördeGerichtsurteile zur Maschinensicherheit sind rar.Mit Urteil C-4440/2008 vom 11.8.2011 hat das Bundesverwaltungsgerichteinem Schweizer Importeurund Händler von Staplern Recht gegeben, der sichgegen ein Verkaufsverbot und weitere von der Suvaverfügte Massnahmen gewehrt hatte.Obwohl das Gericht die Sicherheitsbedenken derSuva als nachvollziehbar erachtete, war entscheidend,dass die <strong>im</strong> Ausland hergestellten Staplernach einer gültigen, international harmonisiertenEN-Norm konstruiert waren. Damit galt die Sicherheitder Stapler als vermutet. Die Suva hätte das Gefährdungspotentialnicht nur glaubhaft machen,sondern nachweisen müssen. Das ist ihr nicht gelungen.Das Urteil und sein Bezug zum <strong>Produktesicherheit</strong>sgesetzDas Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-4440/2008vom 11.8.2011, publiziert unter www.bvger.ch, basiertnoch auf dem Bundesgesetz über die Sicherheit vontechnischen Einrichtungen und Geräten (STEG) und deralten Maschinenrichtlinie 98/37/EG. Beide Rechtsgrundlagenund auch die zur Debatte stehende technischeNorm sind heute nicht mehr in Kraft. In Bezug auf diesicherheitstechnischen Aspekte ist der Entscheid dahernicht aussagekräftig.Das Urteil zeigt aber auf, wie mit Konflikten zwischen derPersonensicherheit als oberster Max<strong>im</strong>e und dem Bedürfnisdes <strong>Maschinenbau</strong>ers nach Rechtssicherheit inder Konstruktion umzugehen ist. Es ist auch unter demReg<strong>im</strong>e des neuen <strong>Produktesicherheit</strong>sgesetzes (PrSG;SR 930.11) für die Maschinenbranche relevant.Der FallIm Jahr 2007 hat die Suva bei einer Arbeitsplatzkontrollein einem Betrieb einen Elektrostapler beanstandet, mitwelchem Papierrollen transportiert wurden.Die Suva hat den Schweizer Importeur und Händler diesesStaplers in die Pflicht genommen, ihm ein Verkaufsverbotauferlegt und die Nachbesserung sämtlicher bereitsgelieferter Stapler verfügt. Weiter musste er derSuva eine Kundenliste liefern und eine Gebühr von2‘200 Franken bezahlen.Bei den beanstandeten Staplern lag der Hebel zum Lösender Last unmittelbar neben dem Bedienhebel füreine andere Funktion. Dadurch war es denkbar, dassder Maschinist unabsichtlich den Lastlösemechanismusaktiviert, wenn er die Bedienhebel verwechselt. Dieserachtete die Suva (nachvollziehbarerweise) als gefährlich.Der Maschinenhersteller und Händler sah dies anders.Er argumentierte, die Hebel seien ergonomisch so gestaltetund mit klaren Symbolen bezeichnet, dass dasVerwechslungsrisiko gering sei. Ohnehin sei es verboten,sich unter der Last aufzuhalten.Der Händler hat die in Schweden hergestellten Staplervon seiner Muttergesellschaft in Deutschland <strong>im</strong>portiert,wo sie seit längerem in Gebrauch stehen. Er sah nichtein, weshalb diese Geräte in der Schweiz als unsichergelten sollten, und hat sich gegen das Verdikt der Suvavor dem Bundesverwaltungsgericht gewehrt – mit Erfolg.Die behördliche MarktüberwachungDas <strong>Produktesicherheit</strong>sgesetz ist nicht nur die Rechtsgrundlagefür materielle Sicherheitsvorschriften von Produkten,sondern verpflichtet auch die Behörden zu einerentsprechenden Überwachung des Marktes (Art. 9 ff.PrSG). Die Suva ist dabei das Vollzugsorgan für denBereich der in Betrieben eingesetzten Maschinen.Die Suva verfügt kraft ihrer Funktion über weitreichendeKompetenzen und n<strong>im</strong>mt diese – das weiss jeder Marktteilnehmer– auch wahr.Konformitätsvermutung: Bezeichnete technischeNormen führen zur BeweislastumkehrWer Maschinen in Verkehr bringt, muss dafür besorgtsein, dass sie sicher sind. Er muss das auch nachweisenkönnen (Art. 3 – 5 PrsG).Das SECO lässt diejenigen technischen Normen bezeichnen,die geeignet sind, die grundlegenden Sicherheits-und Gesundheitsanforderungen zu erfüllen(Art. 6 PrSG).Newsletter <strong>Produktesicherheit</strong> Februar 2012


Ist eine Maschine nach diesen bezeichneten Normenkonstruiert, wird von Gesetzes wegen vermutet, dass siesicher ist (Art. 5 PrSG).Das bedeutet zwar nicht, dass der Maschinenherstellervon seiner Verantwortung für die Sicherheit der Maschinebefreit wäre. Was ändert, ist die Beweislast. Nicht derHersteller muss die Sicherheit, sondern die Behördemuss die Gefährlichkeit der Maschine nachweisen.Was in Europa sicher ist, ist auch in derSchweiz sicherBei den bezeichneten technischen Normen handelt essich praktisch <strong>im</strong>mer um international harmonisierteNormen. Für Importeure und Händler gilt daher: was inEuropa als sicher gilt, hat grundsätzlich auch in derSchweiz als sicher zu gelten.Der Geltungsbereich technischer NormenDie Suva war der Ansicht, dass das unbeabsichtigteAuslösen des Lastlösemechanismus durch eine technischeMassnahme, z.B. eine zweite bewusst zu betätigendeFunktion, verunmöglicht werden müsse. Sie verwiesauf die Maschinenrichtlinie, welche festlegt, dassBedienteile so konzipiert sein müssen, dass die beabsichtigteWirkung nicht unbeabsichtigt eintreten kann.Der Maschinenhersteller machte geltend, dass die Maschinenach der bezeichneten harmonisierten Norm EN1726-1 konstruiert sei. Diese verlange den von der Suvageforderten Schutzmechanismus nicht. Die Maschineerfülle damit alle gesetzlichen Anforderungen.Die Suva stellte sich auf den Standpunkt, dass die besagteNorm eine Lücke aufweise. Die (damals) erst <strong>im</strong>Entwurf vorhandene Norm EN ISO 3691 sehe nämlicheine derartige Sicherheitsfunktion vor.Das Bundesverwaltungsgericht hielt zunächst einmalfest, dass die vom Maschinen<strong>im</strong>porteur herangezogeneNorm eine harmonisierte sog. Typ-C Norm war und dieVermutungswirkung auslöste. Weiter kam es zumSchluss, dass diese Norm die Anforderungen an dieBedienelemente von Staplern umfassend und abschliessendregelte und daher das zum Zeitpunkt des Inverkehrbringensaktuelle Schutzniveau der Maschinenrichtlinierepräsentierte.Einschränkungen des Geltungsbereichs einer Normmüssten in der Norm selber festgelegt sein und dürfenaus Gründen der Rechtssicherheit nicht <strong>im</strong> Einzelfallfestgestellt werden.Sicherheitsmängel trotz Normkonformität – daskorrekte VerfahrenDem Gericht erschien das Gefährdungspotential derStaplerbedienung durchaus glaubhaft. Dies genügteaber nicht, um dem Maschinen<strong>im</strong>porteur die von derSuva verfügten Massnahmen aufzuzwingen.Die Suva hätte feststellen (und begründen) müssen,dass die angerufene bezeichnete Norm dem Sicherheitsniveauder Maschinenrichtlinie nicht entspricht.Andernfalls hätte sie prüfen müssen, ob diese Normeffektiv eingehalten ist. Dazu hätte sie die gesamtentechnischen Unterlagen einfordern müssen. Dann hättesie die Konformitätsvermutung mit dem Nachweis umstossenkönnen, dass trotz Normkonformität eine Gefährdungvon Personen besteht.Ein blosses Glaubhaftmachen des Gefährdungspotentialsgenügen für diesen Nachweis nicht.FazitAngesichts der nachvollziehbaren Sicherheitsbedenkenmuss sich die Suva kaum vorwerfen lassen, vorliegendeingeschritten zu sein.Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts führt aber inErinnerung, dass die <strong>Produktesicherheit</strong>sgesetzgebungeben nicht nur sichere Produkte gewährleisten, sondernauch den freien internationalen Warenverkehr erleichternsoll. Hersteller, Importeure, Händler andere Inverkehrbringervon Maschinen und Anlagen haben Anspruchauf ein grösstmögliches Mass an Rechtssicherheit.Das <strong>Produktesicherheit</strong>sgesetz legt das Vorgehenfest, wenn sich diese Interessen widersprechen.Das heisst nicht, dass es sinnvoll ist, solche Konflikte vorGericht auszutragen. Die zuständigen Behörden dürfenaber nicht alleine aus der Optik der Personensicherheithandeln (auch wenn dies ihnen historisch bedingt naheliegt),sondern müssen auch den Anspruch der Herstellerauf Rechtssicherheit ernst nehmen. Das darf jederMaschinen- und Anlagebauer mit gutem Gewissen einfordern.Christoph IslerEgli Isler Partner <strong>Rechtsanwälte</strong> AGPuls 5, Hardturmstrasse 11CH-8005 ZürichTel. +41 (0)43 268 87 77Fax +41 (0)43 268 87 79sekretariat@<strong>epartners</strong>.chwww.<strong>epartners</strong>.chNewsletter <strong>Produktesicherheit</strong> Februar 2012

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