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Die Beste Zeit Nr 4.indd - Druckservice HP Nacke KG

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Wuppertaler Kunstmäzen und<br />

Sammler in Berlin -<br />

von Johannes Vesper<br />

Boros Collection<br />

<strong>Die</strong> Hinweise in schwarzer Standardschrift auf den Betonwänden („2. Geschoß A2.<br />

Rauchen verboten“) dienten ursprünglich der Orientierung in dem ehemaligen Luftschutzbunker.<br />

Seit 1942 steht er in Berlin Mitte in der Nähe des Deutschen Theaters<br />

und des Bahnhofs Friedrichstraße mit 180 cm dicken Außenwänden und 320 cm starker<br />

Dachplatte aus Blaubeton. Nach Plänen des Architekten Karl Bonatz, dem Nachfolger<br />

von Hans Scharoun als Berliner Stadtbaudirektor nach dem Krieg, ist er für die Reichsbahn<br />

errichtet worden. 1200 Personen bot er ursprünglich Schutz vor Bombenagriffen<br />

und Beschuß. Wie Narben zeugen die Schußlöcher in den Wänden noch heute von der<br />

Geschichte des Baus. <strong>Die</strong> Renaissance-Elemente von Fassade und Dach gehörten zur<br />

Konzeption der vorgesehenen Umgestaltung Berlins zur faschistischen Welthauptstadt.<br />

Nach dem Krieg wurde der Bunker unterschiedlich genutzt: als Kriegsgefängnis der<br />

Roten Armee, als „Bananenbunker“ zu DDR-<strong>Zeit</strong>en (Lagerung von Südfrüchten durch<br />

den VEB Obst-Gemüse-Speisekartoffeln), nach der Wende als Ort von Techno-Musik<br />

und wilden Partys. 1996 fand eine Kunstausstellung statt und 2003 kaufte Christian<br />

Boros den jahrelang nicht mehr genutzten, ruinösen Klotz. <strong>Die</strong> umfangreichen Fassaden-Arbeiten<br />

führte das Berliner Unternehmen Asta-Natursteine von Irmgard Stankat<br />

und Egbert Polanz (beide Ex-Wuppertaler) aus. Christian Boros ist Kommunikationsdesigner<br />

(Studium in den 80er Jahren bei Bazon Brock in Wuppertal). Er gründete die<br />

Boros Agentur für Kommunikation in Wuppertal (Werbeagentur bzw. inzwischen eine<br />

Gruppe von Agenturen) und sammelt zusammen mit seiner Frau Karen Lohmann seit<br />

seinem 18. Lebensjahr Kunst der Gegenwart. Den Traum vom eigenen Museum hat er<br />

sich mit dem Kauf des Bunkers 2003 und dem anschließenden Umbau erfüllt. Nach<br />

den Vorstellungen des Architekten Jens Casper wurden unter Berücksichtigung des<br />

Denkmalschutzes Anbauten entfernt, Betondecken und Innenwände mit Diamantsägen<br />

herausgesägt, Wände sandgestrahlt oder auch nur gewaschen. Der Charakter des Bunkers<br />

blieb mit Kriegsspuren, Graffi ti und im Inneren mit rostigen Türen und Telefonen<br />

aus der Kriegszeit erhalten. Selbst Spuren der Latrinen sind im Boden noch sichtbar. So<br />

entstanden aus ursprünglich 160 gleichförmigen Räumen 80 Räume unterschiedlicher<br />

Größe und unterschiedlichen Zuschnitts (bis zu 20 m hoch), in denen auf 3000 qm in<br />

5 Etagen die gesammelte Kunst ausgestellt wird. <strong>Die</strong> Besucher werden über 4 doppelläufi<br />

ge Treppenhäuser, die ursprünglich der schnellen Verteilung der Schutzsuchenden im<br />

Bunker dienten, durch das Gebäude geleitet. Also auch im Innern Renaissance-Elemente,<br />

gilt doch die doppelläufi ge Treppe als eine Erfi ndung Leonardo da Vincis. Oben auf<br />

dem Bunker entstand eine bungalowartige, ringsum verglaste Dachwohnung von 450<br />

qm Wohnfl äche, die nur über einen privaten Aufzug erreichbar ist. Der Legende nach<br />

genehmigte das phantasievolle Bauamt Berlins die Dachwohnung auf dem Bunker als<br />

unterkellertes Einfamilienhaus.<br />

Seit 2008 ist die Sammlung Boros der Öffentlichkeit zugänglich. Der Besuch ist nur<br />

nach Voranmeldung im Rahmen einer Führung möglich. 157 Kunstwerke von 21<br />

Berliner Künstlern oder Künstlern, die zeitweise in Berlin gearbeitet haben, sind ausgestellt.<br />

In der aktuellen Ausstellung fi nden sich vorwiegend Objekte und Installationen.<br />

Dabei wurden die Objekte teilweise von den Künstlern ortspezifi sch in den Räumen<br />

installiert. Gleich beim Betreten des Bunkers schlägt ernst und tonlos über dem Besucher<br />

eine Kirchenglocke aus Flandern von Kris Martin, und im Nebenraum glänzt<br />

sein silberner Schädel (tatsächlich sein eigener, computertomographisch vermessen, in<br />

Bronze gegossen und anschließend versilbert). Ein aktuelles Stilleben. Wem schlägt hier<br />

die Stunde?<br />

<strong>Die</strong> schwarz glänzende, begehbare Holzskulptur Monika Sosnowskas paßt kaum in die<br />

kleinen Räume. In der schwarzen Enge im Innern verliert man kurz die Orientierung.<br />

Bei der Berliner colour sphere von Olafur Eliasson, von dem sich 20 Werke im Bunker<br />

befi nden, werden Raum und Betrachter durch eine sich drehende Kugel aus farbigen<br />

Glasdreiecken in farbiges Licht getaucht. Eliassons an einem Kabel aufgehängter Ventilator<br />

brummt und fl iegt wie eine Hummel durch einen 20 m hohen Raum.<br />

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