Molzbichler, Kulturen in Konflikt
Molzbichler, Kulturen in Konflikt
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<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen169Das Globe-Projekt weist darauf h<strong>in</strong>, dass langsam auch e<strong>in</strong> großer Streitpunkt <strong>in</strong>nerhalbder InterkulturalistInnen geklärt werden kann: Nationalstaatliche Grenzens<strong>in</strong>d demnach für die Untersuchung kultureller Unterschiede nicht mehr so wichtig,sondern das Hauptaugenmerk liegt auf transnationalen bzw. regionalen kulturellenGeme<strong>in</strong>samkeiten und Unterschieden. InterkulturalistInnen s<strong>in</strong>d sich somit immermehr dessen bewusst, dass klare Grenzziehungen zwischen <strong>Kulturen</strong> unmöglich s<strong>in</strong>d.Die Me<strong>in</strong>ungen gehen jedoch weiter ause<strong>in</strong>ander, wenn es um e<strong>in</strong>e Bewertung geht,<strong>in</strong>wiefern Untersuchungen wie jene von Hofstede dann noch aussagekräftig und vertretbars<strong>in</strong>d.3. Wann sprechen wir von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>?Die Auffassungen, ob und wann wir überhaupt von <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>en sprechenkönnen, s<strong>in</strong>d breit gefächert. Zählen etwa peace-keep<strong>in</strong>g-Aktionen bei e<strong>in</strong>em ethnopolitischen<strong>Konflikt</strong> <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Staates <strong>in</strong> Ostafrika genau so zu diesem Bereichwie e<strong>in</strong>e Moderation bei e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>andersetzung zwischen AsylwerberInnen undVerwaltungsbeamtInnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Westeuropa? Können Missverständnissezwischen Franzosen und Deutschen, die geme<strong>in</strong>sam an e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen Projekte<strong>in</strong>es mult<strong>in</strong>ationalen Konzerns arbeiten, ebenso diesem Bereich zugerechnet werden,wie e<strong>in</strong>e Ehekriseberatung zwischen e<strong>in</strong>er Muslim<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>em Katholiken?Gehört die Bearbeitung von Vorurteilen zwischen Autochthonen und Allochthonen 3auch <strong>in</strong> dieses Feld? S<strong>in</strong>d nicht viele <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>e de facto Generationenkonflikteoder <strong>Konflikt</strong>e aufgrund von Machtgefälle? S<strong>in</strong>d Kommunikationsbarrieren,biologische Unterschiede, Stereotype, verschiedene Wertvorstellungen, Religionsbekenntnisseoder Missverständnisse hauptsächlich für so genannte <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>e»verantwortlich«?Wichtig ist die Feststellung, dass es wegen der unterschiedlichen Herangehensweisenaufgrund der verschiedenen Diszipl<strong>in</strong>en, Interessen und mentalen Programmierungenke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>gültige Def<strong>in</strong>ition geben kann, was nun e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terkulturellen<strong>Konflikt</strong> ausmacht. In diesem Kontext sei auf Stella T<strong>in</strong>g-Toomeys Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terkulturellen<strong>Konflikt</strong>s h<strong>in</strong>gewiesen:»Intercultural conflict is def<strong>in</strong>ed as the perceived or actual <strong>in</strong>compatibility of values, norms,processes, or goals between a m<strong>in</strong>imum of two cultural parties over content, identity, relational,and procedural issues« (T<strong>in</strong>g-Toomey 1999, 194).Aufbauend auf T<strong>in</strong>g-Toomeys Darstellung kann somit von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>gesprochen werden, wenn es sich dabei um m<strong>in</strong>destens zwei kulturell verschiedeneParteien (Individuen) handelt, wobei m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Partei Unvere<strong>in</strong>barkeiten imDenken, Fühlen oder/und Wollen (etwa bei Wertvorstellungen, Normen, Verfahrenoder Zielerreichung) mit der anderen Partei (mit den anderen Parteien) erlebt. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkultureller<strong>Konflikt</strong> liegt auch dann vor, wenn sich die e<strong>in</strong>e Partei im Realisieren ih-3 »Autochthon« bedeutet »e<strong>in</strong>geboren« (e<strong>in</strong>heimisch), »allochthon« me<strong>in</strong>t »an anderer Stelle entstanden«(fremd).www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184