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Molzbichler, Kulturen in Konflikt

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160 Daniela <strong>Molzbichler</strong><strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>?Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen BeziehungenDaniela <strong>Molzbichler</strong> (Salzburg)Kulturelle Unterschiede werden immer häufiger für Krisen, <strong>Konflikt</strong>e und Kriege verantwortlichgemacht. Die dazugehörigen Erklärungsschemata weisen stets darauf h<strong>in</strong>, dass kulturelleund religiöse Differenzen die Hauptursache für Ause<strong>in</strong>andersetzungen s<strong>in</strong>d. Dies schürt weltweitdas Misstrauen gegenüber allem Fremden, produziert Angst, Wut und Ohnmacht. Ume<strong>in</strong>erseits verschiedene <strong>Kulturen</strong> als Chance und nicht als Risiko zu begreifen und andererseitsMisstrauen und Ohnmachtsgefühlen entgegenzuwirken, werden <strong>in</strong> diesem Artikel verschiedeneDef<strong>in</strong>itionen von und Theorien über Kultur vorgestellt. Dadurch soll die Substanz kultureller<strong>Konflikt</strong>potenziale sichtbar gemacht werden, damit kulturelle Differenzen nicht mehrals gegeben und unveränderbar gelten. In diesem Zusammenhang wird argumentiert, dass dieBeteiligten selbst aktiv Mitverantwortung bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>behandlung oderbei der Gestaltung geme<strong>in</strong>samer Werte im Begegnungsraum der <strong>Kulturen</strong> übernehmen.1. E<strong>in</strong>leitende Worte und BegriffsklärungenUm <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>e zu bearbeiten, sie zu lösen, müssen wir sie zuerst begreifen.Gerade dieses Begreifen fällt schwer, da wir selbst kulturell »mental programmiert«s<strong>in</strong>d (siehe dazu Kap. 2.2) und uns gleichzeitig <strong>in</strong> unterschiedlichen <strong>Kulturen</strong> bewegen.Somit erfordert bereits das Durchschauen e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>s e<strong>in</strong> hohesMaß an Selbstreflexion aller <strong>Konflikt</strong>beteiligten. Diese Selbstreflexion kann vertieft underlernt werden und ist <strong>in</strong>tegraler Bestandteil der <strong>in</strong>ter- bzw. transkulturellen Kompetenz.Was dies aber konkret bedeutet, und wo vor allem die Schwierigkeiten liegen, wird<strong>in</strong> diesem Beitrag kurz erläutert.Die begriffliche Unterscheidung zwischen Multi-, Inter- und Transkultur erfolgt <strong>in</strong>Anlehnung an Wolfgang Welsch (1995). Er beschreibt das Kulturverständnis bei Multikultur-Konzeptenals ethnisch fundiert und nach außen abgegrenzt: Hier kann mansich <strong>Kulturen</strong> als Inseln oder Kugeln vorstellen, die vone<strong>in</strong>ander getrennt s<strong>in</strong>d. DiesesKonzept ist oft mit e<strong>in</strong>er Hierarchisierung der <strong>Kulturen</strong> verbunden. <strong>Konflikt</strong>e zwischen<strong>Kulturen</strong> können nach dieser Anschauung lediglich entschärft, nicht aber aufgehobenwerden.<strong>Konflikt</strong>bearbeitung soll Akzeptanz und Toleranz fördern helfen. Aufgrund dieserÜberlegungen wird <strong>in</strong> Fachkreisen nicht mehr von Multikulturalität, sondern von Interkulturalitätgesprochen. Pr<strong>in</strong>zipiell wird auch bei Interkultur-Konzepten von <strong>in</strong> sichgeschlossenen und abgegrenzten <strong>Kulturen</strong> ausgegangen, die jedoch beispielsweise aufgrunde<strong>in</strong>es kulturellen Austausches Überschneidungen aufweisen und sich dadurchauch verändern können. Hier werden E<strong>in</strong>flüsse von anderen <strong>Kulturen</strong> als BereicherungSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen161für die eigene Kultur angesehen. Der Ethnozentrismus ist nicht ganz so stark ausgeprägtwie bei Multikultur-Konzepten und auch die Überlegenheit der eigenen Kultursteht weniger im Vordergrund.Wenn beispielsweise davon ausgegangen wird, dass die eigene Kultur wertvoller,höher entwickelt oder besser ist, und man ke<strong>in</strong>e anderen kulturellen Wertvorstellungenanerkennt, dann ist der Ethnozentrismus stark entwickelt. Hier wird jegliche Form vonInterkulturalität verachtet. Zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d diese Anschauungen vor allem bei fundamentalistischenGruppierungen, die es <strong>in</strong> jeder Kultur gibt. Meist gehen diese Hand <strong>in</strong>Hand mit Unsicherheit, Ohnmacht und Angst. Indem man etwa »das Fremde« verachtetund bekämpfen möchte, verstärkt man gleichzeitig das <strong>Konflikt</strong>potenzial und dienegative Abgrenzung, da e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Austausch oder e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Ebenenicht zugelassen werden. <strong>Konflikt</strong>e auf diesem Niveau s<strong>in</strong>d langwierig zu behandeln, daman zuerst mit den <strong>Konflikt</strong>parteien getrennt arbeiten muss, um zu erkennen, was eigentlichh<strong>in</strong>ter dieser Antipathie steckt.Begreift man, dass es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Kultur auch wertvolle Aspekte gibt oderMenschen, mit denen man beispielsweise gut zusammenarbeitet, oder sich versteht,dann relativiert sich dieses Bild der anderen Kultur. Dennoch kann hier die eigene Kulturnach wie vor als wertvoller betrachtet werden, die Akzeptanz und Toleranz gegenüberder anderen Kultur hat sich jedoch verändert. Die Grenzen zwischen Multi- undInterkulturalität s<strong>in</strong>d dabei fließend. So tritt das »Bessere« der eigenen Kultur immermehr <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund, wenn festgestellt wird, dass die andere Kultur vieles zu bietenhat, das die eigene Kultur bereichert oder ergänzt. <strong>Konflikt</strong>e auf diesen Ebenen s<strong>in</strong>de<strong>in</strong>facher zu bearbeiten, da die ersten Schritte der Empathie bereits gesetzt s<strong>in</strong>d – <strong>in</strong>terkulturellbed<strong>in</strong>gte Missverständnisse etwa können mit e<strong>in</strong>fachen Reparationsstrategien(siehe dazu Kap. 3.2) behandelt werden.Im Vergleich zu Multi- und Interkultur-Konzepten basieren Transkultur-Konzepteauf e<strong>in</strong>em völlig anderen Verständnis von Kultur(en):»Das Konzept der Transkulturalität entwirft e<strong>in</strong> anderes Bild vom Verhältnis der <strong>Kulturen</strong>.Nicht e<strong>in</strong>es der Isolierung und des <strong>Konflikt</strong>s, sondern e<strong>in</strong>es der Verflechtung, Durchmischungund Geme<strong>in</strong>samkeit. Es befördert nicht Separierung, sondern Verstehen und Interaktion.Gewiss enthält dieses Konzept Zumutungen gegenüber liebgewonnenen Gewohnheiten – wiedie heutige Wirklichkeit überhaupt. Im Vergleich zu anderen Konzepten skizziert es aber denam ehesten gangbaren Weg« (Welsch 1995, 44).Im Rahmen der Transkulturalität s<strong>in</strong>d <strong>Kulturen</strong> nicht klar zu trennen, sie s<strong>in</strong>d charakterisiertdurch Vernetzungen, vielfältige Verb<strong>in</strong>dungen und Vermischungen. Hier s<strong>in</strong>dAbgrenzungen und somit auch ethnozentristische Denkweisen obsolet geworden. FürWelsch ist Transkulturalität der e<strong>in</strong>zig gangbare Weg, um etwa mit den gegenwärtigen<strong>Konflikt</strong>en zwischen verschiedenen <strong>Kulturen</strong> oder Religionen umgehen zu können, da<strong>in</strong> der <strong>Konflikt</strong>bearbeitung aller Betroffenen das gegenseitige Verstehen und Anerkennenim Mittelpunkt stehen. In der Realität zeigt sich jedoch, dass wir von e<strong>in</strong>er »gelebtenTranskulturalität« noch weit entfernt s<strong>in</strong>d.Im Folgenden soll kurz erläutert werden, was unter Kultur verstanden werdenkann, wie die historische Entwicklung dieses Begriffs aussieht, welche verschiedenenwww.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen163spricht (Cicero 1998/ 45 v. Chr., 5.331). 1 Bereits im klassischen Altertum wurde die Forderungnach e<strong>in</strong>er Menschheits- und Geisteskultur aufgestellt. Der alle<strong>in</strong>ige BegriffKultur – im S<strong>in</strong>ne von »Geistesverbesserung« – f<strong>in</strong>det jedoch erst im 18. Jahrhundert,ausgehend von Frankreich, Verwendung. Erst <strong>in</strong> dieser Periode gew<strong>in</strong>nt das Wort Kulturan Bedeutung, deshalb setzt auch die <strong>in</strong>tensivere kritische Erörterung des Begriffserst ab diesem Zeitraum e<strong>in</strong>. In der Aufklärung wurde das Wort Kultur als Synonym fürdie »Veredelung des Menschen« und für den Glauben an Fortschritt verwendet. MitRousseaus Darstellung des Verfalls der Menschheit (1755) wird Kultur kritisch betrachtet.In diesem Zusammenhang spielen auch die Infragestellung der ständisch-feudalenGesellschaft – gefordert von der Bourgeoisie –, der beg<strong>in</strong>nende Imperialismus und dieSteigerung des Welthandels e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. In Anlehnung an Cicero schreibt Kant:»Der Anbau (cultura) se<strong>in</strong>er Naturkräfte (Geistes-, Seelen- und Leibeskräfte), als Mittelzu allerlei möglichen Zwecken ist Pflicht des Menschen gegen sich selbst« (Kant1998/ 1797, 27.279).Nach und nach wird der Begriff erweitert, bis er schließlich zum Synonym für e<strong>in</strong>enkultivierten und gebildeten Menschen wird. Klemm beispielsweise wandte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emWerk »Allgeme<strong>in</strong>e Culturgeschichte der Menschheit« (Klemm 1843) e<strong>in</strong>en breitenKulturbegriff an, um die Stufen der Zivilisation zu bezeichnen. Jahoda weist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emArtikel »Ansichten über die Psychologie und die ›Kultur‹« (1995) darauf h<strong>in</strong>, dass derenglische Anthropologe Tylor die Klemmsche Def<strong>in</strong>ition von Kultur übernommen hat.Die breite Kulturdef<strong>in</strong>ition Tylors (1871) ist vor allem für den sozialwissenschaftlichenBereich von großer Bedeutung:»Culture, or civilization... is that complex whole which <strong>in</strong>cludes knowledge, belief, art,morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a memberof society« (Tylor, 1871, 7).Auch bei Tylor erkennen wir, dass er e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>er Zeit ist. Diese Def<strong>in</strong>ition wurde imGroßbritannien der viktorianischen Ära entwickelt. Kultur oder Zivilisation wurde alsKomplex von Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Recht und anderer Befähigungen undGewohnheiten verstanden: Kultur oder Zivilisation war etwas, das e<strong>in</strong>e Nation oder e<strong>in</strong>Volk mehr oder weniger besaß, und das sich jeder Mensch über se<strong>in</strong>e Mitgliedschaft <strong>in</strong>der Gesellschaft <strong>in</strong> unterschiedlichem Maß aneignete. So g<strong>in</strong>g man etwa auch davonaus, dass die »upper class« nicht nur zivilisierter, sondern auch kulturell höher stehendsei.Diese Sichtweise ändert sich jedoch mit den Ansprüchen der immer selbstbewussterwerdenden Arbeiterklasse auf »Kultur« und die »freie Entfaltung aller« (vor allemim deutschen Sprachraum) – e<strong>in</strong> weiterer Meilenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mitdiesem Begriff. Hervorzuheben ist hierbei vor allem Liebknecht, der davon ausg<strong>in</strong>g,dass nur die revolutionäre Umwälzung der Arbeits- und Lebensverhältnisse dem Proletariate<strong>in</strong>e kulturelle Perspektive eröffnen könne (Liebknecht 1979/ 1872). Verstärktwird die Kritik an der bürgerlichen Kultur, die an Eliten gebunden ist, gefordert wird1 Entstanden 45 v. Chr., Erstdruck <strong>in</strong> Köln ca. 1470. Erste deutsche Übersetzung unter dem Titel »Ciceroan Brutus über das höchste Gut und über das höchste Übel nebst dessen Paradoxen« 1789.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen165schen Union bei Ehrenmorden (beispielsweise wenn e<strong>in</strong> Vater se<strong>in</strong>e Tochter wegen Ungehorsamstötet) Strafmilderung erteilt, da dies Teil der Kultur und Religion des Angeklagtensei, erhält der kulturelle Relativismus e<strong>in</strong>en schalen Beigeschmack.Seit Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob sichKulturdef<strong>in</strong>itionen primär auf die Person beziehen (wie wir dies bei Benedict 1934, Boas1940, White 1949, Mead 1963 und Lévi-Strauss 1972 nachlesen können) oder ob Kulturetwas »Äußerliches« ist, das auf Menschen e<strong>in</strong>fließt, <strong>in</strong>dem »Kultur« von außen auf siewirkt (siehe etwa Lowie 1937 und Kroeber/ Kluckhohn 1952).Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wird e<strong>in</strong>e genaue Darstellung der Kulturdef<strong>in</strong>itionenimmer schwieriger. Jede Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong> bietet verschiedenste Begriffsklärungenvon Kultur, die ihrerseits wieder weiterentwickelt werden. Daraus entsteht e<strong>in</strong>eFülle an unterschiedlichen Erklärungen, die nicht mehr überschaubar s<strong>in</strong>d.2.2 Kultur als mentale ProgrammierungAus dieser unendlich sche<strong>in</strong>enden Fülle an Def<strong>in</strong>itionen möchte ich e<strong>in</strong>en der bedeutendstenund strittigsten Ansätze für Kulturunterschiede hervorheben, nämlich jenen desNiederländers Geert Hofstede (1968, 1980, 1997) Auch Hofstede ist sich der vielschichtigenBedeutung von »Kultur« bewusst und versucht, zwischen e<strong>in</strong>em Begriff im engerenS<strong>in</strong>ne, er bezeichnet dies als »Kultur I«, und e<strong>in</strong>em Begriff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren S<strong>in</strong>ne, als»Kultur II«, zu unterscheiden. In Anlehnung an das am meisten verbreitete Verständnisvon »Kultur« wird Kultur I als Zivilisation im S<strong>in</strong>ne von »cultura animi« verstanden.Interessanter für ihn ist jedoch Kultur II, denn hier f<strong>in</strong>det »... die kollektive Programmierungdes Geistes (statt), die die Mitglieder e<strong>in</strong>er Gruppe oder Kategorie vonMenschen von e<strong>in</strong>er anderen unterscheidet« (Hofstede 1997, 4). Nach Hofstede wirdKultur II erlernt. Er ist davon überzeugt, dass »… die Persönlichkeit e<strong>in</strong>es Individuumsdessen e<strong>in</strong>zigartige Komb<strong>in</strong>ation mentaler Programme (ist), die es mit ke<strong>in</strong>em anderenMenschen teilt. Sie begründet sich auf Charakterzüge, die teilweise durch die e<strong>in</strong>maligeKomb<strong>in</strong>ation von Genen dieses Individuums ererbt und teilweise erlernt s<strong>in</strong>d« (Hofstede1997, 5). Die mentale Software »… bestimmt die verschiedenen Muster im Denken,im Fühlen und im Handeln. Sie kann Aufschluss darüber geben, welche Reaktionenangesichts der persönlichen Vergangenheit wahrsche<strong>in</strong>lich und verständlich s<strong>in</strong>d ...«(Hofstede 1997, 3), wobei jede Person die Option besitzt, davon abzuweichen oder etwaszu verändern.Die Quellen für die mentale Programmierung s<strong>in</strong>d im sozialen Umfeld zu f<strong>in</strong>den.Es gibt verschiedene Ebenen dieser mentalen Programmierung, wie etwa die regionale,religiöse oder sprachliche Zugehörigkeit, das Geschlecht, die Generation, die Ausbildungoder der Arbeitsplatz. Aufgrund der widersprüchlichen mentalen Programme <strong>in</strong>jedem Menschen ist dessen Verhalten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Situation schwer vorauszusehen.Fest steht nach Me<strong>in</strong>ung Hofstedes jedoch, dass die religiösen Anschauungen oder wissenschaftlichenTheorien e<strong>in</strong>er Person zu jener mentalen Software passen, mit der sie<strong>in</strong> der Familie, <strong>in</strong> der Schule, am Arbeitsplatz programmiert wurde und wird. Somits<strong>in</strong>d diese verschiedenen mentalen Programmierungen für kulturelle Unterschiede verantwortlichund ke<strong>in</strong> Mensch besitzt die gleiche mentale Programmierung.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


166 Daniela <strong>Molzbichler</strong>Für Hofstede existieren viele Manifestationen kultureller Unterschiede, er weistjedoch speziell auf folgende vier h<strong>in</strong>: Symbole (dazu zählen etwa Gesten oder Fahnen),Helden, Rituale (wie etwa Zeremonien) und Werte. Werte gehören zu den ersten D<strong>in</strong>gen,die e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d erlernt. Es s<strong>in</strong>d Gefühle, die sich zwischen e<strong>in</strong>em Plus- und M<strong>in</strong>uspolorientieren, wie etwa folgende Fragen zeigen: Was ist gut oder böse? Was ist schön oderhässlich? Hofstede ist überzeugt, dass besonders Werte für Unterschiede zwischen den<strong>Kulturen</strong> verantwortlich s<strong>in</strong>d und f<strong>in</strong>det dafür wiederum vier verschiedene Dimensionen.Dabei handelt es sich um Machtdistanz (Verhältnis zu Macht/ Ungleichheit), Individualismus(Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe), Maskul<strong>in</strong>ität (Rollenverhaltenvon Mann und Frau) und Unsicherheitsvermeidung (Verhältnis zu Toleranz)(Hofstede 1997).Ende der 1960er-Jahre startete Hofstede e<strong>in</strong>e umfangreiche empirische Untersuchungüber kulturelle Unterschiede (die Gesamtergebnisse wurden erst 1980 <strong>in</strong> Buchformveröffentlicht). In 53 Ländern und Länderregionen wurden 116.000 Personen aus38 Berufssparten mit <strong>in</strong> 20 Sprachen übersetzten Fragebögen zu arbeitsbezogenenWertvorstellungen befragt. Hofstede wollte im Unternehmen »Hermes« (mittlerweileweiß man, dass es sich hierbei um IBM handelt) die Unternehmenskultur untersuchen.Dabei g<strong>in</strong>g er davon aus, dass die »nationalen <strong>Kulturen</strong>« die Unternehmenskultur bee<strong>in</strong>flussen,und es somit <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen IBM-Niederlassungen nicht e<strong>in</strong> unddieselbe Unternehmenskultur gibt.Hofstedes Studie ist e<strong>in</strong>e der umfassendsten Erhebungen und Datenauswertungenzum Themenbereich kultureller Unterschiede. Ke<strong>in</strong>e andere Studie <strong>in</strong> diesem Bereichhat so viele Nachfolgestudien, so viel Kritik und so viele NachahmerInnen vorzuweisen.E<strong>in</strong>e der bekanntesten Nachfolgestudien wurde von der Ch<strong>in</strong>ese CultureConnection durchgeführt, die neben den vier Dimensionen Hofstedes (Macht undUngleichheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft, Individualismus und Kollektivismus, Rollenverhaltenvon Mann und Frau und Unsicherheitsvermeidung) e<strong>in</strong>e fünfte Dimensionidentifizierte. Diese Dimension (kurz- oder langfristige Orientierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft)wurde von Hofstede <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e weiterführenden Arbeiten aufgenommen (Ch<strong>in</strong>eseCulture Connection 1987).Folgende Fragen/ Dimensionen bilden seither die Basis für Hofstedes Arbeit undwerden mit dieser <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht:1. Wie wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kultur mit Macht, mit Ungleichheit umgegangen?(Beispiel: Wie wird etwa Macht und Geld verteilt?)2. Wird Individualismus oder Kollektivismus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kultur bevorzugt?(Beispiel: Welchen Stellenwert hat die Familie?)3. Ist die Kultur eher maskul<strong>in</strong> oder eher fem<strong>in</strong><strong>in</strong> geprägt?(Beispiel: Gibt es <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong>e klare geschlechtsspezifischeRollenverteilung?)4. Wie wird mit Unsicherheit umgegangen?(Beispiel: Ist man eher tolerant oder <strong>in</strong>tolerant gegenüber Fremden?)5. Gibt es e<strong>in</strong>e kurzfristige oder e<strong>in</strong>e langfristige Orientierung?(Beispiel: Geht man sparsam mit den vorhandenen Ressourcen um?)SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen167Diese Dimensionen s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>es Erachtens positiv zu beurteilen: Sie reflektieren wesentlicheBereiche möglicher kultureller Verschiedenheit und deren Begreifen kann somitauch das gegenseitige Verständnis vertiefen.Hofstedes Studie ist e<strong>in</strong>e der breitest angelegten Datenauswertungen, die es aufdem Gebiet der Darstellung kultureller Unterschiede gibt. Positiv zu beurteilen ist vorallem se<strong>in</strong> Bemühen, die kulturellen Verzerrungen bei der Fragebogenentwicklung, dieaufgrund der mentalen Programmierung der WissenschafterInnen nicht zu vermeidens<strong>in</strong>d, mithilfe e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternational zusammengesetzten ForscherInnenteams zu m<strong>in</strong>imieren.Weil se<strong>in</strong> Team jedoch »westlich« geprägt war, kam es dennoch zu Verzerrungen.Äußerst problematisch ersche<strong>in</strong>t mir die Studie aufgrund der Auswahl der Befragten.Da alle bei IBM angestellt waren und davon ausgegangen werden kann, dass esauch e<strong>in</strong>e bestimmte Firmenkultur gibt, s<strong>in</strong>d sie als RepräsentantInnen für e<strong>in</strong> gesamtesLand eher kritisch zu beurteilen.Kulturelle Unterschiede an nationalen Grenzen festzumachen, ist ebenfalls sehrproblematisch. Da Wissenschaft an bestimmte grundlegende Strukturen anknüpfenmuss, ist man jedoch nahezu verpflichtet, e<strong>in</strong>en Bezugsrahmen festzulegen. Das bedeutetbeispielsweise, dass klare Trennl<strong>in</strong>ien aufgrund von nationalen Grenzen, wie sieHofstede verwendet, <strong>in</strong> der empirischen Forschung zwar leichter zu verarbeiten s<strong>in</strong>d;sie s<strong>in</strong>d jedoch künstlich geschaffen und müssen stets kritisch reflektiert werden.Se<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition der mentalen Programmierung, die zwar für e<strong>in</strong>zelne zu »technisch«formuliert ist, ersche<strong>in</strong>t mir h<strong>in</strong>gegen für verschiedenste Untersuchungen (mitAnwendung unterschiedlicher Methoden) im Bereich Interkulturalität nützlich. Positivhervorzuheben s<strong>in</strong>d vor allem nachfolgende Studien, die von WissenschafterInnenmit e<strong>in</strong>er »nicht (nur) westlich geprägten« mentalen Programmierung durchgeführtwurden, wie etwa die Untersuchung der Ch<strong>in</strong>ese Culture Connection (1987).2.3 Gegenwärtige Ansätze, Diskussionen und Streitpunkte im Bereichvon KulturerfassungPr<strong>in</strong>zipiell kann man mittlerweile das Feld der Kulturerfassungsansätze folgendermaßenumschreiben: Es gibt unzählige Herangehensweisen, wie man Kultur erfassen und begreifenmöchte. Grundsätzlich können wir heute zwischen so genannten »etischen«und »emischen« Kulturerfassungsansätzen unterscheiden. 2 Während die etischen, dazuzählt etwa Hofstede, mehrere <strong>Kulturen</strong> mit Hilfe von universal geltenden Kategorien/Kriterien vergleichend untersuchen, und daraus Schlussfolgerungen ziehen, steht beiemischen Kulturerfassungsansätzen meist e<strong>in</strong>e Kultur im Mittelpunkt. »Der Forschendestrebt danach, die bestehenden Strukturen und Merkmale aufzudecken und zu lernen,sie mit der e<strong>in</strong>heimischen (meist impliziten) Logik zu verstehen« (Köppel 2002,32–33). Selbstverständlich gibt es auch hier Überschneidungen. So bemühen sich e<strong>in</strong>igeInterkulturalistInnen, etische und emische Herangehensweisen zu verb<strong>in</strong>den (sieheetwa Schwartz/ Bilsky 1987, 550–562).2 Die Wurzeln von »emisch« (bedeutungsentscheidend) und »etisch« (nicht dist<strong>in</strong>ktiv) liegen <strong>in</strong> derenglischen Sprache.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


168 Daniela <strong>Molzbichler</strong>Auf heftigste Kritik stoßen die Darstellungen von Hofstede bei Hansen. Er sprichtse<strong>in</strong>en Untersuchungen die S<strong>in</strong>nhaftigkeit für die <strong>in</strong>terkulturelle Forschung ab undzieht <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e negative Bilanz:»Alles <strong>in</strong> allem ist se<strong>in</strong> [Hofstedes] Buch für die moderne Kulturwissenschaft e<strong>in</strong>e Katastrophe.Er versündigt sich an allen Fortschritten, die seit den sechziger Jahren erzielt wurden,und ausgerechnet dieses Machwerk hat die Unbelehrbaren, die den Kulturbegriff für Unfughielten, belehrt. Jene Psychologen, Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler, die nur empirischenAnalysen trauen, wurden durch Hofstedes Statistik davon überzeugt, dass Kultur aushard facts bestehe, die man messen und wiegen kann« (Hansen 2000, 285).Drechsel, Schmidt und Gölz bezeichnen derartige etische Modelle auch als »Conta<strong>in</strong>er-Theorien« und kritisieren vor allem, dass <strong>Kulturen</strong> als geschlossene E<strong>in</strong>heiten betrachtetwerden, die im Kern unveränderlich s<strong>in</strong>d. Sie plädieren für e<strong>in</strong>e breite Dimensionsvielfaltvon <strong>Kulturen</strong> und bezeichnen diese als »cultural web« (Drechsel/ Schmidt/ Gölz 2000).Me<strong>in</strong>es Erachtens ist Hofstedes Kulturerfassungsansatz kritisch zu betrachten, jedochauch als das zu <strong>in</strong>terpretieren, was er ist: E<strong>in</strong> künstliches Konstrukt, um e<strong>in</strong>en virtuellenRaum für e<strong>in</strong>en Vergleich von <strong>Kulturen</strong> zu schaffen, <strong>in</strong>dem man sich bewegenkann. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong> Gebilde, das uns erlaubt, unterschiedliche <strong>Kulturen</strong>– und <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch uns selbst – zu betrachten. E<strong>in</strong> derartigesKonstrukt bietet nicht mehr, aber auch nicht weniger.Auch die Kulturdimensionen von Hofstede wurden im Laufe der Zeit verändertund erweitert. Äußerst <strong>in</strong>teressant ist das Globe-Projekt als e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Form derHofstedeschen Untersuchung. Dieses Projekt läuft zwar bereits seit 1993, ist aber nochziemlich unbekannt. Daran s<strong>in</strong>d mittlerweile 170 WissenschafterInnen aus derzeit 61Ländern beteiligt, die mit e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Konzept ihre jeweilige »Nationalkultur«untersuchen. Die Ergebnisse werden derzeit noch erarbeitet. Erwähnenswert sche<strong>in</strong>tvor allem das geme<strong>in</strong>same Konzept zu se<strong>in</strong>, wofür die Hofstedeschen Dimensionen dieAusgangspunkte darstellten. Innovativ am Globe-Projekt ist sicherlich, dass nicht nurdie neun weiterentwickelten Dimensionen untersucht, sondern auch der »Ist-Zustand«und der »Soll-Zustand« <strong>in</strong> den jeweiligen <strong>Kulturen</strong> beschrieben werden. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>ddamit nicht nur die vorherrschenden Wertvorstellungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft oder <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Land, sondern auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Organisation usw. Es wirdsomit erhoben, wie die e<strong>in</strong>zelnen Befragten die aktuelle Situation <strong>in</strong> der Gesellschaftund <strong>in</strong> der Organisation, <strong>in</strong> der sie sich bef<strong>in</strong>den, e<strong>in</strong>schätzen und welche Wunschvorstellungensie <strong>in</strong> beiden Bereichen haben.Zusätzlich sei noch erwähnt, dass das Globe-Projekt bestimmte Länder und nationale<strong>Kulturen</strong> clustert, die genügend Geme<strong>in</strong>samkeiten aufweisen. E<strong>in</strong>e derartigeCluster-Region bilden beispielsweise Deutschland, Österreich, die deutschsprachigeSchweiz und die Niederlande. Ich denke, dass solche Verb<strong>in</strong>dungen immer mit Vorsichtzu erstellen und zu bewerten s<strong>in</strong>d, war jedoch von den Ergebnissen bee<strong>in</strong>druckt (Szaboetal. 2002, 55–68). So ergab e<strong>in</strong>e Befragung von über 900 Personen aus dem mittlerenManagement <strong>in</strong> diesen vier Ländern, dass die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnenvon ähnlich großer Bedeutung war – daher wurden bezogen auf dieses Thema die vierLänder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Cluster-Region zusammengefasst.SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen169Das Globe-Projekt weist darauf h<strong>in</strong>, dass langsam auch e<strong>in</strong> großer Streitpunkt <strong>in</strong>nerhalbder InterkulturalistInnen geklärt werden kann: Nationalstaatliche Grenzens<strong>in</strong>d demnach für die Untersuchung kultureller Unterschiede nicht mehr so wichtig,sondern das Hauptaugenmerk liegt auf transnationalen bzw. regionalen kulturellenGeme<strong>in</strong>samkeiten und Unterschieden. InterkulturalistInnen s<strong>in</strong>d sich somit immermehr dessen bewusst, dass klare Grenzziehungen zwischen <strong>Kulturen</strong> unmöglich s<strong>in</strong>d.Die Me<strong>in</strong>ungen gehen jedoch weiter ause<strong>in</strong>ander, wenn es um e<strong>in</strong>e Bewertung geht,<strong>in</strong>wiefern Untersuchungen wie jene von Hofstede dann noch aussagekräftig und vertretbars<strong>in</strong>d.3. Wann sprechen wir von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>?Die Auffassungen, ob und wann wir überhaupt von <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>en sprechenkönnen, s<strong>in</strong>d breit gefächert. Zählen etwa peace-keep<strong>in</strong>g-Aktionen bei e<strong>in</strong>em ethnopolitischen<strong>Konflikt</strong> <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Staates <strong>in</strong> Ostafrika genau so zu diesem Bereichwie e<strong>in</strong>e Moderation bei e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>andersetzung zwischen AsylwerberInnen undVerwaltungsbeamtInnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Westeuropa? Können Missverständnissezwischen Franzosen und Deutschen, die geme<strong>in</strong>sam an e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen Projekte<strong>in</strong>es mult<strong>in</strong>ationalen Konzerns arbeiten, ebenso diesem Bereich zugerechnet werden,wie e<strong>in</strong>e Ehekriseberatung zwischen e<strong>in</strong>er Muslim<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>em Katholiken?Gehört die Bearbeitung von Vorurteilen zwischen Autochthonen und Allochthonen 3auch <strong>in</strong> dieses Feld? S<strong>in</strong>d nicht viele <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>e de facto Generationenkonflikteoder <strong>Konflikt</strong>e aufgrund von Machtgefälle? S<strong>in</strong>d Kommunikationsbarrieren,biologische Unterschiede, Stereotype, verschiedene Wertvorstellungen, Religionsbekenntnisseoder Missverständnisse hauptsächlich für so genannte <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>e»verantwortlich«?Wichtig ist die Feststellung, dass es wegen der unterschiedlichen Herangehensweisenaufgrund der verschiedenen Diszipl<strong>in</strong>en, Interessen und mentalen Programmierungenke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>gültige Def<strong>in</strong>ition geben kann, was nun e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terkulturellen<strong>Konflikt</strong> ausmacht. In diesem Kontext sei auf Stella T<strong>in</strong>g-Toomeys Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terkulturellen<strong>Konflikt</strong>s h<strong>in</strong>gewiesen:»Intercultural conflict is def<strong>in</strong>ed as the perceived or actual <strong>in</strong>compatibility of values, norms,processes, or goals between a m<strong>in</strong>imum of two cultural parties over content, identity, relational,and procedural issues« (T<strong>in</strong>g-Toomey 1999, 194).Aufbauend auf T<strong>in</strong>g-Toomeys Darstellung kann somit von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>gesprochen werden, wenn es sich dabei um m<strong>in</strong>destens zwei kulturell verschiedeneParteien (Individuen) handelt, wobei m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Partei Unvere<strong>in</strong>barkeiten imDenken, Fühlen oder/und Wollen (etwa bei Wertvorstellungen, Normen, Verfahrenoder Zielerreichung) mit der anderen Partei (mit den anderen Parteien) erlebt. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkultureller<strong>Konflikt</strong> liegt auch dann vor, wenn sich die e<strong>in</strong>e Partei im Realisieren ih-3 »Autochthon« bedeutet »e<strong>in</strong>geboren« (e<strong>in</strong>heimisch), »allochthon« me<strong>in</strong>t »an anderer Stelle entstanden«(fremd).www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


170 Daniela <strong>Molzbichler</strong>res Denkens, Fühlens, Wollens – auf der Ebene ihrer Zufriedenheit, ihrer Identität, ihrerBeziehungen oder ihres Verhaltens – bee<strong>in</strong>trächtigt empf<strong>in</strong>det (siehe auch Glasls<strong>Konflikt</strong>def<strong>in</strong>ition: Glasl 1990, 14–15).Während viele alltägliche <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>e häufig auf Vorurteilen oderMissverständnissen basieren, wie wir sie jeden Tag erleben, existieren auch <strong>in</strong>terkulturelle<strong>Konflikt</strong>e, die Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lang gewachsen s<strong>in</strong>d und aufabgrundtiefem Hass beruhen können. Somit eröffnet sich für das <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong>managemente<strong>in</strong> breites Feld, das jedoch noch weit gehend brach liegt. Schwierigund kontrovers s<strong>in</strong>d auch die Positionen und Ansätze, wie e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkultureller <strong>Konflikt</strong>zu behandeln sei.Für welche Theorie und Herangehensweise man sich auch immer entscheidet – zubeachten ist dabei stets, dass die Beteiligten aus verschiedenen kulturellen Geme<strong>in</strong>schaftenkommen. Sie br<strong>in</strong>gen unterschiedliche Werte, Hoffnungen und Erwartungen,Annahmen, Unterscheidungsmerkmale <strong>in</strong> der verbalen wie non-verbalen Kommunikationund <strong>in</strong> ihren Interaktionen <strong>in</strong> den <strong>Konflikt</strong> e<strong>in</strong>, die selbstverständlich auch den<strong>Konflikt</strong>prozess bee<strong>in</strong>flussen.3.1 <strong>Konflikt</strong>diagnose und <strong>Konflikt</strong>behandlungFür das Feld des <strong>Konflikt</strong>managements möchte ich hier vor allem auf Friedrich Glaslh<strong>in</strong>weisen, der die Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>Konflikt</strong>diagnose und <strong>Konflikt</strong>behandlungsowohl für die Theorie als auch für die Praxis handhabbar gemacht hat. Zudem lässtsich se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>teilung der Stufen e<strong>in</strong>er <strong>Konflikt</strong>eskalation und der darauf aufbauenden<strong>Konflikt</strong>behandlungsoptionen sowohl <strong>in</strong> Beiträgen zur <strong>in</strong>ternationalen <strong>Konflikt</strong>forschung(Makroebene) als auch auf der gesellschaftlichen Mikroebene (z. B. Schulkonflikte)wieder f<strong>in</strong>den.Se<strong>in</strong>e Vorschläge, wie man e<strong>in</strong>en <strong>Konflikt</strong> diagnostizieren und behandeln kann,s<strong>in</strong>d auch für den <strong>in</strong>terkulturellen Bereich gut anwendbar. Glasl entwickelte das »Phasenmodellder Eskalation«. Demnach eskalieren viele <strong>Konflikt</strong>e ungewollt und entfaltene<strong>in</strong>e zerstörerische Eigendynamik, wenn sie nicht bewusst kontrolliert und gesteuertwerden. Er unterteilt diese Eskalationsdynamik <strong>in</strong> neun Stufen (Glasl 1990, 216–286):Stufe 1: VerhärtungHier bemüht man sich um Kooperation. Die Beteiligten bemühen sich – trotz gelegentlicherReibungen und Spannungen –, <strong>Konflikt</strong>e beizulegen. Das geme<strong>in</strong>sameAgieren wird nicht <strong>in</strong>frage gestellt.Stufe 2: Debatte und PolemikWird auf Stufe 1 der <strong>Konflikt</strong> nicht gelöst, kann es zu Polarisierung(en) kommen.Die Beteiligten werden reizbarer. Mithilfe der Benennung kooperativer und konkurrierenderVerhaltensweisen und vor allem e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen neuen Zielvorgabekann e<strong>in</strong>er weiteren Eskalation des <strong>Konflikt</strong>s vorgebeugt werden.Stufe 3: TatenAuf dieser Stufe wird die Gegenpartei mit vollendeten Tatsachen konfrontiert, blockiertund daran geh<strong>in</strong>dert, ihr Ziel zu erreichen. Hier ist e<strong>in</strong>e Intervention vonaußen unabd<strong>in</strong>gbar.SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen171Stufe 4: Images und KoalitionenHier sorgen sich die Parteien um ihre Reputation und s<strong>in</strong>d auf der Suche nach Unterstützung(en)von anderen – nicht direkt Beteiligten. In diesem Bereich ist an ke<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>vernehmliche Lösung zu denken. E<strong>in</strong>e »w<strong>in</strong>-w<strong>in</strong>-Situation« ersche<strong>in</strong>t denBeteiligten demnach nicht mehr möglich. Unbeteiligte werden nun <strong>in</strong> den <strong>Konflikt</strong>mit e<strong>in</strong>bezogen, um die eigene Position und Sichtweise zu stärken. Bei der <strong>Konflikt</strong>lösungkönnen Mediatons-Maßnahmen zwar helfen, jedoch ist e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung überdas Sachproblem schwierig.Stufe 5: GesichtsverlustAuf dieser Stufe s<strong>in</strong>d vor allem Rache, Ärger und Angriffe unterhalb der Gürtell<strong>in</strong>ieanzutreffen. Es werden so genannte Nebenkriegsschauplätze eröffnet. Hier mussbei e<strong>in</strong>em <strong>Konflikt</strong>lösungsprozess jedes Wort auf die Waage gelegt werden, um niemandenzu verletzen.Stufe 6: DrohstrategienHier spielt das Sachproblem ke<strong>in</strong>e Rolle mehr – es verschw<strong>in</strong>det zunehmend. Derweiteren <strong>Konflikt</strong>eskalation kann nur mehr mit e<strong>in</strong>er Trennung vorgebeugt werden.Stufe 7: Begrenzte VernichtungsschlägeKommt es auf Stufe 6 zu ke<strong>in</strong>er Trennung, steht die systematische Schädigung desGegenübers im Vordergrund, um es zum E<strong>in</strong>lenken zu zw<strong>in</strong>gen.Stufe 8: ZersplitterungDiese Zerstörung kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wahren Nervenkrieg ausarten. Es kommt zu gezieltenAngriffen, die Gegenpartei soll zerfallen.Stufe 9: Geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> den AbgrundHier gibt es ke<strong>in</strong>en Weg mehr zurück. Die totale Vernichtung, selbst um den Preisder eigenen Selbstvernichtung, steht im Mittelpunkt.Für Glasl stellt der »…Übergang von Stufe zu Stufe … auch das Abgleiten von e<strong>in</strong>emRegressionsniveau zu e<strong>in</strong>em noch niedrigeren Regressionsniveau« (Glasl 1990, 216) dar.Er weist darauf h<strong>in</strong>, dass es zwischen den Stufen 3 und 4 sowie zwischen 6 und 7 so genannteRegressionsschwellen gibt, das heißt, ab hier ändern sich u. a. E<strong>in</strong>stellungen undVerhalten der <strong>Konflikt</strong>parteien. So streben die <strong>Konflikt</strong>parteien auf den Stufen 1 bis 3e<strong>in</strong>e »w<strong>in</strong>-w<strong>in</strong>-Situation« an, während bei den Stufen 4 bis 6 aus Sicht der Beteiligtenbereits von e<strong>in</strong>er »w<strong>in</strong>-lose-Situation« gesprochen werden kann. Ab Stufe 7 geht es ume<strong>in</strong>e »lose-lose-Situation«, das heißt, den <strong>Konflikt</strong>parteien geht es im Endeffekt um dieSchädigung der jeweils anderen <strong>Konflikt</strong>partei, egal ob dies auch e<strong>in</strong>e Selbstschädigungmit sich br<strong>in</strong>gen würde. Für jede Eskalationsstufe gibt es auch e<strong>in</strong>e bestimmte vorgeschlageneBehandlungsmöglichkeit. Diese Optionen be<strong>in</strong>halten etwa e<strong>in</strong>fache Moderationen,Vermittlungen durch e<strong>in</strong>e dritte Partei (Mediation), aber auch Schiedsverfahrenoder Machte<strong>in</strong>griffe von außen. Glasls Ansatz wird bei <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>enauf verschiedenen Ebenen angewendet, wie etwa von Keashly und Fisher (1996) oderRopers (1995). Verb<strong>in</strong>det man nun die Eskalationsgrade Glasls mit Kulturerfassungsansätzen,etwa den Hofstedeschen Dimensionen, so entsteht e<strong>in</strong> neues Bild <strong>in</strong>terkulturellen<strong>Konflikt</strong>managements, das es möglich macht, auf vielen Ebenen anzusetzen und zuarbeiten.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


172 Daniela <strong>Molzbichler</strong>3.2 Interkulturelle <strong>Konflikt</strong>behandlung (auf der Mikroebene)Bei der Diagnose <strong>in</strong>terkultureller <strong>Konflikt</strong>e lassen sich immer wieder ähnliche Feldererkennen, die für die <strong>Konflikt</strong>entwicklung von großer Bedeutung s<strong>in</strong>d. Hier werdennun fünf spezielle Themenkomplexe hervorgehoben (<strong>Molzbichler</strong> 2004, 134–153), diefür die (präventive) Bearbeitung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong>s vor allem auf der Mikroebene,bei e<strong>in</strong>em <strong>Konflikt</strong> von Angesicht zu Angesicht, e<strong>in</strong>e Rolle spielen: 1. <strong>in</strong>terkulturelleKommunikation, 2. <strong>in</strong>terkulturelle Missverständnisse, 3. Vorurteile/ Stereotype,4. Kulturschock, 5. <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz. Diese Teilbereiche s<strong>in</strong>d häufig mite<strong>in</strong>anderverwoben und bei jedem <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Konflikt</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Komb<strong>in</strong>ation,mit e<strong>in</strong>er anderen Gewichtung vertreten. Für die Bearbeitung <strong>in</strong>terkultureller <strong>Konflikt</strong>eauf der Makroebene s<strong>in</strong>d viele andere Aspekte von Bedeutung (<strong>Molzbichler</strong> 2004,154–163), die jedoch den Rahmen des Artikels sprengen würden. Festzuhalten ist, dassetwa bei ethnopolitischen <strong>Konflikt</strong>en die Ebene des Kulturschocks ke<strong>in</strong>e Rolle spielt, fürdie <strong>Konflikt</strong>lösung jedoch der Abbau gegenseitiger Vorurteile und die Förderung desgegenseitigen Verstehens (Teil der <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenz) wichtig s<strong>in</strong>d.3.2.1 Interkulturelle KommunikationHäufig tragen nicht die kulturellen Unterschiede per se zu Kommunikationsschwierigkeitenund Missverständnissen bei, sondern es kann sich dabei auch um soziale Gefälle,Macht- und Statusfragen, Generationenkonflikte, unbearbeitete psychische Problemeusw. handeln. Allerd<strong>in</strong>gs ist ke<strong>in</strong>e klare E<strong>in</strong>teilung möglich. Dementsprechend gibt esauch für den Bereich der <strong>in</strong>terkulturellen Kommunikation viele Ansätze (beispielsweisevon Hall 1976, Gumperz 1978 und Clyne 1994). Ich möchte hier jedoch speziell auf Edw<strong>in</strong>Hoffman (2001) h<strong>in</strong>weisen, für den der Grundsatz »cultures don’t meet, people do«im Mittelpunkt se<strong>in</strong>er Arbeit steht. Se<strong>in</strong> TOPOI-Modell kann <strong>in</strong> der Praxis gut angewendetwerden, wie etwa <strong>in</strong>terkulturelle Projekte <strong>in</strong> den Niederlanden zeigen (<strong>Molzbichler</strong>2004, 221–246).Hoffman me<strong>in</strong>t zwar, dass die Untersuchungen von Hofstede <strong>in</strong>sofern s<strong>in</strong>nvolls<strong>in</strong>d, als sie E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die unterschiedlichen <strong>Kulturen</strong> bieten, sie s<strong>in</strong>d jedoch auch riskant,weil sie zu sehr Verallgeme<strong>in</strong>erungen zulassen. Hoffman zählt zu den VertreterInnene<strong>in</strong>es systemtheoretischen Ansatzes. Dieser geht davon aus, dass Kommunikationzirkular verläuft, das heißt, Kommunikation ist e<strong>in</strong> Bee<strong>in</strong>flussungsprozess, dessen Charaktervon Gleichzeitigkeit, Wechselseitigkeit und Vielfältigkeit bestimmt ist. Die GesprächspartnerInnenbee<strong>in</strong>flussen sich gegenseitig, gleichzeitig und werden auch vonihrer sozialen Umwelt bee<strong>in</strong>flusst. Das von Hoffman entwickelte TOPOI-Modell iste<strong>in</strong>e »… Systematik von Analyse-Punkten, die zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d, und von Interventionsmöglichkeiten,die <strong>in</strong> jeder Kommunikation (unabhängig von Ethnizität), <strong>in</strong>der kulturelle Unterschiede und Missverständnisse auftreten, verwendet werden kann«(Hoffman 2001, 3). Es basiert teilweise auf Paul Watzlawicks Axiomen (Watzlawick/Beav<strong>in</strong>/ Jackson 2000). Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass Menschen digitalund analog kommunizieren, dass Menschen <strong>in</strong> ihrer Kommunikation Ursacheund Wirkung unterschiedlich <strong>in</strong>terpretieren, dass jede Kommunikation e<strong>in</strong>en Inhalts-SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen173und Beziehungsaspekt umfasst, und dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren.Als zusätzlicher Aspekt beim TOPOI-Modell kommt der Bereich Organisation h<strong>in</strong>zu.Somit setzt sich TOPOI folgendermaßen zusammen (Hoffman 2001, 6–14):• Taal (Sprache): Bedeutung der verbalen und non-verbalen Sprache• Orden<strong>in</strong>g (Ordnung): Sichtweise und Logik• Personen (Personen): Identität und Beziehung• Organisatie (Organisation): Regeln und Machtverhältnisse• Inzet (E<strong>in</strong>satz): Motive und BeweggründeNach Hoffman s<strong>in</strong>d dies jene Bereiche <strong>in</strong> der Kommunikation, <strong>in</strong> denen Missverständnisseaufgespürt werden können. Die Idee des TOPOI-Modells ist es, e<strong>in</strong>e Hilfestellungzu geben, um den Blick auf Situationen <strong>in</strong>terkultureller Kommunikation zu erweitern.Im Mittelpunkt steht dabei die Kommunikation und nicht der ethnisch-kulturelle H<strong>in</strong>tergrund.Es wird zudem davon ausgegangen, dass Missverständnisse – gerade bei <strong>in</strong>terkulturellerKommunikation – eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Das TO-POI-Modell bietet die Möglichkeit, Missverständnisse zu erkennen und zu bearbeiten.Um damit effizient arbeiten zu können, wurden für jedes der fünf Elemente Fragestellungenund Interventionsvorschläge formuliert, um herauszuf<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> welchenBereichen die Kommunikation misslungen ist (missl<strong>in</strong>gt). Dabei stehen Selbstreflexionund Aufklärung im Mittelpunkt. Wenn wir etwa den Bereich »Taal« als Beispiel heranziehen,dann s<strong>in</strong>d u. a. folgende Fragen für die Analyse von Bedeutung:1. In wessen Sprache spricht man? (Machtposition der eigenen Sprache!)2. Welche Bedeutung hat das, was jede Person sagt?3. Was drückt die Körpersprache/ non-verbale Sprache aus?4. Welche Bedeutung haben Worte und Verhalten?Die dementsprechende Intervention geht etwa auf folgende Bereiche e<strong>in</strong>: Worte unddie non-verbale Sprache (u. a. die Körpersprache) mit allen S<strong>in</strong>nen wahrnehmen, Bedeutungenuntersuchen oder nachfragen, Bedeutungen erklären, Feedback geben undnach Feedback fragen (Hoffman 2001, 12–14).Selbstverständlich ist für e<strong>in</strong>e gute Kommunikation die Kenntnis e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samenSprache wichtig. Die GesprächspartnerInnen müssen jedoch auch wissen, wannwelche Sprachform verwendet wird, auch wann sie eher »hoch« oder eher »tief« sprechensollten, was sie wann betonen müssen und anderes mehr. Die Körpersprache, Gestikund Mimik, die unterschiedlichen Konzepte von Raum und Zeit, aber auch kulturelleCodes, beispielsweise wie viel Distanz »üblich« ist, s<strong>in</strong>d dabei von Bedeutung.Die meisten <strong>in</strong>terkulturellen Kommunikationsprobleme treten vor allem dannauf, wenn wenig (ke<strong>in</strong>e) geme<strong>in</strong>same(n) Sprachkenntnisse vorhanden s<strong>in</strong>d, wenn nonverbaleSignale unterschiedlich <strong>in</strong>terpretiert und Worte verschieden verwendet werden.Auch die Bereiche »Sprechen und Verstehen«, der Ablauf des Gespräches oder die Frage,wer bei e<strong>in</strong>er Kommunikation den dom<strong>in</strong>ante(re)n Part e<strong>in</strong>nimmt, können zuKommunikationsproblemen führen. Genau um dies zu verh<strong>in</strong>dern, kann das TOPOI-Modell angewendet werden. Denn es können viele Missverständnisse <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terkulturellenKommunikation aufgedeckt beziehungsweise kann bereits präventiv e<strong>in</strong>gegriffenwerden, um zu e<strong>in</strong>er konstruktiven Verständigung beizutragen.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


174 Daniela <strong>Molzbichler</strong>3.2.2 Interkulturelle Missverständnisse und Gegenstrategien<strong>Konflikt</strong>forscherInnen zählen Missverständnisse zu »sche<strong>in</strong>baren« oder zu »Nicht-<strong>Konflikt</strong>en« (siehe etwa Hugo-Becker 1996, 89), wobei stets darauf h<strong>in</strong>gewiesen wird,dass e<strong>in</strong> Missverständnis – wenn es nicht geklärt/ repariert wird – e<strong>in</strong> hohes Potenzialan <strong>Konflikt</strong>eskalation be<strong>in</strong>haltet. Denn Missverständnisse können, wie Lavric (2002) <strong>in</strong>Anlehnung an Öberg (1994) beschreibt, zum e<strong>in</strong>en die <strong>in</strong>terpersonellen Beziehungenschwer belasten, zum anderen aber auch (nationale) Stereotype weiter verstärken.Wenn diese Missverständnisse aber erkannt und zur Sprache gebracht werden, kanndies zu e<strong>in</strong>er besseren Verständigung zwischen den beteiligten <strong>Kulturen</strong> beitragen. AuchH<strong>in</strong>z-Rommel und Carroll s<strong>in</strong>d davon überzeugt, dass <strong>in</strong>terkulturelle Kommunikationbe<strong>in</strong>ahe automatisch e<strong>in</strong> gewisses Maß an Missverstehen impliziert. H<strong>in</strong>z-Rommel beschreibtMissverstehen als »Pseudo-Verstehen« (H<strong>in</strong>z-Rommel 1994, 146), und diesesPseudo-Verstehen kann zu e<strong>in</strong>em »richtigen« <strong>Konflikt</strong> führen, da verschiedene »naturalways of see<strong>in</strong>g the world« (Carroll 1988, 3) dafür verantwortlich s<strong>in</strong>d.Mit unterschiedlichen Kulturerfassungsansätzen gekoppelt und <strong>in</strong> die Praxis umgesetzt,bedeuten diese Feststellungen, dass es bei Missverständnissen im Rahmen e<strong>in</strong>er<strong>in</strong>terkulturellen Kommunikation darauf ankommt, welche Personen mit welchenmentalen Programmierungen daran beteiligt s<strong>in</strong>d. Es sei hier nochmals explizit daraufh<strong>in</strong>gewiesen, dass von ke<strong>in</strong>em starren, beispielsweise an nationale Grenzen gebundenenVerständnis von Kultur(en) ausgegangen wird: Selbstverständlich spielen daher die<strong>in</strong>dividuellen Persönlichkeitsstrukturen und die jeweilige Situation bei jeder <strong>in</strong>terkulturellenKommunikation e<strong>in</strong>e beachtliche Rolle. Es gibt genügend praktische Beispiele,die zeigen, dass Missverständnisse – vor allem im <strong>in</strong>terkulturellen Bereich – eher dieRegel als die Ausnahme darstellen, denn häufig werden die erlernten Gesten, Ritualeoder Wertvorstellungen gar nicht h<strong>in</strong>terfragt, sondern als allgeme<strong>in</strong>gültig und selbstverständlichwahrgenommen. Dementsprechend gibt es dann Missverständnisse, wieman sich etwa begrüßt oder bedankt, wann gelächelt wird, welcher Tonfall als Beleidigunggilt, welche Kleidung oder Schuhe angemessen s<strong>in</strong>d, welche Kopfbewegung »ja«oder »ne<strong>in</strong>« bedeutet, wann Körperkontakt <strong>in</strong> der Öffentlichkeit erwünscht oder verpöntist, was als unhöflich empfunden wird und anderes mehr.Diese Missverständnisse s<strong>in</strong>d großteils auf unterschiedliche Werte, Symbole oderRituale, verschiedene Denk- und Handlungsweisen sowie auf Gefühle zurückzuführen,die wiederum situationsabhängig und mit den jeweiligen Persönlichkeitsstrukturengekoppelt s<strong>in</strong>d. Und diese Persönlichkeitsstrukturen können, müssen aber nicht mitder Kultur vere<strong>in</strong>bar se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der die Personen aufgewachsen s<strong>in</strong>d. Die Analyse <strong>in</strong>terkulturellerMissverständnisse gestaltet sich <strong>in</strong> der »Realität« weitaus schwieriger als zunächstangenommen wird, da viele Ebenen berücksichtigt werden müssen.Erwähnenswert sche<strong>in</strong>t mir <strong>in</strong> diesem Kontext auch Gumperz zu se<strong>in</strong>, der me<strong>in</strong>t,dass die GesprächsteilnehmerInnen den Kontext geme<strong>in</strong>sam konstruieren – und zwarmit »contextualization cues« (Kontextualisierungssignalen). Diese Signale zeigen, wiebestimmte Äußerungen und bestimmte Handlungen zu <strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d, etwa obe<strong>in</strong>e Umarmung erwartet wird oder verpönt ist, ob man mite<strong>in</strong>ander leise oder lautSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen175sprechen soll usw. (Gumperz 1978, 13–31). Die Fähigkeit, diese Signale richtig zu <strong>in</strong>terpretieren,also so zu deuten, wie dies auch der bzw. die Deutende me<strong>in</strong>t, zählt zur kommunikativenKompetenz. Missverständnisse entstehen dadurch, dass die Interpretationendieser Signale unterschiedliche Bedeutungen haben. E<strong>in</strong> Großteil der <strong>in</strong>terkulturellenForschungsarbeiten basiert auf der Sammlung von so genannten »critical <strong>in</strong>cidents«:Damit s<strong>in</strong>d solche <strong>in</strong>terkulturellen Schlüsselerlebnisse und <strong>Konflikt</strong>situationengeme<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> denen sich diese unterschiedlichen Interpretationen und Herangehensweisenzeigen, wie etwa <strong>in</strong> Form von Höflichkeitsritualen.Viele WissenschafterInnen, die sich mit Missverständnissen im <strong>in</strong>terkulturellenBereich ause<strong>in</strong>ander setzen, teilen das Missverstehen <strong>in</strong> Phasen e<strong>in</strong>. Hervorheben möchteich hier folgendes Phasenmodell (Humphreys-Jones 1987, 25–33):1. Phase: Orig<strong>in</strong>E<strong>in</strong> Missverständnis beg<strong>in</strong>nt mit Äußerung a von Person A.2. Phase: ManifestationEs folgt Äußerung b von Person B, durch die das Missverständnis »auffliegt«,also manifest wird.3. Phase: State of realizationPerson A oder (und) Person B erkennt (erkennen), dass es zu e<strong>in</strong>em Missverständnisgekommen ist.4. Phase: Secondary componentsDiese Phase umfasst alle Mittel, die für e<strong>in</strong>e Behebung des Missverständnissese<strong>in</strong>gesetzt werden.Dieses Phasenmodell zeichnet e<strong>in</strong> ideales Bild e<strong>in</strong>es Missverständnisses und für dessenBewältigung bzw. Aufhebung. Dabei bee<strong>in</strong>flusst aber auch die gewählte »Reparatur« diedarauf folgenden Schritte im Kommunikationsverlauf. So kann es durchaus passieren,dass e<strong>in</strong> direkter H<strong>in</strong>weis von Person A auf das Missverstehen von Person B für PersonB e<strong>in</strong>em Gesichtsverlust gleicht und von ihr negativ bewertet wird. Darum müssen beider Bewältigung e<strong>in</strong>es Missverständnisses vor allem folgende Fragen geklärt werden:Gibt es e<strong>in</strong> Machtgefälle, e<strong>in</strong>e soziale Distanz zwischen den KommunikationspartnerInnen?Wie sehen der Gegenstand des Missverständnisses und der Verlauf des Diskursesaus? Damit kann man ungefähr abschätzen, welche Reparaturstrategie zur Beseitigunge<strong>in</strong>es Missverständnisses angemessen ist.Um jeglicher Eskalation vorzubeugen, sollten »Tadelungen« oder »Schuldzuweisungen«auf jeden Fall vermieden werden. Schwierig gestalten sich derartige Reparaturmechanismendann, wenn es darum geht, sowohl e<strong>in</strong>e gute Kommunikation wiederherzustellen als auch das Gesicht aller Beteiligten (»Image«) zu wahren. Tzanne weistjedoch darauf h<strong>in</strong>, dass die Berücksichtigung dieser »Images« e<strong>in</strong>erseits die Reparaturstrategiebee<strong>in</strong>flusst, andererseits aber auch für das Missverständnis an sich verantwortlichse<strong>in</strong> kann. So geht sie davon aus, dass Missverständnisse auch mit der strategischenAbsicht hervorgerufen werden, das eigene Image zu bewahren oder zu verbessern(Tzanne 2000, 214–233).Missverständnisse können außerdem dazu beitragen, Stereotype zu fördern. Essche<strong>in</strong>t mir plausibel, bei jedem Missverständnis – vor allem auf <strong>in</strong>terkultureller Ebe-www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


176 Daniela <strong>Molzbichler</strong>ne – zuerst die eigenen kulturellen Wertvorstellungen, welche die Basis der eigenen Interpretationenbilden und die eigene Lebense<strong>in</strong>stellung prägen, zu reflektieren und zuh<strong>in</strong>terfragen. Erst dann kann man überhaupt damit beg<strong>in</strong>nen, die Person oder dieGruppe mit anderen kulturellen Wertvorstellungen, mit anderen Lebense<strong>in</strong>stellungenund Interpretationen zu verstehen (Carroll 1988, 4). Besonders diese Selbstreflexion istjedoch sehr schwierig, da etwa auch die eigens konstruierten stereotypen Bilder h<strong>in</strong>terfragtwerden müssen.3.2.3 Vorurteile und StereotypeJeder Mensch hat Vorurteile und bildet Stereotype, da niemand <strong>in</strong> der Lage ist, die gesamtePalette von Reizen und Informationen zu verarbeiten. Dabei wird jede Begegnungaus der jeweiligen ethnozentristischen Perspektive bewertet und <strong>in</strong> das erlernteund selbst konstruierte Weltbild e<strong>in</strong>geordnet, das heißt, andere <strong>Kulturen</strong> werden nachden Maßstäben der eigenen Kultur beurteilt und bewertet (Adorno et al. 1950, Stagl 1981,Emmerich 1991). Zusätzlich steuern diese erlernten Kategorisierungen unsere Wahrnehmungund unsere Beobachtung. Bei diesen Bewertungen spielen selbstverständlichauch die Persönlichkeit, die jeweilige Situation, aber auch die Medien wichtige Rollen.Sehr häufig werden Vorurteile als Urteile oder Wertungen def<strong>in</strong>iert, die nicht aufder eigenen Erfahrung beruhen. Gleichzeitig bieten Vorurteile auch e<strong>in</strong>e Filterfunktionfür Erfahrungen, sie können auch als Abgrenzungsmittel dienen, vor allem wenn wirunsere eigene Kultur absichern möchten. Vorurteile treten verstärkt bei Unsicherheitoder Angstgefühlen auf: Wir neigen rascher dazu, auf starre Kategorisierungen undVerallgeme<strong>in</strong>erungen zurückzugreifen, da wir etwa e<strong>in</strong> starkes Bedürfnis nach Sicherheitoder große Angst haben, der bzw. die Schwächere zu se<strong>in</strong>. Hier entsteht sehr häufigdas Bild von Sündenböcken. Zudem sei nochmals explizit darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass dasFremdbild zwangsläufig vom Eigenbild hergeleitet wird, wobei dieses viel differenzierterwahrgenommen wird als das Fremdbild. Dabei wird das Eigene oft mit dem Fremdenverglichen. Dieser Vergleich fällt meist für das Fremde schlechter aus, das heißt,<strong>in</strong>dem das Fremde abgewertet wird, kommt es zu e<strong>in</strong>er gleichzeitigen Aufwertung desEigenen – der Selbstwert wird gesteigert (Baus<strong>in</strong>ger 2000, 25–26).Vorurteile und Stereotype s<strong>in</strong>d mite<strong>in</strong>ander verbunden. Stereotype Sichtweisenwerden häufig unterschiedslos auf alle Mitglieder e<strong>in</strong>er gegebenen Gruppe angewendetund diese werden oft der Realität nicht gerecht. Quasthoff beschreibt e<strong>in</strong> Stereotyp wiefolgt:»E<strong>in</strong> Stereotyp ist der verbale Ausdruck e<strong>in</strong>er auf soziale Gruppen oder e<strong>in</strong>zelne Personen alsderen Mitglieder gerichteten Überzeugung. Es hat die logische Form e<strong>in</strong>es Urteils, das <strong>in</strong>ungerechtfertigt vere<strong>in</strong>fachender und generalisierender Weise, mit emotional wertender Tendenz,e<strong>in</strong>er Klasse von Personen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu- oderabspricht« (Quasthoff 1989, 39).Insgesamt umfasst die Wahrnehmung des Fremden mehrere Mechanismen, die beispielsweiseLipiansky (2000) folgendermaßen beschreibt:1. Kontrasteffekt:Betonung der Unterschiede zwischen »Eigenem« und »Fremdem«.SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen1772. Stereotypieeffekt:Aufgrund vorgeformter sozialer Vorstellungen wird der »Fremde« wahrgenommenund gilt beispielsweise als Prototyp der fremden Gruppe X.3. Assimilationseffekt:Betonung der eigenen Ähnlichkeit mit Fremden aus der Gruppe X.Stereotype können auch aufgrund von Begegnungen und Erfahrungen entstehen. Sokönnen schon wenige Begegnungen von Person A mit anderen Menschen aus GruppeX zu Generalisierungen über Gruppe X führen. Die Personen aus Gruppe X werdenimmer im Rahmen e<strong>in</strong>es bestimmten ethnozentristischen Bewusstse<strong>in</strong>s der Person A<strong>in</strong>terpretiert – und umgekehrt.Festzuhalten ist, dass es eher e<strong>in</strong>e Tendenz gibt, die Angehörigen e<strong>in</strong>er Nationalitätals ähnlicher und als »stereotyper« wahrzunehmen, als sie es <strong>in</strong> Wirklichkeit s<strong>in</strong>d, wieetwa Aussagen über »die Deutschen«, »die Franzosen«, »die Ch<strong>in</strong>esen« nicht nur <strong>in</strong> derAlltagssprache, sondern auch <strong>in</strong> der Wissenschaft zeigen. Diese Tendenz kann vor allem<strong>in</strong> den ersten Phasen e<strong>in</strong>es Kulturschocks erkannt werden.3.2.4 KulturschockDer Begriff »Kulturschock« und dessen U-förmige Phasene<strong>in</strong>teilung geht auf den USamerikanischenAnthropologen Oberg (Oberg 1960, 177–182) zurück. In den meistendarauf folgenden Phasenmodellen wurde diese U-Form beibehalten. Bei der folgendenE<strong>in</strong>teilung ist zu beachten, dass nicht jeder Kulturschock alle Phasen umfasst und auchder zeitliche Rahmen unterschiedlich ist. Zudem kann e<strong>in</strong> Kulturschock etwa <strong>in</strong> Phase3 verharren und zu e<strong>in</strong>em <strong>Konflikt</strong> eskalieren, wobei hier h<strong>in</strong>zugefügt werden muss,dass nicht jeder <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Konflikt</strong> auf e<strong>in</strong>em Kulturschock beruht (wie zuvor dargestelltwurde, gibt es viele verschiedene Formen <strong>in</strong>terkultureller <strong>Konflikt</strong>e).Abbildung 1: Phasenmodell des Kulturschocks nach ObergEuphorieVerständigungEntfremdungMissverständnisseEskalation1. Phase: EuphorieDie eigene Kultur wird nicht <strong>in</strong> Frage gestellt, man ist ZuschauerIn und begegnetder fremden Kultur zunächst mit Neugier bzw. Euphorie.2. Phase: EntfremdungErste Kontaktschwierigkeiten, man gibt sich selbst die Schuld.3. Phase: EskalationSchuldzuweisungen an die fremde Kultur und Verherrlichung der eigenen Kultur.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


178 Daniela <strong>Molzbichler</strong>4. Phase: Missverständnisse<strong>Konflikt</strong>e werden als Missverständnisse, als Ergebnis der kulturellen Unterschiedewahrgenommen.5. Phase: VerständigungDie unterschiedlichen kulturellen Spielregeln werden verstanden, geduldet,erlernt und geschätzt. Der Kulturschock ist überwunden.Wie erkennt man nun e<strong>in</strong>en Kulturschock? Was kann man dagegen tun bzw. wie kannman e<strong>in</strong>en Kulturschock m<strong>in</strong>dern oder sogar verh<strong>in</strong>dern? Im Folgenden werden Symptomevorgestellt (Dodd 1982, 33–142), die auf e<strong>in</strong>en Kulturschock h<strong>in</strong>weisen. Darüberh<strong>in</strong>aus entwickelte Dodd Strategien, die zur Überw<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es Kulturschocks verwendetwerden können. Beide Bereiche sollen hier kurz vorgestellt werden:Symptome e<strong>in</strong>es Kulturschocks:1. exzessive Sorge um die eigene Gesundheit;2. Gefühle von Hilflosigkeit und Zurückweisung durch andere;3. Irritationen;4. Angst, betrogen oder verletzt zu werden;5. starkes Verlangen nach Hause und nach den Freunden zu Hause;6. körperliche Stressreaktionen (Schweißausbrüche, Herzklopfen ...);7. Ängstlichkeit und Frustrationen;8. E<strong>in</strong>samkeit;9. defensive Kommunikation.Überw<strong>in</strong>dung des Kulturschocks:1. Geduld haben und nicht frustriert se<strong>in</strong>;2. neue Bekanntschaften schließen;3. neue D<strong>in</strong>ge (Essen, Kleidung usw.) ausprobieren;4. sich selbst Phasen der Ruhe und des Nachdenkens geben;5. Arbeit am Selbstkonzept, d. h. positive Gedanken fördern und negative Gedankenverdrängen;6. Druck und Frustration abbauen – z. B. durch das Führen e<strong>in</strong>es Tagebuches;7. die Körpersprache der anderen Kultur beobachten – Enttäuschungen und Frustrationenergeben sich oft, weil die von zu Hause gewohnten Gesten der Freundlichkeitund des Wohlwollens fehlen;8. die fremde Sprache lernen.Der Kulturschock gilt als äußerst gut erforschtes Phänomen auf dem Gebiet der Interkulturalität.Dabei wird meist davon ausgegangen, dass jede Person, die sich (für e<strong>in</strong>enlängeren Aufenthalt) nicht <strong>in</strong> der eigenen Kultur aufhält, Symptome e<strong>in</strong>es Kulturschockserlebt. Genau zu diesem Thema führt das renommierte deutsche Institut fürInterkulturelles Management (IFIM) seit mehr als zehn Jahren regelmäßige Nachevaluierungendurch. Dabei werden Expatriates 4 befragt, die e<strong>in</strong> Jahr vor ihrem Auslands-4 Personen, die sich z. B. aufgrund ihrer Arbeit für e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum im Ausland aufhalten.SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen179aufenthalt e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturelles Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g bei IFIM absolviert haben. Die IFIM-Befragungsergebnisses<strong>in</strong>d äußerst <strong>in</strong>teressant:Demnach erlebt nur e<strong>in</strong>e Mehrheit der <strong>in</strong> Indonesien und Indien befragten Expatriatesdas für den Kulturschock als so typisch geltende »Stimmungstief«, währenddie Mehrheit der Befragten <strong>in</strong> den anderen Ländern e<strong>in</strong> solches nach eigener E<strong>in</strong>schätzungim ersten Jahr des Auslandsaufenthalts »eher nicht« erlebt hat. Mit ausgereisteFrauen sche<strong>in</strong>en dabei Kulturschock-Phänomene wie Stimmungstief, Heimweh, E<strong>in</strong>gewöhnungsprobleme,etc. eher zu erleben (oder zuzugeben) als (ihre) Männer (IFIM2001, 1).Das IFIM-Team präsentierte aufgrund der Evaluierung von 450 Befragten im Zeitraum1999 –2001 folgende Analyse: G<strong>in</strong>g man bis dato noch davon aus, dass auch e<strong>in</strong>eexzellente Vorbereitung auf e<strong>in</strong>en Auslandsaufenthalt zwar die Symptome e<strong>in</strong>es Kulturschocksmildern, sie jedoch nicht aufheben kann, müssen aufgrund dieser Ergebnisseneue Schlussfolgerungen gezogen werden. So hat es den Ansche<strong>in</strong>, dass ehemaligeIFIM–TeilnehmerInnen mehrheitlich nicht oder nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Ausmaß an Kulturschock-Symptomenleiden. Dafür bietet IFIM folgende Interpretationsmöglichkeitenan:1. »In der bisherigen Forschung wird der Kulturschock übertrieben dargestellt. In der Praxisist das alles halb so schlimm.«2. »Durch die <strong>in</strong>tensive Auslandsvorbereitung wird anschließend von sehr vielen e<strong>in</strong>Kulturschock erlebt.«3. »Die Erhebungsdaten führen irre – auch ehemalige IFIM-TeilnehmerInnen erleidenim ersten Jahr e<strong>in</strong>en spürbaren Kulturschock« (IFIM 2001, 1).Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kulturschocks selten zugegeben werden. Ich denkeaber, dass jede Person, die für beispielsweise e<strong>in</strong>en längeren Auslandsaufenthalt <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er anderen Kultur mit anderen Wertvorstellungen, anderen Ritualen, Symbolen oderHelden lebt, e<strong>in</strong>e Form des Kulturschocks erlebt. Mittlerweile gibt es jedoch e<strong>in</strong>e Füllean Möglichkeiten, sich vor e<strong>in</strong>em längeren Auslandsaufenthalt über die kulturellenWertvorstellungen <strong>in</strong> dieser Region usw. zu <strong>in</strong>formieren – sehr wichtig dabei ist vor allemdas grundlegende Wissen darüber, was erwünscht und was verpönt ist, wie etwabegrüßt wird und anderes mehr (Rupprecht-Stroell 2005). Auf jeden Fall kann festgehaltenwerden, dass man Handwerkszeug benötigt, um andere <strong>Kulturen</strong> (besser) verstehenzu können. Dodds Vorschläge für die Überw<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es Kulturschocks könnengut dazu beitragen und werden <strong>in</strong> der Praxis häufig angewendet.3.2.5 Interkulturelle KompetenzWenn wir uns mit dem Thema »Kulturschock« ause<strong>in</strong>ander setzen, stoßen wir früheroder später auf den Begriff »<strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz«. Unter »<strong>in</strong>terkultureller Kompetenz«versteht man die Fähigkeit,»… sich <strong>in</strong> kulturellen Überschneidungssituationen orientieren und aufgrund von kontextabhängigemWissen angemessen verhalten zu können. E<strong>in</strong>e Person ist <strong>in</strong>terkulturell kompetent,wenn sie die fremde Kultur soweit verstanden hat, dass sie die Erwartungen und Reaktionenihrer Mitglieder ähnlich gut vorhersehen kann wie die Erwartungen und Reaktionen derwww.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


180 Daniela <strong>Molzbichler</strong>Mitglieder der eigenen Kultur, und wenn sie weiß, wie sie sich situationsgerecht verhaltenmuss. Es geht darum, sich <strong>in</strong> multiplen Realitäten die Orientierungs- und Handlungsfähigkeitzu bewahren« (Da R<strong>in</strong>/ Nodari 2000, 19).Diese Kompetenz hat <strong>in</strong> den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Vor allem <strong>in</strong>Sprachkursen, <strong>in</strong> der <strong>in</strong>ternationalen Wirtschaftswelt oder an den Universitäten gilt<strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz mittlerweile als Schlüsselqualifikation für die Zukunft.Während entsprechende <strong>in</strong>terkulturelle Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsangebote auf der Ebene <strong>in</strong>ternationalagierender Unternehmen ständig expandieren, gibt es für den öffentlichen Verwaltungsbereichoder speziell für Allochthone und Autochthone <strong>in</strong> Österreich kaum derartigeAngebote, die sich mit <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz beschäftigen.In der Europäischen Union befassen sich im Rahmen der Geme<strong>in</strong>schafts<strong>in</strong>itiativeEQUAL 5 viele Projekte unter anderem mit <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz. Beispielsweisewird das Projekt MARE (Region Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Offenbach am Ma<strong>in</strong>, LandkreiseOffenbach und Ma<strong>in</strong>-Taunus) durch den Europäischen Sozialfonds gefördert. Darans<strong>in</strong>d 16 PartnerInnen beteiligt, die vor allem die Beschäftigungsfähigkeit von MigrantInnen<strong>in</strong> der Region nachhaltig fördern. Dabei hat das angesehene Amt für multikulturelleAngelegenheiten <strong>in</strong> Frankfurt den Projektteil »Interkulturelle Kompetenz« übernommen.Die Projektlaufzeit beträgt ca. 3 1/2 Jahre (15. Jänner bis 30. Juni 2005).Auch <strong>in</strong> Österreich gab und gibt es Projekte zu <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz wieetwa »INTERkulturLOTSEN« (IKLÖ). IKLÖ wurde ebenfalls im Rahmen von EQUALgefördert und setzte sich speziell mit der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeitauf dem Arbeitsmarkt ause<strong>in</strong>ander. Folgende acht PartnerInnen warendaran beteiligt: Volkshilfe Österreich – EQUAL geme<strong>in</strong>nützige GmbH, Initiative M<strong>in</strong>derheiten,STARTBAHN – Vere<strong>in</strong> für Arbeits- und Beschäftigungs<strong>in</strong>itiativen, TrigonEntwicklungsberatung Unternehmensberatung GmbH, Ludwig Boltzmann Institut fürMenschenrechte, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer Österreichund das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Inneres. Das Projekt dauerte 30 Monate (1. 9. 2002 bis28. 2. 2005), e<strong>in</strong> Folgeprojekt wird bereits entwickelt.Für den immer größer werdenden Raum der Europäischen Union sche<strong>in</strong>en mirjedoch solche Projekte auf den zweiten Blick meist mit zu wenigen Ressourcen (Personal,Zeit) ausgestattet zu se<strong>in</strong>. Daher können viele Probleme im Umgang mit kulturellenVerschiedenheiten nur ansatzweise oder nur mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Gruppe behandeltwerden, dementsprechend wird dann auch mit <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz umgegangen.Vor allem für die öffentliche Verwaltung, wie etwa kommunale Behörden oderPolizei, müsste es e<strong>in</strong> breiteres Angebot von regelmäßigen <strong>in</strong>terkulturellen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsgeben, um <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz auf e<strong>in</strong>er professionellen Ebene zu erlernen. Aberdiese Förderung professioneller <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz müsste auch die breite Öffentlichkeiterreichen und sowohl Allochthone als auch Autochthone betreffen. Hierwären vor allem Anreize zu schaffen, sich mit <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz zu befassen.Jedoch fehlt dafür nicht nur <strong>in</strong> Österreich, sondern auch <strong>in</strong> der Europäischen Union<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> stärkeres Problembewusstse<strong>in</strong>.5 Nähere Informationen zu EQUAL f<strong>in</strong>den Sie unter: http://europa.eu.<strong>in</strong>t/comm/employment_social/equal/<strong>in</strong>dex_de.html, 1. 4. 2005.SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


<strong>Kulturen</strong> <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>? Vom Umgang mit <strong>Konflikt</strong>en <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beziehungen181Die Verbesserung der <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenz sollte ebenso e<strong>in</strong> wichtiger Aspektim Rahmen von Integrationskonzepten se<strong>in</strong>. Beispielsweise bemüht sich derzeitdie Stadt Salzburg, e<strong>in</strong> Integrationskonzept zu erarbeiten – immerh<strong>in</strong> leben <strong>in</strong> Salzburgca. 20 Prozent MigrantInnen. Dafür stehen aber zu wenig f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen zurVerfügung, um mittel- bzw. langfristig planen zu können und auch <strong>in</strong>terkulturelleKompetenz auf breiter Ebene zu fördern. 64. Abschließende Bemerkungen<strong>Kulturen</strong> s<strong>in</strong>d nichts Statisches, sondern bee<strong>in</strong>flussen, überschneiden und verb<strong>in</strong>densich gegenseitig. So können Menschen aufgrund e<strong>in</strong>es längeren Aufenthalts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eranderen Kultur e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> ihrer »Heimatkultur« e<strong>in</strong>e stärkere Verwurzelung erleben,andererseits sich von dieser abwenden; sie können sich sowohl heimatlos als auch beheimatetfühlen; und sie können sowohl große Geme<strong>in</strong>samkeiten als auch große Differenzenzwischen jenen <strong>Kulturen</strong> feststellen, <strong>in</strong> denen sie sich bef<strong>in</strong>den (<strong>Molzbichler</strong>2004, 187–201). Wichtig ist stets das Bewusstse<strong>in</strong>, dass jede Person damit <strong>in</strong>dividuell unterschiedlichumgeht. Diese Feststellung steht im Gegensatz zu allen Konzeptionen, dievon klaren Grenzen zwischen <strong>Kulturen</strong> ausgehen, und somit kulturelle Unterschiedestets als unverrückbar und unveränderbar begreifen. Damit werden jedoch die <strong>Konflikt</strong>ezwischen verschiedenen kulturellen Wertvorstellungen geschürt, und immer wiederwird die Frage nach der wertvolleren, besseren Kultur gestellt.Aufgrund der globalen Vernetzung nehmen die Auslandsaufenthalte und somitauch die Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit anderen <strong>Kulturen</strong> stetig zu. In diesem Zusammenhangentstehen neue Vermischungen von <strong>Kulturen</strong>, gespeist von der Pluralität der Anschauungen,Werte und Normen. Dies erklärt auch die Feststellung vieler InterkulturalistInnen,dass sich die <strong>Kulturen</strong> nicht e<strong>in</strong>ander annähern (bzw. angleichen), sonderneher e<strong>in</strong>e Zunahme der kulturellen Vielfalt zu erwarten ist. Daher s<strong>in</strong>d besonders Empathiefähigkeitund <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz von großer Bedeutung, da sie <strong>Konflikt</strong>e,<strong>in</strong> denen Kulturunterschiede e<strong>in</strong>e Rolle spielen, entschärfen können.In diesem Zusammenhang ist es wichtig, etwa mit dem Kulturschock positiv umzugehen,das heißt, sich e<strong>in</strong>e eigene persönliche Kultur zu schaffen, <strong>in</strong>dem die anerzogenenund die neuen (fremden) kulturellen Wertvorstellungen mite<strong>in</strong>ander verbundenwerden. Damit kann man sich idealerweise sowohl <strong>in</strong> der »Heimatkultur« als auch <strong>in</strong>der »Gastkultur« bewegen und erwirbt somit <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz. Dies trifft vorallem für jene zu, die sich <strong>in</strong>tensiv mit den Unterschieden, aber vor allem den Geme<strong>in</strong>samkeitender <strong>Kulturen</strong> beschäftigt haben. Darum gilt: Je früher man die möglichenAuswirkungen e<strong>in</strong>es Kulturschocks erkennt, und sich der kulturellen Differenzen undÄhnlichkeiten bewusst ist, desto besser kann man mit e<strong>in</strong>em Kulturschock umgehen.Diese <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz wird <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>e immer wichtigere Rolle spielen,wenn es etwa darum geht, <strong>in</strong>ternationale Wirtschaftskooperationen weiter auszubauen,6 Weitere Informationen dazu f<strong>in</strong>den Sie unter: http://www.stadt-salzburg.at/<strong>in</strong>ternet/extras/presse/aussendungen/2005/p2_158202.htm, 1. 4. 2005.www.sws-rundschau.atSWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184


182 Daniela <strong>Molzbichler</strong>ethnopolitische <strong>Konflikt</strong>e zu begreifen, globale Umweltprobleme <strong>in</strong>ternational anzugehen– oder e<strong>in</strong>fach nur, um Verschiedenheiten zwischen den <strong>Kulturen</strong> als Chance undnicht als Risiko zu begreifen. E<strong>in</strong>e Gleichberechtigung und Anerkennung verschiedenerkultureller Werte und Erwartungen ist jedoch erst mit transkultureller Kompetenz erreicht,wenn also die vielfältigen Vernetzungen, Vermischungen und Verb<strong>in</strong>dungenzwischen unterschiedlichen kulturellen Wertvorstellungen im Denken, im Fühlen undim Handeln ver<strong>in</strong>nerlicht s<strong>in</strong>d.LiteraturAdorno, Theodor W. etal. (1950) The AuthoritarianPersonality. New York.Baus<strong>in</strong>ger, Hermann (2000) Typisch deutsch. Wiedeutsch s<strong>in</strong>d die Deutschen. München.Benedict, Ruth (1934) Patterns of Culture. Boston.Bernard, Jeff (1995) Beh<strong>in</strong>derung: Kultur. Umraum.Gesellschaft. Wien.Boas, Franz (1888) The Central Eskimo. In: SixthAnnual Report, Bureaus of American Ethnology.Wash<strong>in</strong>gton D. C., 399–699.Boas, Franz (1940) Race, Language and Culture.New York.Carroll, Raymonde (1988) Cultural Misunderstand<strong>in</strong>gs:the French and American Experience.Chicago/ London.Ch<strong>in</strong>ese Culture Connection (1987) Ch<strong>in</strong>eseValues and the Search for Culture-free Dimensionsof Culture. In: Journal of Cross-CulturalPsychology, Nr. 2, 143–164.Cicero, Marcus Tullius (1998/ 45 v. Chr.) FünfBücher über das höchste Gut und Übel. In:Digitale Bibliothek, Bd. 2, Philosophie. VonPlaton bis Nietzsche. Berl<strong>in</strong>, 5.189–5.506.Clyne, Michael (1994) Inter-cultural Communicationat Work. Cultural Values <strong>in</strong> Discourse.Cambridge.Da R<strong>in</strong>, Denise/ Nodari, Claudio (2000) InterkulturelleKommunikation – wozu? TheoretischeGrundlagen und Bestandesaufnahme von Kursangeboten.Bern.Da R<strong>in</strong>, Denise/ Nodari, Claudio (2003) Standards<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkultureller Kommunikation. In Zusammenarbeitmit der Nationalen SchweizerischenUNESCO-Kommission. Bern.Dodd, Carley H. (1982) Dynamics of InterculturalCommunication. Dubuque.Drechsel, Paul/ Schmidt, Bett<strong>in</strong>a/ Gölz, Bernhard(2000) Kultur im Zeitalter der Globalisierung.Von Identität zu Differenzen. Frankfurt a. M.Emmerich, Michaela (1991) Ausländer zwischenAusgrenzung und Emanzipation. Aachen.Glasl, Friedrich (1990) <strong>Konflikt</strong>management. E<strong>in</strong>Handbuch für Führungskräfte und Berater.Bern/ Stuttgart.Glasl, Friedrich (2002) Selbsthilfe <strong>in</strong> <strong>Konflikt</strong>en.Konzepte – Übungen – praktische Methoden.Bern/ Stuttgart.Gumperz, John J. (1978) The ConversationalAnalysis of Interethnic Communication.In: Ross, E. Lamar (ed.) Interethnic Communication.Athens, 13–31.Gumperz, John J./ Jupp, Tom C./ Roberts, Celia(1979) Crosstalk. A Study of Cross-CulturalCommunication. Southall.Hall, Edward T. (1976) Beyond Culture. New York.Hansen, Klaus P. (2000) Kultur und Kulturwissenschaft.E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung. Tüb<strong>in</strong>gen/ Basel.H<strong>in</strong>z-Rommel, Wolfgang (1994) InterkulturelleKompetenz. E<strong>in</strong> neues Anforderungsprofil fürdie soziale Arbeit. Münster/ New York.Hoffman, Edw<strong>in</strong> (2001) Das TOPOI-Modell zurAnalyse <strong>in</strong>terkultureller Gesprächssituationenund se<strong>in</strong>e Implikationen für die pädagogischeArbeit, verfügbar unter: http://www.sw.fhkoeln.de/htdocs/projekte/Auernhdefi.pdf.,13.3. 2005.Hofstede, Geert (1968) The Game of Budget Control:How to Live with Budgetarian Standardsand yet be Motivated by Them. London.Hofstede, Geert (1980) Culture’s Consequences:International Differences <strong>in</strong> Work-RelatedValues. Beverly Hills.Hofstede, Geert (1991) Cultures and Organizations.Software of the M<strong>in</strong>d. London.Hofstede, Geert (1997) Lokales Denken, globalesHandeln. <strong>Kulturen</strong>, Zusammenarbeit undManagement. München.Hugo-Becker, Annegret/ Becker, Henn<strong>in</strong>g (1996)SWS-Rundschau (45. Jg.) Heft 2/2005: 160–184www.sws-rundschau.at


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