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Stereoplay Generation Hochbit

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Musik Klassik<br />

Es könnte einem schwindelig<br />

werden, wenn man sich vorstellt,<br />

dass er gut und gern<br />

noch leben könnte – in der „gebärmutter-ähnlichen<br />

Wärme und Zurückgezogenheit<br />

eines Studios“, die<br />

er so liebte. Was würde Glenn<br />

Gould heute tun: Hätte er das Klavier<br />

tatsächlich ganz und gar aufgegeben,<br />

wie er es vorhatte?<br />

Wäre er womöglich doch irgendwann<br />

aufs Podium zurückgekehrt?<br />

(Wohl nicht …) Würde er komponieren,<br />

dirigieren, schreiben? Über<br />

welche Kanäle würde er mit seinem<br />

Publikum kommunizieren:<br />

per Blog, Twitter oder Facebook?<br />

Welches kreative Potenzial hätten<br />

diese neuen Medien bei ihm freigesetzt?<br />

Und: Würde er weiter fürs<br />

Fernsehen arbeiten? Müßige Fragen.<br />

Gould-Jahre sind immer doppelt<br />

besetzt: Im Oktober 2012<br />

jährt sich auch sein Todestag, zum<br />

30. Mal.<br />

Aber was heißt schon „Todestag“:<br />

Gould gehört zu den ‚Unsterblichen‘,<br />

deren Kunst und Denken<br />

bis heute fortdauern und nachwirken<br />

und deren musikalischer,<br />

literarischer und filmischer Nachlass<br />

immer wieder neu gehört, gelesen<br />

und gesehen werden kann.<br />

Als die Sony vor 20 Jahren ihre<br />

erste große Gould-Edition herausbrachte,<br />

umfasste diese nicht nur<br />

gut 70 CDs, sondern auch eine<br />

„Collection“ auf 13 VHS-Videos,<br />

beziehungsweise sieben Laserdiscs<br />

(ein kurzlebiger Vorläufer der<br />

DVD). Der französische Gould-<br />

Spezialist Bruno Monsaingeon<br />

hatte damals die jeweils knapp einstündigen<br />

Programme aus den<br />

Fernsehproduktionen Goulds zusammengestellt,<br />

die zwischen 1954<br />

und 1977 zumeist für die CBC entstanden<br />

waren: ein gut gemeintes,<br />

wenn auch wenig befriedigendes<br />

Stückwerk. Zudem die Kollektion<br />

nur einen Teil jenes Materials von<br />

rund 19 Stunden an Sendungen<br />

enthielt, die jetzt von der Sony und<br />

der CBC in einer Box mit zehn<br />

DVDs veröffentlicht wurden –<br />

„Glenn Gould on Television“. Auch<br />

wenn es noch immer nicht alles ist,<br />

was es an Gould-Filmen gibt, muss<br />

man froh sein, dass die fast 20 Jahre<br />

währenden Rechts-Verhandlungen<br />

nun zu einem greifbaren Ergebnis<br />

geführt haben.<br />

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2/12 stereoplay.de<br />

Ungebrochene<br />

Faszination<br />

Es ist Glenn-Gould-Jahr, wieder einmal: Im Oktober<br />

2012 wäre der kanadische Pianist 80 Jahre alt<br />

geworden – Anlass für eine DVD-Edition von Sony,<br />

„Glenn Gould On Television“. Michael Stegemann<br />

hat das Material gesichtet, das nach 20 Jahren<br />

währenden Rechtsverhandlungen nun endlich<br />

freigegeben wurde.<br />

Die Edition, nur im englischen<br />

O-Ton und ohne Untertitel verfügbar,<br />

präsentiert sämtliche Filme in<br />

originaler Länge und Vollständigkeit,<br />

was gerade für jene Produktionen<br />

entscheidend ist, deren Dramaturgie<br />

und Konzeption Gould<br />

selbst entwickelt hatte – etwa „The<br />

Subject is Beethoven“ (1961),<br />

„The Anatomy of Fugue“ (1963)<br />

oder die vierteilige Reihe „Musi-<br />

camera / Music in our Time“<br />

(1974/77). Vieles war nie zuvor zu<br />

sehen: Die vier großen „Conversations“<br />

mit Humphrey Burton über<br />

Bach, Beethoven, Schönberg und<br />

Strauss (1966) etwa, oder Judith<br />

Pearlmans Film über Goulds Dokudrama<br />

„The Idea of North“<br />

(1970). Mögen auch Studio-Design,<br />

Regie-Einfälle und Kameraführung<br />

heute oft antiquiert wir-<br />

Witziger, geistreicher<br />

Musikvermittler, der sich<br />

allen Registern des<br />

Mediums Fernsehen<br />

bediente: Pianist Glenn<br />

Gould (1932-1982).<br />

ken, ist doch die Faszination, die<br />

Goulds Persönlichkeit und Präsenz<br />

als Kommentator, Talkmaster oder<br />

Interview-Partner ausstrahlt, ungebrochen.<br />

Wo heute überall von<br />

„Education“ oder „Edutainment“<br />

die Rede ist, war Gould schon vor<br />

einem halben Jahrhundert ein<br />

ebenso charmanter wie witzig-geistreicher<br />

Musik-Vermittler, der virtuos<br />

alle Register des Mediums<br />

Fernsehen beherrschte.<br />

Und dann natürlich dieses Klavierspiel,<br />

vom Kopfsatz des ersten<br />

Beethoven-Konzerts (1954) bis<br />

zum Kopfsatz der siebten Prokofjew-Sonate<br />

(1977): Die beispiellose<br />

Intensität seines Spiels wird<br />

durch das Bild eher noch unterstrichen<br />

als konterkariert. Und die<br />

souveräne Meisterschaft, mit der<br />

Gould in Gesprächen seinem Gegenüber<br />

und dem Zuschauer in wenigen<br />

Tönen oder Takten seine musikalische<br />

Weltsicht skizziert, sind<br />

und bleiben schlechterdings magisch<br />

und unerreicht.<br />

Es ist Glenn-Gould-Jahr, zum<br />

Glück. Sonst hätte man vielleicht<br />

noch länger auf diese wunderbare,<br />

längst überfällige DVD-Edition<br />

warten müssen.<br />

Glenn Gould On Television<br />

The Complete CBS Broadcasts<br />

1954-1977:<br />

1. Early TV Performances and<br />

Program Excerpts 1954-1974;<br />

The Subject is Beethoven<br />

2. Music in the USSR; Glenn Gould<br />

on Bach<br />

3. Richard Strauss - A Personal<br />

View; The Anatomy of the Fugue<br />

4. Anthology of Variation; Duo Glenn<br />

Gould and Yehudi Menuhin<br />

5. Conversations with Glenn Gould:<br />

Bach & Beethoven<br />

6. Conversations with Glenn Gould:<br />

Strauss & Schönberg<br />

7. Music for a Sunday Afternoon;<br />

Mozart & Beethoven; The Canada<br />

Centennial Concert<br />

8. The Idea of North; The Beethoven<br />

Centennial Concert<br />

9. Musicamera - Music in our Time:<br />

The Age of Ecstasy; The Flight from<br />

Order<br />

10. Musicamera - Music in our Time:<br />

New Faces, old Forms; The Artist as<br />

Artisan<br />

Sony Music 10 DVDs<br />

(über 19 Stunden)

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