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dräum | ausgabe 2 | 06/2015

dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer

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MACHT<br />

BEWEIS<br />

Die knöcheldicke Schraube ächzte mit viel Widerwillen in die<br />

Verankerung, die man zuvor haushoch in den knochenharten<br />

Grund getrieben hatte. Ein Arbeiter kniete und drehte, kniete<br />

und drehte, kniete und drehte, ein anderer stabilisierte das<br />

gut anderthalb Meter lange Stahlrohr in Richtung wolkenlosem<br />

Wüstenhimmel. Hinten, da beim Truck, da lagen noch<br />

zwei von den Exemplaren, dösten im Schatten und warteten<br />

auf Befehl, die anderen zwei Stahlstangen zu bringen. Zusammen<br />

würden die drei Streben – einmal im Boden fixiert<br />

– einen stabilen Tripod bilden, an dessen Spitze schließlich<br />

eine majestätische Kugel aus gelbem Verbundstoff thronen<br />

würde. Neben dem Truck stand der Offizier und unterhielt sich<br />

mit dem Pyrotechniker. Hin und wieder unterbrachen sie ihr<br />

monotones Rauschen und besahen sich den Fortschritt der<br />

Lakaien. „Zwölf Minuten, Jungs, dann sind wir live. Falls ihr es<br />

nicht hinkriegen solltet – ihr wisst ja – dann wartet der Kübel<br />

auf euch! Also, wischt euch gefälligst den verschissenen<br />

Staub aus der Arschritze, setzt euer unhässlichstes Grinsen auf<br />

und kommt endlich in die Gänge, wir machen hier immerhin<br />

Staatsfernsehen, verdammt noch eins!“ Endlich sahen auch<br />

die Schattenhocker ihre Pause als beendet an und huschten<br />

mit dem zweiten Stahlrohr unter der zufrieden grinsenden<br />

Schnute des Kommandanten davon. Währenddessen zündete<br />

der sich geistesabwesend die Nächste am Rest der Vorigen<br />

an. Der Pyrotechniker lehnte dankend ab – er würde später,<br />

nach der großen Show, eine fette Illegale inhalieren.<br />

Mit einem breiten Grinsen besiegelten die beiden ihre<br />

lausbübische Komplizenschaft – das Handelsembargo zu<br />

brechen, geziemte sich besonders unter Staatsbediensteten<br />

so ganz und gar nicht, war den beiden allerdings in den<br />

vergangenen Jahren zum gemeinsamen, wohl behüteten<br />

Ritual geworden –, dann berührte der Techniker seinen Kappenschirm<br />

und drehte sich auf der Hacke um hundertachtzig<br />

Grad. In übertrieben militärischem Schritt marschierte er, sich<br />

und seine ganze Zunft parodierend, zur gigantischen Kanone,<br />

die da selbstbewusst im brüllenden Sonnenschein blinzelte.<br />

Er tätschelte ihr den Arsch und schritt das 5 Meter 78 lange<br />

Stahlrohr entlang, blickte vorne in den nachtschwarzen, gut<br />

einen dreiviertel Meter messenden Schlund und gestand<br />

dem riesigen Gerät im Flüsterton seine grenzenlose Zuneigung.<br />

Nachdem sie ihm das Bekenntnis hallend zurückversichert<br />

hatte, schritt er die 5 Meter 78 auf der anderen Seite<br />

wieder zurück zum Hinterteil des mächtigen Bombers, strich<br />

sachte mit seinen heißen Fingern über den glühenden Lack<br />

und folgte den Kabeln bis zum Zündkoffer.<br />

2 - 9 - 5 -1 - 6 – access granted.<br />

Die Steuereinheit meldete keine Auffälligkeiten.<br />

Technisch war also alles startklar, jetzt müssten nur noch die<br />

Menschen ihren Job machen. Ein Blick auf die Uhr, dann<br />

zum Tripod – 7 Minuten und das dritte Rohr ist so gut wie<br />

aufrecht. Jaja, der Kübel ist halt immer ein abschreckend<br />

guter Motivator, ging es dem Techniker durch den Kopf, ehe<br />

er den Blick zum Kommandanten schob. Die beiden nickten<br />

sich zu, der Kommandant kommandierte etwas ans Ende<br />

des Trucks, keine zehn Sekunden später rumpelte es mächtig<br />

im Frachtraum. Vier Mann, bisher im Inneren des Trucks<br />

Karten spielend, hievten eine enorme Transportkiste von<br />

der Ladefläche, ließen sie in den Staub plumpsen und verschnauften<br />

kurz. „Küüübeeeel ...“, ließ der Kommandant verspielt<br />

in ihre Richtung klingen, dann spannten sich wieder<br />

die Oberarme und die Kiste machte sich auf den Weg zum<br />

Kanonenschlund. Man traf sich dort, der Kommandant, der<br />

Pyrotechniker und die Kiste. Man nickte den Lakaien, den<br />

anderen beim Montieren der Kugel zu helfen, dann lauschte<br />

man genüsslich den Klängen der aufgebrachten Kiste.<br />

Genauer: dem panischen Geschrei des eingepferchten<br />

Ebers, der sich seiner letzten Minuten irgendwie bewusst zu<br />

werden schien. „Du kommst gleich dran“, lachte der Offizier,<br />

„nur keine Eile, du fettes Schwein!“ Gemeinsam lachte man,<br />

teils übertönte man das arme Tier, dann wurde man wieder<br />

ernst. „Zwo dreißig, Männer. Seid ihr fertig? Ich will nicht telefonieren<br />

müssen, um uns mehr Zeit herauszubetteln. Ich<br />

hoffe, das ist euch bewusst.“ Sieben der Männer machten<br />

ein paar Schritte rückwärts von der Konstruktion weg, drehten<br />

sich dann und kamen im leichten Galopp zur Kanone.<br />

Der achte polierte ein letztes Mal über die strahlend gelbe<br />

Kugel auf ihrem glänzenden Thron. „Alles montiert und<br />

überprüft, Sir, von unserer Seite kann‘s losgehen, Sir!“ „Gut“,<br />

hob der Kommandant an und blickte erwartungsvoll zum<br />

Pyrotechniker, „dein Auftritt.“<br />

„Na dann, Jungs, wenn ich bitten darf: Durchladen<br />

und entsichern! In fünfundvierzig möchte ich startklar<br />

sein.“ Noch im Umdrehen vernahm er das „Jawohl, Sir!“<br />

und machte sich auf den Weg zum Zündkoffer. Vier der Lakaien<br />

begaben sich zur Kamera und der angeschlossenen<br />

Sendestation, die vier übrigen brachen die Transportkiste<br />

auf und schreckten kurz vom bestialischen Gestank zurück,<br />

der ihnen entgegen schlug. Nachdem man den Brechreiz<br />

wieder hinunter geschluckt hatte – man war schließlich Profi<br />

und wollte sich vor den Umgebungskameras, die wie immer<br />

alles genau dokumentierten, nicht zum Idioten machen<br />

(und schon gar nicht den Kübel riskieren ...) –, packte >>>

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