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dräum | ausgabe 2 | 06/2015

dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer

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RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

gewesen sein dürften, seltene Momente, möglicherweise gar<br />

RAUSCH<br />

nicht existent, ähnlich wie Nessie, der Yeti, das Wolpertinger<br />

(oder ist das ein Er?) oder der Eros nach griechischem Schöp-<br />

RAUSCH RAUSCH<br />

fungsmythos. Ein Berg von Ameisen schiebt sich Richtung<br />

Supermarkt, Milch haben wir vergessen, extra aufgeschrieben,<br />

und dann vergisst man’s erst wieder; noch mal blöd mit<br />

der Kassiererin schäkern, noch mal alles heimschleppen, ach,<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

n’ Kakao nehmen wir noch, ein paar Gramm Hüftspeck mehr<br />

für’n Winter sind nie verkehrt, bevor die Bikini-Saison kommt,<br />

Das Xylophon schrieb sich mit X und war jedem aus dem kriegen wir das schon wieder runter, kollektives Bewusstsein,<br />

Deutschunterricht verhasst, Flöten verschwanden laufend in ein lustiger Gedanke, ich weiß, was meine Vorfahren wussten,<br />

Schritt um Schritt, die Pauken und Trompeten lagen nach wie ich weiß, was mein Nachbar weiß, ich weiß, was ein Chinese<br />

vor bei Paul und Peter – ja, und der Bass, der wurde permanent<br />

gedropped – Katsching, Katsching, Katsching hallten die miteinander verbunden, manche nennen es Instinkt, andere<br />

im Kindergarten weiß, irgendwie sind wir angeblich doch alle<br />

leeren Patronenhülsen durch die kalt leuchtende Leichenhalle Reflexe, andere nennen es Überlieferung – ich habe mich<br />

– so trifft man sich also immer zweimal im Leben, das sollst du schon manchmal gefragt, welche armen Tropfe für unsere<br />

mir büßen, du Schuft. Vielleicht heute mal einen Rostbraten, Liste der tödlichen und fast-tödlichen Lebensmittel verantwortlich<br />

waren; jedes dieser Exemplare wird vermutlich eines<br />

mit Knödel und mächtig Saft, oder panierte Champignons<br />

mit Sauce Tartar, ein paar Kalorien dürfen es schon sein, oder Tages von irgendwem gekostet worden sein, daneben stand<br />

doch ein Cordon Bleu mit Pommes und Ketchup und 80er einer und notierte: führt zum Tod, nicht zum Verzehr empfohlen<br />

– schon lustig. Ohne Umschweife sag ich’s heraus: Es<br />

Mayo, zu blöd, dass ich im Wachkoma lieg, vielleicht kann ich<br />

per Telepathie bestellen, müsste nur noch die Schwester vorkauen,<br />

von der würd’ ichs nehmen, wie ein junger Vogel von egal, was wir investieren, früher oder später wird Physis und<br />

gibt keine andere Richtung als jene Richtung Tod, so oder so,<br />

seiner Mama, würg’s mir in den Hals, Baby, nur mal nicht so Psyche getrennt; ob Psyche eine Zukunft hat, nun, das gehört<br />

schüchtern, ach verdammt, wieder nur Nährstoffe aus’n Tropf, der Metaphysik, der Religion, dem Aberglauben – wir, die wir<br />

was für eine Enttäuschung, zu blöd, wenn nur man selbst, nicht gewillt und in der Lage sind, uns an derlei Hokuspokus<br />

zu verschenken, wir bleiben zurück mit einer Ahnung von<br />

aber nicht die anderen der Telepathie mächtig sind, da kann<br />

man gleich mit einer Wand flirten. Nach dem Essen sollst du Dunkelheit. Fröhliche Dinge, ja, fröhliche Dinge sollst du denken;<br />

von Ponys und Zirkuszelten, mach putzige Tierchen mit<br />

rauchen oder eine Frau missbrauchen, hast du beides nicht<br />

zur Hand, bohr ein Loch und fick die Wand – derlei Sprüche deinen Gedankenstrichen, mal Süßigkeiten in die Wolken,<br />

schwirrten durch meine Jugend, an jeder Ecke konnte man beschwöre Niedliches, denke an die schattenfreie Liebe, sei<br />

Weisheiten solcher Natur zum Besten kriegen, auch Neger, ein unbändiger Romantiker, setz dich in Wiesen, ohne gleich<br />

putz ma d’ Schuach oder Bring di um, du schwule Sau waren<br />

einige der jugendlichen Glanzstücke, die man zu hö-<br />

entert und in Besitz nimmt; steig ins Flugzeug und träume<br />

an Ameisenurin und krabbelndes Getier zu denken, das dich<br />

ren bekam; da muss man erst raus aus dem angeborenen von fernen Zielen, von wunderschönen Stränden und fremden<br />

Kulturen, ohne daran zu denken, dass dein nächstes Ziel<br />

Sprachraum, um das Ausmaß der verbalen Verdorbenheit zu<br />

verstehen; wo das Leben anfängt, hört die Leichtigkeit auf, ein Flugzeugwrack im Atlantik sein könnte; denke nicht an<br />

bloß mit viel Glück kann man Momente der gedanklichen den Eisbären, ja, vermeide ihn – so lebt es sich doch gleich<br />

Schwerelosigkeit erleben, wie sie einem vor der Geburt Alltag um Hausecken schöner, nicht wahr? Mit Poltern und Krachen<br />

drangen die Gedankenpolizisten in das besetzte Haus ein,<br />

Francis – du geht’s mit Marc in den ersten Stock, Sutcliffe und<br />

Merryweather – ihr nehmt euch den Keller vor, wenn ihr wen<br />

trefft, der nicht ins Denkschema passt, trefft ihn noch mal, und<br />

vielleicht noch mal zur Sicherheit – und denkt dran, anfangs<br />

auf die Brust zielen, dann erst auf den Kopf; man muss da auf<br />

Nummer sicher gehen, sonst entfleuchen die rebellischen<br />

Gedanken gar noch Richtung Notizblock oder Twitter oder<br />

Blog oder sonst noch so nen Freidenkerquatsch – auf auf, ins<br />

Gefecht Jungs, sind ja nicht zum Spaß hier. Im ersten Stock<br />

tanzten die Feigenbäume Lambada, zwei Ostereier machten<br />

Limbo; im dunklen Eck sprach Morrison mit Warhol, Félicien<br />

Rops kreierte Gestalten, die den DJ unterstützen sollten;<br />

an manchen Wänden saß Schimmel, der sich amüsierte,<br />

aus der Nebelmaschine kamen Gespenster, allesamt Mitglieder<br />

in der Geschreckschaft Wiener Neudorf, organisiern,<br />

organisiern, organisiern, vor allem, wenn man keine Organe<br />

mehr hat, eine Lektion, die mir mein Großvater eines Tages<br />

vom Sterbebett aus mitgegeben hat – mehr hat leider nicht<br />

rausgeschaut, das großzügige Erbe ging an seine sechzehn<br />

Katzen, derer fünfzehn nach und nach aus ungeklärten Umständen<br />

verstorben sind – Nr. 16 hat sich dann mit dem Geld<br />

ins Ausland abgesetzt, verbringt, soweit ich weiß, die meiste<br />

Zeit auf einer Yacht in unbekannten Gewässern und pratzelt<br />

nach den golden schimmernden Fischen.<br />

Kostbare Geschmeide<br />

Von blendender Erhabenheit<br />

Am rauen, bittern Hals<br />

Der fehlenden Erbaulichkeit<br />

Stein um Stein verliert sich<br />

Im strauchelnden Gespräch<br />

Neue Perspektiven wenig<br />

Alte Laster immerlich<br />

Gib Preis was dich zerreißt<br />

Friss auf was dich zersetzt<br />

Geh hinein<br />

Mach auf<br />

Sag ja<br />

Gut<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

Ein Trichter führt in die Ewigkeit, oben hinein gegossen alles<br />

Licht und aller Schall und alles, was das All so hat – am<br />

andren Ende ein Ding, das wir nicht kennen, nicht verstehen,<br />

auch leider nie verstehen werden, denn wenn dort die Zeit<br />

so dicht gepresst, dass Licht sie nicht durchdringen kann, wie<br />

es vorm Urknall mal gewesen ist, wenn absolute Dunkelheit<br />

in absolutem Stillstand schwebt, was können dort Gedanken<br />

wirken?, wie soll da ein Mensch, wo das Universum machtlos<br />

scheint, mit seinen Mitteln punkten? Also nicht so viel geschwafelt<br />

und mehr dafür gelacht, Trübsal blasen macht weniger<br />

Spaß als Seifenblasen blasen, denn auch wenn Trübsal<br />

schimmern mag, so sind es doch die dunklern Farben, die<br />

das Licht der Schwermut strahlen lassen – hinaus in die blitzblaue<br />

Welt, die grundlegenden Fragen ins Magazin geschoben<br />

und sauber zugesperrt, den Schlüssel fein säuberlich<br />

beim Therapeuten des Vertrauens deponiert, mit Skateboard<br />

und Erektion die Frühlingsluft gesogen, Vertretern des begehrten<br />

Geschlechts ein wenig nachgepfiffen, gelegentlich<br />

in Geldbeutel gegriffen, hier was kaufen, da was kaufen, im<br />

Pub mal einen saufen, ne ordentliche Schlägerei vom Zaun<br />

gebrochen und noch saftig nachgelangt, dann heim und<br />

unters Bett gelegt, dem Staub zur guten Nacht erzählt, den<br />

Wecker an die Wand geschmissen, Notizen von vorhin fein<br />

säuberlich zerrissen, Megaphon gepackt und ordentlich laut<br />

durchgekackt, damit’s auch jeder mitbekommen hat, dann<br />

Sachen packen, Gas abdreh’n, mit Tschick und Koffer an<br />

der Haltestelle stehn, den Postler freundlich auf dem Fahrrad<br />

grüßen, mit Schwung in den Müll gegriffen, Frühstück<br />

muss ja sein, in die Bahnhofshalle und den Zug hinein, der<br />

Landschaft freundlich durch die Scheibe winken, schläfrig in<br />

den Sitz rein sinken, gen Abend wieder aufgewacht, im Radio<br />

wird nix mehr deutsch gequatscht, die Reise läuft ganz angemessen,<br />

die Hose ist zwar abgesessen, aber noch ist nichts<br />

gerissen, endlich da, man glaubt es kaum, los gerannt und<br />

raus gesprungen, freudig alles angeschaut, dem Taxler fremdes<br />

Geld gegeben, vom Fluchen checkt man eh kein Wort,<br />

mit neuem Mut ins Hostel rein, nachts alles klauen was liegt<br />

so fein, so geht das eine Woche dann, der Hehler zahlt, der<br />

Heller glänzt, langsam geht’s, langsam kann man leben ...

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