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dräum | ausgabe 2 | 06/2015

dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer

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AU-GUS-TIN<br />

Friedrich Augustin Dienstag staunte nicht schlecht, als ihm Doppler auf und prostete zum Karl im Herrgottswinkel, trank<br />

der Notar verkündete, dass der Onkel Karl – Gott hab ihn fleißig auf den Herrn Notar und rieb sich dermaßen energisch<br />

seine dicken Hände, dass beinah ein Wohnungsbrand<br />

selig – ihn, den kleinen Friedrich, als Alleinerben hat einsetzen<br />

lassen. Auf Nachfrage gab der Herr Notar, hinter entstanden wär. Endlich, endlich konnte er die verhasste<br />

vorgehaltener Hand und vermutlich nur, weil der Spritzer<br />

beim Mittagstisch ein bisschen gar zu süffig war, den während der ersten Flasche Wein rief Fritz die Hausverwal-<br />

Hack'n schmeißn und das Leben seiner Träume leben. Noch<br />

Hinweis, dass der Onkel Karl, den der Friedrich zum letzten tung, kündigte die Wohnung und der netten Dame seinen<br />

Mal vor gut einem Vierteljahrhundert über ein Familienfest Auszug an – den er dann auch gleich mit den erstbesten<br />

hat stolpern sehen, der Mitzi, seiner vierten Gemahlin und 2-Mann-plus-LKW für so schnell als möglich veranschlagen<br />

notorischen Intrigenstrickerin, einen dicken Strich durch die konnt‘. Noch die gleiche Woche saß er am Balkon, ein Jahrhundertwendeschlösschen<br />

hinter und die ganze Hauptstadt<br />

Rechnung hat machen wollen, indem er sie komplett aus<br />

dem Testament hat streichen lassen. Der Herr Notar, von unter sich. Wieder und wieder prostete er zum Karl, wieder<br />

Anfang an in den Plan seines Wirtshausbruders Karl gut und wieder und wieder und – wieder und wieder und wieder.<br />

eingeweiht, konnte sich jetzt das leichte Schmunzeln nicht Des nächsten Tags – in Wahrheit anderthalb Wochen<br />

verkneifen, als er das Zettelwerk mit einer exakten Auflistung<br />

der gesamten Erbmasse zum Fritz herüber schob.<br />

leichten Schädels und starken Brands) daran, sich seinen<br />

später – machte sich der Friedrich Augustin Dienstag (trotz<br />

Der war bass erstaunt und plötzlich froh, sich trotz Lebenstraum real zu machen. Der erste Weg ging hin ins<br />

der prekären Lage zwischen sich und seinem Vorarbeiter Handyland am Brunnenmarkt, wo man sich mit Händ‘ und<br />

einen Urlaubstag gezupft und in die 41er Richtung Pötzleinsdorf<br />

gesetzt zu haben. Ein Herrenhaus im Neunzehnten und Wert von 1.000 Euro nimmt – jedes versehen mit ein biss-<br />

Füß‘ darauf verständigte, dass man mobile Siemens im<br />

ein ganzer Batzen Geld – so viel, wie ein Mann in Friedrichs chen Sprechguthaben und einem Schutztascherl, das man<br />

Alter kaum noch auszugeben fähig sein wird – ja, jetzt war er sich an den Gürtel klippst. Der zweite Weg ging hin zum<br />

was, dachte Fritz, und griff sich an die wallende Brust, fürchtend,<br />

hier und jetzt tot umzufallen. Nachdem der erste Schock den und diversen Nicht-Lokalrunden feierte.<br />

Heurigen, bei dem man diesen Teilerfolg mit zwei Lokalrun-<br />

vorüber war, hob er seinen Blick zum hochrot grinsenden Berufs-Schnitzel-Esser<br />

und bat um den Mont Blanc.<br />

nagelneuen Siemens und rügte sie schließlich, sie sollten es<br />

Weitere anderthalb Wochen später suchte Fritz die<br />

In seiner GarÇonnière gut angekommen, riss sich der Fritz den sich bitte abgewöhnen, unter haufenweise Unrat Versteck<br />

mit ihm zu spielen. Ein Stamperl auf den kleinen Schock<br />

und die Angst, er müsse glatt noch mal zum Brunnenmarkt,<br />

dann packte Fritz die Tasche voll und fuhr mit Bim und Bahn<br />

hinunter zum – na, wohin sonst – zum Karlsplatz, um sich<br />

dort dem ersten Augustin-Verkäufer vorzustellen.<br />

Er erwarb von ihm das aktuelle Heft, gab dem verdutzten<br />

Herrn drei große Scheine und machte ihn sich zum<br />

Komplizen. Er reichte ihm ein Handy und empfahl sich, in<br />

den nächsten Tagen würde er sich mit Genau‘rem melden,<br />

bis dahin solle der junge Herr die Arbeit ruhen und die Füße<br />

rasten lassen. So verfuhr der Fritz den Rest der Woche mit<br />

jedem Zeitungstandler den er fand, gab allen einen Lohn,<br />

von dem sie sonst nur träumen hätten können, und verteilte<br />

fleißig Telefone – binnen kürzester Zeit hatte er sich so ein<br />

Netz von Mitarbeitern zugelegt, das sonstigen Organisationen<br />

leicht die feuchten Träum‘ ins Hoserl trieben hätt. In all<br />

der Zeit trug Friedrich ausschließlich seinen feinsten Zwirn<br />

– das war: ein weißes Ober- samt weißem Unterhemd, ein<br />

braun kariertes Altherrnjackett, die immer gleiche Unterflak<br />

und natürlich die geliebte, aus der Erbmasse gefischte, olivgrün-glänzende<br />

Schnürlsamthose des Onkel Karl, die er<br />

angeblich noch beim Baumeln vom Querbalken getragen<br />

haben soll. Als all das endlich anfing, aus eigener Kraft im<br />

Eck zu stehen und sich über 8 Meter bei jedem Mensch mit<br />

Nase anzumelden – als also das Weiß des Oberhemds bloß<br />

noch gelblich-beige Erinnerung war – da sah Fritz nun endlich<br />

seinen ersten Arbeitstag gekommen. Er schlüpfte in den<br />

gut kopierten Straßenzeitungsverkäuferausweis, rief die zum<br />

Rayonsleiter bestimmten Kollegen an und gab Befehl, an<br />

alle übrigen das GO! zu geben. Dann griff er sich einen satten<br />

Stapel Augustins, fuhr – von Vorfreude vibrierend – zum<br />

Schottentor und bezog dort seinen neuen Arbeitsplatz. Am<br />

Dienstagmorgen, um exakt sieben Uhr sechzehn, hallte zum<br />

ersten Mal die gepfiffene Version von „Oh du lieber Augustin“<br />

durch das berstend volle Stationsgebäude, durch den<br />

Lichthof hinauf zur Votivkirche und zur Hauptuni, zum Cafe<br />

Stein und zum Gericht. Wo Friedrichs Pfeifen im Berufstumult<br />

zu verstummen drohte, dort griff es nahtlos in das der<br />

Kollegen über, wurde so zum Rathaus und zum Burgtheater,<br />

zum Michaeler- und zum Stephansplatz getragen, klang<br />

zur Angewandten und zum Donauturm, stach bis hinauf<br />

zum Kahlenberg – und verseuchte langsam Kopf um Kopf,<br />

pflanzte Wurm um Wurm in fremde Ohren, wo sie mit dem<br />

Nervenfraß begannen. Es dauerte ein, zwei Wochen, ehe die<br />

ersten Erfolge von Friedrichs großem Plan bemerkbar wurden.<br />

Die Stimmung in der Stadt war spürbar angespannt,<br />

der Grant der Menschen zunehmend entzündlich – während<br />

die immer gleiche Melodie auf grausamste Art in jedes Gässchen<br />

floss, in alle Fasern Reibung streute und stetig die Wut<br />

der Menschen nährte.<br />

Bester. Job. Ever. dachte Friedrich noch und nöcher,<br />

während sein innerliches Grinsen durch jede wortlose Morddrohung,<br />

die er von entnervten Augenpaaren zugeschanzt<br />

bekam, noch größer und zufriedener wurde. Trotzdem<br />

– und das überraschte ihn dann doch – dauerte es ganze<br />

zweieinhalb Monate, ehe einer der Passanten ihn mit weiß<br />

gespannter Faust um Unterlassung bat, da ansonsten was<br />

passieren würde. Fritz verstummte (im Hintergrund hörte<br />

man „Oh du lieber Augustin“ aus allen Himmelsrichtungen<br />

hallen), blickte dem Herren in die Augen und fragte in gebrochenem<br />

Deutsch: „Augustin?“<br />

Jeden Abend legte Fritz dann seine verquollenen<br />

Füße zufrieden auf das Balkongeländer und freute sich<br />

seines neuen Lebens – alles lief ausgezeichnet und er überlegte,<br />

wie er mit seinem Geschäft in andere Städte expandieren<br />

könnte. Die Erfolge sprachen nämlich Bände: Was man<br />

erst nur aus den Gratiszeitungen, später dann aus Krone,<br />

Standard, Falter, schließlich auch aus Wien Heute und der ZiB<br />

erfuhr, stieg die Zahl der Handgreiflichkeiten in der Hauptstadt<br />

nun beinahe täglich an – und immer seltener konnte<br />

ein triftiger Grund dafür gegeben werden. Im Rathaus diskutierte<br />

man die möglichen Mittel und Wege zur Entschärfung<br />

der Situation, eine Untersuchungskommission mit Namen<br />

„SoKo Friedensstifter“ wurde eingesetzt, man erwog, ob<br />

wohl grüne anstatt roter Fahrradspuren für die nötige Entspannung<br />

sorgen könnten, ob man mehr Begegnungszonen<br />

oder Grünflächen bräuchte, aber lange noch, bevor die<br />

Politik sich auf die ersten Projekte einigen konnte, da kippte<br />

die Stimmung in den Straßen in ein Meer aus Chaos und<br />

Gewalt. Friedrich Augustin Dienstag riss sich seinen Doppler<br />

auf und prostete zur Stadt hinab – und begann vollends<br />

begeistert: „Oh du lieber Augustin, alles ist hin.“

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