Deutsche Freiwilligen-Corps im Burenkrieg - Golf Dornseif
Deutsche Freiwilligen-Corps im Burenkrieg - Golf Dornseif
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Corps</strong> <strong>im</strong> <strong>Burenkrieg</strong><br />
Von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />
Sie kamen von weit her. Aus den Villen und Elendsvierteln Europas sowie der Neuen<br />
Welt. Aus Elite-Reg<strong>im</strong>entern und Goldminen unter Tage. Alle wollten den Buren unter die<br />
Arme greifen, vereint (und zerstritten) in <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Corps</strong>. Es galt zwei kleine Buren-<br />
Republiken vor dem Zugriff der Briten zu bewahren: aus Idealismus, Abenteuerlust und<br />
Karriere-Verlangen. Wer waren diese Männer? Zum Beispiel ein französischer Adliger<br />
mit Praxis in der Fremdenlegion, eine Hand voll „Rough Riders“ Teddy Roosevelts, ein<br />
zaristischer Fürst mitsamt seinen Kosaken, exotische Filipinos, preußische Grafen und<br />
Freiherren (mit umschatteter Vergangenheit), der Bruder des Malers Vincent von Gogh,<br />
Anarchisten, irische Freiheitskämpfer, sogar Musl<strong>im</strong>e und ein Neffe des damaligen<br />
Papstes.<br />
Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass die <strong>Deutsche</strong>n voller Tatendrang zu den ersten<br />
„Volunteers“ zählten mit Adolph Schiel an der Spitze, der sich vortrefflich auskannte: 41 Jahre alt,<br />
leicht erkennbar am wilhelminischen Bartwuchs („Es ist erreicht“), geboren am 19. Dezember 1858 zu<br />
Frankfurt am Main als Sohn eines Weinhändlers. Schiel diente zunächst ein Jahr bei der preußischen<br />
Infanterie und dann drei Jahre unter Braunschweiger Husaren. Seine Qualifikation als Feldwebel:<br />
erfahrener Infanterist, Kavallerist und Artillerie-Experte.<br />
Im Oktober 1878 traf Schiel in Südafrika ein, angeblich ehemaliger Leutnant, um irgendwie und<br />
irgendwo sein Glück zu machen wie so viele andere Auswanderer jener Zeit. Farmarbeit in Natal,<br />
Speditions-Kutscher, Eheschließung mit der Missionarstochter Magdalene Meyer und Niederlassung<br />
in Northern Transvaal. 1881 Jobs als Gerichtsschreiber bei der Eingeborenen-Justiz mit<br />
weitreichenden Vollmachten. 1879 verwickelten sich die Briten in den Ersten Zulu-Aufstand, schlugen<br />
ihn nieder und mussten danach beobachten, dass die schlauen Buren diskrete Bündnisse mit den<br />
Schwarzen einfädelten, um zusätzliches Weideland zu sichern. König Dinizulu erhielt sogar Waffen<br />
und Munition aus den Händen seiner neuen weißen Freunde.<br />
Aus dem Inhalt<br />
Gewitterwolken am Firmament<br />
Der Krieg bricht aus<br />
Durcheinander bei den <strong>Deutsche</strong>n<br />
Freiwillige <strong>im</strong> Urteil anderer<br />
Ein deutsches Feldlazarett<br />
Deutsch-burische Brunderschaft<br />
Schiel nutzte die einzigartige Gelegenheit, empfahl sich den dankbaren Zulu Chiefs als militärischer<br />
Berater und bekam den freundlichen Spitznamen „matefane“ (sinngemäß Schnurrbart-Krieger).<br />
Zurück auf dem Posten bei Gericht in Soutpansberg geriet Schiel in eine nie ganz aufgeklärte<br />
Auseinandersetzung mit einem Schwarzen be<strong>im</strong> Eintreiben von Steuerzahlungen auf einer Farm und<br />
erschoss den Schuldner. Der Prozess führte zum Freispruch, doch die schwarze Bevölkerung schwor<br />
dem Todesschützen Rache und man kündigte ihm vorsichtshalber. Inzwischen lebte er in der<br />
romantischen Vorstellung, demnächst eine deutsche Kolonie in Südafrika gründen zu können,<br />
wohlwollend unterstützt durch die Zulu Herrscher.<br />
Am 21. Mai 1884 tat sich Schiel mit dem Burenführer Lukas Meyer zusammen, der den Zulu das<br />
Blaue vom H<strong>im</strong>mel herunter versprach. Gemeinsam „salbten“ sie Chief Dinizulu zum König mit<br />
Rizinus Öl (!!!), umjubelt von 9000 Speerträgern. Aus britischer Sichtweise war dieses „Bubenstück“<br />
nicht nur lächerlich, sondern auch landesverräterisch. Ungerührt schickten die Buren ihre<br />
Commandos, um den frisch gesalbten King gegen seine Widersacher <strong>im</strong> eigenen Volk zu<br />
unterstützen. Chief Sibebu musste sich nach der Schlacht von Tshaneni geschlagen geben, nachdem<br />
Schiel als Heerführer der „Zulu-Buren“ gründlich aufräumen konnte. Zum Dank bekamen die<br />
Voortrekker ihr erhofftes Land von den Schwarzen und erklärten es zur „Republik“.
Oberst Adolphe Schiel, ehemaliger<br />
preußischer Feldwebel und klassischer<br />
Abenteurer, führte die deutschen<br />
<strong>Freiwilligen</strong> <strong>im</strong> <strong>Burenkrieg</strong> und<br />
machte eine steile Karriere bis<br />
zum bitteren Ende ...<br />
Schiel wurde siegestrunken und übermütig. Er reiste nach Deutschland, um den he<strong>im</strong>atlichen Militärs<br />
seine tollkühnen Ideen schmackhaft zu machen, nicht nur Südwestafrika sondern auch ganz<br />
Südafrika zu kolonisieren und die Engländer zu vertreiben. Schiels burische Freunde fanden dies gar<br />
nicht lustig und reagierten verärgert. Eine „deutsche Zulu-Kolonie“ unter wilhelminischer<br />
Schutzherrschaft kam für sie nicht in Frage.<br />
Inzwischen drangen Schiels Fantasien auch in britische Ohren, und der Argwohn gegenüber der<br />
deutsch-burischen Zulu-Allianz nahm deutlich zu. Seltsamerweise beruhigten sich die Gemüter bald<br />
wieder ohne Konsequenzen. Etwas später bemühte sich Schiel um einen Rang bei der Transvaal<br />
Mounted Artillery sowie bei der Buren-Polizei. Juni 1888: der <strong>Deutsche</strong> wird zum Leutnant ernannt,<br />
obwohl viele Untergebene seinen scharfen Umgangston übel nehmen. Commandant Erasmus, Chef<br />
der Artillerie, mochte Schiel ebenso wenig, aber die Kommandierung blieb gesichert. Schiel griff<br />
überall mit eiserner Faust durch, brachte rebellische Eingeborene zur Räson und bewährte sich<br />
schließlich als Polizei-Kommissar rund um die Uhr. Gleichzeitig legte er großen Wert darauf, nur<br />
vorübergehend abgeordnet zu werden: den militärischen Rang als Reserve-Offizier wollte er<br />
behalten.<br />
Man schrieb 1890 und Schiel geriet wieder einmal in ernste Schwierigkeiten „angeblich wegen<br />
Kindesmissbrauch, Erpressung, Pflichtvergessenheit und Viehdiebstahl“. Die hochnotpeinliche<br />
Untersuchung endete mit einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Zwei britische Kaufleute<br />
und Schiels ehemaliger Vorgesetzter hatten ein Komplott geschmiedet, das aufflog. Nun bremste<br />
nichts mehr die militärische Laufbahn. 1892 gewährte man Schiel die Staatsbürgerschaft <strong>im</strong> Reich der<br />
Buren und die Position eines Generalinspekteurs der Staatlichen Artillerie. Ein zusätzliches Amt:<br />
Direktor des Strafvollzugs <strong>im</strong> Freistaat, dazu Festungsbau-Direktor zur Entwicklung der Forts rund um<br />
Johannesburg und Pretoria.<br />
1899 hatte der ehemalige preußische Sergeant fern der He<strong>im</strong>at sehr viel erreicht, obwohl er mehr<br />
Gegner als Freunde zählte wegen seines herrischen Wesens. Spötter belächelten seine<br />
wichtigtuerischen Kutschenfahrten durch Pretoria, „aufgeblasen wie ein Fesselballon ...“ Vorgesetzte<br />
betrachteten Schiel mit Argwohn und Eifersucht, weil sie nicht schlau aus ihm wurden.<br />
Gewitterwolken am Firmament<br />
<strong>Deutsche</strong> Einwanderer waren die ersten, die sich mit einer Bittschrift an die Regierung Transvaals<br />
wandten und die Aufstellung eines Commandos Kriegsfreiwilliger Ausländer anregten. Der aus den<br />
USA stammende Hotelier Donovan bot 200 bis 400 Kämpfer an, „sofort abrufbar“. Die <strong>Deutsche</strong>n<br />
hatten jedoch eine klare Konzeption schwarz auf weiß in der Hand.
Vorschuss-Lorbeeren gab es reichlich als Referenz: Major Richard Albrecht, Kommandeur der Oranje<br />
Freistaat Artillerie, stammte aus Berlin und hatte bereits Erfahrungen <strong>im</strong> Deutsch-Französischen<br />
Waffengang gesammelt. 1886 ließ er sich in Südafrika nieder, nahm Kontakt zur Buren-Armee auf,<br />
schickte junge Männer zur Artillerie-Schulung nach Preußen und erwies sich als ebenso umsichtig<br />
wie fachkundig. Im übrigen dienten eine Reihe <strong>Deutsche</strong>r ohnehin bei der Transvaal Artillerie und <strong>im</strong><br />
Nachschubwesen.<br />
Schiel suchte Sarel Eloff auf, Enkelsohn von Präsident Oom Krüger und deutschfreundlich eingestellt<br />
vom Scheitel bis zur Sohle. Am 20 Juni unterbreitete Eloff dem Präsidenten eine Denkschrift zur<br />
Sache und empfahl ihm dringend, das Angebot der deutschen Kriegsfreiwilligen anzunehmen als<br />
selbständige Truppe „einzusteigen“. Krüger st<strong>im</strong>mte zu, ohne länger abzuwarten.<br />
Ein Ausschuss mit vier Herren, GERMAN BOND genannt, trat zusammen als Freikorpsgründer. Dr. F.<br />
Elsberger übernahm den Vorsitz, unterstützt von Grothaus, Ts<strong>im</strong>er sowie Graf Harra von Zeppelin<br />
(Verwandter des deutschen Luftschiff-Pioniers), einem Ulanen-Offizier in der He<strong>im</strong>at. Schiel drängte<br />
sich vorsichtshalber nicht nach vorn und wartete gelassen ab, da ihm die Rolle des Kommandeurs<br />
ohne weiteres zukam. Am 19. August gab es eine Zusammenkunft mit General Viljoen, Commandant<br />
des Rand (Witwatersrand) Commandos und offizieller Sprecher der Buren-Regierung für auswärtige<br />
Angelegenheiten. Viljoen zögerte, den <strong>Deutsche</strong>n eine gewisse Unabhängigkeit einzuräumen, und<br />
bestand auf seinem Oberbefehl, was akzeptabel erschien. Händeschütteln, Schulterklopfen,<br />
Prositrufe ...<br />
Am 23. August 1899 fand die historische Versammlung der Interessenten in der NON PLUS ULTRA<br />
BEER HALL in der Bree Street zu Johannesburg statt. In der britisch-orientierten Presse konnte man<br />
nachlesen, dass „die versoffenen <strong>Deutsche</strong>n <strong>im</strong> Bierrausch Weltrevolution spielen wollten ...“ 600<br />
Männer saßen beisammen, sangen Volkslieder und ließen die Buren hoch leben, ohne dabei ihr Bier<br />
zu vergessen. So wurde das deutsche Commando einst<strong>im</strong>mig aus der Wiege gehoben, und Schiel<br />
konnte alles <strong>im</strong> Licht des Anführers bewundern.<br />
Der Stab des deutschen Commandos in Elandslaagte mit Hauptmann Weiss, Dr. Elsberger, Leutnant<br />
von Wichmann, Commandant Schiel, Graf von Zeppelin und einigen Veldkornets. „Commando“ war<br />
seinerzeit eine Kampfgruppe unterschiedlicher Größe während des <strong>Burenkrieg</strong>s.
Eine Woche später hatten 200 Freiwillige <strong>im</strong> OLD UNION CLUB HOUSE zu Pretoria Gelegenheit,<br />
sich zu den deutschen Waffen zu melden. Allerdings gab es die ersten Zwistigkeiten: die Männer aus<br />
Pretoria und Johannesburg bevorzugten eigene Commandos, keinen Verbund, schätzten jedoch<br />
Schiel wiederum als Oberbefehlshaber. Die neue Struktur sah folgendermaßen aus: Gemeinsamer<br />
Stab mit dem Buren (trotz englischen Names) Adjutant Thomas Chalmers Robertson, bislang <strong>im</strong> Büro<br />
des Staatssekretärs Reitz engagiert. Dann Captain C. Wiese an zweiter Stelle sowie die<br />
„Veldcornets“ Leutnant Georg Badicke, Leutnant Otto von Albedyll und Graf von Zeppelin. Dr.<br />
Elsberger amtierte als Beauftragter des Sanitätswesens.<br />
(Anmerkung: Die burische Bezeichnung „veldcornet“ ist heutzutage schwer verständlich. Im<br />
militärischen (europäischen) Sprachgebrauch war ein „Feldkornett“ seinerzeit ein Offiziersanwärter<br />
der Kavallerie, auch „Fähnrich“ genannt. Hier tauchen indessen mehrere Leutnants deutscher<br />
Herkunft auf, die aus burischer Perspektive „Veldcornets“ gewesen sein sollen „Veldcornet“ war <strong>im</strong><br />
burischen Sprachgebrauch ungefähr ein Bezirksamtmann, zuständig für Steuern, Wohlfahrt,<br />
Schiedsgerichtsbarkeit, Magistratsverwaltung usw. mit hohem Ansehen in der Bevölkerung, wobei der<br />
militärische Rang quasi parallel eine Führungsrolle spielte mit Ausbildung der Bürgerwehr (Miliz) <strong>im</strong><br />
Wahlbezirk. Pflichten als Beamter für zahlreiche Beurkundungen und Registrierungen kamen hinzu).<br />
Das Pretoria <strong>Corps</strong> befehligte Hans-Ulrich von Quitzow, ein ehemaliger Landvermesser <strong>im</strong><br />
Staatsdienst, vertreten durch Adolph Paul Krantz, ein ehrgeiziger junger Offizier voller Flausen <strong>im</strong><br />
Kopf. Die Mannschaften rekrutierten sich aus Ladenbesitzern, Lehrern, Studenten, Abenteurern und<br />
Selbständigen mit militärischer Erfahrung aus der He<strong>im</strong>at, wo sie ihren Wehrdienst ableisteten. Das<br />
deutsche <strong>Freiwilligen</strong>-Commando zählte unter anderen zwei versierte Artilleristen, von Wichmann und<br />
Grothaus. Sie wurden bald von der Freistaat-Artillerie wegen ihrer Spezialisierung einberufen.<br />
Major Richard Albrecht,<br />
Befehlshaber der Free State Artillery,<br />
geriet während des Kriegs mit<br />
Burengeneral Cronje in Gefangenschaft<br />
bei Paardeberg.<br />
Albrecht war Berliner und hatte<br />
am Deutsch-französischen Krieg<br />
als Artillerist teilgenommen mit<br />
nachweisbaren Erfahrungen. Er schickte<br />
beizeiten wissbegierige junge Buren<br />
zur militärischen Ausbildung nach<br />
Preußen.<br />
Biermann, der deutsche Konsul in Pretoria, ermahnte die <strong>Freiwilligen</strong> zur Zurückhaltung, weil Kaiser<br />
Wilhelm II. Wert auf Neutralität legte. In großen Zeitungsanzeigen gab er bekannt, dass kein<br />
Kriegsfreiwilliger <strong>im</strong> Notfall mit konsularischem Beistand rechnen dürfe. Es beeindruckte niemand.<br />
Schiel kaufte 500 Mauser-Gewehre, 500 Schultergurte für die Munition, sogenannte Bandoliers,<br />
sowie 50.000 Patronen. Von den 500 verfügbaren <strong>Freiwilligen</strong> sollten vorerst nur 300 zum<br />
Fronteinsatz gegen die Briten kommen. In Pretoria standen nochmals 200 berittene Schützen auf<br />
Abruf.<br />
Zank brach aus, gerade jetzt. Krantz vom Pretoria German <strong>Corps</strong> lehnte plötzlich Schiels<br />
Oberkommando ab. Schiel wollte ihn zum Teufel jagen, aber die Buren hatten bereits Krantz „<strong>im</strong> Amt<br />
bestätigt“. Wutschnaubend marschierte Schiel mit seinen Leuten los, ohne sich um die Abtrünnigen<br />
zu kümmern. Wie sollte das enden?
Fahne der <strong>Deutsche</strong>n <strong>im</strong><br />
<strong>Burenkrieg</strong> mit Inschrift<br />
DEM HELDENVOLK UND SEINEN<br />
FÜHRERN und Wappenschild<br />
des Oranje Freistaats, ca.<br />
zwe<strong>im</strong>al zwei Meter Fläche<br />
und jetzt Museumsobjekt.<br />
Am Sonntag, den 1. Oktober 1899, kletterte Schiels Commando in einen bereit stehenden<br />
Truppenzug. Zuvor fand ein Feldgottesdienst auf dem Messegelände statt. Gegen 16 Uhr dampfte die<br />
Lokomotive ab, umjubelt von zahlreichen Frauen und Kindern. Einige weinten. Vom engeren Stab<br />
saßen <strong>im</strong> Zug: Schiel, Harra von Zeppelin und Otto von Albedyll. Die übrigen Offiziere wurden noch<br />
<strong>im</strong> Fort gebraucht.<br />
An der Station Standerton vereinigte sich das deutsche Commando mit General Ben Viljoen und<br />
seinen Johannesburger Soldaten, meistens Bauern und Arbeiter aus dem jungen Proletariat der<br />
Industriestadt. An der Spitze aller Streitkräfte fand man General Kock, ein Patriarch der alten Schule.<br />
Am 4. Oktober erreichten die <strong>Freiwilligen</strong> den Klip River und schlugen ihre Zelte auf, zwei Reitstunden<br />
von Sandspruit gelegen. Dort residierte der Oberbefehlshaber aller Buren-Kämpfer. Sieben<br />
Commandos unterstanden General Piet Joubert. Schiel musste seine beiden Artilleristen schweren<br />
Herzens abgeben, abgeordnet zur Ersten und Dritten Batterie der State Artillery. Am Klip River<br />
machte man sich jetzt Gedanken über die geplanten Ziele für das deutsche und niederländische<br />
<strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Corps</strong>. Kock sollte den Botha Pass be<strong>im</strong> Vorrücken über die Drakens Berge sichern<br />
Richtung Oranje Freistaat. Von dort aus konnte man Natal angreifen sobald eine offizielle<br />
Kriegserklärung vorlag.<br />
Schiel ritt stolz neben Kock vor der Truppe her und ließ die <strong>Deutsche</strong>n bei Kadiesdrif nahe dem Botha<br />
Pass lagern am 7. Oktober. Die Buren erschienen hochgradig nervös. Zusätzliche deutsche<br />
Commandos eilten herbei: Thomas Robertson führte 115 Männer an, alle aus Johannesburg. Das<br />
<strong>Deutsche</strong> Pretoria <strong>Corps</strong> setzte sich gleichfalls in Bewegung. Am 2. Oktober ließ von Quitzow<br />
Gewehre verteilen und Übungsschiessen veranstalten. Am Tag darauf paradierten die <strong>Freiwilligen</strong> am<br />
Church Square zu Pretoria, und ein Mitglied des Stadtrats begrüßte alle neuen Verbündeten. Jeder<br />
sollte ein Pferd geschenkt bekommen! Schließlich wieherten nur 65 Gäule für 200 Leute, was die<br />
St<strong>im</strong>mung deutlich drückte.<br />
Zwei Tage danach fuhren die Männer zur Front, 165 Gewehre stark. General Joubert erhielt diskrete<br />
telegraphische Informationen, dass die <strong>Deutsche</strong>n untereinander wegen der Rangordnung stritten<br />
und vielleicht unzuverlässig seien. Krantz und Schiel müsse man mit Vorsicht genießen. Das Joubert<br />
Camp zählte <strong>im</strong> einzelnen: 6800 Buren, 320 Artilleristen der State Artillery mit 10 Schnellfeuer-<br />
Geschützen, sechs Max<strong>im</strong>-Maschinengewehren und zwei 15,5 cm Creusot Kanonen, gefürchtete<br />
„Long Toms“ aus Frankreich. Schiel versammelte jetzt etwa 400 Männer um sich <strong>im</strong> eigenen<br />
Rahmen. Von Quitzow brachte 136 Kämpfer nach Sandspruit. Dies waren alles zusammen gerechnet<br />
530 <strong>Deutsche</strong>, davon 275 beritten.<br />
Der Oberbefehlshaber bemühte sich redlich, die Reibereien unter den <strong>Deutsche</strong>n zu schlichten und<br />
hatte mäßigen Erfolg. Er schickte einfach die „verfeindeten Waffenbrüder“ in unterschiedliche<br />
Kampfzonen als Notlösung! Krantz wurde zum „Veldcornet“ befördert, was Schiel erzürnte, weil er<br />
sich übergangen fühlte. Jeweils 300 Männer hätten Anspruch auf einen Veldcornet als Anführer. Da<br />
aber die Leute aus Pretoria nur 150 Köpfe zählten, fehle der rechtmäßige Anspruch auf diese<br />
Position. Schiel nahm die Beförderung einfach nicht zur Kenntnis und beklagte sich bei General<br />
Joubert; vergeblich.
<strong>Deutsche</strong> Offiziere des <strong>Freiwilligen</strong> <strong>Corps</strong> vor Ladysmith: Leutnant von Schrabisch, Arzt Dr. Schiele,<br />
Commandant Kranz, Leutnant Birnbacher, Leutnant von Trotha, einige Veldkornets. Die Dame könnte<br />
Ehefrau Kranz gewesen sein, da sie stets ihren Mann begleitet hat!<br />
Der Krieg bricht aus<br />
Am 12. Oktober 1899 brach der Anglo-Boer War aus, der <strong>Burenkrieg</strong> nach deutscher Lesart. Es war<br />
kalt und regnerisch. In der Morgendämmerung rückten die Commandos auf britisches Territorium vor<br />
und trafen zunächst nur geringen Widerstand. 14.000 Transvaaler unter General Joubert fühlten sich<br />
siegessicher <strong>im</strong> ersten Überschwang. Commandant Martinus Prinsloo hatte weitere 6000 Buren unter<br />
sich. Sie sollten am Van Reenens Pass starten und vom Westen auf Ladysmith vorrücken.<br />
General Kock und seine 800 Männer (einschließlich der <strong>Deutsche</strong>n) hatten den Auftrag, die Strasse<br />
Richtung Ladysmith zu kontrollieren und am Biggarsberg abzuwarten. Der Kommandeur mit seinen<br />
beiden leichten Geschützen konnte es kaum erwarten seine Schlagkraft zu beweisen und die<br />
Bahnverbindungen zwischen Dundee und Ladysmith abzusichern. Das <strong>Freiwilligen</strong> <strong>Corps</strong> der 138<br />
Niederländer dirigierte Versamelewer de Witt Hamer.<br />
Kock sammelte seine Leute nahe der Grey Farm am Sunday Fluss bei Biggarsberg. Zwei Spähtrupps<br />
mit je 50 Mann schauten sich weiter um: einer unter Veldcornet Potgieter vom <strong>Deutsche</strong>n <strong>Corps</strong>, der<br />
andere unter Veldcornet Pienaar vom Johannesburger Commando Viljoens. Ihr Auftrag: nicht am<br />
Gegner kleben bleiben, getarnt ausschwärmen, unauffällig zurückkehren!<br />
Potgieter wusste alles besser. Er schnappte am 19. Oktober einen britischen Nachschubzug voller<br />
Vorräte bei Wasbank und geriet in die riskante Nähe der britischen Hauptstreitmacht südwärts. Am<br />
Abend des 20. Oktober trafen sich die beiden Veldcornets an der Bahnstation Elandslaagte, 16<br />
Kilometer nordöstlich Ladysmith. Man wollte nochmals einen Zug kapern, doch es missglückte.<br />
Daraufhin sprengten die Männer mehrere Gleise und erwischten einen anderen Zug: Die verfrorenen,<br />
nassen und hungrigen Buren eroberten Schlachtvieh, Textilien, Proviant und Branntwein. Den<br />
Telegraphisten sperrten sie in sein Z<strong>im</strong>mer und telegraphierten selber nach Ladysmith ihre<br />
Eroberung.<br />
Stunden später erreichte Schiel die Station und stand einem Haufen versoffener Helden gegenüber,<br />
die nicht mehr ansprechbar waren. Schiel hatte nicht nur deshalb schlechte Laune: Ihm war zu Ohren<br />
gekommen, dass Buren und <strong>Deutsche</strong> neuerdings bei jeder Gelegenheit plünderten und keinerlei<br />
Hemmungen zeigten. Sie missachteten Befehle und widersetzten sich der machtlosen Militärpolizei.
General Joubert wurde fuchsteufelswild und ordnete an, dass alle <strong>Deutsche</strong>n nur noch unter Aufsicht<br />
Schiels tätig werden dürften oder sofort abhauen mussten.<br />
Schiel versuchte wieder Disziplin einzuführen, wurde aber von den Trunkenbolden ausgelacht. Jeden<br />
Augenblick konnten die Briten auftauchen und ein Massaker veranstalten. Schiel drohte mit dem<br />
Kriegsgericht, dem Krijgsraad, aber die Veldcornets reagierten nicht. In dieser brenzligen Situation<br />
dampfte ein britischer Panzerzug <strong>im</strong>mer näher Richtung Elandslaagte, besetzt mit Infanteristen und<br />
Kanonieren. Die Buren zogen sich nach den ersten Feuerstössen zurück und schickten einen Melder<br />
zu Kock, der wiederum Viljoen informierte. 200 Männer und leichte Artillerie sollten zu Hilfe kommen.<br />
General Viljoen st<strong>im</strong>mte mit Schiel überein, dass die Disziplin der Truppe zu wünschen übrig ließ.<br />
Kock sollte einspringen, doch er beging einen schweren Fehler. Statt den Rückzug seiner Leute<br />
anzuordnen, führte er den Rest seines Comandos nach Elandslaagte: 800 Männer rannten blindlings<br />
in ihr Unglück.<br />
Spät abends am 20. Oktober hatten die Buren ihre Stellungen eingenommen. Ben Viljoen inmitten der<br />
Hügel östlich vom Bahnhof, Kock auf der Ebene vor den Gebäuden und die Niederländischen<br />
<strong>Freiwilligen</strong> abgesattelt am Fuß eines Hügels in der Nähe. Schiel erkannte mit geschultem Auge,<br />
dass die Buren in einer hoffnungslosen Sackgasse steckten. Er teilte Kock seine Besorgnis mit, doch<br />
der Bure wollte nichts hören. Adjutant Robertson teilte Schiels Befürchtungen.<br />
In der Zwischenzeit tobte woanders ein Gefecht, weiter nordöstlich. General Lukas Meyer attackierte<br />
die Briten bei Dundee am Talana Hügel unter schweren Verlusten. Der Gegner verlor seinen<br />
Kommandeur General S.R. Penn-Symon. Der Nachfolger General J.H. Yule zog sich nach Ladysmith<br />
zurück und traf dabei auf Kocks Kräfte. Joubert warnte Kock und drängte zum Rückzug Richtung<br />
Glencoe. Meldereiter kamen zu spät, denn Kock kämpfte bereits um sein Leben in aussichtsloser<br />
Position (trotz aller Ausländer zur Unterstützung).<br />
Am 20 Oktober hatte General French Spähtrupps ausgeschickt, die ihm berichteten, dass die Buren<br />
in kleinen Gruppen bei Elandslaagte ausharrten. French beschloss sie zu vernichten und die<br />
Schienenwege wieder instand zu setzen, um Dundee zu erreichen. Am 21. Oktober frühmorgens<br />
sandte French fünf Schwadronen Imperial Light Horse Cavalry, ein halbes Bataillon vom Manchester<br />
Reg<strong>im</strong>ent und die Natal Volunteer Field Battery nach Elandslaagte zur Entscheidung. Um 8.30 Uhr<br />
trafen sie auf die Buren, und Chaos brach aus.<br />
Ehrenvolles Begräbnis des Grafen Zeppelin, der <strong>im</strong> Gefecht ums Leben kam. Er war ein naher<br />
Verwandter des Luftschiff-Pioniers und suchte wie so viele andere Adlige aus Deutschland „das<br />
große Abenteuer“ in Afrika aus Übermut ... (Elandslaagte am 23. Oktober 1899)
Die ersten britischen Granaten zerfetzten den Lagerschuppen, sodass alle englischen<br />
Kriegsgefangenen entkommen konnten. Die Buren suchten Deckung. Die <strong>Deutsche</strong>n erhielten bei<br />
dieser Gelegenheit ihre unerwartete Feuertaufe und verloren die Fassung <strong>im</strong> Durcheinander. Ein<br />
Krankenwagen flog in die Luft, dann erwiderten die Buren das Artilleriefeuer mit eindrucksvoller<br />
Präzision. Der britische Munitionswagen wurde getroffen und explodierte. Nach 40 Treffern suchten<br />
die Engländer das Weite und gaben ihren Gäulen die Sporen.<br />
Schiel kletterte auf sein Pferd und ging auf Erkundung unter feindlichem Gewehrfeuer, ohne getroffen<br />
zu werden. Bei den Verteidigern herrschte Siegesst<strong>im</strong>mung, doch die Briten kamen mit Verstärkung<br />
zurück. General White sorgte für frische Truppen in Ladysmith: eine Schwadron der Fifth Lancers,<br />
eine Schwadron der Fifth Dragoon Guards, sieben Kompanien vom Devonshire Reg<strong>im</strong>ent First<br />
Battalion, fünf Kompanien Gordon Highlanders First Battalion, die 21. und 22. Batterie der Royal Field<br />
Artillery. Das waren 3496 Männer zu Fuß, 2000 Reiter, 18 Geschütze und sechs MG.<br />
Was konnte der Bure Kock aufbieten? 400 Burgher Viljoens, 150 <strong>Deutsche</strong> unter Schiel, 108<br />
Niederländer vom Freikorps unter Lombard und 100 Free Staters, zusammengerechnet 758 Männer<br />
mit zwei Kanonen. Die <strong>Deutsche</strong>n hielten die rechte Flanke, General Kock mit den Holländern und<br />
der Artillerie saßen in der Mitte und Viljoen war links postiert.<br />
Ehefrau des Commandanten<br />
Otto Kranz: Sie war stets<br />
an der Seite ihres Gatten<br />
und erfahren <strong>im</strong> Schusswechsel.<br />
Gegen 11 Uhr früh erschienen die Verstärkungen Frenchs aus Modderspruit in lang gezogenen<br />
Khaki-Formationen. Die Schottenröcke der Highlander flatterten <strong>im</strong> Wind, und gegen 15 Uhr stand die<br />
Kampfbereitschaft fest. Ehe die ersten Schüsse fielen, bemerkte General Kock, dass ihm zwei<br />
grössere Spähtrupps abhanden gekommen waren. Einen führte Potgieter. Schiel erhielt den Befehl,<br />
unverzüglich mit seinen Leuten nach Westen auszuweichen und Kontakt zu den „Scouting Parties“ zu<br />
suchen. So brachen 100 Mann auf in Richtung Ladysmith und hinterließen eine riskante Lücke in der<br />
Verteidigung.<br />
Schiel begegnete britischen Einheiten. Potgieter konnte frei geschossen werden und die Situation<br />
verfinsterte sich zusehends <strong>im</strong> Zentrum des Gefechts, wo die Gegner massiv angriffen mit 900<br />
Devons allen voran, unterstützt von den Manchesters. Die Briten machten den groben Fehler, in<br />
geschlossener Schlachtordnung vor zu rücken und boten ideale Zielscheiben für die burischen<br />
Scharfschützen.
Inzwischen wurde die Lage für Schiel brenzlig, denn die britische Artillerie schoss sich auf ihn und<br />
seine Männer ein. Ein schmaler Fluss musste be<strong>im</strong> Rückzug zur eigenen Hauptmacht durchquert<br />
werden, doch die Gäule scheuten. Albedylls Pferd brach getroffen zusammen, andere gleichfalls.<br />
Graf von Zeppelin fiel, Opfer eines Granatsplitters am Kopf. Zuvor hatte er seine Männer übermütig<br />
mit einem Fliegenwedel (!!!) in der Hand zur Attacke angespornt. Die Verluste der <strong>Deutsche</strong>n häuften<br />
sich. Meldereiter mit der Bitte um Hilfe erreichten nicht General Kock, der selber weder ein noch aus<br />
wusste.<br />
Am H<strong>im</strong>mel zog sich ein Gewitter zusammen: sollte das die Rettung ermöglichen? Rückzug <strong>im</strong><br />
Wolkenbruchschutz? General Kock, <strong>im</strong> Gehrock mit Zylinderhut, beschwor seine Buren<br />
durchzuhalten und auf die kommende Nacht zu vertrauen abgesehen vom Gewitter als Deckung.<br />
Dann gelingt die Flucht der Überlebenden nach und nach, während General French seine<br />
Lanzenreiter und Dragoner zur Verfolgung aufsitzen ließ, um die Gegner „aufzuspießen“. Ein<br />
furchtbares Gemetzel setze ein: reihenweise wurden die Burenreiter „abgestochen“ wie Schlachtvieh.<br />
Andere stürzten freiwillig zu Boden und baten händeringend um Erbarmen, doch die Briten gaben<br />
kein Pardon.<br />
Die Kavallerie-Attacke von Elandslaagte ging in die Militärgeschichte der schl<strong>im</strong>msten Grausamkeiten<br />
ein. Ungerührt notierte ein Lancer Offizier in seinem Tagebuch: „Habe zehn Minuten lang Schweine<br />
abgestochen und so gegen 60 Stück erwischt“.<br />
Schiel war nicht anwesend. Er spürte Schmerzen an einem Fuß, fiel vom Pferd und verlor das<br />
Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, sah er Potgieter und Bories tot in der Nähe liegen, während<br />
britische Soldaten ringsum Waffen einsammelten. Plötzlich steht ein alter Freund aus Johannesburg<br />
vor ihm, inzwischen <strong>im</strong> Dienst der Imperial Light Horse Kavallerie. Sie geben einander die Hand und<br />
trinken einen Schluck Kognak aus der Feldflasche. Der <strong>Deutsche</strong> verliert nochmals das Bewusstsein,<br />
wird wieder klar <strong>im</strong> Kopf. Ein Offizier tritt hinzu und fragt: „Sind Sie Colonel Schiel? Besitzen Sie<br />
Waffen?“ Man will ihn zum Feldlazarett tragen, aber Schiel lehnt ab. Zuerst sollen seine eigenen<br />
Männer versorgt werden. Das <strong>im</strong>poniert den Engländern. In Wirklichkeit denkt Schiel über<br />
Fluchtmöglichkeiten nach sobald es Nacht wird.<br />
Das Pretoria <strong>Corps</strong> feiert deutsche Weihnachten vor Ladysmith mit einem geschmückten Baum.<br />
Damals war man noch siegessicher und glaubte allen Ernstes die britischen Streitkräfte schlagen zu<br />
können dank origineller Guerilla-Taktik gegenüber den schwerfälligen Truppen des Gegners.
Einige Gordon Highlander reichen Schiel Biskuits und Wasser, dazu einen Regenmantel. Dann<br />
kommen auch Sanitäter und tragen ihn ins Hospitalzelt. Unterwegs begegnen sie dem deutschen<br />
Ambulanz <strong>Corps</strong> mit Dr. Elsberger, aber Schiel bleibt erst einmal Gefangener.<br />
Bilanz auf burischer Seite: 67 Gefallene, 108 Verwundete, 188 Männer in Gefangenschaft. Es<br />
handelte sich um die größte Niederlage der Buren <strong>im</strong> Unabhängigkeitskrieg 1899 bis 1901. Warum so<br />
viele Tote? Weil sich die ausländischen <strong>Freiwilligen</strong> weigerten, nach erprobter Buren-Taktik<br />
rechtzeitig zu fliehen. Bei den Briten zählte man 50 Gefallene und 113 Verwundete. Das deutsche<br />
Commando registrierte neun Tote und etwa 20 Verwundete, die von Kugeln und Lanzenstichen<br />
getroffen wurden.<br />
Durcheinander bei den <strong>Deutsche</strong>n<br />
Die Briten verfügten bei<br />
ihren Royal Engineers<br />
über drei Abteilungen<br />
mit Fesselballons zur<br />
Feindbeobachtung und<br />
schleppten sie aufgeblasen<br />
mit Ochsengespannen<br />
durch die Landschaft.<br />
Während Schiel nicht mehr mitmachen konnte, kämpften die <strong>Deutsche</strong>n in unterschiedlich<br />
zersplitterten Commandos weiter. Einige „kündigten“ und schifften sich Kurs He<strong>im</strong>at ein, andere<br />
fusionierten in Gruppen mit den Buren von Fall zu Fall. Die Anführer wechselten <strong>im</strong>mer häufiger, die<br />
Ordnung zerfiel allmählich. Der österreichische Baron von Goldegg gründete ein „Scouting <strong>Corps</strong>“ mit<br />
versprengten deutschen <strong>Freiwilligen</strong> nahe Pretoria. Man nannte sie (irrtümlich) oft Swiss <strong>Corps</strong> oder<br />
gar Ungarische Schwadron. Auch H.D. Meyer machte sich selbständig als Scouting <strong>Corps</strong>, eine Art<br />
Guerilla Formation.<br />
Während der Gefechte bei Boschrand und Zand Rivier verloren die <strong>Deutsche</strong>n fünf Leute: Baron von<br />
Brachel, Leutnant Krinther, Leutnant Tiechmann und zwei andere. Zu den Verwundeten zählten<br />
Oberst Lorentz, Leutnant von Wrangel, Baron Wolf sowie Pontinus und Werbe. Sie wurden von der<br />
deutschen Ambulanz betreut. Bei Brandfort gab es drei deutsche Verwundete: Paul Butschke aus<br />
Charlottenburg, Fritz Kultz aus Naumburg sowie Henning von Lochstedt, ein Berliner.<br />
Neben den einzelnen <strong>Freiwilligen</strong> <strong>Corps</strong> existierte eine Europäische Legion (zur Auswahl) bzw. eine<br />
Internationale Legion je nach Lust und Laune. Es gab auch hässliche Ereignisse: Der deutsche<br />
Gruppenführer Lorentz unterschlug Vorräte und musste als Betrüger davon gejagt werden, begleitet<br />
von seinen Komplizen <strong>im</strong> Verband. Der Russe Max<strong>im</strong>ow übernahm das Holländer <strong>Corps</strong>, und Lorentz<br />
formierte später seine Leute neu als „Internationale“.
General Philip Botha und andere burische Kommandeure fühlten sich <strong>im</strong>mer unbehaglicher <strong>im</strong><br />
Umfeld der kriegerischen Ausländer, weil man sie oft genug nicht mehr ernst nehmen konnte. Die<br />
Regierung <strong>im</strong> Kaiserreich geriet unter britischen Druck und ergriff Disziplinar-Maßnahmen gegen alle<br />
Berufsoffiziere und/oder Soldaten in den <strong>Freiwilligen</strong> <strong>Corps</strong>. Im Mai erklärte man in Berlin, dass nur<br />
drei preußische Offiziere für den <strong>Burenkrieg</strong> „beurlaubt“ worden seien: Baron von Reitzenstein,<br />
Leutnant Genz (als Berichterstatter) und Leutnant Thiesen, dessen Familie in Transvaal geschäftliche<br />
Interessen verfolgte. Alle übrigen <strong>Deutsche</strong>n in den Commandos zählten (nach Angaben der<br />
deutschen Behörden) zu den freizügigen Reserve-Offizieren oder „Hochstaplern“ mit erfundenem<br />
Dienstgrad. Trotzdem schifften sich <strong>im</strong>mer wieder Schlachtenbummler ein, um etwas in Südafrika zu<br />
erleben: Leutnant Oskar Hintrager, Jurist und Württemberger Artillerist zu Ulm, machte sich mit 29<br />
<strong>Freiwilligen</strong> auf den Weg und kam am 1. Mai in Lorenzo Marques an. Vier Monate kämpfte Hintrager<br />
neben General Christiaan De Wet und kehrt <strong>im</strong> September zurück, um einige militärische<br />
Erfahrungen reicher. In Berlin rief er ein Unterstützungskomitee für die Buren ins Leben und<br />
sammelte Spenden über zwei Jahre lang.<br />
In der Provinz Transvaal machten sich mittlerweile Straßenräuber breit. Die Buren-Regierung zog<br />
allmählich ostwärts in Richtung auf die Grenze zu Portugiesisch-Mozambik, während versprengte<br />
Gruppen ehemaliger Commando Freiwilliger in den Ortschaften zu plündern begannen, etwa in<br />
Machadodorp. Die Militärpolizei der Regierung reagierte hilflos. Notgedrungen wurden die <strong>Freiwilligen</strong><br />
aufgefordert, das Land schleunigst zu verlassen und he<strong>im</strong>wärts zu dampfen. Es ging jetzt um die<br />
Abkehr von unbrauchbar gewordenen Söldnern ohne Ehrgefühl.<br />
Ein letztes Gefecht unter Beteiligung ordentlicher deutscher Freiwilliger fand am 26. August bei<br />
Belfast <strong>im</strong> östlichen Transvaal statt: Commandant Schulz führte diese „German <strong>Corps</strong>“, unterstützt<br />
durch Krugersdorp und Johannesburg Polizei. Denys Reitz, Sohn des Staatssekretärs, gehörte den<br />
Einheiten an. Mitte 1901 befand er sich in Transvaal, verwundet, ohne Pferd und trotzdem<br />
tatendurstig. So schloss er sich den <strong>Deutsche</strong>n an.<br />
Der Achtzehnjährige berichtete später: „Ich lernte den deutschen Veldcornet Mayer mit seinen<br />
prächtigen Burschen kennen, Reste der Truppe des Barons von Goldegg, die sich teilweise bereits in<br />
die portugiesische Nachbarkolonie verkrümelt hatte ...“<br />
Im <strong>Burenkrieg</strong> entwickelte sich häufig ein seltsamer „Schlachten-Tourismus“ der unbeteiligten<br />
Zivilisten, wenn an einem best<strong>im</strong>mten Ort sich etwas zusammenbraute. Dann nahm man auf Hügeln<br />
Platz und kommentierte untereinander den Verlauf der Ereignisse!
Reitz hatte Glück und bekam ein überzähliges Pferd von den <strong>Deutsche</strong>n. Mayer wollte seine Leute<br />
als Spähtrupp verwenden, und die burischen Vorgesetzen waren einverstanden. Die nächsten<br />
Aktionen gingen schief, und Reitz schlug vor so rasch wie möglich zum Kap zu schleichen, weil es<br />
dort genügend Bier für alle <strong>Deutsche</strong>n gebe. Sie waren begeistert!“<br />
Teenager Reitz beschrieb seine neuen Freunde amüsiert: „Der älteste Mann hieß Hermann Hase,<br />
etwa 45 Jahre alt, und sah aus wie ein typischer deutscher Bratwurstfresser in den englischen<br />
Witzblättern. Hase war ein lieber und herzensguter Mensch, in Johannesburg als Kaufmann ansässig,<br />
ein Freiwilliger der ersten Stunde. Er redete oft von seiner Familie und war gewiss kein harter Krieger.<br />
Dann gab es den Berliner Studenten Kluver, der viel von Deutschland zu erzählen wußte, und ein<br />
zweiter Student namens Pollatscheck, der Südafrika wundervoll fand und dableiben wollte in<br />
friedlicher Absicht. Nicht zu vergessen der Landarbeiter Wiese mit seinem trockenen Humor ...“<br />
Die kleine Schar der Versprengten schaffte es, unauffällig bis zum Kap zu reiten und alle britischen<br />
Truppen geschickt zu umgehen ohne jede Feindberührung. Unterwegs begegneten sie häufig<br />
burischen Frauen und Kindern auf dem Weg in die britischen Concentration Camps, die gefürchteten<br />
Hungerlager.<br />
Freiwillige <strong>im</strong> Urteil der anderen<br />
Zwei typische Burenkämpfer<br />
<strong>im</strong> üblichen Räuberzivil,<br />
denn allein die Briten<br />
waren uniformiert in<br />
diesem Krieg ...<br />
In Europa und in den USA herrschte deutliche Sympathie für die Freiheitskämpfe der Buren, doch hielten sich die<br />
Regierungen mit Sympathie-Bekundungen zurück, um Großbritannien nicht zu verärgern. Man machte den<br />
<strong>Freiwilligen</strong> klar, dass sie durch den Fronteinsatz ihre Staatsbürgerschaft aufs Spiel setzten. <strong>Deutsche</strong>,<br />
Skandinavier und Russen nahmen das nicht weiter ernst, doch die Franzosen wollten lieber nicht mitmachen, In<br />
den USA meldeten sich sowohl deutsche als auch irische Volunteers in Scharen aus den Einwandererkreisen.<br />
Die Republikanische Partei ergriff für England Partei, die Democrats wünschten den Buren alles Gute und<br />
spendeten reichlich. In Kanada spaltete sich die britisch und französisch orientierte Bevölkerung erbittert. Die<br />
Franco-Canadians standen begeistert auf der Seite der Buren und verfluchten die kanadische Abhängigkeit von<br />
Großbritannien.
Das Kaiser-Deutschland schloss sofort alle Buren ins Herz, Wilhelm II. inbegriffen. Allerdings musste auch er<br />
Rücksicht auf seine britischen Verwandten nehmen. Trotzdem schickte der Kaiser ein Glückwunsch-Telegramm<br />
an Präsident Krüger nach dessen Siegen zu Beginn des Feldzugs und erhielt prompt einen Rüffel von seiner<br />
Großmutter Queen Victoria. Zar Nikolaus II. liebte ebenfalls die Buren, riskierte indessen keine offene<br />
Unterstützung aus diplomatischen Rücksichten. Sogar Weltrevolutionär Lenin fand den Buren-Aufstand großartig<br />
und lobte den Freiheitsdrang.<br />
Was wurde tatsächlich erreicht? Die ausländischen <strong>Freiwilligen</strong> konnten mit dem besten Willen den<br />
Verlauf des Krieges nicht beeinflussen. Militär-Experten machten den Buren ihre allgemeine<br />
Disziplinlosigkeit <strong>im</strong> Einsatz zum Vorwurf als einer der Gründe für die Niederlage. Als großes<br />
Hindernis erwies sich bei kritischer Betrachtung <strong>im</strong> Umkehrschluss die Praxis der starrköpfigen Basis-<br />
Demokratie bei sämtlichen Aktionen: die Buren hielten es für unerlässlich, fast vor jedem Einsatz erst<br />
einmal abzust<strong>im</strong>men wie man vorgehen sollte ... und wie nicht. Dieses Verhalten lähmte die<br />
militärische Beweglichkeit außerordentlich.<br />
Geradezu grotesk mutete das Verhalten der „Schlachtenbummler-Familien“ an, wenn ein größeres<br />
Gefecht zu erwarten war: Männer, Frauen und sogar Kinder eilten zu höher gelegenen Punkten der<br />
Landschaft, meist Hügeln, bewaffnet mit Ferngläsern, und verfolgten lebhaft interessiert die Kämpfe.<br />
Es gibt beweiskräftige Fotografien von solchem Tun, das man mit „Katastrophen-Tourismus“ unserer<br />
Tage vergleichen könnte (nach Erdbeben, Überschwemmungen, Massen-Karambolagen usw.)<br />
Gute Ratschläge von Außenstehenden nahmen die Buren nur selten an. Der Oberkommandierende<br />
hatte wenig zu sagen, weil seine Generäle alles besser wussten. Die etwa 2500 <strong>Freiwilligen</strong> schienen<br />
willkommen, durften jedoch nie mitreden trotz großer militärischer Erfahrung in einigen Fällen.<br />
Winston Churchill<br />
nahm als Reporter<br />
einer Zeitung am<br />
<strong>Burenkrieg</strong> teil<br />
und geriet kurze<br />
Zeit in Gefangenschaft<br />
vor seiner Flucht.
Im Mai 1902 waren Dutzende von Europäern gefallen für die gute Sache. Nicht zu zählen die<br />
Verwundeten und Gefangenen bei Kriegsende. Immerhin erwiesen sich <strong>Deutsche</strong> und Franzosen als<br />
Artillerie-Fachleute, Italiener und Iren als Sprengstoff-Kundige für Sabotage an Bahnlinien. So<br />
mancher junge Bure lernte eine Menge von diesen Burschen und dankte es ihnen herzlich.<br />
In der Literatur kommt seltsamerweise der Begriff „Letzter Krieg für Gentlemen“ vor (bezogen auf den<br />
<strong>Burenkrieg</strong>, was einigermaßen verwundert aus heutiger Sicht). Der Autor J.F.C. Fuller kreierte diesen<br />
nebulösen „Wortschwall“ mit der Begründung: man respektierte einander sozusagen „gentlemenlike“,<br />
hielt die Waffenruhe ein zur Bergung von Gefallenen und Verwundeten (nach Absprache der<br />
Parlamentäre). Buren-Generäle wurden nach ihrer Kapitulation zum Lunch eingeladen von den Briten<br />
und dabei hofiert wie Staatsgäste. General Cronjè durfte sogar seine Ehefrau mit ins<br />
Gefangenenlager nehmen: eine Ehre, die keinem Mannschaftsdienstgrad vergönnt war<br />
(vergleichsweise). Ein anderer Autor argumentierte: „Es war ja ein Krieg unter Weißen, und wir<br />
wollten einen guten Eindruck auf unsere Schwarzen machen!“<br />
Die vermeintlichen Gentlemen-Krieger beschuldigten jedoch einander von Fall zu Fall, Dum-Dum-<br />
Geschosse verwendet zu haben, was gewiss nicht gentlemen-like war. Die Haager<br />
Landkriegsordnung von 1899 blieb in Südafrika zunächst unbekannt, untersagte jedoch den Gebrauch<br />
von Dum-Dum-Munition ausdrücklich <strong>im</strong> Kampf Mann gegen Mann. Als Jagdmunition nutzte<br />
man Dum-Dum-Patronen international und überall. Im Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika wurden<br />
Dum-Dum-Geschosse aus Tierschutzgründen verboten am Ende der Kolonialperiode.<br />
Zwei Beobachter eines<br />
britischen Fesselballons<br />
<strong>im</strong> Einsatz mit Fernrohren<br />
und Ferngläsern ...<br />
Die Briten beklagten, dass Buren häufig Fahrzeuge des Roten Kreuzes beschossen trotz deutlicher<br />
Markierung und dass die weiße Flagge der Parlamentäre für faule Tricks missbraucht wurde, um den<br />
Gegner zu täuschen. Buren schwenkten die weiße Fahne, ließen die Briten näher kommen und<br />
eröffneten dann überraschend das Schützenfeuer. Umgekehrt behaupteten die Buren, dass<br />
Engländer gleichartig vorgingen.<br />
Etwa 500.000 Militärpferde fanden während des Anglo-Boer Wars den Tod, eine erschütternde Zahl.<br />
Die Briten hatten ein umkämpftes Gebiet von der Ausdehnung Frankreichs zu bewältigen und irrten<br />
gegen Ende des Kriegs meistens ziellos umher auf der Suche nach burischen Guerillas, die ihnen<br />
<strong>im</strong>mer wieder durch die Finger schlüpften. Kommandeur Kitchener ließ landesweit 10.000<br />
Blockhäuser als kleine Stützpunkte bauen, vielfach an Bahnlinien gelegen. Sie sahen aus wie<br />
Wassertanks mit Gucklöchern und verbargen jeweils etwa sieben Schützen hinter Wellblech und<br />
Steinhaufen. Hinzu kamen ein paar schwarze Gehilfen für niedere Dienste.
Der vermeintliche Krieg der Gentlemen umfasste zwei Parteien: Korrekt uniformierte Briten in Khaki-<br />
Braun und Buren in Räuberzivil ohne irgend eine Uniformierung, was zahllose Komplikationen<br />
verursachte. Die Guerilla-Helden erwiesen sich oft genug als „Teilzeit-Soldaten“ standen an einem<br />
Tag hinter dem Pflug auf ihrem Farmland und am nächsten Tag in der Frontlinie soweit es überhaupt<br />
eine gab. Das brachte die Briten zur Verzweiflung, und sie schworen Rache durch Sippenhaftung,<br />
durch die Einrichtung von Concentrations Camps für die Burenfamilien sowie durch Abfackeln und<br />
Zerstören (mit Sprengstoff) der Farmgebäude. Tausende und Abertausende von Schafen, Rindern<br />
und anderen Farmtieren wurden getötet, um die Ernährungsbasis der Guerilla-Gegner zu vernichten.<br />
Der „totale Krieg“ löste den angeblichen Krieg unter Gentlemen ab und sorgte für „verbrannte Erde“<br />
(wie <strong>im</strong> Zweiten Weltkrieg <strong>im</strong> Osten).<br />
So wurde den Buren die lebensnotwendige Logistik systematisch entzogen. Überall in Transvaal und<br />
<strong>im</strong> Oranje Vrij Stad ging die Ernte am Halm in Flammen auf. Es existierten jedoch nicht nur<br />
Concentration Camps für Buren-Familien (Frauen und Kinder), sondern auch Schutzlager für<br />
regierungstreue bzw. für England optierende Familien, um sie vor der Rache ihrer burischen<br />
Nachbarfarmer auf dem Land zu bewahren. Man nannte sie Loyalisten, und dies waren ebenfalls<br />
Buren nach ihrer Abstammung. In den Concentration Camps starben bis zur Waffenruhe mehr als<br />
20.000 Frauen und (meistens) Kinder an Seuchen, Unterernährung und sonstigen Krankheiten ohne<br />
medizinische Versorgung. Insgesamt zählte man rund 120.000 Häftlinge in den Concentration<br />
Camps.<br />
In England flammte helle Empörung auf, und die Liberalen protestierten <strong>im</strong> Parlament wütend gegen<br />
die grausame Behandlung von Frauen und Kindern in Südafrika. Die Quäkerin Emily Hobhouse, eine<br />
energische Friedenskämpferin, besuchte die Concentration Camps und brachte erschütternde<br />
Augenzeugenberichte mit in die He<strong>im</strong>at. 1901 erhielten die Camps eine zivile Verwaltung, und die<br />
Zustände besserten sich etwas dank einer Untersuchungskommission unter Millicent Fawcett, eine<br />
erprobten Juristin.<br />
Unter der gl<strong>im</strong>menden Asche aller Auseinandersetzungen brannte das Rassenproblem. Beide<br />
Kriegsparteien „beschäftigten“ Schwarze, obwohl es angeblich ein „Weißer Krieg“ sein sollte und<br />
musste aus moralischer Überheblichkeit und religiösem Übereifer. Die Briten hatten schwarze<br />
Polizisten, schwarze Scouts als Spurensucher und andere Helfer unter Waffen. Sie stachelten<br />
Schwarze zum Viehdiebstahl bei den Buren an und teilten in Ladysmith Gewehre aus. In Mafeking<br />
unterstützten die Schwarzen die Linien der belagerten Verteidiger, erhielten aber nur halbe Rationen<br />
zugeteilt und litten Hunger. In K<strong>im</strong>berly und Mafeking gingen schwarze Frauen und Kinder am Hunger<br />
zugrunde während der langen Belagerung. Kein Säugling überlebte.<br />
Den Buren bereitete die Bewaffnung von Schwarzen große Kopfschmerzen, weil sie sich als<br />
„auserwähltes Volk Gottes“ in ihrer religiösen Engstirnigkeit nicht mit Schwarzen solidarisieren<br />
konnten. Trotzdem hatten viele Buren schwarze Arbeiter, die ihnen <strong>im</strong> Veld beistanden mit<br />
Versorgungsaufträgen aller Art, als Pferdeburschen und Koch, Gewehrträger und „Nachlader“ <strong>im</strong><br />
Gefecht.<br />
Die Staatsartillerie der<br />
Buren hatte sogar eine<br />
Kapelle mit deutschen<br />
Musikern ...
Ein deutsches Feldlazarett des Roten Kreuzes<br />
Sachkundig beraten von einem ehemaligen Sanitätsfeldwebel der Schutztruppe in Deutsch-<br />
Südwestafrika machte sich <strong>im</strong> November 1899 ein mobiles deutsches Feldlazarett auf den Weg, um<br />
allen Kriegsparteien sowie der Zivilbevölkerung <strong>im</strong> <strong>Burenkrieg</strong> beizustehen, organisiert und finanziert<br />
vom „Centralcomitee der <strong>Deutsche</strong>n Vereine vom Roten Kreuz“, tragbares Röntgengerät inbegriffen.<br />
Leiter der Expedition war Professor Dr. med. H. Küttner (Universität Tübingen Klinikum). Ergänzt<br />
durch Marine-Stabsarzt Dr. Matthiolius mit Tropenpraxis, Oberarzt Dr. Hildebrandt, den<br />
Krankenschwestern Christine Petrat, Margarethe Lieberknecht, Johanna Wittum. Hinzu kamen die<br />
erfahrenen Pfleger Rachel, Kießling, Mantel, Ackermann und Strunk. Oberpfleger (Ex-<br />
Sanitätsfeldwebel) Eckert hielt alle Fäden zusammen mit vorbildlicher militärischer Haltung.<br />
Professor Küttner hatte das Vergnügen, bald nach der Ankunft in Pretoria eine Reihe britischer<br />
Kriegsgefangener beobachten zu können, darunter 50 Offiziere und der TIMES-Kriegsberichterstatter<br />
Winston Churchill, dem bald danach die Flucht gelang. Weniger amüsant empfand der deutsche<br />
Mediziner den Beweis für die grausame Kriegführung der Briten während eines kollegialen Besuchs<br />
<strong>im</strong> Volkshospital, wo ihm Dr. von Gernet einen für die Buren kämpfenden Tiroler (Österreicher)<br />
präsentierte, der 17 Lanzenstiche durch britische Lancers Kavallerie während einer Attacke erlitten<br />
hatte und trotzdem mit dem Leben davonkam:<br />
„Bei Elandslaagte hat mich ein heftiger Stoss vom Pferd geworfen, und ich blieb blutend liegen. Sofort<br />
sprangen drei Lancers aus ihren Sätteln, raubten meine Uhr und die Brieftasche und stachen zuletzt<br />
wie verrückt auf mich ein. Vor allem das Herausdrehen der Lanzenspitzen tat höllisch weh!. Dann<br />
kamen endlich Leute, um mich ins Hospital zu schaffen ...“<br />
Der Tiroler überlebte dank seiner zähen Konstitution trotz erheblicher Verletzungen der Lungen und<br />
stand mittellos da. Niemand war bereit, ihm eine Schiffspassage für die Rückkehr nach Europa zu<br />
bezahlen. Ein Mitglied des Niederländischen <strong>Freiwilligen</strong> Commandos fiel gleichfalls den tückischen<br />
Lanzenreitern zum Opfer. Ihn erwischte ein Lanzenstoss von hinten durch die Schulter. Die Spitze<br />
drang vorn aus der Brust heraus, und der Schaft splitterte ab. Der Verwundete ergriff einen Stein und<br />
klopfte damit die Lanzenspitze so weit zurück, dass er schließlich mit der Hand der unverletzten<br />
Körperseite das abgebrochene Lanzenstück von hinten fassen und herausziehen konnte! Der Patient<br />
konnte <strong>im</strong> Krankenhaus bald als Rekonvaleszent sein Bett verlassen und Bewegungsübungen<br />
Das deutsche Feldlazarett vom Roten Kreuz verfügte über ein tragbares Röntgengerät, was damals<br />
sensationell war! Die Aufnahme (rechts oben) zeigt <strong>im</strong> Röntgenbild eine Kugel hinter dem Hüftgelenk<br />
des Verwundeten. Der Knochen blieb unversehrt wie man erkennen kann.
machen. Ohne Zweifel war die militärische Verwendung von Lanzenreitern ebenso grausam wie der<br />
Schusswaffengebrauch mit Dum-Dum-Patronen und ihrer entsetzlichen Querschläger-Wirkung <strong>im</strong><br />
menschlichen Körper. Dum-Dum war inzwischen durch die Haager Landkriegsordnung für alle Krieg<br />
führenden Parteien geächtet worden. Das Abstechen von Gegnern mit Lanzen (wie Schweine) aber<br />
keineswegs ...<br />
Das deutsche Feldlazarett ließ sich in der Kleinstadt Jacobsdal in einem Schulhaus nieder und konnte<br />
dort zentral zahllose Verwundete britischer und burischer Herkunft versorgen, Zivilpersonen und<br />
Kämpfer. Als „Sehenswürdigkeit“ bei Freund und Feind galt die eigenständige elektrische<br />
Beleuchtung (nicht nur <strong>im</strong> Operationssaal) sowie das großartige tragbare Röntgen-Gerät. Weit und<br />
breit gab es keine öffentliche Stromversorgung, also mussten die findigen <strong>Deutsche</strong>n ihre Elektrizität<br />
allein produzieren:<br />
Ein junger burischer Elektriker wusste guten Rat, der sich den Medizinern neugierig angeschlossen<br />
hatte. Isaak van Alphen machte sich auf den Weg nach Johannesburg, ausgerüstet mit einem<br />
Dokument zur „Beschlagnahme militärischen Bedarfs“, unterschrieben von einem Buren-<br />
Commandanten <strong>im</strong> Feld. Vergnügt konfiszierte Isaak in einer Goldmine einen Petroleum-Motor mit<br />
vier Pferdestärken und woanders eine Dynamo-Maschine, dazu mehrere Tankfüllungen Treibstoff<br />
und zuletzt in Bloemfontein einen großen Ochsenkarren.<br />
Blick in den<br />
Operationsraum<br />
des deutschen<br />
Feldlazaretts<br />
mit eigener<br />
Stromversorgung<br />
durch Aggregat.<br />
<strong>Deutsche</strong>r<br />
Ambulanz-Waggon<br />
mit 32 Betten<br />
während des<br />
<strong>Burenkrieg</strong>s,<br />
finanziert vom<br />
Roten Kreuz.
Die Sanitätstruppe jubelte bei seiner Rückkehr: man lud die Akkumulatoren auf, richtete das Röntgen-<br />
Kabinett ein und alles funktionierte gleich tadellos. Die Patienten staunten, denn Conrad Röntgens<br />
Erfindung hatte sich noch nicht bis Südafrika herumgesprochen bei den einfachen Leuten. War es<br />
deutsche Zauberei wie bei den schwarzen Medizin-Männern? Durfte man sich diesen Dingen<br />
anvertrauen, um wieder gesund zu werden? Es dauerte lange, bis die Menschen nach und nach ihre<br />
Scheu verloren. Die PS reichten aus, um das ganze Feldlazarett rundum auszuleuchten und<br />
jedermann schien begeistert wie an Weihnachten. Ja, diese Duitse waren echt „erleuchtet“ wie in der<br />
Bibel ...<br />
Das Feldlazarett erlebte auch den vergnüglichen Besuch eines wohlhabenden österreichischen<br />
Exzentrikers, der sich während des <strong>Burenkrieg</strong>s als unterhaltsamer Spaßvogel <strong>im</strong> Land herumtrieb<br />
zum Schrecken aller frommen Burengeneräle. Graf Sternberg aus Wien rückte mit einem<br />
achtspännigen Eselkarren an, einem weißen Diener, fünf schwarzen Pagen und einer Ladung<br />
erstklassiger alkoholischer Getränke „zur Stärkung der Lebenslust“ wie sich der Graf ausdrückte. Die<br />
Angehörigen des Feldlazaretts hatten ihn bereits bei der Ausschiffung <strong>im</strong> portugiesischen Hafen<br />
Lorenzo Marquez näher kennen gelernt, wo Sternberg voller Übermut eine Kapelle anmietete, sie auf<br />
Droschken setzte und einen fröhlichen Umzug organisierte, den die Polizei bald humorlos untersagte.<br />
Seine Begrüßung vor dem Lazarettgebäude: „Sie do drinnen, guten Nachmittag allerseits!<br />
Entschuldigen`s nur, i hob grod Ihr Haus a bisserl schorf an`gschaut und do ist a Pfosten ein`gfollen.<br />
Geb`n S`nur acht, wenn i a mol meinen Feldherrenblick hervorhol`, da kracht die ganze Lazarettbude<br />
z`sammen ...“ – Man konnte ihm nicht böse sein!<br />
Das eigene Sanitätswesen der Buren war mangelhaft organisiert, und sie begrüßten ausländische<br />
Ambulanzen, die zur Unterstützung aus Europa eintrafen. Fast alle Feldlazarette hatten Mediziner<br />
aus Übersee in eigener Regie, ebenso die Reserve-Lazarette. Wohin man auch blickte, überall<br />
„Expedition vom Roten Kreuz“ mit Ablösungen von Zeit zu Zeit. Ein schwedischer Ingenieur in<br />
Pretoria richtete Lazarettzüge ein mit Liegewagen: 20 Betten für Schwerverletzte und 30 Betten für<br />
leicht Verwundete, dazu Arztwagen, Küchenwagen, Gepäckwagen und Wassertankwagen<br />
kombiniert.<br />
Lord Roberts, einer der ranghöchsten britischen Offiziere, ließ sich nicht nehmen das deutsche<br />
Feldlazarett zu besuchen und seinem Stab vorzustellen als vorbildliche Einrichtung für sämtliche<br />
Kriegsparteien. Die Buren-Patienten waren verblüfft durch das freundliche Auftreten des Offiziers von<br />
der Feindseite. Roberts schickte später ein Telegramm an die britische Regierung und hob darin<br />
lobend den Einsatz der <strong>Deutsche</strong>n <strong>im</strong> Sanitätsdienst hervor.<br />
Text übersetzt: „Ich bis sehr befriedigt darüber, eine bewundernswerte deutsche Klinikeinrichtung<br />
angetroffen zu haben, geleitet von den Doktoren Küttner und Hildebrandt. Die beiden Mediziner und<br />
ihr Sanitätspersonal erweisen sowohl unseren Verwundeten wie den Buren einen großen Dienst als<br />
Patienten. Einige britische Verwundete sind seit Dezember dort in Pflege, andere erst kürzlich<br />
eingetroffen. Ich bin sehr befriedigt von allem, was ich dort zu sehen bekam mit zwei britischen<br />
Offizieren und 35 britischen Soldaten ...“<br />
Im Mai 1900 schiffte sich das erste <strong>Deutsche</strong> Feldlazarett wieder ein Kurs He<strong>im</strong>at, während eine<br />
zweite „Ablösungsexpedition“ aus Berlin in Südafrika an Land ging. President Paul (Oom) Krüger<br />
überreichte den <strong>Deutsche</strong>n sein Foto mit einer Widmung und herzlichem Dank für alle guten Taten<br />
des Roten Kreuzes.
Tragikomische Aspekte deutsch-burischer Waffenbrüderschaft<br />
Der deutsche Mediziner Dr. W. Schiele (nicht zu verwechseln mit dem Abenteurer Schiel, der ein<br />
deutsches <strong>Freiwilligen</strong> Commando anführte) meldete sich uneigennützig als Freiwilliger (also nicht als<br />
Arzt) zu einem von mehreren deutschen und internationalen <strong>Freiwilligen</strong> Commandos und<br />
veröffentlichte nach seiner He<strong>im</strong>kehr das Erinnerungsbuch MIT DEN DEUTSCHEN IM<br />
BURENKRIEG, ebenso humorvoll wie sozialkritisch dank seiner unbestechlichen Beobachtungsgabe<br />
(ohne vaterländischen Weihrauch). Hier einige Auszüge von Dr. Schieles Beobachtungen:<br />
(Schiele machte den Krieg mit vom November 1899 bis November 1900, folgte zunächst dem<br />
deutschen Pretoria Korps, erlebte die Belagerung von Ladysmith, wurde später Kundschafter (Scout)<br />
<strong>im</strong> Irischen Freikorps und schloss sich zuletzt unterschiedlichen deutschen Commandos an. Als<br />
Schwerkranker musste Schiele (wegen Ruhr) nach Europa zurückkehren).<br />
Im Regierungsgebäude zu Pretoria suchten wir den Staatssekretär auf. Wie ich befürchtet hatte, gab<br />
es zur Zeit keine Verwendung für Mediziner. Fast alle europäischen Staaten hatten Ambulanzen,<br />
Ärzte, Krankenwärter und barmherzige Schwestern nach Transvaal entsandt. Eine niederländische<br />
Ambulanz war bereits aktiv, eine deutsche und eine russische kamen tags darauf an. Es gab beinahe<br />
mehr Mediziner als Kranke und Verwundete zu bestaunen!<br />
Eine britische<br />
Lokomotive mit<br />
dicken Tauen<br />
behängt als<br />
Schutzmantel<br />
gegen Geschosse<br />
der Buren ...<br />
Man erzählte sich unter der Hand, dass bei Ladysmith „bald etwas los sein“ würde, vielleicht ein<br />
Sturmangriff der Buren. Also wählten wir diesen Best<strong>im</strong>mungsort und verließen mit einer schriftlichen<br />
Anweisung für Kleidung und Waffen sowie einer Bahnfahrkarte den jovialen und liebenswürdigen<br />
Staatssekretär Reitz.<br />
Leutnant Birnbacher, mein Reisegefährte, war geknickt, weil aus der erhofften Offiziersstelle offenbar<br />
nichts wurde, denn die europäischen Offiziere mussten alle als einfache Freiwillige mit dem Gewehr<br />
in der Hand ins Feld ziehen. Die Staatsartillerie hatte reichlich europäische Offiziere in Festanstellung<br />
und woanders brauchten die Buren keine Neulinge. Immerhin hatten Ausländer-Offiziere Anspruch<br />
auf einen Schwarzen als Burschen.<br />
Im allgemeinen hieß es, dass die Buren ziemlich nachlässig <strong>im</strong> Wach- und Vorpostendienst seien,<br />
wovon wir uns bald überzeugen konnten. Einen Tag vor unserer Ankunft leistete sich der burische<br />
Artillerie-Kommandeur Erasmus ein unglaubliches Versäumnis: Ein Korporal, verantwortlich für die
Geschützwache, beobachtete die heranrückenden britischen Infanteristen beizeiten und schickte<br />
sofort einen Melder zum schlafenden Erasmus, der geweckt werden musste und ärgerlich reagierte<br />
mit dem Wunsch man möge ihn gefälligst mit solchen Ammenmärchen verschonen. Dann schlief er<br />
weiter! Nach dem dritten Weckversuch (!!!) hatte der Major endlich wieder seine fünf Sinne<br />
beisammen, aber es war jetzt zu spät. Es gelang den Briten, die Geschütze unbrauchbar zu machen<br />
und sich rasch zurück zu ziehen. Zuvor brachten sie es fertig, die burischen Wachposten zu<br />
überlisten mit dem Zuruf in Afrikaans-Sprache: „Schießt nicht, Kameraden, wir sind Freiwillige von<br />
Übersee ...“<br />
Der verschnarchte Erasmus, so erfuhren wir auf Umwegen, hatte schon mehrfach seine Qualifikation<br />
als Volltrottel bewiesen. Ein Kriegsgericht sprach ihn frei von der Anklage während eines Feldzugs<br />
gegen Eingeborene ein Geschütz „verloren“ zu haben. Seine Verteidigung lautete: „Es ist doch<br />
besser eine Kanone zu verlieren als ein Menschenleben ...“ – Da Erasmus zu einer sehr<br />
einflussreichen und wohlhabenden Familie zählte, fasste man ihn stets mit Samthandschuhen an,<br />
wenn er wieder einmal Dummheiten beging.<br />
Es fehlte in unserem deutschen Korps außer den Leutnants nicht an Leuten aus den oberen<br />
Gesellschaftskreisen. Einige sogenannte „bessere Herren“ machten sich selbständig als<br />
Kundschafter, weil sie keinen Dienst innerhalb von Einheiten verrichten wollten. Da war Ingenieur<br />
Schmitz-Dumont, zuletzt <strong>im</strong> Bergbau tätig, neben anderen Figuren, über die man wahlweise lachen<br />
oder weinen konnte gemäss ihrem Auftreten.<br />
Zu den sagenhaften Burschen zählten die Männer der Dynamit-Kolonne, deren Zelt eine rote Fahne<br />
zierte, was vermutlich RAUCHEN VERBOTEN signalisieren sollte. Es waren keineswegs Mineure mit<br />
Berufspraxis <strong>im</strong> explosiven Fach. Nein, Chef war der Schauspieler Behnke, erfahren als Bierbrauer<br />
(!!) und Sanitäter je nach Bedarf. Behnke hatte sich freiwillig als angeblicher „Sprengmeister“<br />
vorgestellt und niemand zweifelte an seinen (tatsächlich nicht vorhandenen) Fähigkeiten <strong>im</strong> Feld.<br />
Trotzdem brachte er es fertig, je nach Bedarf Brücken und Bahngleise in die Luft zu jagen, ohne<br />
selbst an der H<strong>im</strong>melfahrt teilzunehmen. Treuherzig versicherte er, dass seine große Liebe die<br />
Eisenbahn sei und dass er nach dem Krieg eine neue Karriere als Lokomotivführer beginnen wolle ...<br />
Wie alle Ausländer Korps waren auch die <strong>Deutsche</strong>n nach dem burischen Vorbild der „Commandos“<br />
zusammengesetzt: die Mannschaften wählten ihre Commandanten, Korporale und Feld-Kornetts. Das<br />
führte naturgemäß zu endlosen Reibereien und Eifersüchteleien wegen Rang und Reputation. Im<br />
<strong>Deutsche</strong>n Commandosystem bildeten die <strong>Deutsche</strong>n die Mehrheit, ergänzt durch etwa 40<br />
Französische Karikatur:<br />
Der britische Löwe<br />
wird vom Burenstier<br />
auf die Hörner<br />
genommen.<br />
Im Hintergrund lachen<br />
europäische Beobachter<br />
schadenfroh als<br />
Sympathisanten<br />
der Buren ...
Niederländer, 10 Griechen, 10 Russen, dazu einige Franzosen, Ungarn und Österreicher sowie<br />
Schweden. Zahllose Berufe präsentierten sich: Juristen, Mediziner, Berufsoffiziere, Köche,<br />
Kesselschmiede, Tischler, Bäcker, Schlosser, Gastwirte, Friseure, Kellner, Matrosen, Goldgräber<br />
usw. Nicht zu vergessen mehrere liebenswürdige Zuhälter!<br />
Das Buren-Heer wurde durch eine „gefährliche Krankheit“ geschwächt, die man als „Urlauber-<br />
Epidemie“ umschreiben könnte. Immer mehr Männer beantragten Urlaub, um nach ihren Familien<br />
sehen zu dürfen, vor allem während der langwierigen Belagerung von Ladysmith über viele Monate<br />
hinweg. Schließlich beschloss der Kriegsrat, dass höchstens 10 Prozent der Kämpfenden gleichzeitig<br />
abwesend sein durften und dass ein regelmäßiger Turnus stattfinden sollte <strong>im</strong> Interesse der<br />
Gerechtigkeit. Allerdings kehrten viele Urlauber nicht zurück. Vor allem die <strong>Freiwilligen</strong> der Ausländer<br />
Commandos gingen erst in Urlaub und suchten sich dann in Johannesburg eine zivile Anstellung.<br />
Andere ritten zu den übrigen Korps, um Abwechslung zu haben unter neuen interessanten<br />
Gesichtern.<br />
Das führte zu „krummen Touren“ kr<strong>im</strong>ineller Natur: Der italienische Kapitän Ricchiardi in Glencoe<br />
verfügte nur noch über 15 Mann in seinem Commando, kassierte für 70 Leute Lebensmittel und<br />
Kleidung neben Waffen und Munition. Die Buren drückten beide Augen zu und kümmerten sich nicht<br />
weiter darum. Kontrolliert wurde gar nichts. Einige Commandanten schätzten eheliche oder auch<br />
nicht-eheliche Damengesellschaft in ihren Zelten, was Neid weckte.<br />
Leutnant Schrabisch erhielt einen Monat Urlaub vom Commandanten bzw. General, der sich<br />
sarkastisch dazu äußerte: „Von mir aus können die Ausländer auch ein Jahr lang Ferien machen,<br />
denn sie nützen uns ja praktisch gar nichts. Ich lass` sie nur aus Rücksicht auf die öffentliche<br />
Meinung in Europa weiter mitspielen ...“ General Joubert verstieg sich sogar zu der Behauptung, die<br />
Europäer seinen ja nur zu ihm gekommen, um etwas von der burischen Kriegführung zu lernen!<br />
Das Scouting <strong>Corps</strong> (Kundschafter) bestand aus: Leutnant von Gotsch, Oberleutnant (Landwehr)<br />
Däbler, Oberleutnant Lemp, Leutnant von der Lippe, Leutnant Thumann, Leutnant von Leckow.<br />
Bergbau-Ingenieur Walter (Leutnant der Reserve). Daneben Bierbrauer Oskar, Wachtmeister Boxel,<br />
Unteroffizier Schneider, einige andere. Mich (Dr. Schiel) ernannte man zum „Kapitän“ oder auch<br />
„Obmann“ wegen meiner mutmaßlichen Neutralität.<br />
Ich stellte nach und nach fest, dass die meisten deutschen Militärs nurdeshalb aus der He<strong>im</strong>at<br />
angerückt kamen, um eine gut bezahlte Offiziersstelle <strong>im</strong> burischen Truppendienst zu ergattern als<br />
eine Art Lebensstellung mit sattem Pensionsanspruch. Weil sich diese Spekulation in Luft auflöste<br />
und sie als einfache Freiwillige in einem Korps dienen sollten, kühlte die Begeisterung schnell ab. Die<br />
Männer sahen sich eifrig nach Positionen in der Wirtschaft um, allerdings nicht <strong>im</strong>mer mit Erfolg<br />
(mangels passender Qualifikation). Herr von Gotsch tauchte in Johannesburg unter, arbeitete in einer<br />
Mine und eröffnete schließlich ein Lebensmittelgeschäft für Eingeborene als Notlösung. Kein<br />
rühmliches Ende für einen ehemaligen Garde-Kürassier-Leutnant.
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Runck, R.: Die deutschen <strong>Corps</strong><br />
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(Bonn 1902)<br />
Changuion/Jacobs/Alberts: Suffering of War<br />
(Bloemfontein 2003)<br />
Jooste/Webster: Innocent Blood / Executions Anglo-Boer War<br />
(Claremont 2003)
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