29.06.2015 Aufrufe

Atlantische und europäische Brüche: Vor einer neuen Weltunordnung?

Dokumentation der Schönhauser Gespräche 2003. Viele bislang prägende Konstellationen der internationalen Politik befinden sich gegenwärtig im Umbruch.

Dokumentation der Schönhauser Gespräche 2003. Viele bislang prägende Konstellationen der internationalen Politik befinden sich gegenwärtig im Umbruch.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ELFTES<br />

GESELLSCHAFTSPOLITISCHES<br />

FORUM DER BANKEN<br />

Schönhauser Gespräche<br />

<strong>Atlantische</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>europäische</strong> <strong>Brüche</strong>:<br />

<strong>Vor</strong> <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Weltunordnung</strong>?


ELFTES<br />

GESELLSCHAFTSPOLITISCHES<br />

FORUM DER BANKEN<br />

<strong>Atlantische</strong> <strong>und</strong> <strong>europäische</strong> <strong>Brüche</strong>:<br />

<strong>Vor</strong> <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Weltunordnung</strong>?<br />

Schönhauser Gespräche<br />

5./6. November 2003, Berlin


Inhaltsübersicht<br />

Begrüßung <strong>und</strong> Einführung 5<br />

Dr. Rolf-E. Breuer,<br />

Präsident des B<strong>und</strong>esverbandes deutscher Banken, Berlin<br />

<strong>und</strong> <strong>Vor</strong>sitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main<br />

Sind die Europäer willens, Europäer zu sein? 11<br />

Prof. Dr. André Glucksmann,<br />

Philosoph, Paris<br />

Deutsche Interessen 21<br />

Dr. Christoph Bertram,<br />

Direktor, Stiftung für Wissenschaft <strong>und</strong> Politik, Berlin<br />

Die amerikanische Sicht der Welt 29<br />

Richard Perle,<br />

Resident Fellow at the American Enterprise Institute, Washington<br />

Diskussion 41<br />

Leitung: Dr. Hans D. Barbier,<br />

<strong>Vor</strong>sitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn<br />

Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen 55<br />

Dr. Peter Struck, MdB<br />

B<strong>und</strong>esminister der Verteidigung, Berlin<br />

Diskussion 63<br />

Leitung: Klaus-Dieter Frankenberger,<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main


Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen 75<br />

Dr. Angela Merkel, MdB<br />

<strong>Vor</strong>sitzende der CDU Deutschlands <strong>und</strong> der<br />

CDU/CSU-Fraktion im Deutschen B<strong>und</strong>estag, Berlin<br />

Diskussion 85<br />

Leitung: Klaus-Dieter Frankenberger,<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main<br />

Resümee <strong>und</strong> Ausblick 93<br />

Prof. Dr. h. c. Horst Teltschik,<br />

Präsident, Boeing Deutschland, Berlin<br />

Verabschiedung 101<br />

Dr. Rolf-E. Breuer<br />

Dinner Speech am <strong>Vor</strong>abend: 103<br />

Europa <strong>und</strong> Amerika in <strong>einer</strong> globalisierten Welt<br />

Dr. Wolfgang Schäuble, MdB<br />

Stv. <strong>Vor</strong>sitzender der CDU/CSU-Fraktion<br />

im Deutschen B<strong>und</strong>estag, Berlin<br />

Die Redner 114<br />

Die Teilnehmer 118<br />

Die bisherigen Veranstaltungen – Schönhauser Gespräche 128<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

2 3


„Dass die viel zu lange Phase der deutsch-amerikanischen<br />

Sprachlosigkeit inzwischen überw<strong>und</strong>en wurde, ist ein Fortschritt.“


Begrüßung <strong>und</strong> Einführung<br />

DR. ROLF-E. BREUER,<br />

Präsident des B<strong>und</strong>esverbandes deutscher Banken, Berlin<br />

<strong>und</strong> <strong>Vor</strong>sitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren!<br />

Ich begrüße Sie herzlich zu den 11. Schönhauser Gesprächen. Mein besonderer<br />

Willkommensgruß gilt jenen unter Ihnen, die den gestrigen Abend noch nicht mit uns<br />

verbringen konnten <strong>und</strong> erst heute morgen zu uns gestoßen sind. Gegenüber den anderen<br />

sind Sie nun etwas im Nachteil; denn Sie haben einen interessanten Abend <strong>und</strong><br />

eine vorzügliche, auf unser heutiges Thema hinführende Dinner Speech von Herrn<br />

Schäuble verpasst.<br />

Doch auch der Tag heute verspricht ja nicht wenig, wie schon ein kurzer Blick auf<br />

das Programm <strong>und</strong> die Redner erkennen lässt. Ich bin sicher:Wir haben einen sehr interessanten<br />

Tag vor uns, zu einem spannenden, wichtigen Thema.<br />

„<strong>Atlantische</strong> <strong>und</strong> <strong>europäische</strong> <strong>Brüche</strong>: <strong>Vor</strong> <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Weltunordnung</strong>?“ Die provozierende<br />

Frage im Untertitel betrachten wir heute sicher in einem anderen Licht als<br />

noch vor einem halben Jahr. Manch <strong>einer</strong> ist inzwischen eher geneigt, sie mit einem<br />

‘Nein’ zu beantworten. Schließlich stehen die Zeichen im transatlantischen Verhältnis<br />

wieder auf Versöhnung, haben sich die Europäer wieder zusammengerauft <strong>und</strong> bereiten<br />

mit <strong>einer</strong> <strong>europäische</strong>n Verfassung derzeit einen <strong>neuen</strong> Schritt im <strong>europäische</strong>n Einigungsprozess<br />

vor. Also: Business as usual?<br />

Wohl kaum, meine Damen <strong>und</strong> Herren! Die politischen Auseinandersetzungen im<br />

Zusammenhang mit dem Irak-Konflikt haben tiefe transatlantische <strong>und</strong> <strong>europäische</strong><br />

Bruchlinien sichtbar werden lassen.Bruchlinien,die kaum jemand zuvor für möglich gehalten<br />

hätte <strong>und</strong> die bis heute nachwirken.<br />

Im Nachhinein müssen wir uns fragen, wie es eigentlich dazu kommen konnte.<br />

Schließlich war das europäisch-amerikanische Beziehungsgefüge, das sich unter dem<br />

Schirm der „Pax Americana“ herausgebildet hatte,über Jahrzehnte hinweg Erfolgsgarant<br />

<strong>und</strong> „Sicherheitslieferant“ der westlichen Welt.<br />

Zu Recht weist die frühere amerikanische Außenministerin Madeleine Albright auf<br />

diese Erfolgsgeschichte hin, wenn sie sagt: „Wir haben gemeinsam den Faschismus in<br />

die Knie gezwungen,wir haben gemeinsam den Kommunismus überlebt,die ethnischen<br />

Säuberer niedergerungen, <strong>und</strong> wir haben gemeinsam ein einiges, freies, demokratisches<br />

Europa geschaffen – erstmals in der Geschichte.“<br />

Fügen wir dieser Aufzählung noch die amerikanische Rolle beim Wiederaufbau<br />

Deutschlands nach dem Krieg <strong>und</strong> in jüngerer Zeit bei der Wiedererlangung der Deutschen<br />

Einheit hinzu, wird vollends deutlich, was gerade unser Land der amerikanischen<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

4 5


BEGRÜßUNG UND EINFÜHRUNG<br />

Es muss noch viel<br />

getan werden, um das<br />

verloren gegangene<br />

Vertrauen wieder herzustellen.<br />

Führungsrolle in der westlichen Welt zu<br />

verdanken hat.<br />

Wenn wir nun nach Gründen suchen,<br />

warum diese erfolgreiche Konstellation<br />

mit einem Mal fragil geworden zu sein<br />

scheint, werden wir unseren Blick wohl<br />

auch über den konkreten Streitanlass, die<br />

Haltung zum Irak-Krieg, hinaus richten<br />

müssen.<br />

Es werden viele Erklärungen angeboten:<br />

Eine davon macht die Auflösung des<br />

Ost-West-Konflikts verantwortlich.Die USA<br />

seien als einzig verbliebene Supermacht in<br />

eine neue Rolle geraten, die dazu führe,<br />

dass auch die Verbündeten sie nun mit kritischeren<br />

Augen betrachteten. Ein anderes<br />

Erklärungsmuster hebt auf die gr<strong>und</strong>verschiedenen<br />

Auffassungen zwischen Europa<br />

<strong>und</strong> den USA zur Frage der „Macht“ <strong>und</strong><br />

der Machtausübung ab. Hat also Robert<br />

Kagan am Ende doch recht, wenn er – um<br />

diesen Wesensunterschied deutlich zu machen<br />

– meint: Die Amerikaner seien vom<br />

Mars, die Europäer aber von der Venus?<br />

Solche Ansätze sind in vielerlei Hinsicht<br />

plausibel, können aber gewiss noch<br />

nicht hinreichend für Aufklärung sorgen.<br />

Dies gilt um so mehr als sie unberücksichtigt<br />

lassen, dass die Bruchlinie in der<br />

Irak-Frage nicht nur eine transatlantische<br />

war, sondern mitten durch Europa verlief.<br />

So müssen wir konstatieren,dass viele<br />

offene Fragen bleiben, die es noch aufzuarbeiten<br />

gilt,auch auf Tagungen wie dieser<br />

hier.Was immer wir dabei an Erkenntnissen<br />

zu den Ursachen transatlantischer Differenzen<br />

gewinnen, wir sollten sie nutzen,<br />

um vorhandene Gräben zu überwinden.<br />

Dass die viel zu lange Phase der<br />

deutsch-amerikanischen Sprachlosigkeit<br />

inzwischen überw<strong>und</strong>en werden konnte,<br />

ist bereits ein Fortschritt, der zu begrüßen<br />

ist. Doch: Eine Schwalbe macht noch keinen<br />

Sommer, sagt der Volksm<strong>und</strong>, <strong>und</strong> die<br />

Beziehungen zwischen Deutschland <strong>und</strong><br />

den USA haben wahrlich noch nicht wieder<br />

die Qualität des Status quo ante erreicht.<br />

Wenn sich der amerikanische Außenminister<br />

Powell vor knapp zwei Wochen noch<br />

genötigt sah, zu betonen: „Frankreich <strong>und</strong><br />

Deutschland sind nicht unsere Feinde.Wir<br />

sind Verbündete“,dann zeigt dies,wie sehr<br />

sich die Situation gewandelt hat: Diese<br />

Feststellung wäre vor zwei Jahren nicht<br />

nur als unnötig,sie wäre auch als völlig abwegig<br />

empf<strong>und</strong>en worden.<br />

Es muss also offensichtlich noch viel<br />

getan werden, um das verloren gegangene<br />

Vertrauen wieder herzustellen. Weitere<br />

Schritte der Annäherung sind erforderlich,<br />

um den transatlantischen Beziehungen<br />

wieder <strong>neuen</strong> Schwung, man kann auch<br />

sagen: alte Stärke zu verleihen.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, der transatlantische<br />

Zwist hat seine Spuren nicht<br />

nur auf der politischen Ebene hinterlassen,<br />

sondern – wie unsere repräsentative<br />

Umfrage anlässlich dieses Forums belegt –<br />

auch in der Bevölkerung:<br />

So bewerten die Befragten zwar die<br />

deutsch-amerikanischen Beziehungen nun<br />

nicht mehr so schlecht wie noch auf dem


DR. ROLF-E. BREUER<br />

Höhepunkt des Streits um die Irak-Politik.<br />

Doch im Vergleich zu anderen Ländern<br />

wie Frankreich,Russland,Polen,Italien <strong>und</strong><br />

Großbritannien werden die Beziehungen<br />

zu den USA weiterhin am schlechtesten<br />

beurteilt.<br />

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen<br />

auch, dass die Wertschätzung der USA in<br />

der deutschen Bevölkerung abgenommen<br />

hat: Gaben im Januar dieses Jahres noch<br />

71 % der Deutschen an, die Amerikaner zu<br />

mögen, sind es nun nur noch 62 %, die das<br />

sagen. Und noch ein eindrückliches Beispiel:<br />

Dass die USA das Land sei, auf das<br />

sich Deutschland im Falle <strong>einer</strong> Krise am<br />

meisten verlassen könne, davon waren<br />

1996 fast zwei Drittel der Deutschen<br />

(64 %) überzeugt.Heute ist es nicht einmal<br />

mehr ein Drittel (28 %), das dies für zutreffend<br />

hält. An die Stelle des aus Bevölkerungssicht<br />

verlässlichsten Partners ist<br />

nun Frankreich (56 %) gerückt.<br />

Angesichts solcher Bef<strong>und</strong>e können<br />

wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.<br />

Dafür hat unser Verhältnis zu den<br />

USA einen zu hohen Stellenwert für unser<br />

Land.Wir haben ja den Vereinigten Staaten<br />

nicht nur vieles in der Vergangenheit zu<br />

verdanken, es liegen auch elementare gemeinsame<br />

Interessen der Zukunft mit in<br />

der Waagschale.<br />

Die Handels- <strong>und</strong> Investitionsbeziehungen<br />

zwischen Europa <strong>und</strong> den USA<br />

sind mit einem Wert von r<strong>und</strong> 500 Milliarden<br />

Dollar die nach wie vor bedeutendsten<br />

der Welt. Von ihnen hängen einige<br />

Millionen Arbeitsplätze beiderseits des Atlantiks<br />

ab.<br />

Doch es geht noch um weit mehr als<br />

nur die wirtschaftliche Dimension. Geht<br />

es nicht auch – auch wenn das etwas pathetisch<br />

klingt – um die Sicherung von<br />

Freiheit <strong>und</strong> Demokratie, um die gemeinsamen<br />

so genannten „westlichen“ Werte,<br />

die allerdings längst nicht mehr allein<br />

westliche Werte sind?<br />

Und – jetzt ganz unpathetisch – geht<br />

es nicht auch um Sicherheit? Sicherheit in<br />

<strong>einer</strong> von internationalem Terrorismus,<br />

kriegerischen Konflikten <strong>und</strong> der zunehmenden<br />

Verbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />

bedrohten Welt? Wir alle haben<br />

doch noch die schrecklichen Bilder<br />

des 11. September 2001 vor Augen.<br />

Die Weltsicht Europas <strong>und</strong> Amerikas<br />

mag in vielen Dingen verschieden sein,<br />

doch wir sind sehr wohl gleichen Gefahren<br />

<strong>und</strong> Problemen ausgesetzt. Die meisten<br />

<strong>und</strong> gefährlichsten davon können wir<br />

auch nur gemeinsam bewältigen. Anders<br />

ausgedrückt: Egal, ob vom Mars oder von<br />

der Venus,jetzt leben wir alle auf der Erde!<br />

Alle Beteiligten – auf <strong>europäische</strong>r<br />

wie amerikanischer Seite – sollten vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> die notwendigen Lehren<br />

aus dem Geschehenen ziehen.Ich sehe zumindest<br />

drei Lehren:<br />

Erstens, eigene Standpunkte <strong>und</strong> Interessen<br />

mit Selbstbewusstsein zu vertreten<br />

ist auch unter Fre<strong>und</strong>en legitim,oft sogar<br />

notwendig. Das gilt auch für gr<strong>und</strong>legende<br />

Meinungsunterschiede. Doch diese<br />

Egal, ob vom Mars oder<br />

von der Venus, jetzt<br />

leben wir alle auf der<br />

Erde!<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

6 7


BEGRÜßUNG UND EINFÜHRUNG<br />

Europa hat – wieder<br />

einmal – nicht<br />

mit <strong>einer</strong> Stimme<br />

gesprochen.<br />

auf die Spitze zu treiben, dient nicht den<br />

eigenen Interessen,sondern schadet ihnen.<br />

Auch wenn die Positionen weit auseinander<br />

liegen,ja gerade dann ist es notwendig,<br />

miteinander im Gespräch zu bleiben. Nur<br />

im konstruktiven Dialog ist es möglich,<br />

Annäherungen zu erzielen <strong>und</strong> die eigenen<br />

Interessen durchzusetzen.<br />

Die zweite Lehre hängt eng damit zusammen:<br />

Mir scheint, wir müssen unser<br />

politisches Einfühlungsvermögen verbessern.Henry<br />

Ford hat einmal gesagt:„Wenn<br />

es überhaupt ein Geheimnis des Erfolges<br />

gibt,so besteht es in der Fähigkeit,sich auf<br />

den Standpunkt des anderen zu stellen<br />

<strong>und</strong> die Dinge ebenso von s<strong>einer</strong> Warte<br />

aus zu betrachten wie von unserer.“ Er hat<br />

das mit Blick auf die Wirtschaft gemeint,<br />

aber man kann es mühelos auf die Außenpolitik<br />

übertragen. Zu erkennen, was den<br />

jeweils anderen bewegt,<strong>und</strong> diese Erkenntnis<br />

im eigenen strategischen Handeln zu<br />

berücksichtigen,hätte uns – in beide Richtungen<br />

– manche transatlantische Verw<strong>und</strong>ung<br />

ersparen können.<br />

Die dritte Lehre betrifft Europa:Es ist<br />

das Begriffspaar vom „alten“ <strong>und</strong> vom<br />

„<strong>neuen</strong>“ Europa gefallen. Auch wer diese<br />

Begrifflichkeit nicht für zutreffend hält,<br />

wird einräumen müssen:Europa hat – wieder<br />

einmal – in <strong>einer</strong> wichtigen außenpolitischen<br />

Angelegenheit nicht mit <strong>einer</strong><br />

Stimme gesprochen, <strong>und</strong> erst recht nicht<br />

gemeinsam gehandelt. Das sollten wir uns<br />

in Zukunft nicht mehr erlauben,jedenfalls<br />

nicht, wenn Europa ein ernstzunehmender<br />

Faktor in der internationalen Politik<br />

sein will.<br />

Die Lücke, die heute noch zwischen<br />

einem starken, handlungsfähigen Amerika<br />

<strong>und</strong> einem politisch uneinheitlichen,militärisch<br />

<strong>und</strong> technologisch relativ schwachen<br />

Europa klafft, muss mittelfristig geschlossen<br />

werden.Die zentrale Herausforderung<br />

der Zukunft liegt darin, so formuliert es<br />

der Politikwissenschaftler Otto Czempiel,<br />

„das sicherheitspolitische <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Übergewicht der USA auszubalancieren,ohne<br />

dabei in eine hegemoniale Rivalität<br />

abzugleiten“.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, wir brauchen<br />

ein starkes Europa, schon um für die<br />

USA überhaupt „partnerschaftsfähig“ zu<br />

sein. Das wird nicht ohne eine politische<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Kraftanstrengung Europas<br />

gelingen. Und ich füge hinzu: Aus<br />

dieser Kraftanstrengung kann <strong>und</strong> darf<br />

sich Deutschland nicht ausklinken. Wenn<br />

die größte Volkswirtschaft Europas über<br />

Jahre lahmt, wird das <strong>europäische</strong> Projekt<br />

nicht schnell genug vorankommen.<br />

Sie sehen,es gibt viele Gründe,warum<br />

wir in Deutschland mit der nun angepackten<br />

Reform unserer sozialen Sicherungssysteme,<br />

des Arbeitsmarktes, der Wirtschaftspolitik<br />

insgesamt endlich zu einem<br />

Durchbruch kommen müssen. Dies liegt<br />

eben nicht nur im eigenen vitalen Interesse<br />

Deutschlands, sondern wir sind hier<br />

auch in der Verantwortung gegenüber unseren<br />

<strong>europäische</strong>n Partnern.<br />

Im Zusammenhang mit einem mög-


DR. ROLF-E. BREUER<br />

lichst starken Europa möchte ich ganz bewusst<br />

auch die bevorstehende Erweiterung<br />

der Europäischen Union erwähnen.<br />

Auch wenn es dazu in der Bevölkerung<br />

noch manche Verunsicherung gibt: Dass<br />

die mittel- <strong>und</strong> ost<strong>europäische</strong>n Staaten<br />

künftig Europa mit ihrem politischen,<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Potenzial<br />

bereichern, birgt für Europa – <strong>und</strong> gerade<br />

auch für Deutschland – große Chancen.<br />

Die Erweiterung wird sich nicht zuletzt<br />

auch positiv auf das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

<strong>und</strong> das Selbstbewusstsein der<br />

Europäer auswirken.Diesen Aspekt sollten<br />

wir in den Diskussionen zum Thema Erweiterung<br />

immer auch mit bedenken.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, der amerikanische<br />

Schriftsteller John Steinbeck<br />

meinte einmal: „Oft ist die Zukunft schon<br />

da,ehe wir ihr gewachsen sind.“ Vielleicht<br />

trifft das mit Blick auf die transatlantischen<br />

Beziehungen <strong>und</strong> auch auf die<br />

<strong>europäische</strong> Integration mehr zu, als uns<br />

das lieb sein kann.<br />

Wir sollten uns aber nicht entmutigen<br />

lassen, nach geeigneten Wegen zu suchen,<br />

um auf die Zukunft vorbereitet zu<br />

sein. Meine Hoffnung ist, dass unser Gespräch<br />

heute dazu zumindest einen kleinen<br />

Beitrag leisten kann.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

8 9


„Es geht um eine neue <strong>europäische</strong> Verantwortung – Europa muss<br />

sich der Weltpolitik stellen.“


Sind die Europäer willens, Europäer zu sein?<br />

PROF. DR. ANDRÉ GLUCKSMANN,<br />

Philosoph, Paris<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren! Die mir gestellte Frage ist, denke ich, so wichtig,<br />

dass sie das 21. Jahrh<strong>und</strong>ert dominieren wird. Diese Frage nach unserem Willen, Europäer<br />

zu sein, ist eine völlig neue.<br />

Warum ist das so? Noch bis vor einigen Jahren war die Tatsache, ein Europäer zu<br />

sein, einfach eine Gegebenheit. Das war keineswegs eine Frage des Willens, der Bereitschaft.<br />

Im Westen war es so, dass die Europäer dem atlantischen Lager zuzuordnen <strong>und</strong><br />

mit Themen wie beispielsweise der Abschreckung konfrontiert waren. Im Osten stand<br />

man unter der Dominanz der sowjetischen Einflüsse. Viele Themen wurden über die<br />

Köpfe der Europäer hinweg zwischen Washington <strong>und</strong> Moskau entschieden.<br />

Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Heute geht es um eine neue <strong>europäische</strong> Verantwortung.Die<br />

Europäer aus Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa,die dem sowjetischen Reich entfliehen<br />

konnten, waren die Ersten, die Verantwortung tragen wollten <strong>und</strong> getragen haben. Dank<br />

ihres Engagements ist das sowjetische Regime gefallen. Sie haben die Verantwortung<br />

übernommen <strong>und</strong> wir im Westen müssen ebenfalls unsere Verantwortung übernehmen.<br />

Sie haben ja den Umfragen, die Herr Breuer eben erwähnt hat, entnommen, dass<br />

das Verhältnis zwischen Amerika <strong>und</strong> Europa ein Thema ist, das die Überlegungen <strong>und</strong><br />

die Gefühle der Europäer bewegt. Es geht hier nicht nur um den Irak, nicht nur um taktische<br />

Fragen, es geht vielmehr um strategische Fragen, um – wie Minister de Villepin<br />

gesagt hat – „zwei Weltanschauungen“.Möglicherweise entstehen starke <strong>Brüche</strong> <strong>und</strong> wir<br />

haben uns zu fragen, ob wir in der Lage sind, damit fertig zu werden, oder ob uns das<br />

nicht gelingt.<br />

Die neue Frage nach der <strong>europäische</strong>n Verantwortung ist auch auf den 11. September<br />

2001 zurückzuführen. Damals wurden die Türme von Manhattan aufgr<strong>und</strong> eines<br />

Komplotts, das im Gr<strong>und</strong>e genommen in Hamburg vorbereitet wurde, zerstört.Auf der<br />

anderen Seite haben wir uns am 11. September 2001, als die Türme von Manhattan<br />

attackiert wurden, erinnert, dass Frankreich 1994 ebenfalls hätte attackiert werden können,<br />

als eine Gruppe von Islamisten einen Airbus gekidnappt hatte <strong>und</strong> Paris angreifen<br />

wollte. Dann wäre Paris einige Jahre vor New York das erste Ziel eines Terrorismus ohne<br />

Grenzen gewesen.<br />

Europa wird, ob es will oder nicht, mit <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> Frage konfrontiert <strong>und</strong> muss<br />

sich der Weltpolitik stellen. Diese Politik wird nicht mehr direkt zwischen Washington<br />

<strong>und</strong> Moskau betrieben, sondern – ich kann es nur wiederholen – die Europäer müssen<br />

ihre Verantwortung dabei übernehmen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

10 11


SIND DIE EUROPÄER WILLENS, EUROPÄER ZU SEIN?<br />

Wir müssen entscheiden,<br />

wer wir sind<br />

<strong>und</strong> mit wem wir uns<br />

verbünden.<br />

Ich möchte diese Frage auch unter<br />

folgendem Aspekt betrachten. Immanuel<br />

Kant hat die Aufklärung definiert als den<br />

„Ausgang des Menschen aus s<strong>einer</strong> selbst<br />

verschuldeten Unmündigkeit“.Unmündigkeit<br />

definiert er als „das Unvermögen,sich<br />

seines Verstandes ohne Leitung eines anderen<br />

zu bedienen“. Ersetzen wir „Ausgang<br />

des Menschen“ durch „Ausgang Europas“,<br />

dann haben wir sofort die Frage vor<br />

uns, der wir uns stellen müssen.Wir müssen<br />

nämlich entscheiden, wer wir sind<br />

<strong>und</strong> mit wem wir uns verbinden <strong>und</strong> verbünden.<br />

Das wird die entscheidende Frage<br />

des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts sein. Das ist die<br />

Frage, die uns nicht nur am längsten beschäftigen<br />

wird,sondern die auch am meisten<br />

in die Tiefe geht. Es geht um die Frage,<br />

die Hamlet stellt, nämlich um die Frage<br />

nach Sein oder Nichtsein.<br />

Der 11. September 2001 ist dasjenige<br />

Datum,an dem etwas völlig Neues geschah:<br />

Wir sind von der Ära der Wasserstoffbombe,<br />

also der nuklearen Abschreckung, in<br />

die Ära sozusagen der menschlichen Bomben<br />

eingetreten. Sie wissen, dass im Jahre<br />

1945 die Menschheit entdeckt hat, dass sie<br />

in der Lage ist, ihrem eigenen historischen<br />

Abenteuer ein Ende zu setzen. Zu dieser<br />

Zeit schrieb Sartre in Übereinstimmung mit<br />

vielen, dass die Gemeinschaft, die sich zu<br />

den Wächtern der Bombe erklärt hat,außerhalb<br />

aller Grenzen handelt,indem sie verantwortlich<br />

ist für Leben <strong>und</strong> Tod der Menschheit.<br />

Es galt, diese Macht zu zerstören, die<br />

in der Lage ist,die Geschichte zu beenden.<br />

Diese Macht der Zerstörung wurde<br />

während eines halbes Jahrh<strong>und</strong>erts von<br />

sieben Mächten dominiert,nämlich jenen,<br />

die über Nuklearwaffen verfügen. Seit<br />

dem 11.September 2001 wurde diese Zerstörungsmacht<br />

in gewisser Weise demokratisiert.Das<br />

heißt,fast alle haben Zugang<br />

zu ihr. Jeder, der in einem Supermarkt ein<br />

Teppichmesser kaufen kann, hat diese<br />

Macht.<br />

Diese Zerstörungsmacht ist in den<br />

Händen von Fanatikern mit verschiedenen<br />

Motivationen. Von ihnen gibt es weltweit<br />

Millionen. War die Zerstörungsmacht früher<br />

nuklearer Natur,ist sie heutzutage,wie<br />

wir an den Angriffen auf Manhattan <strong>und</strong><br />

das Pentagon gesehen haben, die Zerstörungsmacht<br />

sozusagen menschlicher<br />

Bomben geworden.<br />

Zum Ziel der Zerstörung könnten in<br />

gleicher Weise auch Atomkraftwerke werden.<br />

Deshalb kann man durchaus einen<br />

Zusammenhang mit Hiroshima herstellen:<br />

Gro<strong>und</strong> Zero ist eine Erinnerung an den<br />

letzten Nukleartest in New Mexico drei<br />

Wochen vor Hiroshima.<br />

Es stellt sich die Frage nach der Haltung<br />

Europas im Zusammenhang mit diesen<br />

Zerstörungen. Das ist die am tiefsten<br />

gehende Frage, denn es geht um unsere<br />

Existenz. Es ist auch die intimste Frage,<br />

denn Europa definiert sich im Angesicht<br />

dieser Fragestellung.<br />

Europa war immer pluralistisch,<br />

wenn es um Souveränität, um Gott <strong>und</strong><br />

Ähnliches geht. In der Antike gab es den


PROF. DR. ANDRÉ GLUCKSMANN<br />

Begriff des guten Lebens. Dazu hat jeder<br />

seine eigene Idee;insofern kann man auch<br />

hier Pluralismus feststellen.<br />

Als Europa christlich wurde, wurde<br />

es christlich-griechisch,christlich-römisch,<br />

christlich-protestantisch oder christlichkatholisch.<br />

Es gab Kreuzzüge gegen Konstantinopel.<br />

Insofern gab es niemals eine<br />

Einheit. Auch im Hinblick auf die modernen<br />

Staaten hat sich erwiesen, dass eine<br />

solche Einheit nicht möglich ist.<br />

Allerdings gab es im Rahmen der <strong>europäische</strong>n<br />

Zivilisierung immer eine Einheit<br />

gegen das Böse, gegen Plagen, gegen die<br />

Pest im allgemeinen Sinne, indem gegen<br />

kollektive Verrücktheiten, gegen kollektives<br />

Böses vorgegangen wurde.In Griechenland<br />

gab es eine gemeinsame Zivilisation<br />

<strong>und</strong> man hat sich in Delphi gemeinsam<br />

über Mittel <strong>und</strong> Wege unterhalten, wie<br />

man die Plagen bekämpfen kann. In den<br />

Kirchen sang man das Lied: Herr, erlöse<br />

uns von den drei Plagen Krieg, Hungersnot<br />

<strong>und</strong> Pest.<br />

Diese Begrifflichkeit wurde später in<br />

dem Sinne wieder aufgenommen, als es<br />

darum ging, die Gesellschaft zu verteidigen,<br />

das wirtschaftliche Leben zu organisieren,<br />

Hungersnöte zu vermeiden, soweit<br />

dies möglich war, natürlich auch den<br />

Krieg zu vermeiden <strong>und</strong> den kollektiven<br />

Wahnsinn gegen die Gesellschaft zu vermeiden.<br />

Diese drei Plagen haben die <strong>europäische</strong><br />

Zivilisation zusammengeführt,<br />

trotz konkreter Fehlschläge.<br />

Europa ist sich also einig gegen das<br />

Böse <strong>und</strong> gegen Plagen, aber nicht im Hinblick<br />

auf das Gute. Heute müssen wir definieren,<br />

um was es geht, wenn man von<br />

Animositäten spricht.Was heißt das? 1989<br />

haben Amerika <strong>und</strong> Deutschland gedacht,<br />

Kriege gibt es nicht mehr, Katastrophen<br />

treten nicht ein, die Metropolen leben in<br />

Sicherheit, Konflikte sind nur periphere<br />

Konflikte, so genannte low intensity conflicts,<br />

die sich am Rande des Planeten abspielen<br />

<strong>und</strong> unsere Sicherheit nicht aufs<br />

Spiel setzen. Das wurde als das Ende der<br />

Geschichte bezeichnet. Hegel nannte dies<br />

den „Sonntag des Lebens“.Wir haben den<br />

Sonntag des Lebens in Europa <strong>und</strong> in Amerika<br />

während der letzten zehn Jahre, seit<br />

dem Fall der Mauer, erleben können.<br />

Gleichzeitig haben sich nicht nur in<br />

Afghanistan, sondern auch in Ruanda <strong>und</strong><br />

anderswo schreckliche Dinge abgespielt.<br />

Wir hatten dieses Gefühl der Sicherheit.<br />

Es gab keine absoluten Feinde mehr, sie<br />

waren verschw<strong>und</strong>en. Durch den 11. September<br />

2001 haben wir entdeckt, dass es<br />

nicht einen Feind gab, sondern Feindschaft<br />

generell <strong>und</strong> Risiken, dass die<br />

Menschheit aufgr<strong>und</strong> des grenzenlosen<br />

Terrorismus, aufgr<strong>und</strong> eines Terrorismus<br />

ohne ideologische Grenzen Stück für<br />

Stück verschwindet. Das heißt, man kann<br />

diesen Terrorismus nicht auf gewisse fanatische<br />

religiöse Gruppen beschränken.<br />

Hans Christoph Busch hat in Liberia einen<br />

13-jährigen Jungen, mit <strong>einer</strong> Kalaschnikow<br />

bewaffnet <strong>und</strong> Führer <strong>einer</strong> kleinen<br />

Truppe gleichaltriger Kinder, gefragt: Hast<br />

Europa ist sich einig<br />

gegen das Böse,<br />

aber nicht im Hinblick<br />

auf das Gute.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

12 13


SIND DIE EUROPÄER WILLENS, EUROPÄER ZU SEIN?<br />

Die Versuchung des<br />

Neutralismus <strong>und</strong><br />

des Isolationismus<br />

existiert auch in den<br />

Köpfen der Europäer.<br />

du keine Angst, mit d<strong>einer</strong> Kalaschnikow<br />

umzugehen, hast du keine Angst, deine<br />

Schwester oder deine Mutter zu töten? –<br />

Der Kleine antwortete:Why not?<br />

Ich kann Ihnen versichern: Kinder,<br />

Männer dieser Art, existieren überall auf<br />

diesem Planeten. Sie bahnen sich ihren<br />

Weg mit Kalaschnikows,mit Terror.Es gibt<br />

Kinder- <strong>und</strong> Frauenarmeen. Das ist nach<br />

dem Ende des Kalten Krieges die heutige<br />

Form der Bedrohung auf der ganzen Erde.<br />

Bei dieser sehr tief gehenden Frage,<br />

die unsere Existenz infrage stellt, geht es<br />

auch um eine intime Frage, weil sie unsere<br />

Identität infrage stellt. Angesichts welcher<br />

Faktoren sind wir Europäer? Auf diese<br />

Frage werde ich gleich noch eingehen.<br />

Umfragen zeigen, dass als die für Europäer<br />

gefährlichsten Länder Israel, der<br />

Iran, Nordkorea, die Vereinigten Staaten<br />

<strong>und</strong> der Irak genannt werden. Diese Umfrageergebnisse<br />

kann man natürlich auf<br />

die verschiedenste Art <strong>und</strong> Weise interpretieren.<br />

Drei Interpretationen überlagern<br />

sich.Die erste Interpretation geht von Kämpfen<br />

zwischen zwei Definitionen bezüglich<br />

<strong>einer</strong> Feindschaft aus. Gibt es die Terrormächte,<br />

die so genannte Achse des Bösen,<br />

hier vor allem Nordkorea? Das wird von<br />

der <strong>europäische</strong>n Bevölkerung anerkannt.<br />

Das ist keine Idee, die von Präsident Bush<br />

quasi erf<strong>und</strong>en wurde. Auf der anderen<br />

Seite gibt es diejenigen Länder, die gegen<br />

den Terrorismus kämpfen, beispielsweise<br />

die Vereinigten Staaten <strong>und</strong> Israel.Also gibt<br />

es zwei Tendenzen – <strong>und</strong> Europa zögert.<br />

Die zweite Interpretation läuft darauf<br />

hinaus,dass wir im Gr<strong>und</strong>e genommen die<br />

Dinge hin <strong>und</strong> her schieben, nämlich die<br />

Opfer <strong>und</strong> die für den Terrorismus Verantwortlichen.Es<br />

heißt:Da sollen sich die Europäer<br />

nicht einmischen; die Amerikaner,<br />

die Israelis, die Iraner, die Iraker <strong>und</strong> die<br />

Nordkoreaner sollen das unter sich klären,<br />

wir bleiben derweil am anderen Ufer stehen<br />

<strong>und</strong> sehen zu, wie die Zeit vergeht.<br />

Das ist eine Versuchung des Neutralismus<br />

<strong>und</strong> des Isolationismus. Das existiert auch<br />

in den Köpfen <strong>und</strong> in den Meinungen der<br />

Europäer.<br />

Eine weitere Interpretation lautet: Im<br />

Gr<strong>und</strong>e genommen ist es ja so, dass Israel<br />

<strong>und</strong> Amerika die Gründe für den Terrorismus<br />

liefern.Insofern sind die Ursachen für<br />

die Angriffe sie selbst. Demzufolge muss<br />

unsere <strong>europäische</strong> Linie so aussehen,uns<br />

den Vereinigten Staaten <strong>und</strong> Israel gegenüberzustellen.<br />

Das sind die verschiedenen Interpretationen,die<br />

sich überlagern <strong>und</strong> die Ideologien,<br />

die Ideen, die Gefühle der Bevölkerung<br />

prägen. Das ist die wirklich am<br />

tiefsten gehende Frage, die intimste, die<br />

bewegendste,eine bestürzende Frage.Deswegen<br />

haben wir so viele Probleme, darauf<br />

eine Antwort zu finden.<br />

Im Augenblick gibt es zwei Antworten.<br />

Die erste Antwort kennen Sie schon,<br />

nämlich:West gegen West.Das ist die Idee,<br />

die dazu führt, dass Europa eine Art Unabhängigkeitserklärung<br />

abgibt. Der Irak bot<br />

eine Chance wie damals die Boston Tea


PROF. DR. ANDRÉ GLUCKSMANN<br />

Party, als sich Amerika von der englischen<br />

Krone löste.<br />

Diese Antwort scheint ein Widerspruch<br />

in sich zu sein. Sie ist widersprüchlich<br />

im Hinblick auf die Werte.<br />

Überwiegend setzt man sich dem Spott<br />

aus, wenn man sagt:Wir wollen den Frieden<br />

mit Putin herbeiführen, der doch seit<br />

vier Jahren einen schrecklichen Krieg gegen<br />

Tschetschenien führt.H<strong>und</strong>erttausend<br />

Tschetschenen sind durch die russische<br />

Kriegsführung gestorben.1994 ist die russische<br />

Armee in Grosny eingefallen. Grosny<br />

hatte einmal 400 000 Einwohner;heute ist<br />

nur noch ein Schutthaufen übrig geblieben.<br />

Es ist extrem heuchlerisch, wenn<br />

man sagt, dass man für den Frieden eintritt,<br />

aber niemals an die Kriege denkt, die<br />

unseren Planeten zerstören.<br />

Noch dazu wurde gesagt, dass es sich<br />

um eine praktische Politik handelt, also<br />

um etwas, was Europa im Angesicht der<br />

Vereinigten Staaten aufbaut. Im Gr<strong>und</strong>e<br />

genommen spielt sich genau das Gegenteil<br />

ab.Europa ist niemals so zerteilt.Wenn<br />

es wirklich stimmt,dass die amerikanische<br />

Regierung ein entfaltetes Europa haben<br />

möchte, müsste man Herrn Schröder <strong>und</strong><br />

Herrn Chirac als amerikanische Agenten<br />

bezeichnen.<br />

Man macht sich nicht nur über die<br />

Werte lustig, man macht sich über die<br />

Praktiken eines uneinigen Europas lustig,<br />

man macht sich auch über Standards lustig.<br />

Man sagt:Wir sprechen im Namen der Autoritäten<br />

des Sicherheitsrates usw., aber<br />

wir sprechen auch im Namen des internationalen<br />

Rechts, des Völkerrechts. Kofi<br />

Annan hat Anfang September dieses Jahres<br />

gesagt, dass man den Sicherheitsrat reformieren<br />

müsse, denn in ihm spiegele sich<br />

das wider, was im Jahre 1945 beschlossen<br />

wurde, nicht aber das, was heute nötig ist.<br />

Er hat auch gesagt, man müsste endlich<br />

einmal die Möglichkeit schaffen, Interventionsrechte<br />

zu etablieren. Die UNO sei<br />

heute zwar in der Lage, unter günstigen<br />

Umständen den Frieden aufrechtzuerhalten,<br />

nämlich wenn beide Konfliktparteien<br />

zu entsprechenden Vereinbarungen bereit<br />

sind,sie sei aber nicht in der Lage,Frieden<br />

herzustellen. Deswegen sollte ihr das<br />

Recht der Einmischung eingeräumt werden.<br />

Wir als Franzosen, Deutsche oder<br />

Russen sind in <strong>einer</strong> Position, in der wir<br />

morgen internationale Standards befürworten<br />

müssten, die zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt nicht existieren.<br />

Wir haben häufig Polemik betrieben.<br />

Montaigne hat es folgendermaßen beschrieben:<br />

Als Friedenslager sind wir<br />

Schuhmacher, die sehr große rhetorische<br />

Schuhe für ganz kleine Füße herstellen,<br />

wie wir sie gar nicht haben.Wir schaffen<br />

uns eine Definition von <strong>einer</strong> UNO,wie sie<br />

gar nicht existiert.<br />

Diese Widersprüche werden von unseren<br />

Ministern schon wahrgenommen.<br />

Sie sind ja auch genauso intelligent wie<br />

wir, sie haben einen ges<strong>und</strong>en Menschenverstand.Wir<br />

müssen uns vorstellen, dass<br />

die <strong>europäische</strong>n Antworten in Bezug auf<br />

Wir schaffen uns eine<br />

Definition von <strong>einer</strong><br />

UNO, wie sie gar nicht<br />

existiert.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

14 15


SIND DIE EUROPÄER WILLENS, EUROPÄER ZU SEIN?<br />

Ein Diktator ist nicht<br />

allein für sein eigenes<br />

Volk eine Gefahr,<br />

sondern auch für die<br />

übrige Welt.<br />

das Verhältnis zwischen West <strong>und</strong> West<br />

mehr als nur Widersprüche beinhalten. In<br />

dieser Fragestellung verbergen sich strategische<br />

Programme, die bekannt sind, aber<br />

nie in die Öffentlichkeit gebracht werden.<br />

Ich meine die Achse Paris–Berlin–Moskau.<br />

Wenn wir akzeptieren, dass die Osteuropäer<br />

verletzt, beleidigt oder auf gewisse<br />

Art <strong>und</strong> Weise als intellektuell minoritär<br />

betrachtet werden, dann bestätigen wir,<br />

dass Europa um die Achse Paris–Berlin–<br />

Moskau herum gebaut wird.<br />

Diese Idee <strong>einer</strong> <strong>europäische</strong>n Macht<br />

spiegelt sich hier wider.Das ist eine Vision<br />

von Europa, die ein bisschen die Sichtweise<br />

auch der übrigen Welt widerspiegelt.Die<br />

Multipolarität finden wir auch auf<br />

internationaler Ebene. Es gibt neben der<br />

<strong>europäische</strong>n Ebene auch eine islamistische,<br />

eine chinesische, eine hinduistische,<br />

eine südamerikanische Ebene.<br />

Darüber hinaus fingiert man souveräne<br />

Blöcke, in Bezug auf die man eine gewisse<br />

Koexistenz herstellen muss. Hinter<br />

allen diesen Ausprägungen steht das Prinzip<br />

der absoluten Souveränität.Warum hätte<br />

man Saddam Hussein nicht stürzen sollen?<br />

– Weil er der Vertreter der irakischen Souveränität<br />

war <strong>und</strong> die Souveränität eines<br />

Landes ein absoluter Wert ist.Warum können<br />

wir Putin nicht kritisieren, wenn er<br />

ein ganzes Volk massakriert? – Weil er der<br />

Souverän eines Staates ist <strong>und</strong> die Befugnis,<br />

das Recht hat, so zu handeln.<br />

Warum denken wir, dass China zum<br />

Friedenslager gehört? Warum stört es uns<br />

nicht, dass China auf grausamste <strong>und</strong> brutalste<br />

Art <strong>und</strong> Weise seit über 50 Jahren Tibet<br />

besetzt hält, während wir die Besetzung<br />

des Iraks seit zwei oder drei Monaten<br />

kritisieren? Das ist so, weil es sich definitionsgemäß<br />

um die chinesische Souveränität<br />

handelt.<br />

Das Prinzip „West gegen West“, das<br />

Prinzip des so genannten Friedenslagers<br />

ist das Prinzip der absoluten Souveränität.<br />

Jeder ist Meister seines Landes, innerhalb<br />

s<strong>einer</strong> Grenzen.<br />

Der politische Philosoph Carl Schmitt<br />

hat postuliert: Jeder Staat hat die Möglichkeit,<br />

gegen jegliche Meinung zu entscheiden.<br />

Er ist Meister <strong>und</strong> fast Gott, umso<br />

mehr, als Gott in der internationalen Politik<br />

nicht mehr existiert. Das ist das einzige<br />

Prinzip, das auch das Friedenslager bestimmt.<br />

Auf der anderen Seite denke ich, dass<br />

es noch etwas anderes gibt, nämlich das<br />

republikanische Prinzip im Sinne von<br />

Kant. Kant sagt: Der Friede kann nicht<br />

durch ein gutes Verhältnis zwischen den<br />

<strong>europäische</strong>n Mächten garantiert werden –<br />

das wäre nämlich ein Luftschloss –, sondern<br />

nur durch republikanische Mächte,<br />

die über eine entsprechende Souveränität,<br />

gepaart mit einem Minimum an Menschenrechten,<br />

verfügen.<br />

Ich glaube, das ist die zweite Lektion<br />

aus den Ereignissen vom 11. September<br />

2001: Es bedarf der Solidarität der Freiheit<br />

der einfachen Bürger in den Peripherien<br />

unseres Planeten mit der Freiheit der


PROF. DR. ANDRÉ GLUCKSMANN<br />

Metropolen in der westlichen Welt.Wenn<br />

man auf die Fanatiker, auf die Taliban <strong>und</strong><br />

ihre Machenschaften aufgepasst hätte,<br />

wenn man ihnen mehr Widerstand entgegengesetzt<br />

hätte, dann wäre Kabul vielleicht<br />

früher befreit worden <strong>und</strong> stünden<br />

heute vielleicht noch die Twin Towers.Das<br />

Erfordernis der Solidarität der Sicherheit<br />

in den Metropolen <strong>und</strong> eines Mindestmaßes<br />

an Menschenrechten in den Peripherien<br />

unseres Planeten ist die eine Lektion<br />

aus den Ereignissen vom 11. September<br />

2001. Das entspricht der Lektion, die uns<br />

Immanuel Kant in s<strong>einer</strong> Schrift über den<br />

ewigen Frieden erteilt hat: Wenn die<br />

Rechtsverletzung an einem Platz der Erde<br />

von allen gefühlt wird,so ist die Idee eines<br />

Weltbürgerrechts keine fantastische <strong>Vor</strong>stellungsart.<br />

Die Idee der Solidarität bezüglich<br />

der Menschenrechte, also bezüglich<br />

dessen, was sich in den Metropolen<br />

abspielt, <strong>und</strong> dessen, was sich in den Peripherien<br />

abspielt, ist keine Fantasie.<br />

Gerade im Hinblick auf den Irak-<br />

Krieg muss berücksichtigt werden: Ein<br />

Diktator ist nicht allein für sein eigenes<br />

Volk eine Gefahr, sondern auch eine Gefahr<br />

für die übrige Welt. Europa befindet<br />

sich an <strong>einer</strong> Wegkreuzung. Europa muss<br />

wählen, auch noch in späteren Jahren.<br />

Das ist gar nicht einfach. Die Versuchungen<br />

sind sehr groß.Europa muss zwischen<br />

Carl Schmitt <strong>und</strong> Immanuel Kant wählen.<br />

Die Idee der Anhänger von Kant, dass die<br />

UNO im Gr<strong>und</strong>e genommen schon diese<br />

republikanische Einheit darstellt, die den<br />

Frieden garantiert, ist eine völlig absurde<br />

Idee. Diese Menschen haben offensichtlich<br />

Kant <strong>und</strong> vielleicht auch Habermas<br />

nicht richtig gelesen.Republikanische Ausprägungen<br />

werden dem Despotismus der<br />

Tyrannei entgegengesetzt. Ich glaube, wir<br />

haben heute,in einem <strong>neuen</strong> Zeitalter,völlig<br />

neue Versionen von Despotismus <strong>und</strong><br />

Tyrannei.Mit genau dieser Situation sehen<br />

wir uns konfrontiert.<br />

Es gibt eine alte <strong>europäische</strong> Vision,<br />

nämlich die Idee der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Sie war die Idee eines republikanischen<br />

Volkes als eines souveränen<br />

Herrschers, bei dem es ein Maximum an<br />

Menschenrechten gibt. Die Bevölkerung<br />

kann ihre Meinung äußern, während die<br />

Regierenden über die Möglichkeit verfügen,<br />

hin <strong>und</strong> wieder die Ergebnisse umzukehren,so<br />

wie das Volk s<strong>einer</strong>seits die Möglichkeit<br />

besitzt, die Regierenden durch<br />

Wahlen zu stürzen.<br />

Das Europa von heute hat sich nicht<br />

zuletzt dank des Falles der Mauer ausgedehnt.<br />

Europa hat sich dem Despotismus<br />

entgegengestellt <strong>und</strong> muss es heute immer<br />

noch tun. Europa muss zwischen Milosevic<br />

<strong>und</strong> Havel wählen, also zwischen<br />

dem alten Weg der Diktatoren sowie der<br />

absoluten Souveränität <strong>und</strong> auf der andere<br />

Seite der schwer zu bauenden Demokratie.<br />

Heute kann man noch nicht sagen,<br />

dass Putin zwischen dem Weg von Havel<br />

<strong>und</strong> dem Weg von Milosevic gewählt hat.<br />

Hierzu gibt es Anzeichen, die sehr beun-<br />

Europa hat sich dem<br />

Despotismus entgegengestellt<br />

<strong>und</strong> muss es<br />

heute immer noch tun.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

16 17


SIND DIE EUROPÄER WILLENS, EUROPÄER ZU SEIN?<br />

Niemand darf im<br />

Namen der Staatssouveränität<br />

h<strong>und</strong>ertprozentig<br />

über die<br />

Menschen verfügen.<br />

ruhigend sind; die neuesten Ereignisse beweisen<br />

dies einmal mehr.<br />

Die Schlussfolgerung lautet:Wenn eine<br />

Achse Paris–Berlin–Moskau zum Nachteil<br />

der Europäischen Gemeinschaft, wie<br />

wir sie seit 50 Jahren kennen, geschaffen<br />

wird, ist dies der Weg von Carl Schmitt.<br />

Weltweit gesehen gilt das Gleiche.<br />

Die Sicht von Carl Schmitt bedeutet, dass<br />

es im Gr<strong>und</strong>e genommen ein Land gibt –<br />

Amerika oder auch die Angelsachsen –,das<br />

die Welt regiert, quasi das Wetter auf diesem<br />

Planeten bestimmt <strong>und</strong> auch das Chaos<br />

verursacht, das wir heute registrieren<br />

müssen.<br />

Entweder das – oder es gibt einen<br />

zweiten Weg: Nicht nur Amerika, sondern<br />

auch wir sind verantwortlich. Sartre erklärte<br />

1945, dass die Atombombe nicht<br />

dem erstbesten Dahergelaufenen zur Verfügung<br />

steht, sondern zum Glück nur in<br />

den Händen weniger Staaten ist.Heute befindet<br />

sich diese Bombe sozusagen in den<br />

Händen von jedermann. Jeder, der es<br />

möchte, jede Gruppe, jeder Dämon kann<br />

mit ihrer furchtbaren Zerstörungskraft<br />

spielen.<br />

Es gibt kein einziges Land, welches<br />

das Wetter auf unserem Planeten bestimmen<br />

kann.Wir sagen mit Kant,dass die Politik<br />

darin besteht selbst ein „Volk von Teufeln“<br />

zu regieren, <strong>und</strong> besonders die Weltpolitik.<br />

Pascal wie Kant meinten: Die Aufgabe<br />

der Politik besteht darin, ein Irrenhaus<br />

regieren zu müssen, in dem es sehr<br />

viele verschiedene Irre gibt.<br />

Angesichts dieser Tatsache muss sich<br />

Europa definieren.Wir haben die Wahl zu<br />

treffen. Es gibt zwei Antworten: Entweder<br />

denken wir, dass das Hauptproblem darin<br />

besteht, dass es um Amerika geht, weil<br />

Amerika imperialistisch <strong>und</strong> quasi allmächtig<br />

ist, oder wir sagen, wir müssen<br />

uns einigen, nicht weil Amerika die Allmacht<br />

hat, sondern weil Amerika genauso<br />

ohnmächtig ist wie wir,genauso attackiert<br />

werden kann wie wir. Das wäre die Vereinigung<br />

der Demokraten <strong>und</strong> der Schwachen<br />

im Angesicht des Terrorismus.<br />

Ich komme zum Schluss. Entweder<br />

gehen wir nach dem Prinzip „West gegen<br />

West“ vor – dann haben wir wie bei der<br />

Irak-Frage Missstimmungen bezüglich der<br />

Führung <strong>und</strong> des Verhaltens – oder wir<br />

verfahren nach dem Prinzip „West plus<br />

West“, „West mit West“. Vergleichen Sie<br />

nur einmal das,was sich im Irak abgespielt<br />

hat, mit dem, was sich beispielsweise in<br />

Liberia getan hat. Bei Liberia hat man die<br />

Nachbarländer <strong>und</strong> den Sicherheitsrat der<br />

Vereinten Nationen mobilisiert, um so<br />

einen gefährlichen Diktator ohne Krieg<br />

zu beseitigen. Charles Taylor, der kleine<br />

Saddam Hussein in Liberia, ist aus seinem<br />

Land verschw<strong>und</strong>en – nicht freiwillig,sondern<br />

auf friedlichen Druck hin.<br />

Es geht um zwei Prinzipien. Entweder<br />

akzeptieren wir, mit Carl Schmitt, das<br />

Prinzip der absoluten Souveränität – dann<br />

können Saddam Hussein oder Charles Taylor<br />

in ihren Ländern bleiben – oder wir sagen,mit<br />

Kant,zwar ist die Souveränität der


PROF. DR. ANDRÉ GLUCKSMANN<br />

Staaten etwas sehr Wichtiges, aber das<br />

Recht der Menschen, über ihr Schicksal<br />

selbst zu bestimmen, steht als ein anerkanntes<br />

Recht höher,<strong>und</strong> niemand darf im<br />

Namen der Staatssouveränität h<strong>und</strong>ertprozentig<br />

über die Menschen verfügen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

18 19


„Die deutschen Interessen liegen darin, Stabilität<br />

in Europa zu erhalten <strong>und</strong> auszubauen, Instabilitäten<br />

darüber hinaus einzudämmen.“


Deutsche Interessen<br />

DR. CHRISTOPH BERTRAM,<br />

Direktor, Stiftung für Wissenschaft <strong>und</strong> Politik, Berlin<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren! <strong>Atlantische</strong> <strong>und</strong> <strong>europäische</strong> <strong>Brüche</strong>: vor <strong>einer</strong><br />

<strong>neuen</strong> <strong>Weltunordnung</strong>? Um es vorwegzunehmen nach diesem doch sehr bewegenden<br />

<strong>und</strong> ein bisschen pessimistisch gestimmten <strong>Vor</strong>trag von André Glucksmann: Die <strong>Brüche</strong><br />

sind noch zu flicken, auch wenn die Risse nicht zuletzt im transatlantischen Verhältnis<br />

noch lange sichtbar bleiben werden. In diesen <strong>Brüche</strong>n liegt nicht die Ursache für das,<br />

was wir <strong>Weltunordnung</strong> nennen – immerhin in der historischen Perspektive der Normalzustand.<br />

Aber wenn Europa zerstritten bliebe <strong>und</strong> das atlantische Band reißen sollte,<br />

wäre unsere Fähigkeit, den Auswirkungen der <strong>Weltunordnung</strong> um uns herum zu begegnen,<br />

<strong>und</strong> sei es nur durch Abschirmung <strong>und</strong> Abschreckung, empfindlich geschmälert.<br />

Es ist das zentrale deutsche Interesse, dass dies nicht geschieht. Das ist nicht neu,<br />

wie übrigens auch die Betonung deutscher Interessen nicht neu ist. Manchmal hat man<br />

in der gegenwärtigen Diskussion das Gefühl,als habe es dies erst seit 1998 gegeben.Hier<br />

sind ja auch einige Vertreter früherer B<strong>und</strong>esregierungen zugegen.Jede B<strong>und</strong>esregierung<br />

seit 1949 hat nichts anderes als deutsche Interessen vertreten. Sie haben sie vielleicht<br />

nicht so lauthals verkündet; das mag dazu beigetragen haben, dass sie bei der Durchsetzung<br />

dieser Interessen in mancher Hinsicht erfolgreicher gewesen sind.<br />

Dass wir in der deutschen Außenpolitik seit 1949 bis heute im Vergleich zu allen<br />

anderen Phasen deutscher Geschichte,im Vergleich auch zu anderen Ländern <strong>und</strong> wichtigen<br />

Partnern, ungewöhnlich gut gefahren sind, ist offensichtlich. Der Unterschied zu<br />

früher liegt darin,dass wir früher Außenpolitik innerhalb eines Rahmens gestalten konnten,<br />

der von anderen vorgegeben <strong>und</strong> erhalten wurde. Jetzt müssen wir dazu beitragen, dass<br />

dieser Rahmen auch von uns in Europa <strong>und</strong> darüber hinaus mit geschaffen, mit erhalten<br />

<strong>und</strong> mit erweitert wird.<br />

Was sind angesichts der fortdauernden Abwesenheit internationaler Ordnung die<br />

deutschen außenpolitischen Interessen? Ich glaube, das ist schnell zusammengefasst.<br />

Wir werden heute Nachmittag von einem Vertreter der Regierung <strong>und</strong> <strong>einer</strong> Vertreterin<br />

der Opposition dazu etwas hören.In Deutschland gibt es zum Glück eine große Übereinstimmung<br />

darüber, welches die deutschen Interessen sind. Da ist zum einen die Einbettung<br />

Deutschlands in ein stabiles <strong>und</strong> stabilitätsausdehnendes Europa, da ist zum anderen<br />

das Bemühen um Ordnung darüber hinaus.Beides ist zunehmend miteinander verwoben<br />

in <strong>einer</strong> Welt, in der innen <strong>und</strong> außen wegen der Globalisierung der Unsicherheit nicht<br />

mehr säuberlich voneinander zu trennen sind.<br />

Ich sagte: Einbettung, nicht Einbindung Deutschlands in ein stabiles Europa. Den<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

20 21


DEUTSCHE INTERESSEN<br />

Das deutsche<br />

Interesse verlangt<br />

die Verstärkung der<br />

<strong>europäische</strong>n<br />

Verstrebungen.<br />

Begriff „Einbindung“ habe ich immer für<br />

einen falschen Ausdruck gehalten; man<br />

muss sich wohl fühlen können, man darf<br />

nicht gezwungen werden. Das ist seit der<br />

Gründung der B<strong>und</strong>esrepublik der Kernpunkt<br />

deutscher Außenpolitik. Dies bleibt<br />

es auch seit der Vereinigung Deutschlands<br />

<strong>und</strong> dem Ende der <strong>europäische</strong>n Teilung.<br />

Das Mittel ist die Integration in der<br />

Europäischen Union. Mancher, der die Regierungsverantwortung<br />

anstrebt, mag das<br />

noch bezweifeln, bis er im B<strong>und</strong>eskanzleramt<br />

angekommen ist. Das deutsche Interesse<br />

an der Integration Europas ist so elementar,<br />

die gewachsenen Bindungen sind<br />

so fest,dass auch ein PDS-Kanzler,wenn es<br />

ihn denn je geben sollte, daran nicht vorbeikönnte.<br />

Nicht weniger offensichtlich ist das<br />

deutsche Interesse an der Ausweitung des<br />

Stabilitätsraumes. Herr Breuer hat darauf<br />

bereits hingewiesen. Dieses Interesse findet<br />

trotz s<strong>einer</strong> Offensichtlichkeit in der<br />

deutschen politischen Debatte nicht immer<br />

den entsprechenden Widerhall. Immerhin<br />

haben die Regierungen Kohl <strong>und</strong><br />

Schröder lange gezögert, die Ausweitung<br />

der NATO mitzutragen, bis es denn unvermeidlich<br />

war, <strong>und</strong> zwar in, wie ich meine,<br />

falscher Rücksicht auf russische Empfindlichkeiten.<br />

Die Beitrittskandidaten der Europäischen<br />

Union in Ost- <strong>und</strong> Südosteuropa<br />

werden in unserer öffentlichen Diskussion<br />

entweder als problematische Verwandte<br />

oder als lästige Bittsteller empf<strong>und</strong>en,<br />

nicht als willkommene strategische<br />

Partner <strong>und</strong> Mitglieder der <strong>europäische</strong>n<br />

Familie, die sie doch sind.<br />

Das gilt auch für den Beitrittskandidaten<br />

Türkei.Wenn die Türkei die Beitrittsbedingungen<br />

erfüllt,dann bedeutet das eine<br />

kräftige Stärkung Europas: nach innen wegen<br />

der Moslems bei uns <strong>und</strong> nach außen<br />

wegen der strategischen Bedeutung des<br />

Nahen Ostens. Ein gestärktes Europa wird<br />

sich dann auch der Frage zuwenden können,welche<br />

Bindungen es mit dem großen<br />

Nachbarn Russland eingehen will <strong>und</strong><br />

kann.<br />

Die Erweiterung darf aber nicht zur<br />

Aufsplitterung der Union führen.Also verlangt<br />

das deutsche Interesse die Verstärkung<br />

der <strong>europäische</strong>n Verstrebungen –<br />

wenn möglich, mit allen <strong>europäische</strong>n<br />

Partnern. Ohne einen weiteren Verzicht<br />

auf Souveränität ist das nicht zu handhaben,<br />

in keinem Politikbereich, auch nicht<br />

in der Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik. Der<br />

unerlässliche Partner dafür ist <strong>und</strong> bleibt<br />

Frankreich. So schwierig, störrisch, selbstverliebt<br />

<strong>und</strong> selbstbewusst die Pariser Politik<br />

auch oft ist, Frankreich ist die einzige<br />

andere Macht, deren <strong>europäische</strong>s Engagement<br />

außer Frage steht.Man muss dankbar<br />

sein, dass die Berliner Politik das allmählich<br />

verstanden hat.<br />

Stabilität in Europa erhalten <strong>und</strong> ausdehnen,<br />

Instabilitäten darüber hinaus eindämmen,<br />

vielleicht, wenn wir es schaffen,<br />

sogar hier <strong>und</strong> da austrocknen:Dabei geht<br />

es – hier unterscheide ich mich sehr deutlich<br />

von André Glucksmann <strong>und</strong>, wie ich


DR. CHRISTOPH BERTRAM<br />

vermute, auch von Richard Perle – nicht<br />

nur um Terrorismus.Wir stehen nicht in einem<br />

<strong>neuen</strong> Weltkrieg, diesmal gegen die<br />

Osama bin Ladens der Welt. Dafür braucht<br />

Amerika nicht 1 Milliarde Dollar pro Tag<br />

für Verteidigung auszugeben <strong>und</strong> andere<br />

Länder noch einmal eine halbe Milliarde<br />

Euro zusätzlich.<br />

Instabilität ist viel mehr als Terrorismus.<br />

Sie ist Armut, zerfallende Staaten, Migrationsströme,<br />

Pestilenzen, organisierte<br />

Kriminalität, aber durchaus auch – wie<br />

schon immer – feindlich gesonnene Staaten<br />

mit Mitteln,die unsere Interessen,vielleicht<br />

sogar unsere Territorien beschädigen<br />

können. Das kann nicht alles in den<br />

Topf Terrorismus geworfen werden, vermengt<br />

mit Massenvernichtungswaffen.<br />

Das ist ein worst case, aber nicht der einzige<br />

<strong>und</strong> allein bestimmende.<br />

Nur dann, wenn wir die Gefährdung<br />

nüchtern analysieren, können auch Prioritäten<br />

gesetzt werden. In dieser alles umfassenden<br />

Angst vor dem Terrorismus können<br />

wir es nicht. Mit Sprüchen, es gelte,<br />

die Herausforderungen der Anarchie überall<br />

in der Welt zu bestehen, ist es nicht getan.Weder<br />

wissen wir,wie man das macht,<br />

noch wissen wir,woher die erforderlichen<br />

Mittel kommen sollen.<br />

Deshalb ist Konzentration nötig: auf<br />

die schwelenden Brände,die lösbaren Probleme<br />

auf dem Balkan, im Iran – hier denke<br />

ich an die jüngste Demarche der drei<br />

<strong>europäische</strong>n Außenminister –,in Afghanistan,<strong>Vor</strong>beugung<br />

womöglich in Afrika, wo<br />

der nächste große Krisenherd auch mit<br />

Folgerungen für uns heranwächst,in Südasien.Viel<br />

Zeit können wir uns nicht lassen,<br />

denn die nächste Krise kommt schneller,<br />

als wir darauf vorbereitet sind.<br />

Dies beides – Europa stärken <strong>und</strong><br />

ausweiten sowie über Europa hinaus Stabilität<br />

fördern – ist ehrgeizig genug. Beides<br />

geht nur mit <strong>und</strong> nicht gegen die USA.<br />

Das gilt auch für die Integration in der Europäischen<br />

Union. Ein Europa, das sich in<br />

zentralen strategischen Fragen gegen Amerika<br />

aufbäumen wollte,würde zerbrechen,<br />

auch ohne Donald Rumsfeld. Es wird ohnehin<br />

nicht einfach sein, die zahlreichen<br />

heutigen <strong>und</strong> die künftigen Mitglieder der<br />

Europäischen Union zu gemeinsamen Entscheidungen<br />

zusammenzuführen. Wollte<br />

man sie in der Gemeinsamen Außen- <strong>und</strong><br />

Sicherheitspolitik gegen Amerika positionieren<br />

– mit der Gemeinsamkeit wäre es<br />

vorbei. Als Gegenmacht zu Amerika wird<br />

es jenseits von Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsfragen<br />

– <strong>und</strong> selbst da ist es fraglich – keine<br />

international handlungsfähige Europäische<br />

Union geben.<br />

Man kann es auch positiv ausdrücken:<br />

Die USA waren <strong>und</strong> sind ja der<br />

Ausbalancierer zwischen den Staaten Europas.<br />

Sie haben damit die Integration<br />

möglich gemacht. Sie haben das Machtgefälle<br />

zwischen großen, kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />

Staaten erträglich gemacht, die historischen<br />

Spannungen entschärft <strong>und</strong> so die<br />

Integration ermöglicht. Das ist gerade für<br />

das mit den meisten historischen Soup-<br />

Ein Europa, das sich<br />

gegen Amerika aufbäumen<br />

wollte, würde<br />

zerbrechen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

22 23


DEUTSCHE INTERESSEN<br />

Gerade weil es Gr<strong>und</strong>gemeinsamkeiten<br />

gibt,<br />

werden Abweichungen<br />

im Einzelfall erträglich.<br />

çons belastete Land in der Mitte Europas,<br />

nämlich Deutschland, bei seinen Bemühungen<br />

um Anerkennung <strong>und</strong> schließlich<br />

Integration unersetzbar gewesen.<br />

Inzwischen sind die Erinnerungen<br />

blasser, die Empfindungen nüchterner geworden;<br />

verschw<strong>und</strong>en sind sie nicht. Eine<br />

deutsche Regierung, die in Europa zur<br />

Abkehr von den USA aufrufen wollte,<br />

weckte schlafende H<strong>und</strong>e. Selbst wenn<br />

dies im Namen der <strong>europäische</strong>n Integration<br />

geschehen sollte, würde es vielen unserer<br />

Nachbarn als Rückkehr zu nationaler<br />

Großmachtpolitik erscheinen, nicht als<br />

glaubwürdiger Souveränitätsverzicht. Das<br />

gilt übrigens auch für Frankreich.<br />

Deswegen ist es richtig, wenn die<br />

Berliner Politik schon aus Gründen erfolgreicher<br />

<strong>europäische</strong>r Integration die amerikanische<br />

Verb<strong>und</strong>enheit hochhält. Das<br />

heißt allerdings nicht, Amerika hat <strong>Vor</strong>rang<br />

vor Europa. Das Hemd ist näher als<br />

der Rock, auch den <strong>neuen</strong> Europäern. Das<br />

wird sich in der ständigen, in der unvergleichlichen<br />

Zusammenarbeit in den Gremien<br />

der Europäischen Union bald herausstellen.<br />

Es heißt auch nicht, dass<br />

Deutschland <strong>und</strong> die Union stets mit den<br />

Vereinigten Staaten übereinstimmen müssten.<br />

Es heißt auch nicht, der NATO zu<br />

überlassen, wie weit sich die EU in ihrer<br />

Verteidigungspolitik zusammenfügt.<br />

Es bedeutet allerdings, die Gr<strong>und</strong>gemeinsamkeit<br />

zwischen Amerika <strong>und</strong> Europa<br />

sich selbst <strong>und</strong> anderen, insbesondere der<br />

öffentlichen Meinung – die erschreckenden<br />

Umfrageergebnisse sind hier schon erwähnt<br />

worden – immer wieder bewusst zu<br />

machen,gerade weil es diese Gr<strong>und</strong>gemeinsamkeit<br />

weiterhin gibt.Auch in den Zeiten<br />

der Spannungen ist vielen von uns aufgefallen,<br />

wie lebendig der Westen ist, wie intensiv<br />

der zivilgesellschaftliche Austausch<br />

zwischen Amerika <strong>und</strong> Europa ist. Gerade<br />

weil es Gr<strong>und</strong>gemeinsamkeiten gibt, werden<br />

Abweichungen im Einzelfall erträglich.<br />

Was für den Prozess innerhalb Europas<br />

offensichtlich ist, nämlich die Unvereinbarkeit<br />

mit <strong>einer</strong> Abkehr von Amerika,<br />

gilt noch viel mehr, wenn es um die Bewältigung<br />

neuer, jenseits von Europa sich<br />

zusammenbrauender Gefahren geht. Wir<br />

haben sie in der Vergangenheit gern den<br />

USA überlassen. Auch jetzt noch haben wir<br />

zwar oft die Rezepte bereit, verzichten<br />

aber auf das Kochen.Amerikanischer Unilateralismus<br />

hat deshalb auch in <strong>europäische</strong>r<br />

Beifahrermentalität eine Entschuldigung.Aber<br />

wenn wir Europäer, wenn wir<br />

Deutschen es mit der Herausforderung<br />

globalisierter Unsicherheit ernst meinen,<br />

dann werden wir in jedem Fall dieser Herausforderung<br />

nur zusammen mit den USA<br />

begegnen können. Das ist eine Binsenwahrheit,<br />

wo immer man auf den Globus<br />

blickt. Das ist eine Binsenwahrheit, die<br />

nicht nur für Europa,sondern auch für die<br />

USA gilt, selbst wenn sie diese in den letzten<br />

zwei Jahren ein wenig vergessen hat.Im<br />

Gegenteil: Unter dem Schock des 11. September<br />

2001 entstand eine amerikanische<br />

Sicherheitsdoktrin der einsamen Entschei-


DR. CHRISTOPH BERTRAM<br />

dungen <strong>und</strong> der strategischen wie völkerrechtlichen<br />

Unabhängigkeit. Erst jetzt erfährt<br />

Washington den Zusammenprall der<br />

Ideologie mit der Realität.<br />

Wir Europäer haben uns immer wieder<br />

daran gewöhnt,dass alle vier oder acht<br />

Jahre ein neues Team in Washington an die<br />

Macht kam <strong>und</strong> plötzlich die Welt neu erfinden<br />

wollte. Unsere Erfahrung war: ein<br />

bisschen abwarten, nach acht oder neun<br />

Monaten wird sich das geben, die Amerikaner<br />

sind doch auch Pragmatiker. Das<br />

hätte sich auch unter der gegenwärtigen<br />

Administration früher ergeben;der 11.September<br />

2001 hat hier die Ideologie verlängert.<br />

Erst jetzt kommt das zutage, was<br />

wir sonst immer erlebt haben: Die Ideologie<br />

muss den Test der Realität bestehen.<br />

Wie werden die Vereinigten Staaten<br />

auf diesen Test reagieren? Ich vermute: so,<br />

wie sie das auch sonst immer tun,nämlich<br />

durch pragmatisches <strong>Vor</strong>gehen. Auch wenn<br />

die Ideologen noch nicht aufgegeben haben,<br />

am Ende werden die Doktrinen von<br />

gestern in die Schubladen gelegt, die Erfordernisse<br />

der Realität setzen sich durch.<br />

Dem Nahen Osten die Demokratie bescheren,die<br />

Achse des Bösen aufrollen,die<br />

Welt in Gut <strong>und</strong> Böse einteilen, als ginge<br />

es in der Politik um ein Gottesgericht –<br />

das alles wird keinen Bestand haben.Was<br />

bleiben wird, ist das Trauma des 11. September<br />

2001, das Gefühl der Verw<strong>und</strong>barkeit,<br />

die Entschlossenheit, dagegen vorzugehen,<br />

die Bereitschaft, dafür Amerikas<br />

militärische Macht notfalls auch ohne Zustimmung<br />

der anderen einzusetzen.<br />

Wahrscheinlich haben wir uns in<br />

Europa vorzeitig über die Ideologen aufgeregt;<br />

denn hinsichtlich der Visionen internationaler<br />

Ordnung, hinsichtlich der<br />

<strong>Vor</strong>stellungen, wie die internationale Ordnung<br />

einmal aussehen sollte, gibt es sehr<br />

wenig Unterschiede. Wir unterscheiden<br />

uns in der Methode, wir unterscheiden<br />

uns nicht im Ziel. Wir leben auf demselben<br />

Planeten,nicht auf verschiedenen Planeten.<br />

Ich bin beglückt, zu hören, dass<br />

auch André Glucksmann Kantianer <strong>und</strong><br />

kein Anhänger von Hobbes ist, dass er<br />

auch insofern, glaube ich, den Spagat zwischen<br />

Venus <strong>und</strong> Mars mitmacht.<br />

Die Rückschläge für die amerikanischen<br />

Irakpläne haben die verzerrten Blickweisen<br />

zurechtgerückt. Zu offensichtlich<br />

ist es, dass Amerika Europa braucht, um<br />

die <strong>Weltunordnung</strong> wenigstens teilweise<br />

einzudämmen. Nicht weniger offensichtlich<br />

ist,dass Europa Amerika dazu braucht.<br />

Was folgt daraus für die Wahrnehmung<br />

deutscher Interessen in Europa <strong>und</strong><br />

im Verhältnis zu Amerika gerade nach den<br />

Verstimmungen der letzten Zeit? Die Antwort<br />

darauf ist so einfach wie die Umsetzung<br />

holprig. Deutschland muss sich wieder<br />

erkennbar für das Ganze verantwortlich<br />

fühlen, in Europa <strong>und</strong> im atlantischen<br />

Verb<strong>und</strong>.Daran hat es in Europa gehapert.<br />

Wenn andere Mitglieder der Union – alte,<br />

neue, künftige – sich im Frühjahr dagegen<br />

verwahrten, von Deutschland <strong>und</strong> Frankreich<br />

gegen die amerikanische Irakpositi-<br />

Wir unterscheiden<br />

uns in der Methode,<br />

wir unterscheiden uns<br />

nicht im Ziel.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

24 25


DEUTSCHE INTERESSEN<br />

Deutschland muss sich<br />

wieder erkennbar für<br />

das Ganze verantwortlich<br />

fühlen.<br />

on vereinnahmt zu werden, dann lag das<br />

nicht nur an dem hoffärtigen Ton des französischen<br />

Präsidenten auf den Stufen von<br />

Versailles; es lag auch an der Vernachlässigung,<br />

die die B<strong>und</strong>esrepublik den kl<strong>einer</strong>en<br />

Staaten Europas hat zuteil werden lassen.<br />

Wir haben, wie es immer so schön<br />

heißt, gleiche Augenhöhe mit den Größeren<br />

gesucht <strong>und</strong> uns damit oft begnügt.<br />

Deutsche Bemühungen um Integration in<br />

der Union werden aber nur dann Erfolg<br />

haben, wenn sich die kl<strong>einer</strong>en Mitgliedstaaten<br />

informiert, einbezogen, berücksichtigt<br />

wissen.<br />

Deutsch-französische Europainitiativen<br />

werden Europa nur dann voranbringen,<br />

wenn sie als Engagement für die gemeinsame<br />

Union, nicht für mehr Macht<br />

<strong>und</strong> Einfluss der Großen verstanden werden.<br />

Das geht nicht über Nacht, vor allem<br />

nicht nach Jahren der Nonchalance. Das<br />

Vertrauen muss wieder aufgebaut werden.<br />

Dann allerdings ist mir nicht bange, dass<br />

die Realität der täglichen <strong>europäische</strong>n<br />

Zusammenarbeit die jüngsten Spannungen<br />

in Europa bald vergessen macht.Diese<br />

<strong>Brüche</strong> werden nicht dauern.<br />

Diejenigen über den Atlantik werden<br />

nicht so schnell überw<strong>und</strong>en sein. Aber<br />

auch hier wird es viel darauf ankommen,<br />

dass Deutschland wieder als das Land in<br />

Europa gesehen wird, das sich für das<br />

Ganze verantwortlich fühlt. Die Tatsache,<br />

dass dies in früheren Krisen so oft der Fall<br />

war – Klaus Naumann, der ja auch heute<br />

hier ist, hat einmal vom Spagat zwischen<br />

Scham <strong>und</strong> Schmerzgrenze gesprochen –,<br />

hat Deutschland in Washington <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus den Ruf verlässlicher Fre<strong>und</strong>schaft<br />

eingebracht <strong>und</strong> in Europa den Ruf<br />

verlässlicher Staatskunst. Daran müssen<br />

wir wieder anknüpfen. Nichts wäre<br />

schlimmer als Schadenfreude angesichts<br />

von Rückschlägen im Irak <strong>und</strong> deutsche<br />

Selbstgefälligkeit:Wir haben es euch ja gesagt,<br />

wir haben Recht gehabt. So lässlich<br />

sie für kl<strong>einer</strong>e Kaliber sein mag, als Politik<br />

für dieses Land kann das in der gegenwärtigen<br />

Situation nicht ausreichen.<br />

Das ist umso wichtiger, als die alte<br />

Harmonie des Kalten Krieges im transatlantischen<br />

Verhältnis unwiederbringlich<br />

verloren ist. Die Welt hat sich verändert.<br />

Amerika hat sich geändert. Europa hat<br />

sich geändert. Die neue Zusammenarbeit<br />

kommt durch den Kopf, nicht durch den<br />

Bauch zustande. Das Gr<strong>und</strong>interesse an<br />

gemeinsamer <strong>Vor</strong>sorge für internationale<br />

Ordnung wird <strong>und</strong> muss gelegentliche<br />

Sonderwege aushalten können. Deutschland<br />

<strong>und</strong> Amerika, Europa <strong>und</strong> Amerika<br />

werden nicht immer zu identischen Definitionen<br />

ihrer Interessen, ihres Handelns<br />

gelangen. Aber sie müssen wenigstens<br />

dafür sorgen, dass diese Unterschiede miteinander<br />

diskutiert <strong>und</strong> voreinander erläutert<br />

werden, ohne Angifterei. Hier<br />

kommt der NATO als dem Rahmen,in dem<br />

wir wieder anfangen müssen, gemeinsam<br />

strategisch vorzudenken, <strong>und</strong> hier kommt<br />

der Teilnahme an der Debatte des jeweils<br />

anderen große Bedeutung zu.


DR. CHRISTOPH BERTRAM<br />

Zum Schluss ein Wort zum Irak, weil<br />

mir dies der Testfall zu sein scheint. Wir<br />

haben eigentlich zwei Möglichkeiten angesichts<br />

<strong>einer</strong> Situation im Irak, die selbst<br />

dann, wenn Berichte über eine gewisse<br />

Konsolidierung zutreffen sollten, noch<br />

ganz lange in der Schwebe sein wird:Wir<br />

können uns weiter auf den Standpunkt<br />

stellen, dass es keine sinnvolle UN-Regelung<br />

gibt, die Region uns zwar wichtig ist,<br />

wir aber nicht bereit sind,viel zu <strong>einer</strong> Lösung<br />

beizutragen. Ich glaube nicht, dass<br />

sich diese Position – gerade auch wegen unserer<br />

Suche nach transatlantischer Glaubwürdigkeit<br />

– wird durchhalten lassen.<br />

Es gibt die andere Möglichkeit, nämlich<br />

zu definieren, unter welchen Bedingungen<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik bereit wäre,<br />

sich an ernsthaften Stabilisierungsbemühungen<br />

im Irak zu beteiligen. Was würde<br />

das bedeuten? Das würde die Forderung<br />

bedeuten, dass die UNO die zentrale Aufgabe<br />

übernimmt, dass Herr Bremer durch<br />

einen vom UN-Sicherheitsrat Benannten<br />

abgelöst wird, dass die NATO aufgefordert<br />

wird, dort als Ordnungsmacht zu fungieren,<br />

dass ein klarer Kalender für die Demokratisierung<br />

des Iraks aufgestellt wird<br />

<strong>und</strong> dass zugleich eine Art von Kontaktgruppe<br />

geschaffen werden müsste. Zudem,<br />

dass auch die Länder um den Irak<br />

herum, die ein Interesse an der Stabilität<br />

des Iraks haben,mit eingeb<strong>und</strong>en werden.<br />

Mir schiene es notwendig, dass die<br />

B<strong>und</strong>esregierung diese Bedingungen jetzt<br />

nennt, um auf die vor uns liegenden Debatten<br />

Einfluss zu nehmen <strong>und</strong> deutlich zu<br />

machen, dass es ihr ernst damit ist, die<br />

<strong>Brüche</strong>, die über den Atlantik hinweg entstanden<br />

sind, wieder zu kitten, <strong>und</strong> dass<br />

sie wieder diese Gesamtverantwortung<br />

für das Verhältnis empfindet,die sie früher<br />

an den Tag gelegt hat.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

26 27


„Bei der Verfolgung unserer gemeinsamen Ziele stellt sich die<br />

Frage, ob Europa als Gegengewicht oder als Partner der Vereinigten<br />

Staaten auftritt.“


Die amerikanische Sicht der Welt *<br />

RICHARD PERLE,<br />

Resident Fellow at the American Enterprise Institute,<br />

Washington<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren! Ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie mich eingeladen<br />

haben,heute hier zu sprechen.Natürlich müssen wir kontrovers diskutieren,auch wenn<br />

ich Kontroversen nicht unbedingt befürworte.Aber um meine Person gibt es wohl immer<br />

Kontroversen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie mich trotzdem eingeladen haben.<br />

Ich freue mich ganz besonders darüber, in Berlin sein zu dürfen.Als junger Student<br />

war ich schon 1962 in Berlin. Ich wollte natürlich unbedingt erleben, wie das Leben auf<br />

der anderen Seite der Mauer aussieht. Ich sprach kaum ein Wort Deutsch. Ich habe mir<br />

ein S-Bahn-Ticket gekauft <strong>und</strong> bin einfach mit einem Exemplar der „Welt“ unter dem Arm<br />

herummarschiert. Ich habe mir gesagt:Wenn ich mit der „Welt“ unter dem Arm in Ostberlin<br />

herumlaufe, wird man mich schon ansprechen. So geschah es auch. Ein junger Ingenieur<br />

aus Mecklenburg sah mich mit dieser Zeitung auf <strong>einer</strong> Bank sitzen. Er ging zunächst<br />

an mir vorbei, kehrte aus der anderen Richtung wieder zurück <strong>und</strong> ist beim dritten<br />

Mal das Risiko eingegangen,sich neben mich zu setzen <strong>und</strong> sich vorzustellen.Den Rest des<br />

Tages haben wir zusammen verbracht, bis die letzte S-Bahn nach Westberlin zurückfuhr.<br />

In seinem begrenzten Englisch <strong>und</strong> meinem praktisch nicht existierenden Deutsch<br />

haben wir uns darüber unterhalten, wie es sich anfühlt, in <strong>einer</strong> freien Welt zu leben. Er<br />

hat mir von seinem Leben erzählt. Wir haben zusammen zu Mittag gegessen <strong>und</strong> am<br />

Abend haben mich seine Frau <strong>und</strong> seine Tochter zur S-Bahn begleitet.Als wir auf dem<br />

Bahnsteig standen, hat er mir gesagt: Bitte schicken Sie mir Bücher <strong>und</strong> Zeitungen.Als<br />

sich die Türen der S-Bahn bereits zu schließen begannen, sagte seine Frau zu mir: Nein,<br />

schicken Sie ihm keine Bücher,er war schon im Gefängnis! Ich wusste,als ich abfuhr,dass<br />

ich diesen Mann mit dem <strong>Vor</strong>namen Walter wahrscheinlich niemals wiedersehen würde.<br />

Ich freue mich, dass ich wieder in Berlin bin. Es gibt die Mauer nicht mehr, es gibt<br />

keine letzten S-Bahnen mehr. Es ist wirklich ein Glück, dass dieses Land in Freiheit vereinigt<br />

wurde.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, es dürfte schwierig sein, die Auswirkungen der Ereignisse<br />

vom 11. September 2001 auf das amerikanische Denken über die Außen- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik<br />

zu überschätzen <strong>und</strong> zu übertreiben. Die meisten Menschen begreifen<br />

nicht, wie tiefgreifend das amerikanische Denken durch die Angriffe vom 11. September<br />

2001 beeinflusst wurde. Es geht nicht nur um die Größenordnung dieses Angriffs. Damals<br />

starben in <strong>einer</strong> St<strong>und</strong>e mehr Menschen als in den 30 Jahren der IRA-Aktivitäten.<br />

Man hört oft die Meinung: Europa hat sich an terroristische Akte gewöhnt. Wenn<br />

man alles addiert, hat Europa nicht das erlebt, was der 11. September 2001 an Auswirkungen<br />

zeitigte, jedenfalls nicht nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>und</strong> in diesem Teil Euro-<br />

* Der Text beruht auf dem Protokoll der Simultanübersetzung aus dem Englischen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

28 29


DIE AMERIKANISCHE SICHT DER WELT<br />

Wir befinden uns in<br />

einem Krieg gegen<br />

den Extremismus.<br />

pas. Natürlich gibt es auf dem Balkan ungeheure<br />

Tragödien.Aber es gab in Europa<br />

noch nie einen einzigen terroristischen<br />

Akt gegen unschuldige Zivilisten in einem<br />

Ausmaß, wie dies am 11. September 2001<br />

in den USA zu verzeichnen war. Es ist sehr<br />

schwer, die Auswirkungen abzuschätzen,<br />

die diese Anschläge auf uns gehabt haben.<br />

Eigentlich hatten wir Glück,denn das<br />

Timing dieses Angriffs bedeutete, dass die<br />

Menschen eine St<strong>und</strong>e Zeit hatten, aus<br />

den beiden Gebäuden zu fliehen.Wäre der<br />

Angriff zeitlich anders abgelaufen, wäre<br />

der Schaden vielleicht noch größer gewesen.<br />

Es gab bereits 1994 einen Angriff auf<br />

das World Trade Center.Wäre dieser damals<br />

geglückt, wären 40 000 bis 50 000 Menschen<br />

gestorben.Der Plan sah vor,dass die<br />

beiden Gebäude gegeneinander einstürzen<br />

sollten. Wäre das Dynamit etwas anders<br />

angeordnet gewesen, mehr in Richtung<br />

Südturm, hätten wir in beiden Türmen<br />

sehr viele Tote zu beklagen gehabt.<br />

Die Größenordnung der Bedrohung,<br />

vor der wir stehen, ist durchaus klar. Wir<br />

waren nicht gut auf das vorbereitet, was<br />

am 11. September 2001 geschah.Wir sind<br />

eine offene Gesellschaft. Dazu nur einige<br />

wenige Beispiele: Wir haben durchlässige<br />

Grenzen, die Menschen kommen leicht in<br />

die Vereinigten Staaten hinein. Man kann<br />

dort verschwinden.Wir haben in der Vergangenheit<br />

praktisch jedem ein Visum erteilt.<br />

Um Ihnen eine <strong>Vor</strong>stellung davon zu<br />

vermitteln, wie offen unsere Gesellschaft<br />

war <strong>und</strong> wie verletzlich sie dadurch wurde,<br />

möchte ich Ihnen sagen, dass unser FBI<br />

<strong>und</strong> unsere CIA in Bezug auf potenzielle<br />

terroristische Akte nicht miteinander kommunizierten.<br />

Das eine ist eine Strafverfolgungsbehörde,<br />

das andere ist ein Nachrichtendienst.<br />

Nach dem ersten Anschlag<br />

auf das World Trade Center wurden die Ergebnisse<br />

der Ermittlungen niemals in die<br />

Computer eingespeist. Wir konnten gar<br />

nicht wissen, was auf uns zukommt. Wir<br />

haben eine Mauer zwischen diesen beiden<br />

Diensten aufgebaut.Diesen Luxus können<br />

wir uns nun nicht mehr leisten.<br />

Es wurden einige kritische Bemerkungen<br />

laut, als wir neue Gesetze erließen.<br />

Es hieß, sie stellten einen Verstoß<br />

gegen f<strong>und</strong>amentale Freiheiten dar. Aber<br />

im Prinzip geht es nur darum, dass unsere<br />

Strafverfolgungsbehörden <strong>und</strong> die Nachrichtendienste<br />

miteinander kommunizieren<br />

können <strong>und</strong> wir uns auf einen möglichen<br />

weiteren Angriff vorbereiten können.<br />

Mit solchen Anschlägen müssen wir<br />

rechnen. Nicht nur bei den Untersuchungen<br />

nach dem 11. September 2001, sondern<br />

beispielsweise in Afghanistan <strong>und</strong><br />

entsprechenden Ländern haben wir festgestellt,<br />

dass es Tausende von muslimischen<br />

Extremisten auf der Welt gibt,die so<br />

weit gehen, dass sie die Vereinigten Staaten<br />

zerstören wollen, weil die Vereinigten<br />

Staaten das Haupthindernis für ihre verdrehte<br />

Vision von der Welt sind, von <strong>einer</strong><br />

Welt, in der alle von den Moscheen dominiert<br />

sein sollen. Diese Aktivitäten sind<br />

keine Reaktion auf etwas, was wir getan


RICHARD PERLE<br />

haben, keine Reaktion auf die amerikanische<br />

Position beispielsweise im Nahostkonflikt,<br />

keine Reaktion auf unsere Beziehungen<br />

zu den Regierungen im Nahen<br />

Osten. Das ist eine intern entstandene fanatische<br />

Sichtweise. Wir müssen damit<br />

umzugehen lernen. Alle Hinweise deuten<br />

darauf hin,dass,wenn diese Personen Massenvernichtungswaffen<br />

in die Hände bekommen,<br />

sie diese gnadenlos einsetzen<br />

wollen, auch wenn dadurch 100 000 oder<br />

500 000 Menschen getötet werden. Aus<br />

deren Sicht gilt: je mehr, desto besser.<br />

Ich hoffe, andere können verstehen,<br />

wie wichtig es für uns ist, alles Menschenmögliche<br />

zu tun, um diesen nächsten<br />

Angriff zu verhindern, der mit Massenvernichtungswaffen<br />

geführt werden könnte.<br />

Wir befinden uns in einem Krieg gegen<br />

den Extremismus. Die Hauptlektion<br />

des 11. September 2001 lautet, dass es<br />

möglich ist,zu lange zu warten,bevor man<br />

reagiert,wenn die Gefahren bekannt sind.<br />

Wir haben gesehen, was in Afghanistan<br />

geschehen ist.Wir haben die Ausbildungslager<br />

gesehen, wir haben Gespräche zwischen<br />

den Terroristen abgehört.Wir kannten<br />

sie. Wir wussten <strong>und</strong> sahen, was sie<br />

taten: die Angriffe auf unsere Botschaften<br />

in Afrika, die Angriffe auf unsere Schiffe,<br />

auf unsere Kasernen.Wir sind nicht überzeugend<br />

gegen sie vorgegangen.Mit jedem<br />

Angriff wurden die Terroristen überzeugter,<br />

dass sie erfolgreich sein könnten, <strong>und</strong><br />

desto überzeugter wurden sie, dass wir zu<br />

schwach sind <strong>und</strong> uns zu sicher fühlen,<br />

dass wir nicht bereit sind, uns zu verteidigen,<br />

<strong>und</strong> dass wir bei den ersten Anzeichen<br />

von Problemen flüchten würden.Wir<br />

haben ja auch den Libanon verlassen, wir<br />

haben Mogadischu verlassen. Ich fürchte,<br />

wir haben den Eindruck erweckt,dass wir<br />

bei Angriffen auf uns, bei Herausforderungen,<br />

bei der Tötung von Amerikanern<br />

nicht aufstehen <strong>und</strong> kämpfen würden.<br />

Was man jetzt als strategische Doktrin<br />

der Vereinigten Staaten in Afghanistan<br />

<strong>und</strong> im Irak sieht,ist eine Reaktion auf den<br />

Eindruck der Schwäche, der so viel Schaden<br />

verursacht <strong>und</strong> die Terroristen dazu<br />

ermutigt hat, uns anzugreifen.<br />

Wir befinden uns im Krieg gegen Extremisten.<br />

Die Lektion, dass man zu lange<br />

warten kann, ist in unser Bewusstsein eingebrannt.<br />

Alles, was wir in Afghanistan<br />

getan haben, hätte man vor dem 11. September<br />

2001 tun können. Hier gibt es<br />

zwei wichtige Unterschiede: Wir hätten<br />

mit größter Wahrscheinlichkeit die 3 000<br />

Menschen retten können, die am 11. September<br />

2001 gestorben sind, <strong>und</strong> wir hätten<br />

einen Großteil der Al-Qaida zerstören<br />

können, denn sie waren damals relativ<br />

konzentriert zusammen. Jetzt müssen wir<br />

sie auf der ganzen Welt jagen.Wir möchten<br />

nicht noch einmal warten,bis es zu spät ist.<br />

Die Überzeugung, dass wir darauf<br />

vorbereitet sein müssen, im Wege der<br />

Selbstverteidigung rechtzeitig zu handeln,<br />

hat dazu geführt, dass wir eine Doktrin<br />

entwickelt haben, die Christoph Bertram<br />

eine ideologisch motivierte Doktrin nen-<br />

Wir möchten nicht<br />

noch einmal warten,<br />

bis es zu spät ist.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

30 31


DIE AMERIKANISCHE SICHT DER WELT<br />

Präemptive Handlungen<br />

stellen eine rechtzeitige<br />

Reaktion auf<br />

Bedrohungen dar.<br />

nen würde. Ich nenne das die praktische<br />

Doktrin, präemptiv zu handeln. Präemptive<br />

Handlungen <strong>und</strong> Strategien stellen eine<br />

rechtzeitige Reaktion auf Bedrohungen<br />

dar. Wenn wir wissen, dass eine Rakete<br />

auf einen Raketenwerfer montiert wird,<br />

glaubt dann jemand,dass dies keine Rechtfertigung<br />

dafür ist, diese Rakete auf dem<br />

Raketenwerfer zu zerstören, bevor sie abgeschossen<br />

wird,vor allem dann,wenn sie<br />

beispielsweise einen nuklearen, chemischen<br />

oder biologischen Sprengkopf hat?<br />

Die meisten würden sagen: Es ist absolut<br />

gerechtfertigt, das zu tun, um einen solchen<br />

Angriff zu verhindern.<br />

Natürlich gibt es subtilere <strong>und</strong> kompliziertere<br />

Fragen, beispielsweise wenn es<br />

sich nicht um eine Rakete auf einem Raketenwerfer<br />

handelt, sondern einfach um<br />

eine Rakete, die gerade gebaut wird, die<br />

noch für drei oder fünf Monate in der Fabrik<br />

bleibt. Wenn nukleare Brennstäbe in<br />

Nordkorea wieder aufgearbeitet werden,<br />

könnte damit waffenfähiges Plutonium erzeugt<br />

werden, das wiederum in Raketen<br />

Verwendung finden könnte.<br />

1981 haben die Israelis etwas getan,<br />

wofür wir ihnen dankbar sein sollten: Sie<br />

haben einen Nuklearreaktor im Irak zerstört.<br />

Sie haben dies nicht getan, weil dort<br />

Nuklearwaffen hergestellt wurden – das<br />

wäre wahrscheinlich erst Jahre später<br />

möglich gewesen –, nicht weil es eine direkte<br />

Bedrohung gab,sondern weil die Iraker<br />

nukleare Brennstoffe in diesen Reaktor<br />

einbringen wollten. Ab diesem Moment<br />

hätte man den Reaktor nur mit<br />

größeren Konsequenzen für die Menschen<br />

in der Umgebung angreifen können,<br />

weil sie <strong>einer</strong> hohen Strahlendosis<br />

ausgesetzt gewesen wären. Man hat sich<br />

zu diesem Schritt nach <strong>einer</strong> intensiven internen<br />

Debatte im israelischen Kabinett<br />

entschlossen.Der Zeitpunkt dieses Präventivschlags<br />

hatte nichts mit <strong>einer</strong> unmittelbar<br />

bevorstehenden Attacke auf Israel zu<br />

tun, sondern mit Umständen, welche die<br />

Israelis nicht mehr in die Lage versetzt hätten,<br />

vernünftige Optionen zu wählen. Das<br />

ist eine vernünftige Denkweise, wenn es<br />

um Präemptivstrategien geht.<br />

In diesem Raum befinden sich viele<br />

Bankfachleute. Sie wissen, was Risiken<br />

<strong>und</strong> Präventivstrategien sind, was Risikomanagement<br />

bedeutet. Es gibt Zeiten,<br />

zu denen Prävention sinnlos wäre, weil<br />

man gar keine Konturen <strong>einer</strong> Bedrohung<br />

erkennen kann oder die Auswirkungen der<br />

präventiven Handlung im Umgang mit der<br />

Gefahr.Es gibt andere Zeiten,in denen ein<br />

vernünftiges Risikomanagement bedeutet,<br />

dass man als Erster handelt.Ich hoffe,dass<br />

wir hier eine seriöse Debatte transatlantischer<br />

Art über vernünftige Ansätze führen<br />

können, um Amerikaner in <strong>einer</strong> Situation<br />

zu schützen, in der sie stark bedroht sind.<br />

Ich möchte noch etwas zum Irak sagen.1991<br />

wurde nach der Vertreibung von<br />

Saddam Hussein aus Kuwait nach einem<br />

aggressiven Krieg, der über die nationalen<br />

Grenzen hinausging, nach <strong>einer</strong> brutalen<br />

Besetzung, bei der Tausende gestorben


RICHARD PERLE<br />

sind, ein Waffenstillstand geschlossen. Der<br />

Irak hat im Zusammenhang mit diesem<br />

Waffenstillstand einige s<strong>einer</strong> Pflichten erfüllt.<br />

Eine Verpflichtung bestand in der<br />

mehr oder weniger vollständigen Entwaffnung.<br />

Wir waren wie immer etwas generöser,als<br />

wir sein sollten.Wir haben den<br />

Besitz einiger Helikopter zugelassen, die<br />

man später gegen Demonstranten einsetzen<br />

konnte.Wir haben beispielsweise hinsichtlich<br />

der Reichweite von Raketen<br />

Grenzen festgelegt, die von den Irakern<br />

nicht eingehalten wurden.Einige Pflichten<br />

haben sie erfüllt, später aber nicht mehr,<br />

einige haben sie ignoriert. Das ging jedes<br />

Jahr so weiter.<br />

In 17 Resolutionen der Vereinten Nationen<br />

wurden die Iraker aufgefordert, ihre<br />

1991 eingegangenen Verpflichtungen zu<br />

erfüllen.Die Iraker haben das 17-mal ignoriert,haben<br />

sich über die Forderungen der<br />

Vereinten Nationen lustig gemacht. Uns<br />

war klar, dass die UNO nichts dagegen tun<br />

würde. Das war auch das Thema der Rede<br />

unseres Präsidenten vor der UNO,als er an<br />

die UNO appellierte, im eigenen Interesse<br />

die beschlossenen Resolutionen durchzusetzen.<br />

Am Ende war es nicht möglich, hier<br />

eine vollständige Zustimmung der Vereinten<br />

Nationen zu erhalten, obwohl die Resolution<br />

1441 ganz klar die Länder,die willens<br />

waren, die Koalition der Willigen, ermächtigte,<br />

Handlungen zur Umsetzung<br />

der Resolution zu ergreifen.<br />

Übrigens gab es auch eine starke rechtliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage für solche Handlungen<br />

ohne die Resolution 1441. Wir wollten,<br />

dass die Vereinten Nationen eine weitere<br />

Resolution beschließen, weil die französische<br />

Regierung darauf hinwies, dass sie<br />

ihr Veto einlegen wollte, unabhängig vom<br />

Inhalt der Resolution.Deshalb konnte man<br />

die vollständige Zustimmung der UNO in<br />

diesem Zusammenhang nicht erreichen.<br />

Wir hielten es zusammen mit <strong>einer</strong><br />

Reihe weiterer Länder für notwendig, gegen<br />

Saddam Hussein vorzugehen. Das war<br />

auch nicht unrechtmäßig. Es wäre ein<br />

falscher Legalismus, wenn man sagte, wir<br />

hätten nicht rechtmäßig gehandelt,weil es<br />

keine 19. Resolution der Vereinten Nationen<br />

gegen den Irak gab.Wir glaubten auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage der Hinweise, welche die<br />

UNO gesammelt hatte, dass der Irak Massenvernichtungswaffen<br />

hat.Wir haben das<br />

geglaubt, weil die UNO die Herstellung<br />

dieser Waffen dokumentiert hatte <strong>und</strong> sich<br />

Saddam Hussein geweigert hat, zu erklären,<br />

was mit diesen Waffen geschehen ist,<br />

von denen er sagte, es gebe sie nicht<br />

mehr.<br />

Jeder Bankprüfer, jeder Wirtschaftsprüfer<br />

wird die Ausgabe von Geldern<br />

nicht akzeptieren, wenn dafür keine Beweise<br />

vorliegen.Wir haben die Beweise im<br />

Irak nie gesehen, denn Saddam Hussein<br />

wollte sie nicht vorlegen. Wir wussten,<br />

was produziert worden war, wir wussten,<br />

was erklärt wurde, <strong>und</strong> wir wussten, dass<br />

es da eine Lücke gab. Diese relativ große<br />

Lücke bezog sich auf Anthrax,VX <strong>und</strong> an-<br />

Die Menschen im Irak<br />

verdienten es, dass<br />

jemand sie von Saddam<br />

Hussein befreite.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

32 33


DIE AMERIKANISCHE SICHT DER WELT<br />

Die Debatte in Europa<br />

war für einige von<br />

uns überraschend <strong>und</strong><br />

abstoßend.<br />

dere Nervengase.Wir wussten von geheimen<br />

Versuchen mit biologischen <strong>und</strong> chemischen<br />

Waffen.<br />

Damals gab es Sanktionen. Es ist<br />

wichtig, sich daran zu erinnern, dass die<br />

Unterstützung für diese Sanktionen erfolgte,<br />

aber nicht von allen gleichzeitig.<br />

Die Franzosen <strong>und</strong> die Russen waren dagegen;<br />

sie wollten alle sechs Monate eine<br />

erneute Beschlussfassung. Der Großteil<br />

der anderen Länder glaubte,dass die Sanktionen<br />

unschuldige Menschen, Zivilisten<br />

im Irak stark treffen würden.Es war nur eine<br />

Frage der Zeit, bis diese Sanktionen abgeschafft<br />

worden wären.Das Ergebnis wäre<br />

ein Sieg Saddam Husseins über den Westen<br />

gewesen. Er hat seine Verpflichtungen gegenüber<br />

der UNO verletzt, wich den Sanktionen<br />

aus <strong>und</strong> war nun frei,zu tun,was er<br />

wollte.<br />

Die Arbeit, die in letzter Zeit von David<br />

Kay <strong>und</strong> seinen Inspektoren im Irak<br />

geleistet wurde, hat überzeugend massive<br />

Verletzungen der Verpflichtung der Iraker<br />

zur Entwaffnung offengelegt. Die entsprechenden<br />

Anlagen wurden nicht abgebaut.<br />

Auch wenn wir keine Lager von Massenvernichtungswaffen<br />

finden – vielleicht finden<br />

wir sie ja noch –, ist klar, dass Saddam<br />

Hussein über die Fähigkeit verfügte, Massenvernichtungswaffen,<br />

die er vorher eingesetzt<br />

hatte, wieder zur Wirkung zu bringen.<br />

Das kann man nicht leugnen. Hier<br />

stellt sich wieder die Frage des Risikomanagements:<br />

Wie viel Risiko sollten wir zu<br />

akzeptieren bereit sein?<br />

Übrigens verdienten es die Menschen<br />

im Irak, dass jemand sie von den politischen<br />

Aktionen eines Saddam Hussein befreite.Die<br />

Debatte in Europa,die viele von<br />

Ihnen ja miterlebt haben, war für einige<br />

von uns überraschend <strong>und</strong> abstoßend.Wie<br />

viel Sorge hat man für die Menschen im<br />

Irak wirklich zum Ausdruck gebracht? Diejenigen,die<br />

gegen diesen Irakkrieg protestiert<br />

haben – was immer ihre Werte, Intentionen<br />

<strong>und</strong> Überzeugungen gewesen<br />

sein mögen –, sind auf die Straße gegangen,<br />

um dafür zu demonstrieren, dass<br />

Saddam Hussein an der Macht blieb.Wenn<br />

man Massengräber sieht, ist es Zeit für die<br />

Frage:War das moralisch akzeptabel oder<br />

nicht?<br />

Jetzt noch kurz zur derzeitigen Situation<br />

im Irak. Hierüber gibt es offensichtlich<br />

sehr unterschiedliche Berichte. Insgesamt<br />

gibt es wenig Gewalt. Das ist angesichts<br />

der Größenordnung der Veränderungen<br />

bemerkenswert. Es stimmt natürlich,dass<br />

gegen uns,gegen das Rote Kreuz,<br />

gegen die Vereinten Nationen gewalttätige<br />

Angriffe erfolgen. Auch Iraker, die an der<br />

Transformation dieser Tyrannei in eine<br />

vernünftige Zukunft arbeiten, werden angegriffen.Das<br />

ist nicht überraschend;denn<br />

jemand,der dem Regime von Saddam Hussein<br />

am nächsten stand, hat keinen Ort,<br />

wohin er gehen kann. Diese Leute gehen<br />

nachts nicht nach Hause, weil ihre Nachbarn<br />

wissen, wer sie sind. Sie waren die<br />

Gefängniswärter, die Folterer, diejenigen,<br />

die über die Geheimpolizei Bescheid


RICHARD PERLE<br />

wussten. Sie würden entweder von den<br />

Familien der Opfer getötet oder vor Gericht<br />

gebracht. Man hofft natürlich, dass<br />

sie vor Gericht gebracht werden.Sie haben<br />

k<strong>einer</strong>lei Perspektive, deshalb sind sie verzweifelt.<br />

Die meisten Verzweiflungstaten erfolgen<br />

nicht – soweit wir das aus den Befragungen<br />

der Täter wissen – von den Verzweifelten<br />

selbst,sondern sie bezahlen andere<br />

dafür. In dieser chaotischen Situation<br />

kann man mit ein paar H<strong>und</strong>ert Dollar genug<br />

Zeit <strong>und</strong> Aufmerksamkeit junger Menschen<br />

gewinnen,die bereit sind,eine Bombe<br />

auf die Straße zu legen.<br />

Wir registrieren auch, dass Terroristen<br />

von außen in den Irak eindringen. Das<br />

sollte niemanden überraschen, denn der<br />

Erfolg im Irak ist eine Bedrohung für alle<br />

Tyrannen auf dieser Welt. Der Kampf gegen<br />

den Terror, der Krieg gegen den Extremismus<br />

wird heute im Irak ausgetragen,<br />

zusammen mit dem Kampf gegen die<br />

Reste der Diktatur von Saddam Hussein.<br />

Mit dem Konzept der Prävention<br />

hängt der Unilateralismus zusammen.Wir<br />

werden immer angegriffen, wir seien Unilateralisten.<br />

Ich möchte kurz etwas zum<br />

Unilateralismus sagen. Für einige von uns<br />

bedeutet Unilateralismus Führerschaft. Er<br />

bedeutet, dass mein Land bereit ist, in eine<br />

Richtung zu führen, in die andere nur<br />

zögerlich folgen. Einige waren auch in Bezug<br />

auf den Irak zögerlich. Aber einige<br />

sind uns gefolgt; wir sind nicht allein in<br />

den Irak gegangen.Es war nicht unilateral,<br />

auch wenn man das heute unilateral<br />

nennt, trotz der Tatsache, dass wir gute<br />

Verbündete hatten <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

Länder,die uns anderweitig unterstützt haben.<br />

Die Definition des Begriffs „unilateral“<br />

muss etwas mehr beinhalten als die<br />

Abwesenheit von deutscher <strong>und</strong> französischer<br />

Unterstützung.Ich kenne kein Land,<br />

das angesichts <strong>einer</strong> extremen Gefahr<br />

nicht selbst entscheiden würde, welche<br />

Maßnahmen es trifft,um sich zu schützen.<br />

Sie,die Europäer,arbeiten an der Herstellung<br />

<strong>einer</strong> gemeinsamen Souveränität.<br />

Wenn es sie jemals gäbe <strong>und</strong> ein Mitglied<br />

der EU existenziell bedroht würde, dann<br />

würden Sie sich am Ende das Recht vorbehalten,<br />

selbst für Ihre Freiheit <strong>und</strong> die<br />

Abwehr von Gefahren zu sorgen, unabhängig<br />

davon, wie der Begriff der gemeinsamen<br />

Souveränität definiert wird.<br />

Es ging auch um amerikanische Entscheidungen<br />

hinsichtlich internationaler<br />

Abkommen wie beispielsweise des Kyoto-<br />

Protokolls, des Internationalen Strafgerichtshofs,<br />

des Protokolls hinsichtlich der<br />

biologischen Waffen. Eine substanzielle<br />

Debatte über die <strong>Vor</strong>teile des Kyoto-Protokolls<br />

<strong>und</strong> des Internationalen Strafgerichtshofs<br />

<strong>und</strong> über die Sinnhaftigkeit des<br />

Protokolls hinsichtlich der biologischen<br />

Waffen ist wünschenswert.Aber man kann<br />

nicht einfach sagen: Jemand, der nicht mit<br />

jenen Staaten übereinstimmt, die das Kyoto-Protokoll<br />

bereits unterzeichnet haben<br />

oder bereits den Internationalen Strafgerichtshof<br />

befürwortet haben oder bereits<br />

Unilateralismus<br />

bedeutet, dass mein<br />

Land bereit ist, in<br />

eine Richtung zu<br />

führen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

34 35


DIE AMERIKANISCHE SICHT DER WELT<br />

„Unilateral“ muss<br />

etwas mehr beinhalten<br />

als die Abwesenheit<br />

von deutscher<br />

<strong>und</strong> französischer<br />

Unterstützung.<br />

das Protokoll hinsichtlich der biologischen<br />

Waffen unterzeichnet haben, ist ein<br />

Unilateralist.<br />

Ich denke, zu jedem der angesprochenen<br />

Punkte gibt es Debatten. Ich muss<br />

sagen, dass die Regierung Bush nicht sehr<br />

subtil war in Bezug auf die Reaktion auf<br />

das Kyoto-Protokoll, den Internationalen<br />

Strafgerichtshof usw. Unter dem Strich bedeutet<br />

dies keine andere Einstellung als jene<br />

früherer amerikanischer Regierungen,<br />

die in Europa so populär waren. Alle haben<br />

genau gewusst, dass das Kyoto-Protokoll<br />

in den Vereinigten Staaten nicht einfach<br />

befürwortet wird, dass nicht einmal<br />

10 Prozent des Senats zustimmen würden.<br />

Dasselbe gilt für den Internationalen Strafgerichtshof.<br />

Wir können diese Themen hier jetzt<br />

nicht substanziell behandeln, aber ich<br />

möchte Ihnen klar machen, dass es nicht<br />

ausreicht, wenn man sagt: Weil wir diese<br />

besonderen Maßnahmen nicht unterstützt<br />

haben, können wir als inakzeptabel unilateralistisch<br />

bezeichnet werden.Wir haben<br />

Institutionen,die unser aller Sicherheit garantieren<br />

können. Die UNO wurde 1945<br />

gegründet, um sicherzustellen, dass es<br />

nicht noch einmal einen Adolf Hitler gibt,<br />

dass Panzerdivisionen nicht noch einmal<br />

über nationale Grenzen rollen <strong>und</strong> souveräne<br />

Staaten besetzen.<br />

Das war eine verständliche Reaktion<br />

auf das,was die Welt erlebt hatte. Aber das<br />

ist keine relevante Reaktion mehr im 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert; denn jetzt haben wir <strong>und</strong><br />

auch Sie keine Sorgen mehr, dass massive<br />

Armeen nationale Grenzen überschreiten<br />

werden.1991 hat Saddam Hussein dies versucht<br />

<strong>und</strong> wurde davon abgehalten. Seitdem<br />

machen wir uns diesbezüglich keine<br />

Sorgen mehr, zumindest nicht in Europa.<br />

Wir machen uns allerdings Sorgen<br />

über den Terrorismus <strong>und</strong> darüber, was<br />

Menschen auf dem Territorium eines Nationalstaats<br />

tun können, um terroristische<br />

Akte vorzubereiten. Leider ist die UNO<br />

nicht in der Lage, auf solche Sorgen zu<br />

reagieren. Die Souveränität, die André<br />

Glucksmann heute erwähnt hat, steht da<br />

manchmal im Weg, beispielsweise in Bezug<br />

auf Aktivitäten in souveränen Staaten,<br />

auch wenn das Ergebnis dieser Aktivität<br />

Tod <strong>und</strong> Zerstörung in anderen Ländern<br />

bedeutet.<br />

Am 11. September 2001 gab es St<strong>und</strong>en<br />

nach dem Angriff eine Erklärung von<br />

Präsident Bush, in der er ausführte: Wir<br />

machen keinen Unterschied zwischen<br />

den Terroristen, die diese Akte begangen<br />

haben, <strong>und</strong> den Staaten, die ihnen Zuflucht<br />

gewähren. Das war eine revolutionäre<br />

Veränderung der amerikanischen<br />

Politik <strong>und</strong> des amerikanischen Denkens.<br />

Das hat uns unweigerlich in einen Zustand<br />

der Spannung mit vielen Ländern der Welt<br />

versetzt, auch mit unseren Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Alliierten, die sich schon Gedanken über<br />

die Idee machten, dass terroristische Aktivitäten<br />

etwas mit Strafverfolgung zu tun<br />

haben. Niemand sollte militärische Aktionen<br />

ins Auge fassen, wenn es um terroris-


RICHARD PERLE<br />

tische Akte geht. Aber der 11. September<br />

2001 hat uns zum Umdenken gezwungen<br />

<strong>und</strong> dazu,die Frage zu stellen,ob die Strafverfolgung<br />

ausreicht, um die Pflichten, die<br />

uns der Präsident auferlegt hat,zu erfüllen,<br />

nämlich zum Schutz des Volkes beizutragen.<br />

Wenn Staaten den Terroristen Zuflucht<br />

gewähren, es ihnen ermöglichen,<br />

sich zu organisieren <strong>und</strong> sich auf Angriffe<br />

vorzubereiten, haben wir ein Problem mit<br />

diesen Staaten. Es hieß: Man ist entweder<br />

mit uns oder gegen uns. Die Interpretationen<br />

dieser Aussage waren so eigentlich<br />

nicht beabsichtigt.Wir meinen nicht, dass<br />

alle zustimmen müssen. Natürlich gibt es<br />

das Recht der Nichtzustimmung,natürlich<br />

gibt es das Recht,anderer Meinung zu sein.<br />

Natürlich haben die Deutschen das Recht,<br />

nicht zuzustimmen.Niemand nimmt ihnen<br />

dieses Recht.<br />

Darum geht es in dieser Kontroverse<br />

auch nicht. Es gibt Möglichkeiten, seine<br />

anderslautende Meinung zu verdeutlichen.<br />

Unter Fre<strong>und</strong>en sind unterschiedliche<br />

Meinungen auch eine Möglichkeit, zu Lösungen<br />

zu kommen.Wenn es keine Lösung<br />

gibt, dann arbeitet man gemeinsam daran,<br />

die negativen Aspekte der Nichtübereinstimmung<br />

zu minimieren. Es gibt auch eine<br />

Nichtübereinstimmung,die Unterschiede<br />

ausnutzt <strong>und</strong> hochspielt. Das finden<br />

wir bedauerlich.<br />

Unsere Sicht läuft darauf hinaus, dass<br />

wir mit Staaten fertig werden müssen, die<br />

den Terroristen Zuflucht gewähren. Da<br />

gibt es Spannungen <strong>und</strong> ernsthafte Diskussionen.<br />

Die deutsche <strong>und</strong> die französische<br />

Regierung sollten mit uns darüber<br />

diskutieren, wie wir mit solchen Ländern<br />

umgehen, die den Terrorismus unterstützen.<br />

Nehmen wir als Beispiel den Iran. Ich<br />

hoffe, die Besuche der Außenminister zeitigen<br />

positive Ergebnisse. Bei diesen Besuchen<br />

geht es in erster Linie um das nukleare<br />

Waffenprogramm. Zweifelt jemand<br />

daran, dass der Iran die Hamas-Bewegung<br />

<strong>und</strong> die Hisbollah <strong>und</strong> andere terroristische<br />

Organisationen unterstützt, dass er<br />

den palästinensischen Behörden Waffen<br />

liefert, was ja gerade erst aufgedeckt wurde?<br />

Die Iraner stecken bis zur Nase im Terrorismus.<br />

Sollten wir das dulden, sollten<br />

wir das gutheißen? Haben wir nicht eine<br />

gemeinsame Verpflichtung,damit umzugehen?<br />

Es ist zu einfach, anzunehmen, dass<br />

die Opfer dieses Terrorismus, der von den<br />

Mullahs in Teheran unterstützt wird, für<br />

uns nicht relevant sind, dass dieser Kampf<br />

vielleicht nur gegen Israel oder Amerika<br />

gerichtet ist.<br />

Das ist keine nachhaltige Gr<strong>und</strong>lage<br />

für eine Allianz,wie wir sie alle wünschen.<br />

Die internationalen Strukturen wie jene<br />

der UNO reichen nicht aus.Es gibt eine attraktive<br />

Seite der UNO: Es gibt die Menschenrechtskommission<br />

der UNO. Dort<br />

führt Libyen den <strong>Vor</strong>sitz; in Libyen gelten<br />

aber keine Menschenrechte. Die Menschenrechtskommission<br />

hat seit ihrer<br />

Gründung keines ihrer Mitglieder verurteilt.<br />

Es gibt unter den Mitgliedern aber<br />

viele Diktaturen <strong>und</strong> totalitäre Staaten.Die<br />

Der 11. September<br />

2001 hat uns zum<br />

Umdenken gezwungen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

36 37


DIE AMERIKANISCHE SICHT DER WELT<br />

Wir wollen ein starkes<br />

Europa, das mit den<br />

gemeinsamen Herausforderungen<br />

umgehen<br />

kann.<br />

Lektion ist klar: Wenn Sie die Menschenrechte<br />

verletzen, dann werden Sie am besten<br />

Mitglied der Menschenrechtskommission<br />

der UNO, dann sind Sie gegen jede<br />

Kritik gefeit.<br />

Wollen wir das wirklich? Im liberalen<br />

Westen haben wir gar nicht die Chance<br />

<strong>und</strong> die Möglichkeit, das zu ändern.Wenn<br />

wir es nicht ändern können, was besagt<br />

das über die Qualität der UNO? Was sagt<br />

das hinsichtlich des Duldens der Mehrdeutigkeit<br />

<strong>und</strong> der Heuchelei im Rahmen<br />

der UNO?<br />

Es gibt die Möglichkeit der Reformen.<br />

Eine wichtige Reform wäre die Akzeptanz<br />

der Auffassung, dass die Unterstützung<br />

des Terrorismus so etwas wie eine<br />

grenzüberschreitende Aggression darstellt.<br />

Das Recht, gegen grenzüberschreitende<br />

Aggressionen vorzugehen, gilt auch<br />

für diejenigen, die sich vor jene Staaten<br />

stellen, die den Terrorismus unterstützen.<br />

Ich hoffe, es gibt eine ernsthafte Debatte<br />

über die Frage, ob man diesen Weg einschlagen<br />

sollte.<br />

Die Vereinigten Staaten <strong>und</strong> Europa<br />

haben trotz aller Probleme gemeinsame<br />

Werte, die so wichtig sind, dass wir alle<br />

Schwierigkeiten, die wir in den letzten<br />

Jahren hatten <strong>und</strong> die wir auch in der Zukunft<br />

haben werden, überstehen werden.<br />

Allerdings ist es entmutigend, wenn ich<br />

die Umfrageergebnisse sehe, wie sie heute<br />

hier vorliegen.Es erfüllt mich mit Sorge,<br />

wenn eine größere Anzahl von Deutschen<br />

glaubt, dass die Vereinigten Staaten ein<br />

größeres Problem darstellen als Russland.<br />

Russland übt in Tschetschenien Gewalt<br />

aus, unterdrückt brutal viele s<strong>einer</strong> Nachbarn,<br />

viele der ehemaligen Kolonien,<br />

bringt Geschäftsleute aus fadenscheinigen<br />

Gründen ins Gefängnis. Die Hälfte der Administration<br />

unterstand ehemals dem<br />

KGB.Sind den Deutschen die Russen eher<br />

geheuer als die Amerikaner?<br />

Wir wollen ein starkes Europa, das<br />

nicht gegen Amerika steht, sondern mit<br />

den gemeinsamen Herausforderungen umgehen<br />

kann. Diese gemeinsamen Herausforderungen<br />

sind Armut <strong>und</strong> Totalitarismus<br />

in der Welt,mangelnde Freiheit in der<br />

Welt, die Diktaturen, die Kriege unterstützen.<br />

Wir können gemeinsam etwas erreichen.<br />

Alles auszugleichen schafft eine gewisse<br />

Neutralität, die allerdings nicht bei<br />

allem, was wir tun, effektiv ist.<br />

Ich bin kategorisch gegen die Vision<br />

von einem Europa als Gegengewicht zu<br />

den Vereinigten Staaten. Ich denke auch<br />

nicht, dass dies die Vision der Deutschen<br />

ist. So weit ich das beurteilen kann, ist es<br />

die Vision von Präsident Chirac <strong>und</strong> von<br />

Dominique de Villepin. Bei der Verfolgung<br />

unserer gemeinsamen Ziele <strong>und</strong> der Verteidigung<br />

der gemeinsamen Werte stellt<br />

sich die Frage, ob Europa als Gegengewicht<br />

zu den Vereinigten Staaten oder als<br />

Partner der Vereinigten Staaten auftritt.<br />

Wir wissen, wie die Briten darüber denken,<br />

wir wissen, wie die Spanier <strong>und</strong> die<br />

Italiener darüber denken.<br />

Hier wird Deutschland die Entschei-


RICHARD PERLE<br />

dung treffen.Deutschland ist im Prinzip in<br />

der Europäischen Union das Energiefeld.<br />

Es geht darum, ob sich die französische Vision<br />

von Europa als Gegengewicht zu den<br />

Vereinigten Staaten durchsetzt oder ob<br />

wir bei der transatlantischen Partnerschaft<br />

bleiben, die uns allen so viel gebracht hat,<br />

die Deutschland Freiheit <strong>und</strong> Einheit gebracht<br />

hat,die Frieden <strong>und</strong> Stabilität in der<br />

Welt herbeigeführt hat.<br />

Ich bin davon überzeugt,dass Deutschland<br />

unter Berücksichtigung der eigenen<br />

Interessen,Traditionen <strong>und</strong> Werte die richtigen<br />

Schlussfolgerungen ziehen wird.<br />

Aber es ist ganz wichtig, sich über einen<br />

historischen Fehlschluss klar zu werden:<br />

Wenn ich lese, wie die französisch-deutschen<br />

diplomatischen Beziehungen aussehen,<br />

wie die Gipfeltreffen ablaufen, habe<br />

ich manchmal den Eindruck,dass der Frieden<br />

in Europa von der Nähe <strong>und</strong> der Enge<br />

der Beziehungen zwischen deutschen <strong>und</strong><br />

französischen Regierungsvertretern, dem<br />

B<strong>und</strong>eskanzler <strong>und</strong> dem französischen<br />

Präsidenten abhängt. Es gibt keinen weiteren<br />

Krieg zwischen Frankreich <strong>und</strong><br />

Deutschland,<strong>und</strong> zwar nicht deshalb,weil<br />

der B<strong>und</strong>eskanzler <strong>und</strong> der französische<br />

Präsident Fre<strong>und</strong>e sind, nicht weil die<br />

Wirtschaftssysteme Deutschlands <strong>und</strong><br />

Frankreichs sehr eng miteinander verwoben<br />

sind – das war auch in der Vergangenheit<br />

der Fall –, sondern weil Deutschland<br />

<strong>und</strong> Frankreich Demokratien sind<br />

<strong>und</strong> Demokratien keine aggressiven Kriege<br />

vom Zaun brechen.<br />

Der zukünftige Frieden auf dem <strong>europäische</strong>n<br />

Kontinent hängt vom Erfolg<br />

der deutschen Demokratie ab, nicht von<br />

den demokratischen Beziehungen zwischen<br />

dem Auswärtigen Amt <strong>und</strong> dem<br />

Quai d’Orsay.<br />

Was bedeutet es, ein Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Alliierter<br />

zu sein? Ich denke, es bedeutet, im<br />

Prinzip im Zweifel immer für den anderen<br />

zu sprechen <strong>und</strong> zu ihm zu stehen.Manchmal<br />

ist der Zweifel so stark, dass man in<br />

die Opposition gehen muss. Wir würden<br />

uns selbst auf beiden Seiten des Atlantiks<br />

einen sehr guten Dienst erweisen, wenn<br />

wir die existenziellen Sorgen des anderen<br />

berücksichtigen würden <strong>und</strong> hin <strong>und</strong> wieder<br />

bereit wären, im Zweifel für den anderen<br />

zu sprechen.<br />

Ich bin gegen die<br />

Vision von einem<br />

Europa als Gegengewicht<br />

zu den<br />

Vereinigten Staaten.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

38 39


„Europa wusste zwar, was es nicht wollte, war aber nicht fähig<br />

herauszufinden, was es wirklich wollte.“


Diskussion<br />

Leitung: DR. HANS D. BARBIER,<br />

<strong>Vor</strong>sitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn<br />

Dr. Hans D. Barbier: Herr Breuer hat einleitend das Erstaunen oder das Erschrecken<br />

über das plötzliche Auftauchen von Bruchlinien im transatlantischen Verhältnis<br />

artikuliert.André Glucksmann hat uns vor ein Schaufenster mit Philosophien geführt<br />

<strong>und</strong> gemeint, wir sollten, müssten <strong>und</strong> könnten zwischen Carl Schmitt <strong>und</strong> Immanuel<br />

Kant wählen.Wenn Sie wollen, können wir nachher darüber abstimmen; aber ich<br />

denke, in Deutschland kann man nicht am Charme von Immanuel Kant vorbeischauen.<br />

Christoph Bertram hat uns gesagt, es werde alles nicht so schlecht, wie viele von<br />

uns meinen. Er hat uns versprochen, die Amerikaner fänden zu dem zurück, was sie als<br />

Pragmatismus zu <strong>einer</strong> hohen Kunst entwickelt haben. Er hat auch für uns alle verständlich,<br />

gleichgültig aus welchem Land wir kommen, nicht gezögert, den deutschen<br />

Beitrag deutscher Ungeschicklichkeiten oder deutscher Forschheiten oder deutscher<br />

Missverständnisse am Entstehen der Gesamtsituation darzustellen.Jedenfalls war mir,als<br />

hätte ich dies andeutungsweise gehört.<br />

Richard Perle hat uns dargelegt, wie sehr sich die Amerikaner von den Ereignissen<br />

des 11.September 2001 getroffen fühlen.Obwohl wir das wissen,ist es immer wieder eindrucksvoll,<br />

das aus amerikanischem M<strong>und</strong>e geschildert zu bekommen. Man hat dann jedenfalls<br />

für den Rest des Tages vieles von dem verstanden, was einem bei der täglichen Zeitungslektüre<br />

<strong>und</strong> dem Zusammentragen der eigenen Gedanken nicht so ganz präsent war.<br />

Prof. Dr. Jürgen W. Falter: Ich möchte an die Ausführungen von Herrn Bertram<br />

anknüpfen, der viele bedenkenswerte Überlegungen vorgetragen hat. Er hat eine für<br />

mich bedenkliche Passage geäußert,die mir zu hurtig formuliert war.Es handelt sich um<br />

die sehr optimistische <strong>Vor</strong>stellung,dass die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union<br />

die Union stärken würde, dass dadurch die Integration gefördert würde.Als ich das<br />

hörte,habe ich mir gedacht:Da spricht der reine Außenpolitiker,das ist militärstrategisch<br />

gedacht, das ist möglicherweise von den internationalen Beziehungen her gedacht, aber<br />

nicht von der <strong>europäische</strong>n Innenpolitik her, nicht aus der Perspektive der EU-Integration<br />

<strong>und</strong> schon gar nicht aus der Perspektive der deutschen Innenpolitik.<br />

Nun bin ich eher „Innenpolitikwissenschaftler“ als Fachmann für internationale Politik.Was<br />

hält denn neue Staatengebilde zusammen? Wenn es nicht die Bajonette sind,<br />

dann ist es so etwas wie eine gemeinsame politische Kultur. In <strong>einer</strong> gemeinsamen politischen<br />

Kultur steckt auch ein Teil demokratischer Kultur, steckt der Geist der Aufklärung.Träger<br />

dessen sind im Allgemeinen die Sprache <strong>und</strong> die Religion. Das sind gemeinsame<br />

Werte. Ich sehe nicht, dass die Türkei auf absehbare Zeit bereit wäre, mit uns<br />

diese Werte in der breiten Masse des Volkes zu teilen, so wenig wie auch wir schon so<br />

weit sind, das Gegenteil zu akzeptieren.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

40 41


DISKUSSION<br />

Ich war von Anfang an<br />

der Meinung, dass der<br />

Irakkrieg legitimiert<br />

<strong>und</strong> gerechtfertigt war.<br />

Dr. Otto Graf Lambsdorff: Es wird<br />

stimmen, dass, falls hier abgestimmt würde,<br />

Kant mehr Stimmen erhielte als Carl<br />

Schmitt. Richtig ist aber doch wohl auch,<br />

dass Carl Schmitt in letzter Zeit bei uns immer<br />

häufiger in der Diskussion erwähnt<br />

<strong>und</strong> abgehandelt wird. Das sollte man<br />

auch nicht übersehen.<br />

Ich bin André Glucksmann außerordentlich<br />

dankbar dafür, dass er in einem<br />

so vornehmen Rahmen die Stichworte<br />

Tschetschenien <strong>und</strong> Tibet nicht ausgelassen<br />

hat. Das ist für deutsche Verhältnisse<br />

ungewöhnlich.<br />

Ich hatte die Ehre <strong>und</strong> das Vergnügen,in<br />

den letzten Wochen eine Reihe von<br />

Staatsoberhäuptern <strong>und</strong> Ministerpräsidenten<br />

kl<strong>einer</strong> Beitrittsländer zu treffen. Es ist<br />

unglaublich, was man bei solchen Gelegenheiten<br />

an Klagen über das deutsch-französische<br />

Auftreten bei den Beitrittsverhandlungen<br />

hört.Das wird seine Auswirkungen<br />

haben.So,wie das derzeit praktiziert wird,<br />

kann <strong>und</strong> darf es nicht weitergehen.<br />

Ich war von Anfang an der Meinung,<br />

dass der Irakkrieg legitimiert <strong>und</strong> gerechtfertigt<br />

war, <strong>und</strong> zwar auf der Basis nicht<br />

eingehaltener UN-Resolutionen einschließlich<br />

der Resolution 1441. Ich weiß, dass<br />

man das unterschiedlich interpretieren<br />

kann. Richard Perle hat darauf hingewiesen,<br />

dass es Präemption geben wird, dass<br />

niemand so lange warten wird,bis er überfallen<br />

wird, wenn er den Überfall schon<br />

vor sich sieht. Es ist wichtig, im internationalen<br />

Recht ein System zu entwickeln,<br />

mit dem wir das einigermaßen geordnet<br />

einfangen können,statt dass einfach losgeschlagen<br />

wird <strong>und</strong> hinterher die Völkerrechtler<br />

– wie nach dem Irakkrieg – in ihre<br />

Zettelkästen schauen <strong>und</strong> die Standardantwort<br />

geben: Das war nicht legitimiert.<br />

Damit kommen wir nicht weiter. Die<br />

Staats- <strong>und</strong> Völkerrechtler müssen nachdenken,<br />

um ein neues System – hoffentlich<br />

im Rahmen der Vereinten Nationen –<br />

zu entwickeln.<br />

Ich teile die Auffassung von Richard<br />

Perle: Der <strong>Vor</strong>sitz Libyens in der Human<br />

Rights Commission ist ein Unding. Man<br />

fragt sich, wie so etwas passieren kann.<br />

Die Einschränkungen an Civil Rights<br />

durch die amerikanische Regierung nach<br />

dem 11. September 2001 finde ich Besorgnis<br />

erregend. Hierüber hat der „Economist“<br />

in dieser Woche auf drei Seiten<br />

berichtet. Dazu hätte ich von Richard<br />

Perle gerne eine Stellungnahme.<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty:<br />

Wenn wir über Europa sprechen,habe ich<br />

das Gefühl, dass wir uns gewissermaßen<br />

die oberen Etagen <strong>und</strong> das Dach des Gebäudes<br />

Europa ausmalen.Wichtig ist, dass<br />

das Dach auf einem richtigen F<strong>und</strong>ament<br />

ruht <strong>und</strong> dass das Dach dem Sturm der<br />

Realität standhält. Herr Glucksmann hat<br />

darauf hingewiesen, dass Europa zwar<br />

wusste, was es nicht wollte, aber nicht<br />

fähig war, dasjenige herauszufinden, was<br />

es wirklich wollte.<br />

In der Präambel des vom Konvent<br />

vorgelegten Entwurfs <strong>einer</strong> <strong>europäische</strong>n


Verfassung steht nicht, dass die <strong>europäische</strong>n<br />

Werte christlich geprägt sind.Es gab<br />

über 1000 Jahre ein Heiliges Römisches<br />

Reich deutscher Nation.Unsere ganze Kultur<br />

ist christlich bestimmt.Wir bringen es<br />

nicht fertig, das in die Präambel zu schreiben.<br />

Stattdessen steht dort ein sehr schöner<br />

Satz von Perikles über die Demokratie<br />

in Athen. Das ist zwar ein sehr schöner<br />

Satz, aber jeder, der sich auskennt, weiß,<br />

dass die Demokratie in Athen auf der Sklaverei<br />

aufbaute, da die Politiker keine Zeit<br />

hatten, sich um ihr Geschäft zu kümmern.<br />

Auf den Regierungskonferenzen wird<br />

über den nationalen Einfluss bei der Besetzung<br />

der Kommission, bei der Stimmengewichtung<br />

gestritten. Das steht im<br />

<strong>Vor</strong>dergr<strong>und</strong>, nicht der <strong>europäische</strong> Geist.<br />

Mir scheint es jetzt darauf anzukommen,<br />

dass wir Brücken zwischen den Nationen<br />

bauen.Daran fehlt es in Europa.Europa<br />

wird keinen Bestand haben, wenn<br />

wir das Dach ausbauen, aber nicht das<br />

F<strong>und</strong>ament sichern, damit die Völker zueinander<br />

finden.<br />

Klaus Naumann:Ich möchte zunächst<br />

die Bemerkung von Graf Lambsdorff aufgreifen.Auch<br />

ich habe auf meinen Reisen<br />

in den letzten Wochen sehr deutlich gespürt:<br />

Nichts hat Europa so sehr gespalten<br />

wie der Versuch Deutschlands <strong>und</strong> Frankreichs,<br />

zu dominieren <strong>und</strong> zu schulmeistern.<br />

Wenn das nicht beseitigt wird, wird<br />

Europa schwer beschädigt.<br />

Ich habe mit großem Interesse vernommen,<br />

was Herr Bertram zu den deutschen<br />

Interessen zu sagen hatte. Ich habe<br />

in der Aufzählung der deutschen Interessen<br />

die Beibehaltung eines soliden transatlantischen<br />

Bündnisses vermisst. Ich bin<br />

nach wie vor der Auffassung, dass es sich<br />

hier um ein vitales deutsches Interesse<br />

handelt. Wir müssen uns leider dem Faktum<br />

stellen, dass wir mit <strong>einer</strong> Kontinuität<br />

deutscher Außenpolitik gebrochen haben,<br />

nämlich niemals zwischen Frankreich <strong>und</strong><br />

den USA wählen zu müssen.Wir haben gewählt<br />

<strong>und</strong> müssen sehen,wie wir aus dem<br />

Schlamassel herauskommen.<br />

Wir befinden uns in der Situation,<br />

dass Deutschland derzeit so ohnmächtig<br />

ist wie noch nie zuvor. In allen internationalen<br />

Verbindungen gilt der eherne<br />

Gr<strong>und</strong>satz, dass man über so viel Einfluss<br />

verfügt, wie man selber an Beitrag leistet.<br />

Wenn man keinen Beitrag leistet, verfügt<br />

man auch nicht über Einfluss. Wir stellen<br />

zurzeit in Europa ein Problem dar. Unser<br />

Einfluss ist gleich null.Wir müssen uns fragen,<br />

wie wir wieder zu Einfluss kommen<br />

können.<br />

Herr Bertram hat zu Recht gesagt:<br />

Wir müssen mit <strong>einer</strong> Stimme sprechen.<br />

Das ist zutreffend.Aber eine Stimme wird<br />

nur gehört werden, wenn auch Wille <strong>und</strong><br />

Fähigkeit zum Handeln vorhanden sind,<br />

wenn also die Möglichkeiten den Aspirationen<br />

entsprechen.Haben wir den Willen,<br />

entsprechende Fähigkeiten zu schaffen?<br />

Wir stehen in Europa vor großen sicherheitspolitischen<br />

Aufgaben. Wir müssen<br />

stabile Beziehungen zu einem zuneh-<br />

Deutschland ist<br />

derzeit so ohnmächtig<br />

wie noch nie zuvor.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

42 43


DISKUSSION<br />

Ein starkes Europa<br />

kann nur in Abstimmung<br />

mit den Vereinigten<br />

Staaten agieren.<br />

mend autoritär werdenden Russland schaffen.<br />

Wir müssen uns fragen: Wo ist die<br />

Heimat der Ukraine? Können wir entsprechende<br />

Garantien geben? Ohne dies<br />

wird Russland noch autoritärer werden.<br />

Wie werden wir mit dem Terrorismus, der<br />

zunehmenden Kriminalität, der Verbreitung<br />

von Massenvernichtungswaffen <strong>und</strong><br />

Failing States fertig? Können wir das jemals<br />

ohne die Amerikaner schaffen? Wenn<br />

die Antwort „nein“ lautet,wovon ich überzeugt<br />

bin, müsste es im deutschen Sicherheitsinteresse<br />

liegen, die atlantische Verbindung<br />

als elementares deutsches Interesse<br />

herauszustellen. Dann müsste das Instrument<br />

der Wahl nicht in erster Linie<br />

die Europäische Union sein, sondern die<br />

NATO, eine neue, eine erweiterte NATO.<br />

An Herrn Perle habe ich die Frage:<br />

Wenn die Europäer die entsprechenden<br />

Fähigkeiten schafften <strong>und</strong> mit <strong>einer</strong> Stimme<br />

sprächen, wäre man dann in Washington<br />

bereit, den törichten Satz aufzugeben:<br />

The United States needs allies but no alliances?<br />

Ist man bereit,Allianzen zu stärken,<br />

in dem Bewusstsein, dass man den Verbündeten<br />

als Preis für ihren Beitrag Einfluss<br />

einräumen muss?<br />

Prof. Dr. Helga Haftendorn: Mir ist<br />

aufgefallen, dass weder gestern Abend<br />

noch heute Morgen von den Staaten Mittelosteuropas<br />

gesprochen wurde, wenn<br />

von Europa die Rede war. Ich denke an<br />

diejenigen Staaten, die Mitglieder der<br />

NATO bzw. NATO-Aspiranten <strong>und</strong> demnächst<br />

Mitglied der Europäischen Union<br />

sind.Wir gehen immer davon aus, dass sie<br />

die gleichen Interessen <strong>und</strong> Prioritäten<br />

haben wie die Deutschen, die Franzosen<br />

oder die Engländer.<br />

Wenn man die Staaten Mittelosteuropas<br />

besucht, stellt man fest, dass dort ein<br />

ganz anderes Gefühl von Bedrohung oder<br />

Sicherheit vorherrscht <strong>und</strong> sich daraus<br />

natürlich auch andere Haltungen ergeben.<br />

Ich fand es sehr gut <strong>und</strong> wichtig,dass<br />

Herr Bertram darauf hingewiesen hat,dass<br />

der Konflikt zwischen Amerika <strong>und</strong> uns<br />

Deutschen <strong>und</strong> den Franzosen primär ein<br />

Methodenstreit ist. Dem stimme ich voll<br />

zu.Nur:In der Öffentlichkeit ist daraus ein<br />

Streit über Werte geworden. Die Überschriften<br />

von Wochenblättern suggerieren,<br />

kriegslüsterne Amerikaner stünden<br />

gegen friedliebende Deutsche. Die Folge<br />

sind Umfrageergebnisse, wie sie uns heute<br />

vorliegen.<br />

Meine Frage bezieht sich auf das Verhältnis<br />

zwischen einem erstarkenden, einem<br />

einiger werdenden Europa <strong>und</strong> Amerika.<br />

Auch Herr Perle hat „a strong Europe<br />

to deal with common challenges“ gefordert.<br />

Ich stimme weitgehend dem zu, was<br />

General Naumann ausführte: Ein starkes<br />

Europa kann nur in Abstimmung mit den<br />

Vereinigten Staaten agieren.Auf der anderen<br />

Seite habe ich den Eindruck, dass in<br />

Washington ein starkes Europa als ein Faktor<br />

betrachtet wird,der die amerikanische<br />

Politik komplizierter macht <strong>und</strong> deshalb<br />

zu verhindern ist. Man findet dort, dass es<br />

sehr viel einfacher ist, mit den einzelnen


Staaten zu kooperieren bzw. dies zu unterlassen.<br />

Man folgt der Devise: Fight the<br />

French, ignore the Germans, cooperate<br />

with the Russians.<br />

Ich möchte ganz konkret fragen, was<br />

die Ursache für diese Haltung ist. Ist es so,<br />

wie General Naumann es angedeutet hat,<br />

dass den <strong>europäische</strong>n Ansprüchen kein<br />

Potenzial entspricht? Oder hat man Sorge<br />

vor einem zu starken <strong>europäische</strong>n Potenzial?<br />

Auch wenn der Wille zur Abstimmung<br />

vorhanden ist, wird es sich nicht vermeiden<br />

lassen, dass ein Europa, das mit <strong>einer</strong><br />

Stimme spricht, die Dinge anders sieht als<br />

Amerika.<br />

Wie erreichen wir das Ziel, dass Europa<br />

mit <strong>einer</strong> Stimme spricht <strong>und</strong> über<br />

ein entsprechendes Potenzial verfügt?<br />

Brauchen wir neue Abstimmungsmechanismen<br />

oder brauchen wir ein neues Gymnich-Abkommen,<br />

mit dem man in den<br />

70er-Jahren als Reaktion auf die Kissinger-<br />

Politik versucht hat, die Koordinierungsprozesse<br />

in der EU mit der Politik Washingtons<br />

kompatibel oder zumindest für<br />

Washington einsehbar <strong>und</strong> berechenbar<br />

zu machen?<br />

Heinz Klaus Mertes: Herr Dr.Bertram,<br />

Sie haben zu Anfang Ihres <strong>Vor</strong>trags gesagt,<br />

dass es in Deutschland hinsichtlich der<br />

außenpolitischen Positionierung <strong>und</strong> der<br />

außenpolitischen Linien einen weitgehenden<br />

Konsens gebe. Ich frage mich, ob es<br />

sich hier nicht um einen Konsens im Vagen<br />

handelt. Man sollte einmal eine Umfrage<br />

durchführen – nicht nur beim Mann<br />

auf der Straße, sondern auch bei den Meinungsmultiplikatoren<br />

–, wo die Räsonlinien<br />

der deutschen Außenpolitik nach der<br />

Einigung liegen. Ich kann mich nicht daran<br />

erinnern, dass in den Diskussionen<br />

über den Irakkrieg ganz eindeutig <strong>und</strong><br />

auch mit einem politischen Führungsanspruch<br />

die deutschen Interessen definiert<br />

wurden.Das habe ich vermisst.Es gab aufwallende<br />

Emotionen <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentalistische<br />

Diskussionen, aber abseits <strong>einer</strong> exakten<br />

Definition der deutschen Interessen.<br />

Ein ähnliches Defizit besteht hinsichtlich<br />

Afghanistan <strong>und</strong> bezüglich des<br />

Balkans. Die Bemerkungen, Deutschland<br />

werde auch am Hindukusch verteidigt,<br />

scheint mir eine oberflächliche Formel zu<br />

sein,welche kennzeichnend ist für die Tatsache,<br />

dass die Situation unaufgearbeitet<br />

ist, auch in kommunikativer Hinsicht.<br />

Die Neupositionierung in unserem<br />

Verhältnis zu Russland, zu Israel, zu Palästina<br />

scheint mir sehr vage <strong>und</strong> nicht ausreichend<br />

im Sinne eines tragfähigen Gemeinschaftsbewusstseins<br />

zu sein, wie es<br />

bei den Briten, bei den Franzosen vorhanden<br />

ist, wie es neuerdings besonders die<br />

Spanier <strong>und</strong> auch die Polen beweisen. Ich<br />

glaube, hier besteht sozusagen ein Wettbewerbsnachteil<br />

der Deutschen, der zu<br />

der deutschen Einflusslosigkeit führt, die<br />

auch General Naumann beklagt hat. Mir<br />

scheint es wichtig zu sein,die Frage zu beantworten,<br />

ob hier nicht eine neue politische<br />

<strong>und</strong> auch gesellschaftliche Verantwortung<br />

besteht, kommunikativ tätig zu<br />

Fight the French,<br />

ignore the Germans,<br />

cooperate with<br />

the Russians.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

44 45


DISKUSSION<br />

Haben die Deutschen<br />

denn den Verstand<br />

<strong>und</strong> jede Erinnerung<br />

verloren?<br />

werden. In der alten B<strong>und</strong>esrepublik war<br />

das einfach. Es gab die klare Westbindung,<br />

die Räson war klar. Die Räson scheint mir<br />

nach der Einigung nicht mehr klar <strong>und</strong> vor<br />

allen Dingen nicht kommuniziert zu sein.<br />

Prof. Dr. Michael Stürmer: Es ist eine<br />

bittere Ironie,dass die von Deutschland<br />

<strong>und</strong> Frankreich gewollte Stärkung Europas<br />

in Wahrheit Europa außerordentlich<br />

schwächt.Gegen Amerika ist Europa nicht<br />

zu gründen. Das ist die Erfahrung seit<br />

1949, das ist die Erfahrung von 1990. Haben<br />

die Deutschen denn den Verstand <strong>und</strong><br />

jede Erinnerung verloren? Wie allein waren<br />

wir denn im Jahre 1990? Der große<br />

französische Präsident <strong>und</strong> Lady T. waren<br />

doch entschieden gegen die Wiedervereinigung,<br />

<strong>und</strong> zwar nicht nur symbolisch,<br />

sondern auch höchst praktisch.Ohne Baker<br />

<strong>und</strong> die Baker Boys <strong>und</strong> den älteren Bush<br />

wären wir in eine Weltkrise geraten, die<br />

niemand hätte bewältigen können.<br />

Das bedeutet nicht, dass wir Dankbarkeit<br />

zeigen müssen.Dankbarkeit gibt es<br />

nicht einmal innerhalb der Familie, geschweige<br />

denn zwischen Staaten.Aber wir<br />

müssen begreifen,wie die wahre deutsche<br />

Lage ist.<br />

Eine Bemerkung zum deutsch-französischen<br />

Verhältnis. Wir alle lieben Frankreich<br />

über alles. Aber wir müssen uns<br />

doch auch darüber im Klaren sein, in welchem<br />

Umfang auf das deutsch-französische<br />

Verhältnis – ich vermeide den Begriff<br />

„Achse“ – Verlass ist. In dem Moment, da<br />

die Deutschen gaullistisch würden, so wie<br />

Chirac eine Art Spätgaullismus betreibt,<br />

würde die französische politische Klasse<br />

von nackter Angst ergriffen. Das kann<br />

nicht halten.<br />

Zur Abstützung auf Russland: Schon<br />

die Erfindung des Begriffs „Achse“ zeigt<br />

die totale Ahnungslosigkeit in diesem Zusammenhang.<br />

Wir haben keine Russlandpolitik,<br />

wir haben keine Ukrainepolitik,<br />

wir eiern herum. Gehört die Ukraine wieder<br />

in den großen russischen Orbit, dann<br />

wird Russland wieder ein Imperium sein.<br />

Das werden wir noch spüren, wenn uns<br />

der Wind sehr kalt ins Gesicht bläst. Haben<br />

wir eine positive Ukrainepolitik,dann<br />

ist das zu managen, aber außerordentlich<br />

kompliziert. Mit dem <strong>neuen</strong> KGB-Regime<br />

in Moskau hat der kalte Wind bereits eingesetzt.<br />

Von Herrn Glucksmann wurde<br />

Tschetschenien erwähnt. Er ist <strong>einer</strong> der<br />

wenigen, die die tschetschenische Fahne<br />

hochhalten.<br />

Da lassen wir uns auf hochgefährliche<br />

Dinge ein.Es ist schlechterdings abenteuerlich,<br />

sich bei diesem Zustand, in dem<br />

sich Russland befindet, auf Russland abstützen<br />

zu wollen. Natürlich soll man Energie-,Industrie-<br />

<strong>und</strong> Bankgeschäfte mit Russland<br />

betreiben. Das war auch zu Zeiten<br />

der Sowjetunion so; trotzdem haben wir<br />

nicht vergessen, wo die wirklichen deutschen<br />

Interessen liegen.<br />

Es ist eine Selbstverständlichkeit, in<br />

Balancen zu denken. Das ist seit dem<br />

17.Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>europäische</strong> Tradition.Das<br />

ist richtig so.Aber worin besteht denn das


gewaltige Übergewicht der USA, das es<br />

auszubalancieren gilt? Liegt es im Bruttosozialprodukt?<br />

– Nein.Liegt es in der Technologie?<br />

– Zum Teil.Was ist also die Ursache?<br />

Sie liegt nicht in der Stärke der USA,<br />

sondern in unserer selbst verschuldeten<br />

Schwäche. Wohin gehen denn die Eliten?<br />

Wo wird denn investiert? Wo wird denn<br />

geforscht? Wo erarbeiten sich Deutsche<br />

Nobelpreise? – In Amerika. Das ist unsere<br />

eigene Schuld. Dafür dürfen die Amerikaner<br />

nicht angeklagt werden.<br />

In den letzten Monaten ist die Sprache<br />

total verwildert. Da heißt es, wir sollten<br />

keine Vasallen sein.Ich will hier als Historiker<br />

jetzt nicht erklären,was man unter<br />

Vasallen zu verstehen hat.Das sind höchstgefährliche<br />

Burschen für den Führer. Da<br />

meint man, wir sollten uns emanzipieren.<br />

Sklaven werden emanzipiert. Sind wir<br />

denn Sklaven? Frauen, die über Emanzipation<br />

reden, haben es nötig.<br />

Wir müssen aus dieser selbst verhängten<br />

Unmündigkeit heraus. Dann müssen<br />

wir uns entscheiden: Wollen wir das<br />

französische Modell,konträr zu Amerika in<br />

<strong>einer</strong> sehr kapriziösen Sonderrolle? Oder<br />

wollen wir das britische Modell? Die Briten<br />

denken unentwegt in Balancen.Sie balancieren<br />

Europa gegen Amerika, sie balancieren<br />

sich selbst.<br />

Natürlich müssen wir das britische<br />

Modell wählen. Dann kommt auch die<br />

deutsche Schlüsselrolle zum Tragen.Einerseits<br />

ist es attraktiv, sich in <strong>einer</strong> Schlüsselrolle<br />

zu befinden, andererseits ist es<br />

schwierig. Wir werden in den nächsten<br />

Monaten <strong>und</strong> Jahren entscheiden müssen,<br />

wohin sich dieses Europa wendet. Beschreiten<br />

wir weiterhin den Weg der letzten<br />

18 Monate, dann werden wir Europa<br />

zerstören. Dann wird es zwar noch eine<br />

„customs free trade zone“ geben, aber das<br />

politische Europa, das wir brauchen, werden<br />

wir zerstören. Oder wir suchen ein<br />

deutlich anderes Europa, was nur mit<br />

Amerika als <strong>europäische</strong>r Macht möglich<br />

ist. Alles andere sind im Lichte der Geschichte<br />

<strong>und</strong> im Lichte der realen Machtsituation<br />

hochgefährliche Illusionen.<br />

Kurt F. Viermetz: Herr Perle hat einen<br />

ausgezeichneten <strong>Vor</strong>trag bezüglich<br />

der Veränderungen der amerikanischen<br />

Außenpolitik gehalten. Seit dem 11. September<br />

2001 sagt man: Die Sicherheit <strong>und</strong><br />

die Verteidigung eines Landes werden nicht<br />

mehr durch Abschreckung sichergestellt,<br />

sondern müssen eher auf präventiven<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Denkweisen beruhen.<br />

Das lässt sich nicht nur auf militärische Aktionen<br />

anwenden, sondern diese Denklinien<br />

müssen auch in der Diplomatie <strong>und</strong><br />

in der Wirtschaft Anwendung finden.<br />

Dazu brauchen wir Regeln. Das ist<br />

auch der Gr<strong>und</strong>, warum wir die Vereinten<br />

Nationen reformieren müssen. Das muss<br />

sowohl von den Vereinigten Staaten als<br />

auch von Europa getragen werden. Mein<br />

<strong>Vor</strong>schlag lautet, dass es im Sicherheitsrat<br />

zukünftig nicht ein Vetorecht sowohl von<br />

Frankreich als auch seitens des Vereinigten<br />

Königreichs gibt, sondern ein Veto-<br />

Beschreiten wir weiterhin<br />

den Weg der letzten<br />

Monate, dann werden<br />

wir Europa zerstören.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

46 47


DISKUSSION<br />

Es ist ein Skandal,<br />

die Disziplinlosigkeit<br />

Frankreichs in Sachen<br />

Stabilitätspolitik zu<br />

verteidigen.<br />

recht der Europäischen Union <strong>und</strong> dazu<br />

das Vetorecht entweder Frankreichs oder<br />

des Vereinigten Königreichs.<br />

Wenn ich mir als Banker die derzeitige<br />

Debatte über den Stabilitäts- <strong>und</strong> Wachstumspakt<br />

anschaue, stelle ich einen totalen<br />

Missbrauch der deutsch-französischen<br />

Verbindung fest. Es ist ein absoluter Skandal,<br />

wie Berlin versucht, die Disziplinlosigkeit<br />

Frankreichs in Sachen Stabilitätspolitik<br />

zu verteidigen, um sich selbst zu<br />

verteidigen. Ich darf daran erinnern, dass<br />

uns in Deutschland der Euro auf der Basis<br />

des einzuhaltenden Stabilitätspakts verkauft<br />

worden ist.Wir müssen mit unserer<br />

Verbindung zu Frankreich schon etwas<br />

besser umgehen, als es die deutsche Regierung<br />

heute tut.<br />

Dr. Hans D. Barbier: Wir sind allerdings<br />

gerade dabei, die französischen<br />

Fre<strong>und</strong>e dadurch zu schützen, dass wir ihre<br />

Disziplinlosigkeit noch überbieten. Insofern<br />

stehen unsere französischen Fre<strong>und</strong>e<br />

nicht in vorderster Front.<br />

Dr. Gert Dahlmanns: Ich habe eine<br />

Bitte an die Vereinigten Staaten <strong>und</strong> auch<br />

an uns Deutsche. Diese Bitte kommt von<br />

einem Fre<strong>und</strong> der Vereinigten Staaten, der<br />

die USA als seine zweite Heimat betrachtet<br />

<strong>und</strong> der vor mehr als einem halben<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert als Schüler in der damaligen<br />

sowjetischen Besatzungszone dafür verprügelt<br />

wurde, dass er – allerdings ohne<br />

allzu viel Wissen – den Koreakrieg verteidigt<br />

hat. Ich habe die Bitte, dass wir immer<br />

wieder <strong>und</strong> immer mehr die Diskussion<br />

über die <strong>Weltunordnung</strong> <strong>und</strong> über das Verhältnis<br />

zwischen Deutschland <strong>und</strong> Amerika<br />

auf der Basis der immer wieder angesprochenen<br />

Werte führen. Ich glaube, nur<br />

so lässt sich die <strong>Weltunordnung</strong> ein wenig<br />

minimieren.<br />

Ähnlich wie Graf Lambsdorff sehe<br />

ich die Notwendigkeit, dass wir auf Eingriffe<br />

in zivile Rechte, beispielsweise hinsichtlich<br />

der Informationsfreiheit, wie sie<br />

in Amerika vorgenommen wurden, hinweisen.<br />

Dasselbe gilt für bestimmte Maßstäbe<br />

der Rechtsstaatlichkeit. Das bezieht<br />

sich nicht nur auf die Situation auf Guantanamo.<br />

Es fällt mir auf, dass der amerikanische<br />

Präsident von „american justice“<br />

spricht. In diesem Zusammenhang denke<br />

ich auch an die Mahnung gegenüber den<br />

Vereinten Nationen: „If you don’t do what<br />

we say, you are irrelevant.“<br />

Meine Bitte ist, dass wir die Werte<br />

hinterfragen <strong>und</strong> in den Mittelpunkt stellen,<br />

durchaus auch selbst reflektierend.<br />

Prof. Dr. Hans <strong>Vor</strong>länder: Wir stellen<br />

den Wiedereintritt von Religion, Kultur,<br />

unterschiedlichen Traditionen <strong>und</strong> unterschiedlichen<br />

Wertvorstellungen in den Bereich<br />

der internationalen Politik fest. Es<br />

sind nicht mehr die großen Cleavages, die<br />

sich militärpolitisch, die sich sicherheitspolitisch<br />

sehr klar haben definieren lassen;<br />

es ist nicht mehr der große Gegensatz zwischen<br />

liberaler Demokratie hier <strong>und</strong> autoritären<br />

<strong>und</strong> totalitären kommunistischen,<br />

sozialistischen Regimes auf der anderen<br />

Seite. Es gibt eine Vielzahl von Cleavages.


Meine Frage lautet:Wie kann man damit<br />

eigentlich umgehen? Sie befinden sich<br />

im Hintergr<strong>und</strong> der zahlreichen Konflikte,<br />

die wir sehen.Sie drücken sich auch in terroristischen<br />

Aktionen aus, die ja Ausdruck<br />

von Asymmetrien sind. Brauchen wir neben<br />

<strong>einer</strong> realpolitisch-militärischen Lösung<br />

solcher Probleme vielleicht eher andere<br />

Ansätze der Konfliktzivilisierung, der<br />

integrativen Bewältigung solcher Konflikte?<br />

Hobbes’ Modell des Leviathan reicht<br />

nicht aus, auch nicht die Schmitt’sche<br />

Großraumpolitik, sondern wir brauchen<br />

vielleicht so etwas wie ein Weltbürgerrecht<br />

oder eine Weltrechtsordnung, wie<br />

André Glucksmann das mit Bezug auf<br />

Kant zumindest suggeriert hat.<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter:<br />

Zwischen den Referenten <strong>und</strong> den meisten<br />

Diskutanten besteht offensichtlich<br />

Konsens, dass die Gr<strong>und</strong>tatsachen der nationalen<br />

<strong>und</strong> der internationalen Politik<br />

werteorientiert sind. Die Betrachtung <strong>und</strong><br />

die Lösung der entsprechenden Probleme<br />

hat insofern ebenfalls werteorientiert zu<br />

erfolgen.<br />

Das Problem hinsichtlich der Werte<br />

ist insofern etwas ambivalent, als es schön<br />

ist, über Werte zu reden, solange sie als<br />

Sterne am Himmel fixiert sind. Holen wir<br />

sie herunter in den Bereich der operativen<br />

Politik, hilft uns die allgemeine Beschwörung<br />

von Werten relativ wenig.<br />

Dann kommen wir in Wertedebatten <strong>und</strong><br />

Wertekonflikte, wie sie Herr <strong>Vor</strong>länder gerade<br />

angedeutet hat. Die Problematik ist<br />

die von Herrn Glucksmann aufgeworfene<br />

Frage:Wie können sich die Europäer positiv<br />

definieren? Das ist in Wahrheit eine<br />

sehr alte Frage, weil es die Frage <strong>einer</strong> jeglichen<br />

Politik ist. Wir suchen unsere Antworten<br />

aus eigenen Werteoptionen <strong>und</strong><br />

Wertedefinitionen.<br />

Das sage ich vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der aktuellen Debatte über einen Beitritt<br />

der Türkei zur Europäischen Union. In einem<br />

säkularen Staat sind wir nicht mehr<br />

in der Lage, die Frage, die Herr Starbatty<br />

aufgeworfen hat, abschließend <strong>und</strong> gültig<br />

zu beantworten. Wir behaupten, dass unsere<br />

Wertetraditionen christlich sind.<br />

Wenn wir etwas weiterdenken, berufen<br />

wir uns auf die Antike,wir berufen uns auf<br />

das jüdische Erbe. Wir sind nicht einmal<br />

mehr in der Lage, die Kopftuchstreitigkeiten<br />

so zu lösen, dass zum Schluss eine allgemein<br />

akzeptierte Entscheidung fällt.<br />

Die Beschwörung der Werte ist wichtig,<br />

aber da beginnen die Probleme eigentlich<br />

erst.Obwohl wir wissen,dass wir<br />

die Antworten dort suchen müssen, können<br />

wir uns selber normativ gar nicht<br />

mehr verbindlich definieren.<br />

Prof. Dr. André Glucksmann: Ich<br />

möchte vier Bemerkungen machen. Erstens.<br />

Schon im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert gab es<br />

das, was wir heute Präemption nennen.<br />

Das ist also nichts Neues.<br />

Zweitens.Es gibt hinsichtlich Europas<br />

zwei Konzeptionen. Entweder sagen wir,<br />

dass die Europäische Union Europa darstellt.<br />

Dann handelt es sich um eine sou-<br />

Schon im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

gab es<br />

das, was wir heute<br />

Präemption nennen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

48 49


DISKUSSION<br />

Terrorismus hat nicht<br />

nur etwas mit Armut zu<br />

tun. Bin Laden ist ja<br />

kein armer Mann.<br />

veräne Gemeinschaft von Republiken, die<br />

alle Menschenrechte respektiert.Oder wir<br />

sagen,dass Europa eine geopolitische Realität<br />

ist. In diesem Fall müsste auch Russland<br />

ein Teil Europas sein.Das ist ein wirkliches<br />

Problem, das wir nicht vernachlässigen<br />

sollten.<br />

Wenn ich über Tschetschenien spreche,<br />

rede ich nicht nur über ein Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit. Wer Tolstoi<br />

gelesen hat,weiß,dass schon die Zaren<br />

im Kaukasus Entsprechendes getan haben.<br />

Die Frage nach dem Despotismus in<br />

der geopolitischen <strong>europäische</strong>n Struktur<br />

ist noch immer nicht beantwortet. Das<br />

müssen wir berücksichtigen.<br />

Drittens.Wir fürchten den Imperialismus,<br />

die Allmacht der USA. Es ist aber<br />

noch nie darauf hingewiesen worden,dass<br />

wir den Vereinigten Staaten eigentlich<br />

auch vorwerfen, uns nicht mehr zu schützen,<br />

nicht mehr in der Lage zu sein, das<br />

Überleben unserer Bevölkerung zu sichern,<br />

wie sie es 50 Jahre lang getan haben.<br />

Es gibt eine Art Hass aufgr<strong>und</strong> der<br />

Machtlosigkeit dieser Übermacht.<br />

Meine vierte Bemerkung bezieht sich<br />

auf den Terrorismus. Herr Bertram meinte,<br />

ich hätte in meinem <strong>Vor</strong>trag den wirtschaftlichen<br />

Aspekt, die Erniedrigung, die<br />

Armut nicht erwähnt. Ich stimme mit ihm<br />

überein: Es gibt für den Terrorismus eine<br />

gemeinsame Basis. Ich bin nicht mit der<br />

Auffassung einverstanden, wir müssten<br />

warten, bis wir die Erniedrigung <strong>und</strong> die<br />

Armut auf dem Globus abgeschafft haben,<br />

um anschließend den dann noch vorhandenen<br />

Terrorismus zu bekämpfen. Wenn<br />

wir den Terrorismus nicht vor der Beseitigung<br />

der Armut auf unserem Planeten<br />

bekämpfen, werden wir langfristig nicht<br />

mehr in der Lage sein, schwerwiegendere<br />

Themen zu behandeln.<br />

Zum Glück sind nicht alle Armen Terroristen.<br />

Wir müssen uns mit den Armen<br />

beschäftigen,damit auch noch in 30 Jahren<br />

die Mehrheit der Menschheit in Frieden<br />

leben kann. Hier können wir Dostojewski<br />

zu Rate ziehen oder Ernst von Salomon.<br />

Dort können Sie nachlesen, dass Terrorismus<br />

nicht nur etwas mit Armut zu tun hat.<br />

Bin Laden ist ja kein armer Mann.<br />

Dr. Christoph Bertram: In Versammlungen<br />

gut situierter älterer Herren wird<br />

immer die Wertegemeinschaft beschworen,<br />

insbesondere im Verhältnis zu Amerika.<br />

Ich glaube, das ist die schütterste Basis<br />

für das transatlantische Verhältnis. Über<br />

Werte gibt es in der Tat erhebliche Auseinandersetzungen.<br />

Entspricht es den <strong>europäische</strong>n<br />

Wertevorstellungen, dass auf<br />

Guantanamo Menschen zwei Jahre lang<br />

gefangen gehalten werden, ohne einem<br />

Richter vorgeführt zu werden? Entspricht<br />

es unseren Wertevorstellungen, dass man<br />

zwar den Terrorismus in Tschetschenien<br />

sieht, aber nicht thematisiert wird, dass Israel<br />

der größte Förderer des Terrorismus<br />

ist, indem es täglich durch seine Aktionen<br />

im Nahen Osten Terrorismus gebiert? Ist<br />

das Ausdruck <strong>einer</strong> Wertegemeinschaft?<br />

Wir leben ohnehin in Gesellschaften,


in denen die Werte nicht mehr besonders<br />

hochgehalten werden. Der Ratschlag, die<br />

internationalen Beziehungen auf Werten<br />

aufzubauen, die so eindeutig <strong>und</strong> so übereinstimmend<br />

nicht sind, scheint mir nicht<br />

gut zu sein.Wer ein gutes europäisch-amerikanisches<br />

<strong>und</strong> ein gutes deutsch-amerikanisches<br />

Verhältnis haben will, muss es<br />

auf Interessen aufbauen. Diese sind verlässlicher.<br />

Interessen sind sehr eindeutig<br />

<strong>und</strong> werden sehr eindeutig bleiben.<br />

Es ist notwendig, dass unsere politische<br />

Führung, die Medien <strong>und</strong> sicherlich<br />

auch die Banker die öffentliche Meinung<br />

darauf vorbereiten, dass es dieses Gr<strong>und</strong>interesse<br />

gibt. Wenn das nicht geschieht,<br />

werden wir weiterhin solche Umfrageergebnisse<br />

haben,wie sie uns hier vorliegen.<br />

Man muss allerdings hinzufügen,dass<br />

die amerikanische Administration erheblich<br />

zu den Umfrageergebnissen beigetragen<br />

hat. Die Ergebnisse kommen ja nicht<br />

allein dadurch zustande, dass der B<strong>und</strong>eskanzler<br />

gesagt hat, nun wolle er nicht<br />

mehr mitmachen.<br />

Wir brauchen für das transatlantische<br />

Verhältnis natürlich auch eine Institution.<br />

Nicht zuletzt durch die Bush-Administration<br />

ist eine Entpolitisierung der NATO eingetreten.<br />

Sie ist nicht mehr der Ort, wo<br />

man sich frühzeitig über die strategischen<br />

Herausforderungen,vor denen wir gemeinsam<br />

stehen, unterhält. Das muss sich wieder<br />

ändern. Das bedarf nicht nur amerikanischer,<br />

sondern sicherlich auch gerade<br />

<strong>europäische</strong>r <strong>und</strong> deutscher Anstrengungen.<br />

Ich höre ja gern zu, wenn mir gesagt<br />

wird, Frankreich sei ein unzuverlässiger<br />

Bündnispartner, wir dürften dadurch unser<br />

Verhältnis zu Amerika nicht aufs Spiel<br />

setzen.So viele Optionen haben wir nicht.<br />

Wenn die Vereinigten Staaten eine Politik<br />

verfolgen, die für uns nicht akzeptabel ist,<br />

mit der wir nicht übereinstimmen, sollen<br />

wir dann trotzdem immer mitmachen?<br />

Das kann es doch nicht sein.<br />

Es ist offensichtlich, dass es im Verhältnis<br />

zu Amerika notwendig ist, dass wir<br />

in Europa mehr auf die Waagschale bringen.Wenn<br />

die <strong>europäische</strong> Integration ausfranst<br />

<strong>und</strong> ausleiert – diese Befürchtung<br />

kam in vielen Wortmeldungen zum Ausdruck<br />

–, dann kommt es darauf an, einen<br />

soliden, festen Partner zu haben, auf den<br />

man sich verlassen kann.Das bedeutet keine<br />

Arroganz gegenüber den anderen. Eine<br />

engere deutsch-französische Zusammenarbeit<br />

wird, lieber Michael Stürmer, nicht<br />

eine gaullistische Zusammenarbeit sein.<br />

Das kann sie auch nicht sein; denn die<br />

Deutschen sind kein Wurmfortsatz französischer<br />

Politik. Das wissen die Franzosen<br />

auch.<br />

Richard Perle: Ich bin völlig damit<br />

einverstanden, wenn Herr Bertram gesagt<br />

hat, dass wir über Werte sprechen sollen.<br />

Es trägt aber nicht zur Wertediskussion<br />

bei, wenn wir die Bombardierung Tschetscheniens<br />

aus der Luft durch die Russen<br />

mit israelischen Reaktionen auf den Terrorismus<br />

vergleichen. Dieser Vergleich ist<br />

völlig unangebracht.Es ist just diese Denk-<br />

Wir brauchen für<br />

das transatlantische<br />

Verhältnis natürlich<br />

auch eine Institution.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

50 51


DISKUSSION<br />

Europa muss entscheiden,<br />

wie stark es sein<br />

möchte.<br />

weise, die m<strong>einer</strong> Meinung nach zu einigen<br />

Umfrageergebnissen beiträgt, von denen<br />

wir alle wissen, dass sie nicht unsere<br />

gemeinsamen Interessen <strong>und</strong> Werte widerspiegeln.<br />

Im Zusammenhang mit Guantanamo<br />

wird erklärt, Menschen würden ohne Gerichtsverfahren<br />

gefangen gehalten. Hier<br />

geht es um Einzelpersonen, die in einem<br />

Kampf gefangen genommen wurden. Sie<br />

hatten Gewehre <strong>und</strong> Maschinenpistolen<br />

in ihren Händen, als man sie gefangen<br />

nahm. Normalerweise würde Kriegsrecht<br />

gelten <strong>und</strong> die Gefangenen würden am Ende<br />

in ihr Land zurückgeschickt. Hier haben<br />

wir es aber nicht mit <strong>einer</strong> normalen<br />

Situation zu tun. In welches Land sollte<br />

man die Gefangenen zurückschicken? Wo<br />

ist die Regierung, die sicherstellt, dass diese<br />

Personen nicht wieder den Kampf aufnehmen<br />

<strong>und</strong> weitere Terrorakte verüben?<br />

Es wäre uns willkommen, wenn Sie uns<br />

sagen könnten, wie wir unter den gegebenen<br />

Umständen mit diesen Personen umgehen<br />

können.Man darf diese Personen nicht<br />

mit Bürgern vergleichen, die von unserer<br />

Seite aus die vollen Gr<strong>und</strong>rechte genießen.<br />

Was die Gr<strong>und</strong>rechte angeht, so haben<br />

wir m<strong>einer</strong> Meinung nach die steigenden<br />

Anforderungen im Hinblick auf Polizeimaßnahmen<br />

zur Wahrung der Gr<strong>und</strong>rechte<br />

in Amerika erfüllt. M<strong>einer</strong> Meinung<br />

nach hat sich kein Amerikaner – mit <strong>einer</strong><br />

Ausnahme; aber diese Person ist in Gewahrsam<br />

genommen worden – nach dem<br />

11. September 2001 s<strong>einer</strong> Freiheit beraubt<br />

gefühlt. Einige Reisende, die bei der<br />

Einreise in die Vereinigten Staaten befragt<br />

<strong>und</strong> untersucht wurden <strong>und</strong> bei denen in<br />

den meisten Fällen Verstöße gegen Immigrationsbestimmungen<br />

festgestellt wurden,mögen<br />

das anders sehen.Ich vertraue<br />

darauf, dass wir die Freiheit für alle unsere<br />

Bürger aufrechterhalten werden. Nach<br />

dem 11. September 2001 wurden einige<br />

Gesetze geändert,um die Zusammenarbeit<br />

zwischen CIA <strong>und</strong> den Streitkräften zu<br />

verbessern. Das entspricht dem ges<strong>und</strong>en<br />

Menschenverstand. Die Rechte des Einzelnen<br />

sind nach wie vor geschützt.<br />

General Naumann hat gefragt, ob wir<br />

es unseren Verbündeten ermöglichen könnten,<br />

in der NATO einen stärkeren Einfluss<br />

auszuüben. Es ist klar, dass die NATO nur<br />

funktionieren kann, wenn jeder, der dort<br />

am Tisch sitzt, weiß, dass seine Interessen<br />

angemessen vertreten sind. Ich war einige<br />

Jahre lang <strong>Vor</strong>sitzender eines NATO-Ausschusses.<br />

Es ist sehr schwierig, sich vorzustellen,<br />

dass eine internationale Institution,<br />

die gut arbeitet, anders funktionieren<br />

könnte.<br />

Natürlich wünschen wir uns ein starkes<br />

Europa.Europa muss entscheiden,wie<br />

stark es sein möchte. Wenn in der NATO<br />

die Verteidigungsbudgets so niedrig sind,<br />

stellt sich in der Tat die Frage, ob die<br />

NATO nicht ein Ärgernis ist. Können wir<br />

denn im Rahmen von militärischen Aktionen<br />

angemessen zusammenarbeiten,wenn<br />

Hochtechnologie eingesetzt werden muss,<br />

aber die Mittel nicht vorhanden sind? Wir


haben in Afghanistan Taliban-Kämpfer<br />

durch unbemannte Flugkörper ausgeschaltet,<br />

die in Tampa in Florida abgeschossen<br />

wurden.<br />

Wir möchten gern zusammen mit unseren<br />

Verbündeten kämpfen, aber wenn<br />

diese nicht präsent sein können, weil sie<br />

nicht über die entsprechenden Mittel <strong>und</strong><br />

Wege verfügen, dann ist das ein großes<br />

Problem. Peter Struck wird heute Nachmittag<br />

darauf zu sprechen kommen, dass<br />

er nicht über ein angemessenes Budget<br />

verfügt, um das deutsche Heer zu einem<br />

modern ausgestatteten Heer zu machen.<br />

Herr Viermetz hat die sehr gute Bemerkung<br />

gemacht, Präemption dürfe sich<br />

nicht auf militärische Aspekte beschränken,<br />

sondern müsse auch politische <strong>und</strong><br />

diplomatische Dimensionen haben.Genau<br />

das geschieht im Moment beispielsweise<br />

im Hinblick auf Nordkorea. Es muss Regeln<br />

für diese Präemption geben.Ich habe<br />

einen Dialog bezüglich dieses Themas angeregt,<br />

damit wir nicht auf der einen Seite<br />

des Atlantiks Ja zur Präemption sagen, auf<br />

der anderen Seite des Atlantiks aber Nein.<br />

Wir müssen diesen Dialog führen; wir<br />

müssen wissen, welche Regeln diesbezüglich<br />

gelten.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

52 53


„Die großen Herausforderungen, denen sich Europa <strong>und</strong> Amerika gegenübersehen,<br />

sind nicht verschw<strong>und</strong>en.“


Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen<br />

DR. PETER STRUCK, MDB<br />

B<strong>und</strong>esminister der Verteidigung, Berlin<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren! Die Debatte anlässlich der Irak-Krise über den<br />

Stellenwert <strong>und</strong> die Zukunft der transatlantischen Beziehungen hat einiges verdeutlicht:<br />

Erstens: Die Partnerschaft zwischen Europa <strong>und</strong> Amerika bedarf der Anpassung an<br />

veränderte Bedingungen <strong>und</strong> auch an veränderte Partner.<br />

Zweitens: Die großen Herausforderungen, denen sich sowohl Europa als auch die<br />

Vereinigten Staaten gemeinsam gegenübersehen, sind nicht verschw<strong>und</strong>en. Sie haben<br />

sich verändert <strong>und</strong> werden unterschiedlich wahrgenommen.Wie mit den veränderten Aufgaben<br />

<strong>und</strong> <strong>neuen</strong> globalen Risiken umgegangen werden soll,berührt den Kern der transatlantischen<br />

Differenzen, wie sie durch die Irak-Krise deutlicher zutage getreten sind.<br />

Drittens: Die Fortsetzung der euro-atlantischen Erfolgsstory der vergangenen Jahre<br />

<strong>und</strong> Jahrzehnte ist an bestimmte <strong>Vor</strong>aussetzungen geknüpft, beispielsweise an das internationale<br />

Recht <strong>und</strong> auch an Multilateralismus.<br />

Wer sich Gedanken über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen macht,sollte<br />

zunächst versuchen, sich ein Bild von dem zu machen, was sich verändert hat. Er sollte<br />

sich auch vor Augen führen, was die Partner weiterhin verbindet. Die führende Rolle<br />

der USA,im Wesentlichen gestützt auf eine beispiellose militärische Macht,ist in den vergangenen<br />

Jahren noch klarer hervorgetreten. Wie die jüngste Vergangenheit <strong>und</strong> die<br />

Gegenwart zeigen, hat militärische Macht auch ihre Grenzen. Militärische Macht allein<br />

ermöglicht nicht die dauerhafte Lösung komplexer politischer Konflikte. Sie allein<br />

befähigt auch nicht zum erfolgreichen „nation building“ <strong>und</strong> zur nachhaltigen Stabilisierung,<br />

wie es auf dem Balkan, in Afghanistan <strong>und</strong> sehr konkret im Irak erforderlich ist.<br />

Der Durchsetzungsfähigkeit der USA werden weniger durch potente Regionalmächte<br />

oder „Schurkenstaaten“ Grenzen gesetzt als vielmehr durch die Probleme <strong>einer</strong> komplexer<br />

gewordenen Welt.<br />

Nichtsdestotrotz ist – zumindest relativ – die gewachsene militärische Macht die<br />

Gr<strong>und</strong>lage des Anspruchs der USA, die Welt zu verändern oder – wie es in der nationalen<br />

Sicherheitsstrategie heißt – „im globalen Rahmen in führender Rolle den Triumph<br />

der Freiheit voranzutreiben“.<br />

Eine enorme militärtechnologische Überlegenheit verstärkt den Hang, die militärische<br />

Gewaltanwendung als sicherheitspolitisches Handlungsinstrument stärker zur Beeinflussung<br />

bedrohlicher Entwicklungen zur Geltung zu bringen.<br />

Die Terrorakte vom 11. September 2001 – das ist für uns Europäer immer wieder<br />

ins Gedächtnis zurückzurufen – haben in den USA zu einem anhaltenden Gefühl der Be-<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

54 55


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

Deutschlands Verantwortung<br />

für die eigene<br />

Sicherheit <strong>und</strong> für den<br />

Weltfrieden ist deutlich<br />

gestiegen.<br />

drohung <strong>und</strong> auch zu <strong>einer</strong> veränderten<br />

Weltsicht geführt. Das wurde <strong>und</strong> wird<br />

auch immer noch von vielen in Europa unterschätzt.<br />

Das Ergebnis dieses Bewusstseinswandels<br />

in Amerika war eine neue<br />

Entschlossenheit im – auch militärischen –<br />

Handeln gegen den internationalen Terrorismus<br />

wie überhaupt gegen das „Böse“ in<br />

der Welt.<br />

Im strategischen Bewusstsein vieler<br />

in Amerika haben sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

zentrale Orte der Auseinandersetzung<br />

um Freiheit <strong>und</strong> Sicherheit noch stärker<br />

aus Europa wegverlagert – hin zum<br />

Nahen <strong>und</strong> Mittleren Osten, nach Zentralasien<br />

<strong>und</strong> hin nach Süd- <strong>und</strong> Ostasien.<br />

Für die <strong>europäische</strong>n Verbündeten der<br />

USA hat dies eindeutig Folgen: Ihr bündnispolitischer<br />

Wert für die USA wird mehr<br />

<strong>und</strong> mehr danach bestimmt, inwieweit sie<br />

zur Lösung von Problemen in jenen Regionen<br />

beitragen, die für die USA künftig<br />

im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stehen.<br />

Aber natürlich hat sich auch auf unserer<br />

Seite des Atlantiks vieles verändert.<br />

Als souveräner Staat in der Mitte Europas<br />

ist Deutschlands Verantwortung für die eigene<br />

Sicherheit <strong>und</strong> für den Weltfrieden in<br />

den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.<br />

Tatsächlich zeigt unser enorm gewachsenes<br />

internationales militärisches<br />

Engagement auch: Wir haben gelernt, unsere<br />

Sicherheit stärker in globalen Dimensionen<br />

zu bewerten. Dieser Prozess ist<br />

noch nicht abgeschlossen. Das Kabinett<br />

hat gestern die Fortsetzung des Mandats<br />

im Kampf gegen den internationalen Terrorismus<br />

im Rahmen von „Enduring Freedom“<br />

beschlossen.Wir werden morgen im<br />

B<strong>und</strong>estag in erster Lesung diskutieren.<br />

Ich denke, es gibt in allen Fraktionen Diskussionen<br />

über die Notwendigkeit dieses<br />

Mandats.<br />

Insgesamt hat Europa einen mächtigen<br />

Sprung nach vorne getan, auch im militär-<br />

<strong>und</strong> sicherheitspolitischen Bereich.<br />

Handlungsfähigkeit <strong>und</strong> Handlungsbereitschaft<br />

sind größer geworden. Die Europäische<br />

Union ist – zusammen mit der NATO<br />

<strong>und</strong> der OSZE – mit Blick auf die Unterstützung<br />

ost<strong>europäische</strong>r Staaten <strong>und</strong> die<br />

Aufbaupolitik im Konfliktbereich Balkan<br />

zu einem Stabilitätsexporteur geworden.<br />

Nach den bitteren Erfahrungen aus den<br />

Balkankriegen wurde der Weg zu <strong>einer</strong> gemeinsamen<br />

Außen-, Sicherheits- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik<br />

der Europäischen Union<br />

eingeschlagen. Dieser Weg spiegelt die Anforderungen<br />

in <strong>einer</strong> Welt der Globalisierung<br />

wider. In dieser Welt kann sich Europa<br />

nur als einige,auf allen Ebenen <strong>und</strong> umfassend<br />

handlungsfähige Kraft behaupten.<br />

Diese Entwicklung hat zwangsläufig<br />

den Charakter der transatlantischen Beziehungen<br />

beeinflusst. Sie weist uns den<br />

Weg zu <strong>einer</strong> gleichgewichtigen Partnerschaft<br />

in der Zukunft. Die Erfahrungen eines<br />

politisch gespaltenen Europas während<br />

der Irak-Krise ändern daran nichts.<br />

Diese Erfahrungen waren eine heilsame<br />

Lehre für Europa <strong>und</strong> natürlich auch Ansporn,<br />

den 1999 auf dem EU-Gipfel in


DR. PETER STRUCK<br />

Köln eingeschlagenen Weg mit Nachdruck<br />

weiterzuverfolgen.<br />

Die transatlantischen Beziehungen zu<br />

Beginn dieses Jahrh<strong>und</strong>erts werden nicht<br />

nur durch Veränderungen geprägt. Es gibt<br />

wesentliche Konstanten im transatlantischen<br />

Verhältnis, die nach wie vor gelten<br />

<strong>und</strong> weiterhin eine wesentliche Gr<strong>und</strong>lage<br />

bilden. Das wird in tagesaktuellen Diskussionen<br />

häufig übersehen, obwohl es<br />

doch von enormer politischer <strong>und</strong> strategischer<br />

Bedeutung ist.<br />

Diese Konstanten erschöpfen sich<br />

nicht in der gemeinsamen Geschichte<br />

oder in gemeinsamen Erfolgen. Es gibt einen<br />

nach wie vor gültigen <strong>und</strong> tragfähigen<br />

Kanon gemeinsamer Werte wie Freiheit,<br />

Demokratie, Frieden <strong>und</strong> Gerechtigkeit,<br />

der uns mit den Amerikanern vereint.<br />

Natürlich hat auch die wirtschaftliche<br />

Interdependenz der beiden Regionen<br />

USA <strong>und</strong> Europa weiter zugenommen; sie<br />

ist einzigartig in der Welt. Bei aller wirtschaftlicher<br />

Konkurrenz erwächst daraus<br />

auch der Zwang zur Kooperation <strong>und</strong> zur<br />

Durchsetzung gemeinsamer Interessen –<br />

für freien Welthandel,für Marktwirtschaft,<br />

für Wachstum,Wohlstand <strong>und</strong> Prosperität<br />

in einem stabilen internationalen Umfeld.<br />

Es ist die sicherheitspolitische Kernaufgabe<br />

der transatlantischen Partner, auf<br />

ein stabiles internationales Umfeld hinzuwirken.<br />

Es stimmt nach wie vor:Wenn Europa<br />

<strong>und</strong> Amerika gegeneinander stehen,<br />

wäre keines der großen Probleme dieser<br />

Welt leichter lösbar.<br />

<strong>Vor</strong> dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Erkenntnis<br />

stehen die transatlantischen Partner<br />

auch in nächster Zeit vor wichtigen Aufgaben,<br />

die sie gemeinsam angehen müssen,<br />

um erfolgreich zu sein. Die Stärke <strong>und</strong> der<br />

Charakter unserer Beziehungen werden in<br />

Zukunft wesentlich durch diese gemeinsame<br />

Agenda definiert.<br />

Angesichts der begrenzten Zeit möchte<br />

ich nur auf drei Schwerpunkte eingehen:<br />

Ich nenne erstens die Förderung der<br />

regionalen Stabilität.Die Förderung der regionalen<br />

Stabilität, die Entschärfung <strong>und</strong><br />

Bewältigung regionaler Krisen <strong>und</strong> Konflikte<br />

innerhalb <strong>und</strong> außerhalb Europas<br />

sind strategische Herausforderungen ersten<br />

Ranges. Gemeinsame Konzepte der<br />

transatlantischen Partner liegen allerdings<br />

nur in Ausnahmefällen vor.Wir müssen alles<br />

tun, um zur Entwicklung von Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> kooperativen Sicherheitsstrukturen,<br />

zu wirtschaftlichen Perspektiven,<br />

zur Lösung politischer Konflikte <strong>und</strong><br />

zu nachhaltigen Friedensstrategien beizutragen.<br />

Auf dem Balkan genauso wie auch in<br />

Afghanistan wurde überzeugend unter<br />

Beweis gestellt, was die euro-atlantischen<br />

Staaten bei einem konzertierten <strong>Vor</strong>gehen<br />

zur Friedenssicherung zu leisten imstande<br />

sind.Angesichts der Risiken für unsere Sicherheit<br />

besteht auch darüber hinaus<br />

Handlungsbedarf, dem sich Europäer <strong>und</strong><br />

Amerikaner aus strategischen Gründen gemeinsam<br />

stellen müssen. Denn es gilt:Was<br />

außerhalb der NATO <strong>und</strong> der Europäi-<br />

Es gibt einen nach<br />

wie vor gültigen <strong>und</strong><br />

tragfähigen Kanon<br />

gemeinsamer Werte.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

56 57


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

Der NATO kommt nach<br />

wie vor die Rolle als<br />

zentrale Sicherheitsinstitution<br />

der euroatlantischen<br />

Partner zu.<br />

schen Union, was in Regionen wie dem<br />

Nahen <strong>und</strong> Mittleren Osten, dem Kaspischen<br />

Raum, was in Südostasien <strong>und</strong> in<br />

Teilen Afrikas heute in Entwicklung <strong>und</strong><br />

Stabilität nicht investiert wird, fällt morgen<br />

auf uns in Europa <strong>und</strong> auf die USA als<br />

Sicherheitsproblem wieder zurück.<br />

Die Entwicklung des internationalen<br />

Terrorismus hat dies eindrücklich bestätigt.<br />

Der Stabilitätstransfer auch in diese<br />

genannten Teile der Welt ist daher ein<br />

strategischer Imperativ, der für Europa<br />

<strong>und</strong> für die USA gleichermaßen gilt. Ich<br />

denke, Richard Perle wird dies nicht anders<br />

sehen als ich.<br />

Ich nenne zweitens die Verbesserung<br />

der Fähigkeiten der NATO. Der NATO<br />

kommt nach wie vor die Rolle als zentrale<br />

Sicherheitsinstitution der euro-atlantischen<br />

Partner zu.Wer sie in dieser Bedeutung<br />

erhalten will, muss sie weiter anpassen:<br />

ihre Struktur, ihre Ziele <strong>und</strong> ihre<br />

Fähigkeiten. In dieser Beziehung war der<br />

Prager Gipfel im letzten Jahr ein großer<br />

Schritt nach vorn. Es wurde eine große Erweiterung<br />

der NATO beschlossen, genauso<br />

wie die Reform der Kommandostruktur,<br />

die Einrichtung <strong>einer</strong> NATO-Response-<br />

Force, die Transformation der Streitkräfte<br />

sowie Maßnahmen zur Anpassung der<br />

NATO an asymmetrische Bedrohungen,<br />

insbesondere an die Bedrohung des<br />

Terrorismus.<br />

In Prag,spätestens aber mit der Übernahme<br />

des Einsatzes in Afghanistan durch<br />

die NATO, hat diese ihre angebliche „Sinnkrise“<br />

eindeutig überw<strong>und</strong>en. Die dezidierte<br />

globalere Orientierung der Allianz,<br />

die der <strong>neuen</strong> Sicherheitslage entspricht,<br />

ist absolut richtig. Das Bündnis muss die<br />

Interessen s<strong>einer</strong> Mitglieder dort verteidigen<br />

können, wo sie gefährdet sind. Das ist<br />

der Hintergr<strong>und</strong> für meinen von manchen<br />

kritisierten Satz: Deutschland wird auch<br />

am Hindukusch verteidigt.<br />

Deshalb ist die Transformation der<br />

NATO, was die Entscheidungs- <strong>und</strong> die<br />

Führungsstrukturen sowie die militärischen<br />

Fähigkeiten angeht, so außerordentlich<br />

wichtig. Wir brauchen verlegbare Streitkräfte<br />

<strong>und</strong> rasche Entscheidungsprozesse<br />

in der NATO <strong>und</strong> in den Mitgliedstaaten.<br />

Am Konsensprinzip im Bündnis darf nicht<br />

gerüttelt werden. Ich halte dies auch deshalb<br />

für wichtig, um die Versuchung unseres<br />

amerikanischen Bündnispartners zu<br />

verringern, auf das für die Allianz insgesamt<br />

schädliche Muster der „coalition of<br />

the willing“ zurückzugreifen, wenn es in<br />

der NATO keinen Konsens geben sollte.<br />

Drittens nenne ich die Stärkung der<br />

<strong>europäische</strong>n Handlungsfähigkeit. Europa<br />

hat seit 1999 große Anstrengungen unternommen,<br />

um mehr Handlungsfähigkeit<br />

zur Bewältigung von Krisen <strong>und</strong> Konflikten<br />

zu gewinnen.Wir haben dazu drei <strong>europäische</strong><br />

Operationen im Jahre 2003 erfolgreich<br />

durchgeführt. Mit der „strukturierten“<br />

<strong>und</strong> der „engeren“ Zusammenarbeit<br />

für Gruppen von Mitgliedstaaten<br />

eröffnet der Verfassungsvertrag der Europäischen<br />

Union weitreichende Möglich-


DR. PETER STRUCK<br />

keiten, die <strong>europäische</strong> Sicherheits- <strong>und</strong><br />

Verteidigungspolitik substanziell weiterzuentwickeln.<br />

Ich bin mir sicher: Ein starkes<br />

<strong>und</strong> handlungsfähiges Europa liegt<br />

auch deutlich im amerikanischen Interesse.<br />

Die Amerikaner können kein Interesse an<br />

einem schwachen Europa haben. Deshalb<br />

muss Europa militärisch handlungsrelevanter<br />

werden.<br />

Ein stärkeres Europa darf nicht als<br />

Gegenmacht zu Amerika entwickelt werden,<br />

sondern als starker Partner mit in der<br />

Welt einzigartigen Ressourcen. Wie keine<br />

andere Institution ist die Europäische Union<br />

in der Lage, politische, militärische, zivile<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Mittel im Zusammenhang<br />

zur Krisenbewältigung einzusetzen.<br />

Ein stärkerer <strong>europäische</strong>r Akteur<br />

kann jedoch – ebenso wie ein übermächtiger<br />

amerikanischer Akteur – zu Spannungen<br />

führen. Diese gilt es im gemeinsamen<br />

Interesse möglichst gering zu halten.<br />

Unser Gr<strong>und</strong>verständnis ist: Die Ausgestaltung<br />

der Gemeinsamen Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik<br />

<strong>und</strong> der <strong>europäische</strong>n Sicherheits-<br />

<strong>und</strong> Verteidigungspolitik ist nicht<br />

eine Sache der Europäer allein. Wir Europäer<br />

brauchen die amerikanische Unterstützung<br />

für die weitere <strong>europäische</strong> Integration<br />

<strong>und</strong> wir wollen eine optimale Zusammenarbeit<br />

zwischen der Europäischen<br />

Union <strong>und</strong> der NATO. Ich hielte den Ansatz,<br />

die <strong>europäische</strong> Sicherheits- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik<br />

als Gegengewicht zu den<br />

USA zu entwickeln, für absolut schädlich.<br />

Gleichwohl bin ich davon überzeugt,<br />

dass wir die Kompatibilität von <strong>europäische</strong>r<br />

Sicherheits- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik<br />

<strong>und</strong> NATO durch Aufgabenteilung verbessern<br />

können. Das führt zu <strong>einer</strong> größtmöglichen<br />

Transparenz gegenüber den USA<br />

im Zuge der Fortentwicklung der <strong>europäische</strong>n<br />

Sicherheits- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik.<br />

Ich habe bereits darauf hingewiesen,<br />

dass der Erfolg der transatlantischen Beziehungen<br />

an bestimmte <strong>Vor</strong>aussetzungen<br />

geknüpft ist. Dazu gehören das internationale<br />

Recht <strong>und</strong> der Multilateralismus.<br />

Die Verlockungen des einseitigen<br />

Handelns sind für eine militärische Weltmacht<br />

naturgemäß stärker als für andere<br />

Staaten. Allerdings haben sich auch die<br />

Vereinigten Staaten von Amerika dem<br />

dichten Netz internationaler Institutionen<br />

<strong>und</strong> Regeln unterworfen. Dieses dient dazu,<br />

eine unheilvolle Trennung von Macht<br />

<strong>und</strong> Recht zu verhindern. Es bindet auch<br />

die vielen kl<strong>einer</strong>en Staaten <strong>und</strong> verhindert<br />

durch die Teilnahme der USA gerade<br />

auch Bündnisse gegen die USA.<br />

Es ist allerdings auch richtig, dass in<br />

Europa bisweilen vergessen wird, dass das<br />

internationale Recht nur dann Gewicht<br />

entfaltet, wenn es auch durchgesetzt werden<br />

kann, <strong>und</strong> zwar notfalls auch mit militärischen<br />

Mitteln. Umgekehrt übersieht<br />

der eine oder andere in den USA bisweilen,<br />

dass die Anwendung militärischer<br />

Macht meist nur dann zu langfristig tragfähigen<br />

politischen Ergebnissen führt,<br />

wenn sie durch internationales Recht legi-<br />

Ein stärkeres Europa<br />

darf nicht als Gegenmacht<br />

zu Amerika<br />

entwickelt werden.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

58 59


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

Das Gewaltverbot darf<br />

nicht ausgehöhlt werden.<br />

timiert <strong>und</strong> in ein überzeugendes politisches<br />

Konzept eingebettet ist.<br />

Niemand wird die USA auch künftig<br />

daran hindern können, bei der Gefährdung<br />

ihrer Interessen auch einseitig zu<br />

handeln. In diesen Zusammenhang gehört<br />

die so strittig diskutierte Frage eines möglichen<br />

präemptiven militärischen <strong>Vor</strong>gehens<br />

gegen Terroristen <strong>und</strong> andere Bedrohungen.<br />

Ich will überhaupt nicht in Abrede<br />

stellen,dass es Situationen geben kann,<br />

die eine Inanspruchnahme des Rechts auf<br />

präemptive Selbstverteidigung unvermeidbar<br />

machen. Nach wie vor sollte die<br />

präemptive Selbstverteidigung erst nach<br />

Ausschöpfung aller friedlichen <strong>und</strong> diplomatischen<br />

Mittel durch den bedrohten<br />

Staat <strong>und</strong> die internationale Gemeinschaft<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>einer</strong> Einzelfallentscheidung<br />

ausgeübt werden. Das Gewaltverbot<br />

darf nicht ausgehöhlt werden.Davon würden<br />

zuallererst jene Akteure profitieren,<br />

die sich schon bisher schwer getan haben,<br />

internationales Recht zu akzeptieren.<br />

Ich komme zum Multilateralismus.<br />

Es ist zwar richtig: Für einen Staat wie<br />

Deutschland ist der Multilateralismus ein<br />

Muss, für die USA ist es eine Option unter<br />

mehreren.Das hat der Irak-Krieg bestätigt.<br />

Das ändert aber nichts daran,dass auch für<br />

die Weltmacht USA das multilaterale <strong>Vor</strong>gehen<br />

zur Bewältigung globaler Sicherheitsprobleme<br />

in aller Regel die beste Option<br />

darstellt.<br />

Auch eine Nation ohne ebenbürtige<br />

militärische Gegner kann nicht ohne Partner<br />

auskommen. Das wird Tag für Tag in<br />

Krisenregionen dieser Welt deutlich.Weit<br />

über 30 Nationen sind in Südosteuropa,<br />

genauso viele in Afghanistan militärisch<br />

engagiert,um ein sicheres Umfeld zu schaffen<br />

<strong>und</strong> „nation building“ zu ermöglichen.<br />

Die politische Legitimität, die internationale<br />

Unterstützung <strong>und</strong> auch eine angemessene<br />

Lastenverteilung sind selbst<br />

für die stärkste Macht von hoher Bedeutung<br />

für ihr Handeln nach außen <strong>und</strong> nach<br />

innen.Der Multilateralismus ist eben nicht<br />

lästiges Beiwerk oder ein Zugeständnis an<br />

kl<strong>einer</strong>e Partner. Bezogen auf die NATO<br />

heißt dies für mich: Eine auf die Toolbox-<br />

Rolle begrenzte NATO wird nicht lebensfähig<br />

bleiben. Ad-hoc-Verbündete können<br />

ein festes Bündnis nicht ersetzen.<br />

Andererseits sollten die Europäer erkennen,dass<br />

Multilateralismus kein Selbstzweck<br />

<strong>und</strong> erst recht nicht ein Dogma<br />

sein kann. Es macht wenig Sinn, beispielsweise<br />

den Vereinten Nationen eine Rolle<br />

zuzuschreiben, die sie – sei es wegen fehlender<br />

Einigkeit im Sicherheitsrat, sei es<br />

wegen unzureichender Entscheidungs<strong>und</strong><br />

Krisenmanagementstrukturen, sei es<br />

wegen fehlender militärischer Kapazitäten<br />

– häufig schlicht <strong>und</strong> einfach nicht wahrnehmen<br />

können.<br />

Ich denke, dass deutlich geworden<br />

ist: Amerika <strong>und</strong> Europa müssen „erste<br />

Wahl“ füreinander bleiben. Dies verlangt<br />

auf beiden Seiten die Bereitschaft zu substanziellen<br />

Beiträgen. Dies verlangt aber<br />

auch gegenseitigen Respekt <strong>und</strong> die Fähig-


DR. PETER STRUCK<br />

keit, divergierende Positionen nicht als<br />

Anfang vom Ende <strong>einer</strong> virtuellen transatlantischen<br />

Harmonie zu interpretieren;<br />

denn sie sind Ausdruck <strong>einer</strong> wünschenswerten<br />

politischen Emanzipation <strong>und</strong><br />

gleichberechtigter Partnerschaft.<br />

Gemeinsames Handeln setzt einen<br />

umfassenden <strong>und</strong> intensiven Dialog <strong>und</strong><br />

eine entsprechende Abstimmung über<br />

Handlungsoptionen voraus. Dies hat in<br />

den vergangenen Jahren eindeutig gelitten.<br />

Wer nicht miteinander redet oder reden<br />

will, kann auch nicht gemeinsam handeln.<br />

So einfach ist das.<br />

Mit der nationalen Sicherheitsstrategie<br />

der USA <strong>und</strong> der EU-Sicherheitsstrategie<br />

liegen wichtige <strong>Vor</strong>aussetzungen vor,<br />

um in der NATO, zwischen der NATO <strong>und</strong><br />

der EU sowie auf bilateraler Ebene strategische<br />

Analyse <strong>und</strong> strategische Handlungsoptionen<br />

einander anzunähern. Wer<br />

den Blick nach vorne richtet, wird erkennen,<br />

dass es dazu keine vernünftige Alternative<br />

gibt.<br />

Ich möchte schließen mit einem Zitat<br />

von Ralf Dahrendorf,der dies unlängst wie<br />

folgt gefasst hat: „Je geteilter der Westen<br />

ist, desto verletzlicher ist er. Teilt er sich,<br />

hat er den Kern s<strong>einer</strong> Stärke verloren.“<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

60 61


Diskussion<br />

Leitung: KLAUS-DIETER FRANKENBERGER,<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main<br />

Klaus-Dieter Frankenberger: Herr Minister Struck, mir ist aufgefallen, dass Sie, als<br />

Sie die Zukunftsperspektiven der transatlantischen Beziehungen entworfen haben, den<br />

Begriff „Deutschland“ nur ein einziges Mal erwähnt haben,<strong>und</strong> zwar im Zusammenhang<br />

mit dem Multilateralismus. Es gab heute <strong>Vor</strong>mittag einen kleinen Gr<strong>und</strong>chor im <strong>Vor</strong>dergr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> im Hintergr<strong>und</strong>, der eine Macht als Bruchstelle identifizierte, nämlich<br />

Deutschland, <strong>und</strong> zwar insofern, als Deutschland in vielen Politikdimensionen im letzten<br />

Jahr eine nicht unerhebliche Rolle dabei gespielt hat,die sich auftuende Kluft in den<br />

transatlantischen Beziehungen möglicherweise zu verschärfen.<br />

Prof. Dr. Helga Haftendorn: Herr Minister, ich hatte das Privileg, bereits Ihren <strong>Vor</strong>trag<br />

am Montag zu hören. Ich möchte zwei Zwickmühlen ansprechen. Zum einen haben<br />

Sie ein begrenztes Budget. Das wissen wir alle; viele von uns beklagen dies. Zum anderen<br />

stehen Sie vor Anforderungen wie etwa den Helsinki Headline Goals.Wie setzen Sie in<br />

Ihrem Ministerium Prioritäten?<br />

Die B<strong>und</strong>eswehr ist gerade im Afghanistan-Konflikt in herausragender Weise unterschiedlichen<br />

Aufgaben nachgekommen, <strong>und</strong> zwar zum einen hinsichtlich der KSK <strong>und</strong><br />

zum anderen als Stabilisierungskraft in Kabul <strong>und</strong> K<strong>und</strong>uz. Die B<strong>und</strong>eswehr braucht eine<br />

andere Ausbildung <strong>und</strong> anderes Gerät, je nachdem, ob es sich um die KSK-Intervention,<br />

also die Friedenserzwingung,oder um die Friedenssicherung wie in K<strong>und</strong>uz handelt.Wie<br />

werden Sie dem mit Ihrem begrenzten Budget gerecht?<br />

Dr. Peter Struck: Das Kommando Spezialkräfte, das wir im Einvernehmen mit den<br />

amerikanischen Fre<strong>und</strong>en aus Afghanistan zurückgezogen haben, ist im Rahmen des<br />

Mandats „Enduring Freedom“ tätig geworden.Ich denke,dieses Mandat wird in der nächsten<br />

Woche vom B<strong>und</strong>estag verlängert werden.Wir haben das Kommando Spezialkräfte<br />

weiter in dem Mandat.Wir sind in der Lage, dieses Kommando innerhalb von 48 St<strong>und</strong>en<br />

an jeden Ort der Welt zu entsenden.<br />

Wir haben gegenüber dem alten Mandat nur eine Veränderung vorgenommen.Wir<br />

haben im Kabinett gestern nicht mehr beschlossen,ABC-Abwehreinheiten im Rahmen<br />

dieses Mandats einzusetzen – auch das ist in Absprache mit unseren amerikanischen<br />

Fre<strong>und</strong>en geschehen –, weil es dazu im Augenblick keinen konkreten Anlass gibt. Falls<br />

es einen Anlass geben sollte, werden sie nach einem entsprechenden B<strong>und</strong>estagsbeschluss<br />

sofort wieder verlegt.<br />

In Kabul sorgen wir Tag <strong>und</strong> Nacht mit Fußtruppen <strong>und</strong> Fahrzeugpatrouillen für<br />

die Stabilität der afghanischen Übergangsregierung. Sie sorgen für relativ ruhige Verhältnisse<br />

in der Stadt Kabul <strong>und</strong> der „area of responsibility“.<br />

In K<strong>und</strong>uz besteht die Aufgabe, die politischen Möglichkeiten der Übergangsregie-<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

62 63


DISKUSSION<br />

Natürlich habe ich<br />

Probleme mit<br />

meinem Haushalt.<br />

rung von Präsident Karzai in die einzelnen<br />

Provinzen zu verlagern,indem mehr Stabilität<br />

geschaffen wird.Wir haben derzeit etwa<br />

50 Soldaten in einem <strong>Vor</strong>kommando in K<strong>und</strong>uz.<br />

Sie haben dort eine andere Funktion<br />

als die Soldaten in Kabul. Sie sollen mithelfen,dass<br />

die zivilen Aufbauhelfer sowohl<br />

von Regierungsorganisationen – beispielsweise<br />

der GTZ –,aber auch von Nichtregierungsorganisationen<br />

ihren zivilen Aufgaben<br />

ohne Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben nachgehen<br />

können.Wir werden dort im Wesentlichen<br />

„normale“ Kräfte haben, auch mit<br />

geschützten Fahrzeugen,aber keine Kräfte,<br />

die sozusagen auf Kampf eingerichtet<br />

sind,um es einmal vereinfacht darzustellen.<br />

Natürlich habe ich Probleme mit meinem<br />

Haushalt. Ich bin mit <strong>einer</strong> globalen<br />

Minderausgabe beglückt worden, die ich<br />

natürlich akzeptiere, weil ich den Kabinettsbeschluss<br />

mitgetragen habe.Sie macht<br />

mir natürlich die Erfüllung mancher Aufgaben<br />

schwerer.<br />

Zu Ihrer ersten Frage:Für mich ist das<br />

entscheidende Ziel <strong>einer</strong> von mir angeordneten<br />

Überprüfung der B<strong>und</strong>eswehrreform<br />

– der Generalinspekteur hat dazu<br />

den Auftrag, mir bis Jahresende in Abstimmung<br />

mit den Inspekteuren der Teilstreitkräfte<br />

einen <strong>Vor</strong>schlag vorzulegen –, die<br />

B<strong>und</strong>eswehr für diejenigen Bereiche leistungsfähiger<br />

zu machen, in denen wir internationale<br />

Verpflichtungen eingegangen<br />

sind.<br />

Das fängt an mit der Frage der Durchhaltefähigkeit<br />

eines Einsatzkontingents,<br />

das wir an jeden Ort der Welt schicken werden,<br />

wenn es entsprechende Beschlüsse<br />

der Vereinten Nationen, der NATO, der<br />

Europäischen Union oder unseres Parlaments<br />

gibt. Die Größenordnung beträgt<br />

35 000 Soldaten, die Durchhaltefähigkeit<br />

ist auf ein Jahr festgelegt.Die Auguren wissen,<br />

dass eine solche Operation bedeutet,<br />

dass nicht nur 35 000 Soldaten geb<strong>und</strong>en<br />

sind, sondern dreimal so viel, weil wir ja<br />

immer ein Kontingent bereithalten müssen,<br />

das ablöst, <strong>und</strong> <strong>Vor</strong>bereitungskontingente<br />

benötigen. Regenerationsphasen<br />

sind einzuhalten.<br />

Ich habe angeordnet,dass die Planung<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage von 250 000 Soldaten<br />

erfolgen soll. Das entspricht gegenüber<br />

der Planung meines Amtsvorgängers <strong>einer</strong><br />

Reduzierung um 35 000 Soldaten. Ich habe<br />

ferner angeordnet,dass entgegen dem Plan<br />

meines Amtsvorgängers die Zahl der Zivilbeschäftigten<br />

der B<strong>und</strong>eswehr nicht auf<br />

den Umfang zwischen 80 000 <strong>und</strong> 90 000<br />

zurückgeführt wird, sondern auf 75 000.<br />

Es gibt im Augenblick in meinem Verantwortungsbereich<br />

etwa 400 000 Beschäftigte:<br />

R<strong>und</strong> 290 000 Soldaten <strong>und</strong> r<strong>und</strong><br />

110 000 Zivilbeschäftigte. Diese Zahl wird<br />

auf insgesamt 325 000 zurückgehen.<br />

Ich bewege zwei Stellschrauben, um<br />

in einem Stufenplan bis 2010 die Budgetprobleme<br />

zu lösen. Im Augenblick geben wir<br />

von unserem Etat in Höhe von 24,5 Milliarden<br />

Euro 50 Prozent für Personalkosten<br />

aus. Die zweite Stellschraube sind die Betriebskosten,<br />

die r<strong>und</strong> 25 Prozent ausma-


chen. Der Rest in Höhe von 25 Prozent<br />

entfällt auf Investitionen. Ziel ist es, den<br />

Anteil der Ausgaben für Investitionen auf<br />

30 Prozent zu erhöhen.<br />

Eine rückhaltlose Überprüfung der<br />

<strong>Vor</strong>haben im Rahmen der Rüstungsplanung<br />

hat ergeben,dass diese in den Jahren<br />

2004 bis 2012 zu <strong>einer</strong> Lücke im Etat in<br />

Höhe von mehreren Milliarden Euro geführt<br />

hätten. Deshalb steht generell jede<br />

Beschaffungsmaßnahme,ob sie vom Heer,<br />

von der Luftwaffe oder von der Marine gewünscht<br />

wird, die nicht rechtlich geb<strong>und</strong>en<br />

ist, unter einem Prüfungsvorbehalt.<br />

Das kann dazu führen – das ist der wehrtechnischen<br />

Industrie bekannt –,dass Projekte,<br />

von deren Verwirklichung man ausgeht,<br />

nicht verwirklicht werden. Andere<br />

<strong>Vor</strong>haben hingegen, die überhaupt noch<br />

nicht etatisiert, aber erforderlich sind, beispielsweise<br />

die Entwicklung eines Nachfolgesystems<br />

für die Patriot-Raketen, müssen<br />

neu etatisiert werden. Damit beschäftigen<br />

wir uns im Augenblick intensiv.<br />

Klaus Naumann: Herr Minister, Sie<br />

haben sich in Ihrem <strong>Vor</strong>trag dankenswerterweise<br />

gegen eine „coalition of the<br />

willing“ ausgesprochen. Ich nehme an, Sie<br />

sind nicht ganz glücklich, wenn die NATO<br />

gelegentlich als Toolbox bezeichnet wird,<br />

denn das ist ja nichts anderes als der Ausdruck<br />

<strong>einer</strong> „coalition of the willing“, bei<br />

der man nimmt, was man gerade gebrauchen<br />

kann.<br />

Denken Sie bei der Transformation in<br />

Streitkräfte des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts mit begrenzten<br />

Mitteln auch an multinationale<br />

Ansätze im <strong>europäische</strong>n Bereich, die<br />

komplementär zu den vorhandenen amerikanischen<br />

Fähigkeiten eine NATO-Fähigkeit<br />

schaffen könnten, damit die Eingreiftruppe<br />

– sei es eine der NATO, sei es eine<br />

der Europäischen Union – nicht blind <strong>und</strong><br />

taub ins Gefecht geht, sondern so wie die<br />

Amerikaner im Irak sehend? Ich denke<br />

beispielsweise an eine Komponente, die<br />

analog zum AWACS-Modell organisiert ist<br />

<strong>und</strong> für Aufklärung sorgt. Ich denke auch<br />

an eine Komponente, die für Strike-Fähigkeiten<br />

sorgt.<br />

Glauben Sie, dass dies ein gangbarer<br />

Weg ist,der Ihnen hilft,Ressourcen zu sparen?<br />

Sehen Sie bei unseren <strong>europäische</strong>n<br />

Partnern die Bereitschaft zum Souveränitätsverzicht,<br />

der damit verb<strong>und</strong>en wäre?<br />

Dr. Peter Struck: Zur ersten Frage:<br />

eindeutig ja. Wir sind in intensiven Gesprächen<br />

auch mit dem amerikanischen<br />

Verteidigungsministerium, aber natürlich<br />

auch auf der <strong>europäische</strong>n Ebene. Wir<br />

müssen über eigene <strong>europäische</strong> Fähigkeiten<br />

im Satellitenbereich,im Bereich der<br />

unbemannten Aufklärungsflugzeuge, der<br />

Drohnen, <strong>und</strong> anderes nachdenken. Hier<br />

sind wir in einem guten Prozess.<br />

Donald Rumsfeld hat mir gegenüber<br />

den <strong>Vor</strong>zug, dass er viel Geld hat, allerdings<br />

auch mit Begrenzungen, denn auch<br />

der amerikanische Verteidigungsminister<br />

prüft jetzt den Umfang der Stationierung<br />

s<strong>einer</strong> Streitkräfte außerhalb der USA,<br />

auch in unserem Land. Ein bisschen Sorge<br />

Wir müssen über<br />

eigene <strong>europäische</strong><br />

Fähigkeiten im Satellitenbereich<br />

<strong>und</strong><br />

anderes nachdenken.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

64 65


DISKUSSION<br />

Wie viel Selbstständigkeit<br />

Europas<br />

innerhalb der NATO<br />

ist eigentlich möglich,<br />

auch gewollt?<br />

macht mir schon die Frage, welche Auswirkungen<br />

das auf die amerikanischen<br />

Standorte in Deutschland haben wird.<br />

Zur zweiten Frage: Ich bin immer<br />

wieder etwas enttäuscht darüber,wenn es<br />

Rückschläge bei gemeinsamen Projekten<br />

gibt, die eigentlich von allen als sinnvoll<br />

anerkannt werden. Ich nenne hier den<br />

Rückschlag im Bereich der Entwicklung<br />

<strong>und</strong> der anschließenden Beschaffung eines<br />

gepanzerten Transportfahrzeugs. Da<br />

besteht ein eindeutiger Bedarf.Wir haben<br />

das in Afghanistan gesehen. Man kann<br />

nicht immer nur mit Fuchs-Transportpanzern<br />

durch die Gegend fahren; man<br />

braucht größere Fahrzeuge mit entsprechender<br />

Schutzausrüstung. Dieses Projekt<br />

haben das Vereinigte Königreich, die Niederlande<br />

<strong>und</strong> Deutschland gemeinsam auf<br />

den Weg gebracht.Auf jedes Land entfielen<br />

200 GTK, genannt „Boxer“. Jetzt ist die<br />

Entwicklungsphase beendet <strong>und</strong> die Briten<br />

steigen mit der Begründung aus: Im<br />

Irak-Krieg haben wir gemerkt, dass wir<br />

leichtere Fahrzeuge brauchen. Sie verabschieden<br />

sich aus diesem Projekt.<br />

Da der niederländische Kollege erhebliche<br />

Probleme mit seinem Haushalt<br />

hat, habe ich jetzt die große Sorge, dass<br />

auch er aussteigt. Das ist genau die Entwicklung,<br />

die man eigentlich nicht haben<br />

will.Im Gr<strong>und</strong>e müsste man möglichst viele<br />

gemeinsame Projekte durchführen.<br />

Dann wird es für jedes <strong>europäische</strong> Land<br />

billiger <strong>und</strong> es gibt eine entsprechende<br />

Kompatibilität.<br />

Die Zielrichtung wird verbal von allen<br />

anerkannt, aber in einzelnen Bereichen<br />

geht die Entwicklung doch wieder auseinander.Das<br />

hat auch etwas mit der möglichen<br />

Aufgabe von Souveränität in diesem<br />

Bereich zu tun; das ist jedenfalls mein Eindruck.Es<br />

geht darum,ob nicht eine britische<br />

Firma doch lieber einen Sonderauftrag erhält,statt<br />

ein deutsches Projekt zu wählen.<br />

Das ist ein mühsamer Weg, aber ich<br />

bin nicht bereit, von ihm abzuweichen. Es<br />

gibt auch erfreuliche Entwicklungen. Beispielsweise<br />

ist jetzt Spanien dem Projekt<br />

Kampfhubschrauber „Tiger“ beigetreten,<br />

diesem deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekt.<br />

Auch auf dem Gebiet des<br />

U-Boot-Baus sind wir auf einem guten Wege.<br />

Man kann also sagen: Es gibt erfreuliche<br />

Entwicklungen, es gibt auch Rückschläge.Generell<br />

wird von niemandem die<br />

Notwendigkeit bestritten, die Sie eben angesprochen<br />

haben, Herr Naumann.<br />

Prof. Dr. Hans <strong>Vor</strong>länder: Meine Frage<br />

zielt auf die politische Konzeption,vielleicht<br />

auch die Vision, die hinter den<br />

Bemühungen steht, die Sie, Herr Minister,<br />

gerade hinsichtlich der gemeinsamen Projekte<br />

angesprochen haben.Der vielfach so<br />

genannte „Pralinengipfel“ war sozusagen<br />

das Symbol <strong>einer</strong> zunehmenden Verselbstständigung.<br />

Wie viel Selbstständigkeit Europas<br />

innerhalb der NATO ist eigentlich<br />

möglich, auch gewollt? Früher hat man<br />

von <strong>einer</strong> Zweisäulentheorie innerhalb<br />

der NATO gesprochen. Das ist im Augenblick<br />

nicht mehr der Fall. Gleichwohl gibt


es symbolische Akte, die so etwas zumindest<br />

nach außen hin andeuten. Wie viel<br />

Selbstständigkeit ist möglich? Bis wohin<br />

darf man gehen?<br />

Dr. Peter Struck: Zunächst einmal<br />

muss man darauf hinweisen, dass Europa<br />

ja aus 25,später 27 – vielleicht noch mehr –<br />

Staaten bestehen wird.Ab 1. Mai nächsten<br />

Jahres kommen einige Länder hinzu. Es ist<br />

völlig ausgeschlossen, dass alle sozusagen<br />

im Gleichschritt marschieren werden. Ich<br />

bekomme viele Besuche von Verteidigungsministern<br />

aus den Staaten, die neu<br />

in der NATO sind oder demnächst neu zur<br />

Europäischen Union kommen. Sie haben<br />

ganz andere Probleme als wir. Sie haben<br />

das Problem, dass sie zu viele Soldaten haben,<br />

dass sie veraltetes Gerät haben <strong>und</strong><br />

dass sie über wenig Geld verfügen. Sie<br />

bauen die Zahl der Soldaten ab, mit der<br />

Gefahr, dass ein Potenzial an Unzufriedenheit<br />

entsteht, das nicht ganz ungefährlich<br />

ist.<br />

Was tun sie im Bereich der Beschaffungen?<br />

Dazu will ich einen ganz ärgerlichen<br />

<strong>Vor</strong>gang schildern. Wir haben den<br />

polnischen Fre<strong>und</strong>en 110 Leopard-2-Panzer<br />

für ein Zehntel des Preises fast geschenkt.<br />

Ich habe immer noch genug Leopard-2-Panzer;<br />

wenn <strong>einer</strong> von Ihnen Interesse<br />

an einem solchen Panzer hat, soll<br />

er sich bei mir melden. Das hat aber nicht<br />

dazu geführt, dass sich die Polen bei der<br />

Frage, welches Jagdflugzeug sie für ihre<br />

Luftwaffe anschaffen, dem Projekt Eurofighter<br />

angeschlossen haben, was für alle<br />

beteiligten Staaten ein <strong>Vor</strong>teil gewesen wäre.<br />

Sie haben sich vielmehr für die amerikanische<br />

F 16 entschieden. Ich will jetzt<br />

die Hintergründe dieser <strong>Vor</strong>gänge nicht<br />

darstellen.Sie können sich vorstellen,dass<br />

ich meinem polnischen Fre<strong>und</strong> Jerzy<br />

Szmajdzinski einiges dazu gesagt habe.<br />

Wir haben von der Nationalen Volksarmee<br />

der DDR über 20 MiG-Flugzeuge<br />

übernommen. Das ist ein Flugzeug, von<br />

dem die Luftwaffe <strong>und</strong> hochrangige Generäle,<br />

die jetzt zum Teil Generäle a. D.<br />

sind, immer gesagt haben, dies sei das gefährlichste<br />

Flugzeug der Welt.Also: höchste<br />

Bedrohung für die NATO. Nun haben<br />

wir diese Flugzeuge,jetzt wird ganz im Gegensatz<br />

zu früher erklärt: Das ist ein Flugzeug,<br />

das einmal starten kann, das wendiger<br />

als die Phantom-Flugzeuge ist, aber<br />

nicht so wendig wie der Eurofighter, das<br />

einmal schießen kann <strong>und</strong> dann wieder<br />

landen muss, weil es keinen Sprit mehr<br />

hat. Die Luftwaffe erklärt: Wir können<br />

diese Flugzeuge nicht gebrauchen. Wir<br />

haben diese Flugzeuge verkauft, <strong>und</strong> zwar<br />

für 1 Euro pro Stück.Abnehmer waren die<br />

Polen.<br />

Wenn ich bedenke, was mir die Experten<br />

des Heeres über die Kampfkraft<br />

der sowjetischen T-72-Panzer im Vergleich<br />

zu unserem Leopard-Panzer erzählen,<br />

dann frage ich mich, worin denn eigentlich<br />

die Bedrohung bestanden haben soll.<br />

Aber das ist Schnee von gestern <strong>und</strong> hat<br />

auch mit den damaligen politischen Rahmenbedingungen<br />

zu tun, mit dem Gegen-<br />

Ich kann nicht erkennen,<br />

dass wir in der<br />

NATO die Zweisäulentheorie<br />

verlassen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

66 67


DISKUSSION<br />

Wie hätte die französische<br />

Verteidigungsministerin<br />

hier argumentiert?<br />

satz zwischen Warschauer Pakt <strong>und</strong> NATO.<br />

Zurück zur Frage: Ich kann nicht erkennen,<br />

dass wir die Zweisäulentheorie<br />

verlassen. Unsere Zielrichtung ist, die <strong>europäische</strong>n<br />

Staaten, die dazu in der Lage<br />

sind – das sind nicht viele,schon gar nicht<br />

die neu hinzukommenden Staaten –,im sicherheitspolitischen<br />

Bereich zu befähigen,<br />

den Anspruch der Amerikaner, die Europäer<br />

müssten ihren Pfeiler der NATO<br />

stärken, erfüllen zu können.<br />

Um es nochmals klar zu machen –<br />

ich habe es in meinem <strong>Vor</strong>trag bereits erwähnt<br />

– wenn man über eine <strong>europäische</strong><br />

Planungszelle für <strong>europäische</strong> Aufgaben<br />

diskutiert, was sehr schnell relevant werden<br />

könnte, weil wir Mitte nächsten Jahres<br />

das NATO-Mandat in Bosnien-Herzegowina<br />

übernehmen wollen, dann braucht<br />

man dafür die entsprechenden militärischen<br />

Fähigkeiten, man braucht ein <strong>europäische</strong>s<br />

Planungszentrum <strong>und</strong> ein <strong>europäische</strong>s<br />

Führungszentrum. Es geht<br />

nach der Debatte um den „Pralinengipfel“,<br />

dessen Zeitpunkt mit Sicherheit nicht<br />

glücklich gewählt war, um die Frage: Wo<br />

wird diese Planungszelle, wo wird anschließend<br />

eine kl<strong>einer</strong>e Führungszelle<br />

installiert? Wer trägt dazu bei?<br />

Wir haben in Potsdam ein hervorragendes<br />

Einsatzführungskommando, das alle<br />

Auslandseinsätze leitet.Andere <strong>europäische</strong><br />

Staaten haben ein ähnliches Hauptquartier.Wir<br />

wollen,dass Europa in der Lage<br />

ist, über eine solche Planungszelle <strong>und</strong><br />

dann über eine Führungszelle eine Operation<br />

eigenständig durchzuführen.<br />

Richard Perle: Ich bin sehr erfreut<br />

darüber, dass ich während der Ausführungen<br />

des Herrn Ministers drei- oder viermal<br />

hören konnte, dass er Europa nicht als ein<br />

Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten<br />

ansieht. Das entspricht unserer Meinung.<br />

Wie hätte denn die französische Verteidigungsministerin<br />

hier argumentiert? Sicherlich<br />

hätte sie es diplomatisch formuliert.<br />

Herr Minister,ich stelle Ihnen die Frage:Wie<br />

können Sie das, was ich als deutsches<br />

oder amerikanisches Konzept vernommen<br />

habe, mit dem Konzept der<br />

gegenwärtigen französischen Regierung<br />

vereinbaren? Wenn man es herunterbricht,<br />

stellt man fest, dass da die Europäische<br />

Union schon als ein Gegengewicht<br />

zu den Vereinigten Staaten angesehen wird.<br />

Dr. Peter Struck: Ich habe mit m<strong>einer</strong><br />

Kollegin Michèle Alliot-Marie <strong>und</strong> der<br />

B<strong>und</strong>eskanzler hat mit Präsident Chirac<br />

diese Frage intensiv erörtert. Wir hatten<br />

nach dem Gipfel vom 29. April insbesondere<br />

mit unseren britischen Fre<strong>und</strong>en Probleme,<br />

wie man sich denken kann, weil<br />

der Eindruck entstanden ist, die Staaten,<br />

die gegen das Irak-Engagement waren,versammeln<br />

sich <strong>und</strong> beraten über eine neue,<br />

eigenständige Sicherheitspolitik, die auch<br />

gegen die NATO gerichtet ist. Das ist in einem<br />

Gespräch in Berlin zwischen Tony<br />

Blair, Jacques Chirac <strong>und</strong> Gerhard Schröder<br />

ausgeräumt worden. Das, was ich hier<br />

als Meinung der B<strong>und</strong>esregierung vorgetragen<br />

habe – eine Planungszelle <strong>und</strong> viel-


leicht eine kleine Führungszelle für die<br />

Operationen, die bevorstehen –, ist auch<br />

die Meinung der französischen Kollegin,<br />

wobei ich nicht ausschließen will, dass<br />

Frankreich damit für die nächsten zehn<br />

oder 20 Jahre weitergehende <strong>Vor</strong>stellungen<br />

verbindet.<br />

Unsere politische <strong>Vor</strong>stellung ist völlig<br />

eindeutig: Wir werden, was die <strong>europäische</strong><br />

Politik angeht, nur mit Frankreich<br />

<strong>und</strong> Großbritannien gemeinsam handeln.<br />

Es wäre völlig falsch, wenn sich<br />

Deutschland im Rahmen der <strong>europäische</strong>n<br />

Sicherheits- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik<br />

entweder auf die Seite Großbritanniens<br />

oder auf die Seite Frankreichs schlagen<br />

würde. Wir werden nur mit Großbritannien<br />

<strong>und</strong> Frankreich zusammen gemeinsam<br />

handeln.Die Zielrichtung ist:Wir<br />

wollen auch nur gemeinsam mit den Vereinigten<br />

Staaten von Amerika handeln.<br />

Klaus-Dieter Frankenberger: Herr<br />

Minister, heute <strong>Vor</strong>mittag ist des Öfteren<br />

der Begriff „Partnerschaftsfähigkeit“ gefallen,<br />

zumeist als Klage darüber, dass diese<br />

Partnerschaftsfähigkeit nicht gegeben sei.<br />

Sie selbst haben diese Fähigkeit mehrfach<br />

reklamiert, zumindest als Zielperspektive.<br />

Sie sind ein Realist.Wenn Sie sich im Kreise<br />

Ihrer <strong>europäische</strong>n Kollegen umsehen,<br />

wissen Sie ungefähr, wie dick deren Portemonnaie<br />

ist; Ihr eigenes haben Sie uns<br />

beschrieben.<br />

Dass Europa die Lücke zu Amerika<br />

nicht schließen wird,wissen wir.Aber woher<br />

nehmen Sie den Optimismus für die<br />

Annahme,dass Europa aufholen wird,dass<br />

die Europäer den Willen aufbringen werden,<br />

ihrerseits die Ressourcen zu mobilisieren,<br />

um gegenhalten zu können?<br />

Sie haben uns gesagt, es gebe eine<br />

Agenda, die sowohl die Europäer als auch<br />

die Amerikaner abarbeiten müssten. Was<br />

ist Ihrer Meinung nach der geeignete institutionelle<br />

Ort, wo dieser strategische<br />

Dialog geführt werden muss, um diese<br />

Herausforderung zu bewältigen? Man hat<br />

den Amerikanern immer wieder vorgeworfen,<br />

sie wollten den Dialog gar nicht,<br />

sie wollten keine Entscheidungskompetenz<br />

abgeben. Manchmal hat man den Eindruck,<br />

dass auch die Europäer nicht so<br />

sehr nach einem Dialog streben; denn<br />

dann müsste man eventuell nicht nur mitentscheiden,<br />

sondern womöglich auch<br />

mit exekutieren.<br />

Dr. Peter Struck: Alle <strong>europäische</strong>n<br />

Kollegen stehen vor demselben Problem<br />

wie ich, nämlich die Armeen auf die <strong>neuen</strong><br />

Aufgaben umzustellen.Ich spreche deshalb<br />

auch von <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> Aufgabe <strong>und</strong><br />

einem sich daraus ergebenden <strong>neuen</strong><br />

Kurs.Der dänische Kollege hat mir gerade<br />

sein Konzept für den Umbau der dänischen<br />

Armee übermittelt.Das französische<br />

Konzept kenne ich sehr gut, weil ich mit<br />

Michèle Alliot-Marie trotz unterschiedlicher<br />

Gr<strong>und</strong>überzeugungen in der Sicherheitspolitik<br />

absolut gut zusammenarbeite.<br />

Die Spanier haben mich in der letzten Woche<br />

hier in Berlin aufgesucht.<br />

Alle sind dabei, ihre Armeen auf die<br />

Wir werden, was<br />

die <strong>europäische</strong><br />

Politik angeht, nur<br />

mit Großbritannien<br />

<strong>und</strong> Frankreich<br />

gemeinsam handeln.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

68 69


DISKUSSION<br />

Ich bin entschieden<br />

für die Beibehaltung<br />

der Wehrpflicht.<br />

<strong>neuen</strong> Aufgaben umzustellen, immer mit<br />

dem Ziel, Fähigkeiten zur Erfüllung der<br />

<strong>neuen</strong> Aufgaben zu schaffen.Wir haben in<br />

Prag die Verantwortung bei dem Projekt<br />

„Strategic Airlift“ übernommen,also Transportkapazitäten<br />

zu schaffen, bis in den beteiligten<br />

<strong>europäische</strong>n Staaten der A400M<br />

zur Verfügung steht. Es ist völlig klar, dass<br />

sich andere <strong>europäische</strong> Staaten keine<br />

Großraumtransporter mehr zu kaufen<br />

brauchen, wenn es davon genug gibt. Dasselbe<br />

gilt für Jagdflugzeuge oder Ähnliches,<br />

das zur Debatte stehen könnte.<br />

Die Lösungen sehen unterschiedlich<br />

aus.Die Dänen gehen dazu über,die Wehrpflicht<br />

abzuschaffen. Ich habe George<br />

Robertson ziemlich kritisiert,als er einmal<br />

in einem Interview <strong>einer</strong> Sonntagszeitung<br />

erklärte, die Berufsarmee müsse eingeführt<br />

werden. Ich will das Thema hier<br />

nicht diskutieren; ich bin entschieden für<br />

die Beibehaltung der Wehrpflicht, <strong>und</strong><br />

zwar aus vielen Gründen. Manche sagen<br />

aber, durch eine Berufsarmee könnten sie<br />

Geld sparen. Die Erfahrungen vieler Nationen,<br />

die diesen Weg beschritten haben,<br />

sprechen eigentlich dagegen.<br />

Andere Staaten gehen dazu über,Waffensysteme,<br />

die sie eigentlich bräuchten,<br />

nicht mehr anzuschaffen, weil sie erklären:<br />

Die anderen haben das schon. Das ist<br />

eine logische Überlegung,die auch wir anstellen<br />

werden, wenn wir unsere Rüstungsplanung<br />

bis zum Ende des Jahres<br />

fertiggestellt haben werden.<br />

Hier wurde die Frage gestellt: Wo ist<br />

der Ort des Dialogs zwischen Europa <strong>und</strong><br />

den USA? Ich glaube, das kann man nicht<br />

an bestimmten Gremien festmachen. Der<br />

NATO-Verteidigungsministerrat wird im<br />

Dezember tagen, einen Tag vorher treffen<br />

sich die EU-Verteidigungsminister. Die Europäer<br />

gehen in die Gespräche mit den kanadischen,<br />

den norwegischen <strong>und</strong> den<br />

amerikanischen Fre<strong>und</strong>en,die nicht in der<br />

Europäischen Union sind, mit <strong>einer</strong> bestimmten<br />

Position.<br />

Man darf in diesem Zusammenhang<br />

nicht die Wirkung der Berlin-plus-Vereinbarung<br />

unterschätzen. Sie betrifft die Zusammenarbeit<br />

zwischen der NATO <strong>und</strong><br />

der Europäischen Union. Sie gilt nach wie<br />

vor; niemand von uns will sie antasten.<br />

Das Instrument der bilateralen Gespräche<br />

zwischen den einzelnen Verteidigungsministern<br />

wird außerordentlich intensiv<br />

genutzt.Bei den Konferenzen der Verteidigungsminister<br />

trifft man sich gebündelt<br />

wieder. Die informellen <strong>und</strong> die formellen<br />

Konferenzen der Verteidigungsminister<br />

sind eigentlich der Ort des Dialogs.<br />

Dr. Otto Graf Lambsdorff: Herr<br />

Struck, Sie haben eben das Treffen zwischen<br />

Präsident Chirac, B<strong>und</strong>eskanzler<br />

Schröder <strong>und</strong> Premierminister Blair erwähnt.<br />

Trifft es zu, dass sich Tony Blair,<br />

kurz nachdem er von diesem Treffen<br />

nach London zurückgekehrt war, von<br />

dem, was dort besprochen wurde, kräftig<br />

distanziert hat?<br />

Dr. Peter Struck: Das ist nur halb<br />

richtig. Graf Lambsdorff, ich würde nicht


sagen: kräftig distanziert. Es gab in Großbritannien<br />

darüber eine innenpolitische<br />

Debatte, ob diese <strong>europäische</strong> Planungszelle<br />

<strong>und</strong> spätere kleine <strong>europäische</strong> Führungszelle<br />

bei der NATO oder beim EU-Militärstab<br />

angesiedelt sein soll. Es gab den<br />

ursprünglichen <strong>Vor</strong>schlag von Tony Blair,<br />

das bei SHAPE anzusiedeln. Das wäre ein<br />

deutliches Signal gewesen. Das ist in dem<br />

Gespräch, das hier in Berlin stattgef<strong>und</strong>en<br />

hat, etwas relativiert worden. Es gab einige<br />

Kritik in Großbritannien. Man kann davon<br />

ausgehen, dass es Übereinstimmung<br />

gibt, eine solche Planungszelle zu installieren.Ich<br />

vermute,dass das eher beim EU-<br />

Militärstab angesiedelt sein wird. Wir haben<br />

dort einen deutschen General, der<br />

Stellvertreter des obersten Generals ist.<br />

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Wir<br />

müssen die Entwicklung abwarten. Diese<br />

leichten Turbulenzen nach der Rückkehr<br />

von Tony Blair aus Berlin sind beseitigt.<br />

Klaus-Dieter Frankenberger: Eine<br />

andere Turbulenz besteht nach wie vor im<br />

Mittleren Osten, Herr Minister. Selbst<br />

wenn das <strong>Vor</strong>spiel schon relativ heftig<br />

war, ist das Nachspiel nicht weniger aufregend<br />

<strong>und</strong> aufreibend.Ich nehme an,dass<br />

auch diejenigen Regierungen, die sich<br />

dem Kurs der Amerikaner in den Weg zu<br />

stellen versuchten, ein Interesse daran haben,<br />

dass dieses Engagement Erfolg hat.<br />

Wir können uns alle ausmalen, was ein<br />

Misserfolg bedeuten würde. Was ist die<br />

B<strong>und</strong>esregierung zu tun bereit, damit dieses<br />

Engagement, auf welcher rechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lage auch immer, ein Erfolg wird?<br />

Dr. Peter Struck: Zunächst einmal<br />

haben wir doch eine erhebliche Summe<br />

im Hinblick auf den humanitären Bereich<br />

in die Hand genommen. Es handelt sich<br />

meines Wissens um mehr als 100 Millionen<br />

Euro.Wir haben auch erklärt, dass wir<br />

bereit sind, wenn es gewünscht wird, irakische<br />

Soldaten <strong>einer</strong> neu aufzubauenden<br />

Armee in Deutschland oder in einem Nachbarland<br />

des Irak auszubilden. Wir haben<br />

uns auch bereit erklärt, irakische Polizeibeamte<br />

in Deutschland oder in einem<br />

Nachbarland des Irak auszubilden, wenn<br />

es gewünscht wird. Bisher gibt es dafür<br />

noch keine Anmeldungen. Ich denke, das<br />

wird noch geschehen. Ich denke, es ist<br />

politisch nicht besonders erfolgversprechend,<br />

in die neu aufzubauende irakische<br />

Armee ehemalige Soldaten der Saddam-<br />

Hussein-Armee aufzunehmen.Was die Polizei<br />

angeht, stehen die irakischen Übergangsbehörden<br />

vor demselben Problem.<br />

Sie müssen prüfen,wer nicht durch die Mitgliedschaft<br />

in der Baath-Partei belastet ist.<br />

Fazit: Die B<strong>und</strong>esregierung vertritt<br />

die Auffassung, dass unter dem Dach der<br />

Vereinten Nationen mit <strong>einer</strong> größeren<br />

Verantwortung der Vereinten Nationen<br />

sehr schnell ein Prozess zur Demokratisierung<br />

des Landes,zum Aufbau staatlicher<br />

Ordnungsbehörden begonnen werden<br />

muss. Mehr können wir nicht tun. Man<br />

muss darauf hinweisen, dass bereits unser<br />

Engagement in Afghanistan bedeutend ist.<br />

Die Zusammenarbeit mit den 9 000<br />

Wir haben uns bereit<br />

erklärt, irakische Polizeibeamte<br />

in Deutschland<br />

auszubilden.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

70 71


DISKUSSION<br />

in Baghram stationierten amerikanischen<br />

Soldaten, die den Kampf gegen den internationalen<br />

Terrorismus führen sollen, mit<br />

unseren ISAF-Soldaten <strong>und</strong> auch mit den<br />

Soldaten, die nachher in K<strong>und</strong>uz stationiert<br />

sein werden, ist hervorragend.<br />

Trotz der politischen Turbulenzen,<br />

die massiv waren, hat es auf dieser Ebene<br />

nie Konflikte <strong>und</strong> Misshelligkeiten zwischen<br />

den Soldaten gegeben.Ich finde,wir<br />

haben inzwischen eine gute Zusammenarbeit<br />

mit den amerikanischen Kollegen<br />

auch hinsichtlich der Politik.


B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

72 73


„Wird das 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ein pazifisches Jahrh<strong>und</strong>ert? Diese Frage<br />

muss uns aufhorchen lassen. Was ist mit dem Atlantik?“


Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen<br />

DR. ANGELA MERKEL, MDB<br />

<strong>Vor</strong>sitzende der CDU Deutschlands <strong>und</strong> der<br />

CDU/CSU-Fraktion im Deutschen B<strong>und</strong>estag, Berlin<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, erst vor wenigen Tagen war ich mit Hans-Dietrich<br />

Genscher <strong>und</strong> dem FDP-Fraktionsvorsitzenden hier im Apollosaal der Staatsoper Unter<br />

den Linden,um eine B<strong>und</strong>esstiftung zur Rettung der Staatsoper anzuregen,weil sich das<br />

Land Berlin erkennbar in <strong>einer</strong> außerordentlich schwierigen finanziellen Lage befindet.<br />

Wir dachten, es könnte eine gute Idee sein, wenn nicht alle drei Berliner Opernhäuser<br />

in ein dahinsiechendes Stiftungskonsortium gepackt würden, sondern wenn der Deutsche<br />

B<strong>und</strong>estag die Idee entwickelte,so etwas wie eine Nationaloper für Deutschland zu schaffen,<br />

welche die Staatsoper sein könnte.<br />

Ich sage das deshalb, weil das Reden über eine B<strong>und</strong>esoper zeigt, dass sich in<br />

Deutschland vieles verändert hat. In Deutschland konnte sich nur deshalb vieles verändern,<br />

weil der Kalte Krieg zu Ende gegangen ist, weil die deutsche Einheit möglich wurde.<br />

Die deutsche Einheit ist für mich auch der Ausdruck eines <strong>neuen</strong> Selbstverständnisses<br />

Deutschlands, aber natürlich auch <strong>einer</strong> völlig veränderten Welt.<br />

Das Tagungsthema heute bezieht sich auf das transatlantische Verhältnis. In diesem<br />

Zusammenhang möchte ich den amerikanischen Präsidenten zitieren, der jüngst in Asien<br />

sagte:„Das 21.Jahrh<strong>und</strong>ert wird ein pazifisches Jahrh<strong>und</strong>ert sein“.Das muss uns,die wir<br />

vom Pazifik relativ weit entfernt liegen, aufhorchen lassen <strong>und</strong> fragen lassen:Was ist mit<br />

dem Atlantik? Die Interessenlage verschiedener Länder <strong>und</strong> Regionen hat sich stark<br />

verändert. Ich finde, die Politik tut immer gut daran, sehr vom Eigeninteresse geleitet zu<br />

denken, aber auch darüber nachzudenken, welches die Interessen der anderen sind.<br />

Das strategische Interesse der USA,jenseits des Atlantiks gelegen,an Europa ist nach<br />

dem Ende des Kalten Krieges ein anderes als während des Kalten Krieges.Militärisch ausgedrückt:<br />

Die Frontverläufe sind heute ganz anders, die eigentlichen Bedrohungen kommen<br />

von woanders. Spätestens seit dem 11. September 2001 ist uns das allen bewusst.<br />

Die Frage, was das für uns in Europa bedeutet, sollten wir uns in aller Konsequenz<br />

stellen. Das ökonomische Interesse ist sicher anders zu beurteilen als das militärischstrategische<br />

<strong>und</strong> das sicherheitspolitische Interesse.Manches funktioniert nicht mehr so<br />

wie vor 1989.<br />

Aus m<strong>einer</strong> Sicht ist es für eine gute transatlantische Partnerschaft dringend notwendig,<br />

die gemeinsamen Interessen zu definieren.Aus dem Blickwinkel der Sicherheitspolitik<br />

sind für mich die gemeinsamen Interessen durch die gemeinsam zu fixierenden<br />

Bedrohungen definiert. Das heißt, die Verständigung über die Bedrohungen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

ist die <strong>Vor</strong>aussetzung dafür, im militärisch-sicherheitspolitischen, aber auch im<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

74 75


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

An <strong>einer</strong> gemeinsamen<br />

Bedrohungsanalyse<br />

hat es vor dem<br />

11. September 2001<br />

massiv gefehlt.<br />

politischen Bereich insgesamt zu <strong>einer</strong><br />

Partnerschaft zu kommen.<br />

An dieser gemeinsamen Bedrohungsanalyse<br />

hat es vor dem 11.September 2001<br />

massiv gefehlt. Auch heute gibt es noch<br />

keine gemeinsame Bedrohungsanalyse aus<br />

der Sicht Europas <strong>und</strong> aus der Sicht Amerikas.<br />

Man weiß: Der Terrorismus ist eine<br />

der großen Bedrohungen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

aber die Gewichtung, ob es sich um<br />

eine existenzielle Bedrohung für die Demokratien<br />

handelt, fällt unterschiedlich<br />

aus, je nachdem ob sie von Amerika oder<br />

von Europa vorgenommen wird.Wir Europäer<br />

sind von dramatischen Ereignissen<br />

dieser Art glücklicherweise bis heute verschont<br />

geblieben. Diejenigen, die sich mit<br />

Fragen der inneren <strong>und</strong> der äußeren Sicherheit<br />

befassen, wissen, dass das weitaus<br />

ernster zu nehmen ist, als es vielen Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürgern bewusst ist.<br />

Die Sicherheit ist eines der elementaren<br />

Güter, für welche die Staaten Sorge<br />

zu tragen haben. Deshalb müssen wir uns<br />

damit beschäftigen. Nach m<strong>einer</strong> festen<br />

Überzeugung ist die Bedrohung durch den<br />

Terrorismus im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert für uns<br />

deshalb so schwierig zu beherrschen,weil<br />

wir es mit Gegnern zu tun haben,die nicht<br />

rational, sondern in weiten Teilen irrational<br />

agieren.Manche von ihnen sind bereit,<br />

ihr Leben für die Zerstörung der westlichen<br />

Demokratien zu opfern. Das gab es<br />

zu Zeiten des Kalten Krieges in dieser Art<br />

<strong>und</strong> Weise nicht.Die Frage,wie sich offene<br />

Gesellschaften gegen Gruppen von Menschen<br />

schützen, die staatliche Unterstützung<br />

in anderen Regionen der Welt erfahren<br />

<strong>und</strong> die bereit sind,ihr eigenes Leben zu<br />

opfern,ist aus m<strong>einer</strong> Sicht bis heute nicht<br />

abschließend beantwortet, weder in den<br />

Strategien der militärischen Bündnisse geschweige<br />

denn hinsichtlich des Völkerrechts<br />

<strong>und</strong> s<strong>einer</strong> Funktionsweise.<br />

Es ist aus m<strong>einer</strong> Sicht nicht richtig,<br />

jedes Nachdenken darüber, welche Bedeutung<br />

in <strong>einer</strong> solchen Bedrohungsanalyse<br />

staatliche Grenzen haben, welche Bedeutung<br />

das internationale Völkerrecht<br />

hat,wo es weiterentwickelt werden muss,<br />

wie sich die Erfordernisse der inneren <strong>und</strong><br />

der äußeren Sicherheit verschieben, einfach<br />

mit dem Hinweis darauf zu ignorieren,<br />

dass man das jahrh<strong>und</strong>ertelang ja<br />

auch nicht getan habe. Das wäre fatal <strong>und</strong><br />

würde uns nicht nur in die Irre, sondern<br />

auch in die Existenzkrise führen.<br />

Um diese Bedrohung ins Auge fassen<br />

<strong>und</strong> sie bekämpfen zu können,ist es wichtig<br />

– in dieser Beziehung sind die Amerikaner<br />

weiter als wir –, dass wir in Europa<br />

zu <strong>einer</strong> gemeinsamen Identität finden<br />

<strong>und</strong> dass wir wieder bereit sind, für die<br />

Werte der Demokratie zu kämpfen. Dies<br />

setzt voraus, dass man sich der Werte der<br />

Demokratie vergewissert <strong>und</strong> einen allgemeinen<br />

Dialog über die Frage führt, was<br />

einem in dieser Beziehung wichtig ist.<br />

Es wird schon in m<strong>einer</strong> eigenen Partei<br />

schwierig, wenn es um die Austarierung<br />

der Gr<strong>und</strong>werte geht. K<strong>einer</strong> der Flügel<br />

würde je die Gr<strong>und</strong>werte Freiheit, Solida-


DR. ANGELA MERKEL<br />

rität <strong>und</strong> Gerechtigkeit in Abrede stellen.<br />

Aber über die Frage, in welchem Umfang<br />

es sich lohnt, ausgesprochen für die Freiheit<br />

zu kämpfen, gibt es sehr ernsthafte<br />

Debatten. Solange wir diese Debatten<br />

nicht geführt haben, wird es schwierig<br />

sein,uns mit anderen zusammenzutun,um<br />

gegenüber Dritten stark zu sein.<br />

Tatsache ist:Die transatlantische Partnerschaft<br />

muss eine militärische Komponente<br />

haben. Nach m<strong>einer</strong> festen Überzeugung<br />

ist das Interesse der Europäer,das<br />

Interesse Deutschlands, daran mindestens<br />

so groß – ich sage es ganz vorsichtig – wie<br />

das Interesse der Amerikaner. Wie ich<br />

schon sagte: Nach dem Ende des Kalten<br />

Krieges haben sich die Gewichte verschoben.<br />

Die Europäer haben spätestens im<br />

Zusammenhang mit dem Konflikt im<br />

früheren Jugoslawien registriert, wie existenziell<br />

wichtig die transatlantische Partnerschaft<br />

– sprich: die NATO – für die Sicherung<br />

von Frieden <strong>und</strong> Freiheit ist.<br />

Es gibt Entwicklungen, die uns zum<br />

Nachdenken zwingen. Die Europäer haben,was<br />

ihre militärischen Fähigkeiten anlangt,<br />

erheblichen Nachholbedarf. Ich will<br />

das nicht weiter ausführen; hier im Raum<br />

gibt es Spezialisten, die das im Detail beschreiben<br />

können. Wenn die Europäer<br />

nicht bereit sind, auf diesem Gebiet aufzuholen,<br />

dann werden sie massive Verständigungsschwierigkeiten<br />

mit den Amerikanern<br />

bekommen. Dann nutzen auch<br />

die guten Worte nichts. Wenn der eine<br />

noch mit der Pferdekutsche durchs Land<br />

eilt <strong>und</strong> der andere bereits mit dem Düsenjet<br />

fliegt, dann ist die Kommunikation<br />

über die erlebte Wirklichkeit kompliziert.<br />

Das heißt, nur dann, wenn auch technisch<br />

vergleichbare Niveaus erreicht werden,<br />

zumindest in bestimmten Bereichen, wird<br />

man in der Lage sein, in der Antwort auf<br />

die Frage, wie man den Bedrohungen begegnen<br />

kann,wie sehr man sich vor ihnen<br />

fürchten muss <strong>und</strong> wie wirksam man sie<br />

bekämpfen kann, übereinzustimmen.<br />

Die These von Robert Kagan,dass die<br />

Menschen dazu neigen, wenn sie eine Bedrohung<br />

nicht bekämpfen können, weil<br />

sie dazu physisch, technisch oder anderweitig<br />

nicht in der Lage sind, sie dann ein<br />

Stück weit zu ignorieren, <strong>und</strong> dass der<br />

Mensch die Eigenschaft besitzt, sich Bedrohungen<br />

ein bisschen so zurechtzuschneidern,<br />

dass sie für ihn nicht mehr<br />

ganz so existenziell erscheinen, halte ich<br />

nicht von vornherein für falsch. Man kann<br />

sie auch nicht mit dem Hinweis, dass da<br />

wieder ein übermütiger Neokonservativer<br />

auf einen komischen Gedanken gekommen<br />

ist, einfach vom Tisch wischen. Im<br />

Umkehrschluss gilt, dass die transatlantische<br />

Partnerschaft auch nicht so funktionieren<br />

kann, dass aufgr<strong>und</strong> der Überlegenheit<br />

in bestimmten technischen <strong>und</strong><br />

ökonomischen Bereichen die Vereinigten<br />

Staaten von Amerika glauben, deshalb,<br />

weil sie eine Supermacht sind, müsse der<br />

Rest der Welt vor den großen Fähigkeiten<br />

dieses Landes schon in Ehrfurcht erstarren<br />

<strong>und</strong> sagen: Wir beugen uns euren Ideen.<br />

Die transatlantische<br />

Partnerschaft muss<br />

eine militärische<br />

Komponente haben.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

76 77


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

Die Europäer haben,<br />

was ihre militärischen<br />

Fähigkeiten anlangt,<br />

erheblichen Nachholbedarf.<br />

Auch das wird nicht funktionieren.Das hat<br />

aus m<strong>einer</strong> Sicht die Irak-Krise aufgezeigt.<br />

Für uns Europäer kommt hinzu –<br />

auch das hat der Irak-Konflikt in aller<br />

Deutlichkeit gezeigt: Selbst wenn mir das<br />

transatlantische Verhältnis als Deutsche<br />

gar nicht so wichtig wäre, was in meinem<br />

Falle nicht so ist, selbst wenn ich auf ein<br />

gemeinsames, einheitliches <strong>und</strong> integriertes<br />

Europa setzen würde, müsste ich nach<br />

den Auseinandersetzungen über den Irak<br />

zu der sofortigen Schlussfolgerung kommen,<br />

dass es ein gemeinsames Europa gegen<br />

die Vereinigten Staaten von Amerika<br />

nicht geben wird.<br />

Jeder, dem Europa am Herzen liegt,<br />

muss verstanden haben, dass dieses Europa<br />

nur dann ein einiges <strong>und</strong> integriertes<br />

Europa sein kann, wenn es sich um ein<br />

vernünftiges transatlantisches Verhältnis<br />

bemüht.<br />

Da heißt es nun, sich militärisch stärker<br />

zu engagieren,da heißt es,die Gemeinsame<br />

Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik in Europa<br />

weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass<br />

bei unseren amerikanischen Fre<strong>und</strong>en<br />

manchmal ein Missverständnis über die<br />

Integrationstiefe der Europäischen Union<br />

vorliegt.<br />

Wann immer uns geraten wird, die<br />

Türkei als Mitgliedsland in die Europäische<br />

Union aufzunehmen, muss man sehr<br />

deutlich sagen, dass Europa keine Freihandelszone<br />

ist, sondern ein viel tiefer gehender<br />

gemeinsamer Binnenmarkt, dass<br />

Europa auch nicht nur einfach ein Sicherheitsbündnis<br />

ist, sondern sehr stark auf<br />

der Abgabe von Souveränitätsrechten – ob<br />

bei der inneren Sicherheit oder in der<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik oder<br />

mit der gemeinsamen Währung des Euro –<br />

beruht. Hier liegt eine viel tiefere Integration<br />

vor, als man auf den ersten Blick zu<br />

meinen glaubt.<br />

Die Irak-Krise hat gezeigt:Ein Europa,<br />

bei dem die zwei Vetomächte im UN-Sicherheitsrat<br />

permanent gegeneinander<br />

stimmen würden, bräuchte über eine Gemeinsame<br />

Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik<br />

nicht mehr zu diskutieren. Die Frage, wie<br />

Europa im internationalen Bereich auftritt,<br />

zwingt uns zumindest zur Suche nach <strong>einer</strong><br />

einheitlichen Haltung in den außen<strong>und</strong><br />

sicherheitspolitischen Fragen.<br />

Ich habe die Worte des B<strong>und</strong>esverteidigungsministers<br />

nicht gehört. Er macht,<br />

wenn ich das aus der Sicht der Opposition<br />

sagen darf, seine Sache unter den gegebenen<br />

Umständen gar nicht so schlecht.<br />

Aber die ihm zur Verfügung gestellten Kapazitäten<br />

sind nach m<strong>einer</strong> festen Überzeugung<br />

nicht ausreichend, um im Hinblick<br />

auf das, was an Bedrohung vorhanden<br />

ist, <strong>und</strong> im Hinblick auf das, was technisch<br />

notwendig wäre, die ausreichenden<br />

Konsequenzen ziehen zu können. Es werden<br />

bei der B<strong>und</strong>eswehr Umbauarbeiten<br />

vorgenommen, es erfolgen Neuausrichtungen.<br />

Das alles ist sicherlich notwendig<br />

<strong>und</strong> richtig, aber vorne <strong>und</strong> hinten nicht<br />

ausreichend, um angesichts der Bedrohung<br />

agieren zu können. Die Verteidi-


DR. ANGELA MERKEL<br />

gungspolitik der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

<strong>und</strong> vieler <strong>europäische</strong>r Staaten ist<br />

eine Ableitung der Möglichkeiten aus den<br />

jeweiligen Budgets, aber keine Antwort<br />

auf die wirklichen Bedrohungen, die uns<br />

weltweit begegnen.<br />

So kann man ein paar Jahre lang agieren,<br />

aber wenn man das über Jahrzehnte<br />

betreibt, ist man irgendwann nicht mehr<br />

in der Lage, der Realität adäquat zu begegnen,was<br />

für offene Gesellschaften wie Demokratien<br />

ein ziemlich schwieriger Zustand<br />

sein kann. Allein das Prinzip Hoffnung<br />

– auch das hat uns der 11. September<br />

2001 gezeigt – wird uns nicht durch<br />

das 21. Jahrh<strong>und</strong>ert leiten können.<br />

Nun hängen die militärischen <strong>und</strong><br />

technischen Qualitäten extrem stark mit<br />

den ökonomischen Fähigkeiten zusammen.<br />

Europa muss der traurigen Tatsache<br />

ins Auge sehen, dass es in den letzten 15<br />

Jahren hinsichtlich des ökonomischen<br />

Wachstums im Durchschnitt immer hinter<br />

den Vereinigten Staaten zurückgeblieben<br />

ist. Deutschland liegt seit der Wiedervereinigung<br />

bei den Wachstumsphasen leider<br />

immer im unteren <strong>europäische</strong>n Drittel.<br />

Da Deutschland das größte <strong>und</strong> damit<br />

auch das ökonomisch wichtigste Land in<br />

Europa ist, ist dies ein außerordentlich bedauerlicher<br />

Bef<strong>und</strong>.<br />

Nun kann man sagen: Wenn, wie im<br />

letzten Quartal, in Amerika eine Wachstumsrate<br />

von 7,5 Prozent zu verzeichnen<br />

ist, kann man frohen Mutes sein, dass irgendwann<br />

2 Prozent in Deutschland <strong>und</strong><br />

vielleicht 3 Prozent in Europa ankommen.<br />

Wenn das nicht eintritt, können wir nicht<br />

nur über die militärische Übermacht der<br />

Vereinigten Staaten schimpfen, sondern<br />

auch über die Unfähigkeit der amerikanischen<br />

Administration, ein vernünftiges<br />

Wirtschaftswachstum herbeizuführen.<br />

Im gleichen Atemzug erklären wir:<br />

Amerikanische Verhältnisse wollen wir<br />

nicht, das System von „hire and fire“ sei,<br />

wie der B<strong>und</strong>eskanzler uns im Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estag immer wieder erklärt, das Allerletzte,<br />

was Europa adäquat sei.<br />

Als ich mir gestern auf einem Europaforum<br />

des WDR in Anwesenheit des<br />

B<strong>und</strong>esaußenministers den zarten Hinweis<br />

erlaubte, dass wir uns im Europawahlkampf<br />

mit der Frage beschäftigen<br />

sollten, wie wir in Europa ein ähnliches<br />

Wachstum wie das in den Vereinigten Staaten<br />

von Amerika hinbekommen können,<br />

hat er mich sofort fröhlich angelächelt<br />

<strong>und</strong> gesagt, man wisse ja, dass ich sowieso<br />

nur den amerikanischen Weg gehen wolle,<br />

man freue sich schon jetzt auf die Auseinandersetzung,<br />

denn mit den Sozialstandards,<br />

wie sie in den USA herrschten, wolle<br />

man nichts zu tun haben.<br />

Wer glaubt,er könne auf die nächsten<br />

Innovationszyklen in Europa, das an der<br />

Erfindung <strong>und</strong> Weiterentwicklung des<br />

Computers, des Internets, der Chips usw.<br />

einen zu geringen Anteil hat, was für mich<br />

die Hauptquelle dafür ist, dass die Wachstumsraten<br />

in Europa niedriger lagen, gut<br />

verzichten <strong>und</strong> sie irgendwo anders auf<br />

Die militärischen <strong>und</strong><br />

technischen Qualitäten<br />

hängen stark mit den<br />

ökonomischen Fähigkeiten<br />

zusammen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

78 79


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

Das strategische Interesse<br />

ist, dass man nur<br />

noch gemeinsam gegen<br />

Bedrohungen vorgeht.<br />

der Welt stattfinden lassen, bringt Europa<br />

um seinen gewohnten Wohlstand.<br />

Innenpolitisch haben wir in Deutschland<br />

im Augenblick vielleicht zum ersten<br />

Mal vollkommen sichtbar die schwierige<br />

Situation, den Menschen die Demokratie<br />

als etwas Verheißungsvolles zu verkaufen,<br />

ohne ihnen eine Steigerung des Lebensstandards<br />

versprechen zu können. Das ist<br />

eine völlig neue Herausforderung. Mit dieser<br />

Herausforderung muss man fertig werden.<br />

Das ist insbesondere für die großen<br />

Volksparteien eine riesige Aufgabe.<br />

Wenn an dieser Stelle die Kraft nicht<br />

ausreicht, wirkliche Strukturreformen<br />

durchzuführen, ohne dass sofort der Ruf<br />

erschallt,es handele sich um den Abschied<br />

von dem <strong>europäische</strong>n Sozialstaatsmodell<br />

oder von der sozialen Marktwirtschaft –<br />

das ist zum Teil eine Vergewaltigung der<br />

Äußerungen von Ludwig Erhard –,werden<br />

wir in dieser Welt strategisch noch uninteressanter<br />

werden, weil wir auch militärisch,<br />

technisch <strong>und</strong> anderweitig kein<br />

Partner sind. Das strategische Interesse<br />

transatlantischer Partnerschaft ist, wenn<br />

es schon kein sicherheitspolitisches <strong>und</strong><br />

militärisches Interesse in der Richtung ist,<br />

dass man aufeinander angewiesen ist, dass<br />

man nur noch gemeinsam gegen Bedrohungen<br />

vonseiten Dritter vorgeht <strong>und</strong> das<br />

eines fairen ökonomischen Wettbewerbs.<br />

Wenn Europa aber auch in diesem Bereich<br />

uninteressant ist, werden sich die Amerikaner<br />

mit Sicherheit abwenden <strong>und</strong> in anderen<br />

Regionen der Welt investieren.<br />

Man gerät schnell in den Geruch,<br />

man rede sein Heimatland schlecht. Das<br />

tue ich mitnichten, weil ich glaube, dass<br />

die 80 Millionen Menschen, die in diesem<br />

Land leben, sowohl von ihren Fertigkeiten,<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Gewohnheiten als<br />

auch von der politischen Struktur her,von<br />

der Art <strong>und</strong> Weise her, wie sie Konflikte lösen,<br />

bestens geeignet sind, den Herausforderungen<br />

der Globalisierung zu begegnen.Wenn<br />

der Wohlstand als etwas rechtlich<br />

Garantierbares angesehen wird <strong>und</strong><br />

nicht als etwas, was Jahr für Jahr wieder<br />

erarbeitet werden muss, bekommen wir<br />

ein Problem. Das Erbe der sozialen Marktwirtschaft<br />

ist mit der Tatsache verb<strong>und</strong>en,<br />

dass die Menschen es wie eine Art Gewohnheitsrecht<br />

betrachtet haben. Bestenfalls<br />

sagt man heute, wenn es nicht mehr<br />

so richtig klappt,dass die deutsche Einheit<br />

alles durcheinander gebracht habe. Die<br />

Ostdeutschen sagen: Seit wir hinzugekommen<br />

sind, geben uns die im Westen<br />

nicht das, was sie früher einmal hatten.<br />

Die Westdeutschen sagen: Weil die Ostdeutschen<br />

hinzugekommen sind,reicht es<br />

für uns nicht mehr so richtig.<br />

Aus m<strong>einer</strong> Sicht sind die Dinge viel<br />

einfacher, als man denkt. Man müsste nur<br />

die sozialen Sicherungssysteme vom Faktor<br />

Arbeit entkoppeln, damit man die<br />

Lohnzusatzkosten senkt <strong>und</strong> die Arbeitsst<strong>und</strong>e<br />

wieder bezahlbar wird. Man müsste<br />

ein etwas optimistischeres Verständnis<br />

hinsichtlich der technischen Innovationen<br />

entwickeln. Man müsste den Menschen


DR. ANGELA MERKEL<br />

auf dem ersten Arbeitsmarkt etwas mehr<br />

Freiheit geben, man müsste in das deutsche<br />

Steuersystem Berechenbarkeit <strong>und</strong><br />

Verlässlichkeit bringen. Dadurch würde<br />

Deutschland ungemein attraktiv. Ich höre<br />

im Ausland oft, dass diejenigen, die über<br />

Kapital verfügen, sagen:Wir würden gern<br />

in diesem Land <strong>und</strong> in Europa investieren.<br />

Ich glaube, wir brauchen einen solchen<br />

Impuls sehr schnell. Wenn wir ihn<br />

nicht schnell bewirken, wird sich sozusagen<br />

die Mär vom alternden Kontinent, der<br />

nicht in der Lage ist, die Dynamik der Globalisierung<br />

nachzuvollziehen,quasi als ein<br />

neues Markenzeichen dieses Kontinents<br />

in das Gedächtnis einbrennen.Wir wissen:<br />

Wenn Markenkerne verletzt sind, dauert<br />

es sehr lange, sie wieder ins Positive zu<br />

wenden.<br />

Die Amerikaner – das ist meine Erfahrung<br />

– verstehen am allerbesten die<br />

Sprache der gegenseitigen Stärke. Wenn<br />

man stark ist, erwirbt man Achtung, dann<br />

kann man Selbstbewusstsein haben, dann<br />

braucht man nicht herumzubarmen, dann<br />

muss man sich nicht moralisierend sein<br />

Selbstbewusstsein von irgendwo herholen.<br />

Ich finde, das ist eine Art von Partnerschaft,<br />

die auf <strong>einer</strong> vernünftigen Gr<strong>und</strong>lage<br />

beruht.Deshalb plädiere ich für diese<br />

Art von Partnerschaft.<br />

Die Europäer <strong>und</strong> die Amerikaner<br />

müssen allerdings auch lernen, dass sich<br />

nach dem Ende des Kalten Krieges die<br />

Welt außerhalb des transatlantischen<br />

Raumes massiv verändert hat. Für mich<br />

war Cancun ein sehr interessantes Beispiel.<br />

Europa <strong>und</strong> Amerika hatten sich im<br />

kompliziertesten Bereich der WTO-Verhandlungen<br />

geeinigt, nämlich hinsichtlich<br />

der Agrarfragen. Man hatte gedacht:Wenn<br />

sich Europa <strong>und</strong> Amerika einig sind, wird<br />

Cancun schon ein Erfolg werden. Nun hat<br />

sich in den Verhandlungen mit den Entwicklungsländern<br />

– Entwicklungsländer<br />

gibt es eigentlich schon lange nicht mehr;<br />

hier sind insbesondere die prosperierenden<br />

Länder wie China,Indien,Mexiko <strong>und</strong><br />

Brasilien gemeint – herausgestellt, dass<br />

sich mitnichten diese alte Erfahrung erfüllt<br />

hat. Wir müssen lernen, den heranwachsenden<br />

<strong>und</strong> sich zum Teil dramatisch<br />

schnell entwickelnden Ländern mit Ehrfurcht<br />

<strong>und</strong> Achtung zu begegnen.<br />

Ein Wort zu den Verhandlungen über<br />

das Kyoto-Protokoll. Es wird mit aller<br />

Macht seitens unserer amerikanischen<br />

Fre<strong>und</strong>e in Zusammenarbeit mit Russland<br />

zerstört. Komischer kann man sich die<br />

transatlantische Partnerschaft kaum vorstellen:<br />

Man verhandelt über einen Vertrag,<br />

die Amerikaner steigen aus, überzeugen<br />

den zweiten großen Partner, nämlich<br />

die Russen, dies auch zu tun, <strong>und</strong> Europa<br />

tut so, als habe sich nichts geändert, <strong>und</strong><br />

modifiziert alles, was im Kyoto-Protokoll<br />

steht, bis in die letzte Verästelung. Anschließend<br />

erklären die Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs<br />

der Europäischen Union, dass<br />

sie innerhalb der nächsten zehn Jahre die<br />

dynamischste Region der Welt werden<br />

wollen. Man muss schon ein guter Patriot<br />

Die Amerikaner verstehen<br />

am Allerbesten<br />

die Sprache der gegenseitigen<br />

Stärke.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

80 81


DIE ZUKUNFT DER TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN<br />

oder ein heilloser Optimist sein, um zu<br />

glauben, dass das so einfach funktioniert.<br />

Ich möchte zusammenfassen: Die gemeinsamen<br />

Werte,das Verständnis von Demokratie,<br />

die vorhandenen existenziellen<br />

Bedrohungen,die uns in den nächsten Jahren<br />

massiv beschäftigen werden, sind ein<br />

hervorragendes F<strong>und</strong>ament nicht nur für<br />

eine platonische Fre<strong>und</strong>schaft, sondern<br />

für eine wirklich interessengeleitete Partnerschaft.<br />

Europa muss sich sputen, Europa<br />

hat alle Kapazitäten,Europa leistet zum<br />

Teil einen guten Job – ich denke beispielsweise<br />

an Afghanistan –,aber das sind<br />

nur Steine in einem großen Mosaik, dessen<br />

Strukturen wir nicht in dem Umfang<br />

mitbestimmen, wie es dem <strong>europäische</strong>n<br />

Selbstbewusstsein entspricht.<br />

Ich wünsche mir, dass Europa in den<br />

nächsten zehn Jahren nicht weiterhin wie<br />

das Kaninchen auf die Schlange starrt <strong>und</strong><br />

wartet, ob ein entsprechendes Wirtschaftswachstum<br />

entsteht. Ich wünsche<br />

mir, dass wir unsere eigenen Kräfte besser<br />

entwickeln, denn dann würde manches in<br />

der transatlantischen Partnerschaft automatisch<br />

wieder einfacher.


B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

82 83


Diskussion<br />

Leitung: KLAUS-DIETER FRANKENBERGER,<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty: Frau Merkel, was Sie uns präsentiert haben,<br />

war wirklich überzeugend. Die Amerikaner haben für unseren Begriff „Sanierung“ den<br />

Begriff „restructury“. Dieser Begriff beinhaltet, dass man von Zeit zu Zeit Unternehmen<br />

oder Institutionen verändern muss,um sie lebensfähig <strong>und</strong> wettbewerbsfähig zu erhalten.<br />

Unsere Sozialsysteme sind ohne Wettbewerb organisiert.Alle Systeme ohne Wettbewerb<br />

verkrusten. Bisher haben wir immer etwas draufgesattelt, um die Systeme am Leben zu<br />

erhalten. Jedes System muss irgendwann einmal umstrukturiert werden, um lebensfähig<br />

zu bleiben.Aber damit tun wir uns schwer.<br />

Wenn wir uns auf die Aufgabe des Restructuring konzentrieren, wird es vorwärts<br />

gehen. Nun darf man allerdings nicht alle Europäer über einen Kamm scheren. Man<br />

muss nur einmal sehen, wie die jungen Leute in Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa arbeiten. Sie laufen<br />

uns den Rang ab, was das Wissen angeht.Auch da brauchen wir einen Schub nach vorn.<br />

Ein Wort zu den <strong>neuen</strong> B<strong>und</strong>esländern. In jedem Jahr werden 3 Prozent unseres<br />

Bruttoinlandsprodukts in die <strong>neuen</strong> B<strong>und</strong>esländer transferiert. Diese Wertschöpfung<br />

kommt aus produktiven Arbeitsplätzen. Diese Summen fließen in nicht produktive Verwendungen.<br />

So etwas kann sich kein Land auf Dauer leisten.Auch dadurch werden die<br />

<strong>neuen</strong> Länder nicht konkurrenzfähig.Wir zementieren die Unfähigkeit, sich im Wettbewerb<br />

zu behaupten.<br />

Dr. Angela Merkel: Richtig ist, dass die deutsche Einheit ein kompliziertes Transferprogramm<br />

ist. Es gibt in den <strong>neuen</strong> B<strong>und</strong>esländern einige hoffnungsvolle Regionen,<br />

aber es gibt auch quasi weiße Flächen, bei denen nicht erkennbar ist, dass sich die notwendigen<br />

Eigenkräfte entwickeln. Herr Professor Starbatty, es ist gewiss so, dass die Beschreibung,<br />

es würden dauernd Subventionen in die <strong>neuen</strong> B<strong>und</strong>esländer gepumpt <strong>und</strong><br />

subventionierte Systeme könnten sich nicht wettbewerbsfähig entwickeln, etwas zu<br />

kurz greift. Die Tatsache, dass wir in einem gemeinsamen Rechtsraum leben, hat erhebliche<br />

Wirkungen im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Ich habe keine abschließende Antwort auf die Frage, wie wir die <strong>neuen</strong> B<strong>und</strong>esländer<br />

dauerhaft auf die Beine stellen. Man sollte aber die Strukturschwäche der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland nicht allein durch die deutsche Einheit erklären.<br />

Meine große Sorge ist:Wenn wir unter der jetzigen B<strong>und</strong>esregierung ein bisschen<br />

Wirtschaftswachstum bekommen, wird jeglicher Reformeifer sofort erlahmen. Dieses<br />

Restructuring <strong>und</strong> die Reformen werden als etwas Freudloses empf<strong>und</strong>en,als eine unendliche<br />

Belastung,die man gerade noch übersteht <strong>und</strong> von der man hofft,dass sie bald vorübergehen<br />

wird.Wenn man dauernd selber leidet,begeistert man natürlich auch niemanden.<br />

Die Zeit ist im Hinblick auf die Globalisierung ein unendlich wichtiges Gut. Zwar<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

84 85


DISKUSSION<br />

Wir diskutieren in<br />

Deutschland das<br />

Problem der Terrorismusbekämpfung<br />

sehr verkürzt.<br />

glaube ich, dass sich Deutschland zurzeit<br />

in die richtige Richtung bewegt, aber die<br />

Frage, ob sich Deutschland schnell genug<br />

bewegt <strong>und</strong> wie groß die Distanz eigentlich<br />

ist,die wir überwinden müssen,bleibt<br />

dabei vollkommen unbeantwortet.<br />

Ich glaube, wir müssen in Deutschland<br />

sehr aufpassen, ökonomische <strong>und</strong><br />

technische Veränderungen nicht als etwas<br />

Gottgegebenes hinzunehmen. Wir gehen<br />

in <strong>einer</strong> unemanzipatorischen Art <strong>und</strong><br />

Weise an die Problemlösung heran. Als<br />

Physikerin sage ich: Ich muss meinen Modellraum<br />

ändern, ich muss mir ein neues<br />

Modell basteln, mit diesen <strong>neuen</strong> Modellvorstellungen<br />

muss ich die Wirklichkeit<br />

beschreiben.Wir lernen aus den Veränderungen<br />

<strong>und</strong> wir lernen, wie wir die Veränderungen<br />

beherrschen können. Das aufklärerische<br />

Verständnis, mit dem wir an<br />

die Problemlösung herangehen sollen, ist<br />

uns ein Stück weit verloren gegangen.<br />

Dr. Hans D. Barbier: Heute Morgen<br />

hat uns Herr Perle sehr eindrucksvoll geschildert,<br />

welche Rolle der 11. September<br />

2001 für die Willensbildung <strong>und</strong> die Empfindungen<br />

der Amerikaner spielt.Er hat dabei<br />

deutlich gemacht:Wir müssen <strong>Vor</strong>sorge<br />

treffen, wir müssen aufpassen. Er hat gesagt:<br />

„Preemptiv action is risk management“.<br />

Würden Sie, Frau Merkel, sagen:<br />

Wir sind da mit dabei? Oder würden Sie sagen:<br />

Nein, mit solchen Amerikanern lieber<br />

doch nicht?<br />

Dr. Angela Merkel: Es gilt nicht nur<br />

„preemptiv action is risk management“,<br />

sondern eigentlich ist fast alles Tun Risk<br />

Management. „Preemptiv action“ ist vielleicht<br />

ein neuer Ansatz,um neue Risiken zu<br />

managen.Die Frage ist immer nur:Wie <strong>und</strong><br />

mit welchen Kollateralschäden? Ist es der<br />

effizienteste Weg? Welchen Anteil haben<br />

die militärischen Komponenten? Welchen<br />

Anteil haben die politischen Komponenten?<br />

Ich finde, wir diskutieren in Deutschland<br />

zum Teil das Problem der Terrorismusbekämpfung<br />

sehr verkürzt. Wenn wir<br />

uns einmal den vollen Überblick verschafften,<br />

den ich persönlich gar nicht habe,<br />

was da an ökonomischen Maßnahmen getroffen<br />

wird, was da an Maßnahmen hinsichtlich<br />

des internationalen Datenaustausches<br />

getroffen wird, was an politischen<br />

Komponenten enthalten ist, was an entwicklungspolitischen<br />

Komponenten enthalten<br />

ist, dann würden wir sehen, dass<br />

vieles geschieht, was wirklich nicht auf<br />

militärische Aktionen reduziert werden<br />

kann. Ich bin der Meinung, dass die Rohstoffabhängigkeit<br />

der Amerikaner gerade<br />

in Bezug auf den Raum des Nahen Ostens<br />

eine schwere strategische Bürde ist. Für<br />

manche mag schwer zu verstehen sein,<br />

warum die Deutschen kein Tempolimit ertragen;<br />

für mich ist es schwer verständlich,<br />

dass ein technisch so hoch entwickeltes<br />

Land wie die USA so unglaublich<br />

ineffizient mit Erdöl, Erdgas <strong>und</strong> dergleichen<br />

umgeht. Ich glaube, das kann so<br />

nicht weitergehen.Anderenfalls entstehen<br />

Abhängigkeiten, die besser nicht vorhanden<br />

wären <strong>und</strong> von denen man sich auch


aufgr<strong>und</strong> der eigenen Fähigkeiten befreien<br />

könnte.<br />

Über solche Fragen muss man nach<br />

m<strong>einer</strong> festen Überzeugung mit den Amerikanern<br />

hart streiten. Sie könnten, sofern<br />

sie dazu bereit wären, von uns sehr viel<br />

lernen. Es ließe sich leichter lernen, wenn<br />

wir auf anderen Feldern stärker wären.<br />

Über „preemptiv action“ muss man<br />

im Einzelfall schwer ringen.Die Idee – das<br />

erleben wir auch im Irak –, dass der militärische<br />

Schlag das Problem bereits löst,<br />

ist eine sehr reduzierte. Das klappt nicht.<br />

Das klappt gerade in den Gebieten nicht<br />

hinreichend, in denen wir uns mit dem<br />

Terrorismus auseinander zu setzen haben.<br />

Solange man keine Alternative hat,<br />

kann man aber auch nicht einfach sagen,<br />

die Alternative bedeute Nichtstun. Die Situation<br />

in Afghanistan ist alles andere als<br />

überschaubar. Hier ist kein Pfad in Sicht,<br />

der dieses Land übermorgen in Richtung<br />

<strong>europäische</strong>s Demokratiemodell einmünden<br />

ließe. Man kann sich auch ein recht<br />

desaströses Bild von dem zeichnen, was<br />

man dort bisher erreicht hat. Nur die Tatsache,dass<br />

die B<strong>und</strong>eswehr dort engagiert<br />

ist, lässt uns die Lage manchmal in einem<br />

fre<strong>und</strong>licheren Licht erscheinen als das,<br />

was wir im Irak sehen. Mittelfristig muss<br />

man sehen, wo man welchen Erfolg erreicht.<br />

Dass man seine Methoden verändern<br />

muss <strong>und</strong> darüber sprechen muss,<br />

dass man nicht einfach in der Kuhle sitzen<br />

bleiben kann, in der man immer gesessen<br />

hat, scheint mir relativ evident zu sein.<br />

Klaus Naumann: Frau Merkel, Sie haben<br />

viel Erfrischendes <strong>und</strong> Ermutigendes<br />

gesagt.Wir haben heute auch darüber gesprochen,<br />

was man tun müsste, um das<br />

transatlantische Verhältnis wieder zu verbessern.<br />

Ich meine, manchmal übersehen<br />

wir ein bisschen einen psychologischen<br />

Faktor, der ebenfalls eine Rolle spielt.<br />

Ich habe überall,wo ich in den letzten<br />

Monaten war, ob jenseits oder diesseits<br />

des Atlantiks, aus dem Gespräch mit den<br />

ausländischen Fre<strong>und</strong>en den Eindruck<br />

mitgenommen, dass das, was uns einmal<br />

auszeichnete, dass wir berechenbar <strong>und</strong><br />

verlässlich sind, dass man sich auf unser<br />

Wort verlassen kann,kaputt ist.Man glaubt<br />

uns nicht mehr. Das ist mit auf dieses<br />

schändliche Spiel zurückzuführen, das in<br />

der NATO gespielt wurde, als sogar das,<br />

was uns in den letzten 50 Jahren Sicherheit<br />

gewährte, nämlich vorbeugend zu planen,<br />

aus politischen Gründen untersagt wurde.<br />

Das hat unheimlich viel Schaden angerichtet.<br />

Man unterstellt uns Deutschen gelegentlich,<br />

wir glaubten vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

unserer Geschichte, wir seien im<br />

Besitz <strong>einer</strong> überlegenen Moral, die es uns<br />

erlaubte, gr<strong>und</strong>sätzlich nur auf die friedliche<br />

Lösung zu setzen <strong>und</strong> jeglichen Schritt<br />

zum äußersten Mittel der Politik in Abrede<br />

zu stellen. Das wird nicht zuletzt auch an<br />

demjenigen Teil Deutschlands festgemacht,<br />

den Sie besser kennen als viele andere<br />

hier im Raum, nämlich am Osten Deutschlands,<br />

wo diese Position oftmals auch von<br />

jenen vertreten wird, die sich – unter an-<br />

Man glaubt uns nicht<br />

mehr.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

86 87


DISKUSSION<br />

Die Deutschen leiden<br />

unter einem Mangel<br />

an Selbstbewusstsein.<br />

derer Flagge – hemmungslos an Offensivplanungen<br />

beteiligt haben,die das heute aber<br />

natürlich nicht mehr wahrhaben wollen.<br />

Was meinen Sie, was man tun muss,<br />

um in unserem Volk eine nüchterne Betrachtung<br />

zu erzeugen, die am Ende dazu<br />

führt, dass man sich doch zu der Erkenntnis<br />

durchringt, dass man mit Despoten<br />

<strong>und</strong> Tyrannen – das ist ja leider Gottes unter<br />

den Staatsoberhäuptern dieser Welt noch<br />

immer die Mehrzahl, die Gutmenschen<br />

sind ja in der Minderheit – am Ende nur<br />

fertig wird,wenn man als äußerste Option<br />

der Politik auch die Gewaltanwendung<br />

einschließt? Ich sage auch als ehemaliger<br />

Soldat: Es hilft gar nichts, wenn man einen<br />

Beschluss des Deutschen B<strong>und</strong>estages hat,<br />

der vielleicht mit knapper Mehrheit gefasst<br />

wird, dass deutsche Soldaten an Interventionen<br />

beteiligt sein dürfen, wenn die Soldaten<br />

bei ihrer Rückkehr als Parias dieser<br />

Gesellschaft betrachtet werden,weil sie das<br />

getan haben,was das Parlament von ihnen<br />

verlangt hat, nämlich notfalls zu töten.<br />

Dr. Angela Merkel: Für viele gibt es<br />

keinen Sinn, warum sich deutsche Soldaten<br />

in Afghanistan, am Horn von Afrika<br />

oder in der Straße von Gibraltar aufhalten.<br />

Es gibt – man muss sagen: Gott sei Dank –<br />

keine Bedrohungserfahrung.Während des<br />

Kalten Krieges hat Deutschland ersichtlich<br />

im Zentrum der Gefährdung gelebt.<br />

Diese Offensichtlichkeit ist verschw<strong>und</strong>en.<br />

Damit hat sich zumindest in der ersten<br />

Hälfte der 90er-Jahre das Gefühl breit<br />

gemacht: Um so etwas brauchen wir uns<br />

nicht mehr zu kümmern.Auch die Problematik<br />

im Zusammenhang mit Jugoslawien<br />

war überschaubar.<br />

Während der deutschen Teilung war<br />

das sowjetische Imperium, dessen direkte<br />

Ableitung die DDR war, so dominant, dass<br />

man dachte: Man hat mit all dem nichts zu<br />

tun. Dabei hat man allerdings übersehen,<br />

dass ein eigenständiges Land auch eine<br />

ganze Reihe von Pflichten hat. Deutschland<br />

war irgendwie behütet, der Konflikt<br />

war aus dem Herzen des eigenen Landes<br />

verschw<strong>und</strong>en. Auch heute noch ist die<br />

Bedrohung für die Deutschen längst nicht<br />

so evident wie für die Amerikaner.<br />

Ich glaube, die Deutschen leiden unter<br />

einem fatalen Mangel an vernünftigem<br />

Selbstbewusstsein.In diesem Sinne gibt es<br />

in diesen Tagen in unseren Reihen eine<br />

entsprechende Diskussion. Es ist völlig<br />

falsch, wenn behauptet wird, wir müssten<br />

mit gesenktem Haupt durch die Welt gehen.<br />

Bei den Ostdeutschen ist diese Haltung<br />

sicherlich noch viel ausgeprägter,<br />

weil sie über Jahrzehnte hinweg sozusagen<br />

Deutsche zweiter Klasse waren. Die<br />

Deutschen haben doch allen Gr<strong>und</strong>, aus<br />

den guten <strong>und</strong> den schlechten Zeiten ihrer<br />

Geschichte ihr eigenes Selbstbewusstsein<br />

abzuleiten.<br />

Im Übrigen gibt es im Ausland niemanden,<br />

der uns etwas wegnehmen will.<br />

Wenn wir ein vernünftiges Selbstbewusstsein<br />

entwickeln, kommt, wie ich glaube,<br />

auch das Bewusstsein zurück, dass man<br />

für die Sicherheit <strong>und</strong> den Schutz des Ge-


ildes,in dem man lebt,verantwortlich ist.<br />

Wir haben in den beiden letzten Jahren<br />

über eine Million Arbeitsplätze verloren,<br />

davon im letzten Jahr allein 650 000.<br />

Die dramatische Situation in unseren sozialen<br />

Sicherungssystemen ist eindeutig<br />

darauf zurückzuführen, dass die Zahl der<br />

sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer<br />

massiv zurückgegangen ist. In <strong>einer</strong><br />

solchen Situation herrscht natürlich eine<br />

enorme Verunsicherung.In solchen Zeiten<br />

nimmt natürlich die Bereitschaft, sich um<br />

Dinge zu kümmern, die in der Dringlichkeitsskala<br />

erst an fünfter Stelle stehen,<br />

enorm ab. Insofern ist Wachstum eine<br />

ganz wichtige <strong>Vor</strong>aussetzung, damit auch<br />

in den besprochenen Politikfeldern die Arbeit<br />

einfacher wird.Man braucht Erfolgserlebnisse.Wenn<br />

man sieht, welche zum Teil<br />

wirren <strong>Vor</strong>stellungen in den Köpfen herumspuken,kann<br />

man sehr bedrückt werden.<br />

Klaus-Dieter Frankenberger: Im Zuge<br />

des Irak-Konflikts haben Pessimisten –<br />

vielleicht sind es die Realisten – gesagt,<br />

diese Auseinandersetzung sei unvermeidlich<br />

gewesen, sie sei nur eine Frage der<br />

Zeit gewesen, unabhängig von diplomatischen,<br />

politischen, wahlkampftaktischen<br />

Kalkülen <strong>und</strong> auch Dummheiten.Löst sich<br />

der alte Westen nach dem Ende des Kalten<br />

Krieges als politisches Konstrukt auf? Unter<br />

dem von den Europäern so geliebten<br />

amerikanischen Präsidenten Clinton haben<br />

wir in den 90er-Jahren erlebt, dass<br />

man sagen konnte: In den großen strategischen<br />

Fragen haben sich Europäer <strong>und</strong><br />

Amerikaner ein wenig voneinander entkoppelt,Stichwort:strategic<br />

disconnection.<br />

Neu ist – das bedrückt mich als jemanden,<br />

der wie Herr Naumann <strong>und</strong> andere<br />

ein großes Interesse daran hat,dass das<br />

transatlantische Band stabil ist <strong>und</strong> nicht<br />

irgendwann reißt –, dass wir feststellen<br />

müssen, dass auch auf der politisch-kulturellen<br />

Ebene vieles auseinander driftet<br />

<strong>und</strong> wir uns plötzlich fremd werden. Eine<br />

Mehrheit der Kontinentaleuropäer wie<br />

der Briten kann mit den meisten Agierenden<br />

in jenen amerikanischen Regionen –<br />

im Süden <strong>und</strong> im Südwesten –, wo das<br />

Gravitationszentrum ist,politisch-kulturell<br />

wenig anfangen. Das ist politisch relevant,<br />

das prägt Stile, das prägt Politikpräferenzen<br />

<strong>und</strong> den Zugang zur Außenpolitik.<br />

Als Anfang des Jahres der „Economist“<br />

eine Aufstellung über Werte <strong>und</strong> politische<br />

Kultur veröffentlichte, stellte er in<br />

Amerika eine hohe Dichte von Religiosität,<br />

Patriotismus <strong>und</strong> Traditionalismus<br />

fest. Das gibt es in Europa in dieser Konfiguration<br />

nicht. Das wird auch so bleiben.<br />

Die Europäer sind säkular <strong>und</strong> postmodern,<br />

die Amerikaner sind traditionell<br />

familienorientiert.<br />

Mit anderen Worten: Selbst dann,<br />

wenn wir uns gemeinsam den großen Fragen<br />

zuwenden, bleibt das Entzweiende,<br />

das uns fremd Seiende.Wie sehen Sie das,<br />

Frau Merkel?<br />

Dr. Angela Merkel: Ob sich der alte<br />

Westen als politisches Konstrukt auflöst,<br />

hängt sehr davon ab, ob wir wieder eine<br />

Auch auf der politischkulturellen<br />

Ebene driftet<br />

vieles auseinander.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

88 89


DISKUSSION<br />

Der Westen Amerikas<br />

ist heute in Richtung<br />

China orientiert.<br />

gemeinsame Interessenbasis finden. Ich<br />

denke, die Gemeinsamkeit der Bewohner<br />

in Texas <strong>und</strong> in Oberbayern ist noch relativ<br />

groß. Ich weiß nicht, ob die Gemeinsamkeiten<br />

in früheren Zeiten so sehr viel<br />

größer waren. Die Bandbreite des Werteverständnisses<br />

zwischen der derzeitigen<br />

B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> der derzeitigen amerikanischen<br />

Administration ist sicherlich<br />

größer als zu Zeiten von Präsident Clinton<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>eskanzler Kohl <strong>und</strong> meinetwegen<br />

auch Gerhard Schröder.<br />

Was fehlt, sind die Kontakte. Die<br />

große Bindung Amerikas an Deutschland<br />

beruht darauf, dass Millionen Amerikaner<br />

als Alliierte in Deutschland waren. Bob<br />

Zoellick hat mir gegenüber einmal fast<br />

traurig erklärt: Nach <strong>einer</strong> Krise wie der<br />

Irak-Krise haben wir eine solche Chance<br />

nicht mehr, weil solche Art von Integration<br />

wie beispielsweise in den Mainzer<br />

Karneval heute nicht mehr möglich ist.<br />

Der Westen Amerikas ist heute in Richtung<br />

China orientiert, in Richtung des asiatischen<br />

Raumes. Die Bewohner der Ostküste<br />

haben viel zu wenig Bindungen auch<br />

kultureller Art in Richtung Europa. Wir<br />

müssen uns darum bemühen, dass wir attraktiv<br />

füreinander bleiben. Es ist quasi<br />

wie in <strong>einer</strong> lang andauernden Ehe: Gelegentlich<br />

muss man schauen, dass man ein<br />

belebendes Element kreiert.<br />

Wir alle müssen uns darum bemühen;hier<br />

gibt es keinen Automatismus.Die<br />

Welt hat sich verändert. Es gibt viele attraktive<br />

Partner. Insofern werden wir uns<br />

Mühe geben müssen.Wenn wir das nicht<br />

tun, werden wir dafür einen hohen Preis<br />

zu zahlen haben.


B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

90 91


„Es gibt viele Themen <strong>und</strong> Probleme, die deutlich machen, dass wir<br />

mehr miteinander reden müssen.“


Resümee <strong>und</strong> Ausblick<br />

PROF. DR. H. C. HORST TELTSCHIK,<br />

Präsident, Boeing Deutschland, Berlin<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren! Wir haben heute sehr bemerkenswerte Ausführungen<br />

gehört, von denen ich in m<strong>einer</strong> Zusammenfassung einige Gesichtspunkte herausgreifen<br />

möchte. Ich weise darauf hin, dass sich die Welt nicht erst seit dem 11. September<br />

2001 verändert hat, sondern – das wissen gerade wir Deutschen – in den Jahren zwischen<br />

1989 <strong>und</strong> 1991. Präsident Bush senior hat 1991 gefordert: „Wir brauchen eine<br />

neue Weltordnung.“ Hinzu kam mit der Unterzeichnung der Charta für ein neues Europa<br />

seitens aller KSZE-Mitgliedstaaten im November 1990 in Paris eine gemeinsame Verpflichtung.<br />

Dies war übrigens eine großartige Vision eines gemeinsamen <strong>europäische</strong>n<br />

Hauses, dessen Bewohner demokratisch-marktwirtschaftlich ausgerichtet sein sollten.<br />

Die Frage, die ich im Zusammenhang mit unserer heutigen Diskussion an uns Europäer<br />

stellen möchte, lautet: Haben wir auf diese Anfragen geantwortet? Haben wir ein<br />

Konzept, eine gemeinsame Strategie zur Implementierung dieser Überlegungen, Strategien,<br />

Anfragen erarbeitet? Liegt nicht ein Großteil unserer heutigen Probleme darin<br />

begründet, dass wir uns nicht oder zu wenig darum bemüht haben <strong>und</strong> vielfach die<br />

Entwicklung sich selbst überlassen haben? War es von daher nicht ein gewissermaßen<br />

natürlicher Prozess, dass sich eine unipolare Weltordnung entwickelt hat?<br />

Was wäre denn überhaupt die Alternative zu dieser Entwicklung gewesen? Der Zusammenschluss<br />

der Möchtegern-Pole Frankreich, Deutschland <strong>und</strong> Russland gegen die<br />

USA hat keine Probleme gelöst, sondern neue aufgeworfen.<br />

Richard Perle <strong>und</strong> auch Verteidigungsminister Struck haben uns eindringlich vor Augen<br />

geführt, welch tiefe Wirkung der 11. September 2001 auf die amerikanische Außen<strong>und</strong><br />

Sicherheitspolitik gehabt hat <strong>und</strong> noch hat. Die USA sehen sich im Krieg gegen den<br />

Terrorismus.Ich glaube,in Europa ist man sich dieser Konsequenz nicht bewusst.Schon<br />

gar nicht sieht man sich in einem fortdauernden Krieg. Hier gibt es eine tiefgreifende<br />

Diskrepanz in der Perzeption der gemeinsamen Bedrohungen. Es war übrigens Außenminister<br />

Fischer, der vor einigen Wochen eine Diskussion innerhalb der atlantischen Allianz<br />

über die gemeinsamen Bedrohungen eingefordert hat.<br />

Wir müssen an die Politik <strong>und</strong> auch an uns selbst die Frage richten:Warum beginnen<br />

wir Europäer eigentlich nicht damit, diese Bedrohungen in Europa selbst zu definieren<br />

<strong>und</strong> Antworten zu erarbeiten? Warum fordern wir zu etwas auf, ohne es zu tun?<br />

Herr Breuer hat gestern dieses Forum mit der Fragestellung eingeleitet: Gibt es heute<br />

Anlass zu Optimismus oder Pessimismus im transatlantischen Verhältnis? Ich bin überzeugt:Der<br />

Pessimismus sollte uns nicht überwältigen.Es gibt seit dem 11.September 2001<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

92 93


RESÜMEE UND AUSBLICK<br />

Deutschland ist heute<br />

in der Lage, größere<br />

internationale Verantwortung<br />

zu übernehmen.<br />

zwei wichtige positive Auswirkungen, die<br />

wir nicht vergessen sollten. Ich erinnere<br />

Sie an die Solidarität aller NATO-Mitgliedstaaten<br />

wenige Tage nach dem 11.September<br />

2001. In Deutschland sprach man, wie<br />

Sie wissen, von der „uneingeschränkten<br />

Solidarität“. Das war ein wichtiger Solidaritäts-<br />

<strong>und</strong> Vertrauensbeweis.<br />

Eine weitere wichtige Auswirkung,<br />

die wir nicht vergessen sollten, war der<br />

Schritt von Präsident Bush,eine globale Allianz<br />

gegen den Terrorismus zu schaffen.<br />

In diese Allianz waren nicht nur die Europäer<br />

einbezogen, sondern auch Russland,<br />

China, Japan <strong>und</strong> Indien, um nur die<br />

wichtigsten Länder zu nennen. Das bedeutet,<br />

dass sich die potenziellen oder zukünftigen<br />

Pole zusammengeschlossen haben,<br />

um ein gemeinsames Interesse, ein<br />

gemeinsames Ziel zu verfolgen, nämlich<br />

die Bekämpfung des Terrorismus.<br />

Wäre diese Politik nicht das Modell<br />

für eine neue, friedliche Weltordnung,<br />

nämlich der Zusammenschluss der führenden<br />

Länder <strong>und</strong> Regionen dieser Welt, um<br />

gemeinsam definierte Ziele zu setzen <strong>und</strong><br />

zu verfolgen?<br />

Es gibt einen weiteren Anlass zu Optimismus:<br />

Deutschland ist heute rechtlich<br />

<strong>und</strong> politisch in der Lage, Out-of-area-Aktionen<br />

zu unterstützen, zu begleiten <strong>und</strong><br />

durchzuführen. Das ist ein wesentlicher<br />

Fortschritt, den wir in der deutschen Politik<br />

bis in die 90er-Jahre hinein nicht hatten.<br />

Deutschland ist heute im Gegensatz<br />

zur Situation vor zehn Jahren in der Lage,<br />

größere internationale Verantwortung zu<br />

übernehmen.<br />

Ich möchte an einige historische Entscheidungen<br />

gerade im letzten Jahr erinnern.<br />

Wir haben aus m<strong>einer</strong> Sicht in<br />

Deutschland das Bewusstsein für historische<br />

Entscheidungen verloren. Ich denke<br />

an die Erweiterung der NATO um die baltischen<br />

Staaten. Das war eine historische<br />

Entscheidung. Ich erinnere an die Erweiterung<br />

der Europäischen Union um zehn<br />

Länder. Das ist ein historischer Schritt für<br />

diesen Kontinent.Zehn Staaten werden im<br />

nächsten Jahr beitreten, zwei Staaten stehen<br />

vor der Tür; über das Thema Türkei<br />

wird kontrovers diskutiert.<br />

Die dritte historische Entscheidung<br />

ist die Schaffung eines NATO-Russland-Rates.<br />

Dort ist Russland gleichberechtigt mit<br />

den NATO-Staaten vertreten.Das heißt,mit<br />

einem Fuß steht Russland in der NATO.<br />

Das sind großartige, weitreichende historische<br />

Schritte gewesen, die wir heute<br />

konsumieren, als sei das fast selbstverständlich.<br />

Optimismus erlaubt auch dieses Forum.<br />

Wir haben in den zurückliegenden<br />

Jahren vielfältige Initiativen aus der in der<br />

Regel unpolitischen deutschen Wirtschaft<br />

erlebt, selbst einen Beitrag zur Verbesserung<br />

<strong>und</strong> zur weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit<br />

zwischen Deutschland, der<br />

Europäischen Union <strong>und</strong> den USA zu leisten.<br />

Die Schönhauser Gespräche sind ein<br />

gutes, aber nur ein Beispiel. Nächste<br />

Woche findet hier in Berlin erneut ein


PROF. DR. H. C. HORST TELTSCHIK<br />

deutsch-amerikanisches Wirtschaftsgespräch<br />

statt.Ich halte das für eine sehr positive<br />

Entwicklung.<br />

Schließlich ein letzter Punkt hinsichtlich<br />

des Optimismus: Nach anderthalbjähriger<br />

Sprachlosigkeit haben sich<br />

der B<strong>und</strong>eskanzler <strong>und</strong> Präsident Bush zu<br />

einem Arbeitsgespräch getroffen. Die Gespräche<br />

sind also wieder in Gang gekommen.<br />

Sie können über Präsident Bush<br />

sagen, was Sie wollen; er hat es dem B<strong>und</strong>eskanzler<br />

bei diesem Anlass sehr leicht<br />

gemacht, war diplomatisch äußerst geschickt.Er<br />

hat ihm nämlich einen Canossagang<br />

erspart, indem er bereits in seinen<br />

einleitenden Worten erklärte: Vergessen<br />

wir die Differenzen der Vergangenheit,<br />

reden wir über das, was wir zukünftig<br />

leisten müssen. Das war aus m<strong>einer</strong> Sicht<br />

gegenüber dem B<strong>und</strong>eskanzler diplomatisch<br />

außerordentlich erfreulich.<br />

Neben diesen optimistischen Entwicklungen<br />

gibt es auch Anlass zu Pessimismus.<br />

Wir haben in Anwesenheit von<br />

Verteidigungsminister Struck bereits darüber<br />

diskutiert: Die Kluft hinsichtlich der<br />

militärischen Fähigkeiten zwischen den<br />

USA <strong>und</strong> den <strong>europäische</strong>n NATO-Partnern<br />

ist bedrohlich, <strong>und</strong> sie wächst weiter.<br />

In m<strong>einer</strong> jetzigen Rolle erlebe ich das<br />

ja handfest. Sie wissen, dass Security Adviser<br />

Condi Rice gesagt hat – Richard Perle<br />

hat heute hier ebenfalls darauf hingewiesen:<br />

Diese wachsende Kluft kann die<br />

NATO beschädigen <strong>und</strong> gefährden.<br />

Wir müssen uns bewusst sein: In Europa<br />

gibt es weder den politischen Willen<br />

noch die Ressourcen, diese Kluft zu verringern<br />

oder gar auszugleichen. Minister<br />

Struck hat darauf hingewiesen, dass der<br />

Prager Gipfel ein großartiger Erfolg gewesen<br />

sei. Das Problem der Europäer ist: Solange<br />

man solche politischen Entscheidungen<br />

nicht mit den entsprechenden<br />

Ressourcen begleitet, gewinnen wir keine<br />

Glaubwürdigkeit bei unserem wichtigsten<br />

Partner in Washington.Wir leiden seit Jahr<br />

<strong>und</strong> Tag in Washington unter diesem<br />

Glaubwürdigkeitsproblem.<br />

Wenn wir nicht militärisch gleichziehen<br />

können oder wollen, haben wir denn<br />

politische Alternativen für die Regelung<br />

potenzieller <strong>und</strong> akuter Krisen anzubieten?<br />

Es sind ja heute eine Reihe solcher<br />

Krisen angesprochen worden:die Entwicklung<br />

in Osteuropa, auf dem Balkan, im<br />

Mittelmeerraum,im Nahen Osten,im Mittleren<br />

Osten, in Afrika, in Nordkorea. Herr<br />

Bertram hat gesagt:Wir verfügen über die<br />

Rezepte, aber vergessen oft danach zu<br />

kochen. Ich meine: Wir vergessen nicht<br />

nur das Kochen, sondern wir bieten auch<br />

keine Rezepte an. Wir bieten den Amerikanern<br />

keine politischen Lösungen für potenzielle<br />

oder aktuelle Konflikte an.<br />

Herr Struck hat den <strong>Vor</strong>schlag gemacht,<br />

es könnte doch innerhalb der<br />

NATO zu <strong>einer</strong> Aufgabenteilung zwischen<br />

den Europäern <strong>und</strong> den Amerikanern kommen.<br />

Das ist eine vernünftige Überlegung,<br />

dass wir uns beispielsweise um die Ukraine<br />

kümmern, dass wir uns um Weißruss-<br />

Wir bieten den Amerikanern<br />

keine politischen<br />

Lösungen für<br />

potenzielle oder<br />

aktuelle Konflikte an.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

94 95


RESÜMEE UND AUSBLICK<br />

Der Gaullismus als<br />

Leitlinie gemeinsamer<br />

Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik<br />

muss scheitern.<br />

land kümmern – eine Diktatur vor unserer<br />

Haustür,die in Europa stört.Haben wir etwa<br />

eine abschließende Strategie, wie wir die<br />

Probleme auf dem Balkan lösen können?<br />

Hinsichtlich des Irans zeigt sich ein<br />

erster Ansatz zu gemeinsamen Lösungen,<br />

<strong>und</strong> zwar in enger Abstimmung zwischen<br />

der amerikanischen Administration <strong>und</strong><br />

drei <strong>europäische</strong>n Außenministern. Hier<br />

hat zum ersten Mal eine Zusammenarbeit<br />

vernünftig funktioniert <strong>und</strong> aufgezeigt,<br />

dass es im gemeinsamen Interesse liegt zu<br />

kooperieren.<br />

Frau Merkel hat zu Recht darauf hingewiesen:<br />

Wenn wir in der Frage politischer<br />

Lösungen zu wenig Alternativen anbieten,<br />

dann gibt es neben der militärischen<br />

<strong>und</strong> der politischen Alternative eine<br />

dritte,nämlich in Bezug auf die wirtschaftliche<br />

Stärke. Sind wir Deutschen, sind wir<br />

Europäer Motoren der Weltwirtschaft, wie<br />

wir es einmal waren? Wenn wir wirklich<br />

ein Motor der Weltwirtschaft wären,<br />

sprächen die Amerikaner mit großem Respekt<br />

von den Deutschen <strong>und</strong> den Europäern.Aber<br />

auch hier gilt: Fehlanzeige.<br />

Ich stelle die Frage an uns alle:Klagen<br />

wir nicht zu viel über die Stärke der USA<br />

<strong>und</strong> reden wir nicht zu wenig über die<br />

Schwächen der Europäer? Was tun wir,um<br />

diese Schwächen zu beheben? Frau Merkel<br />

hat den interessanten Hinweis gegeben:<br />

Ersetzen wir nicht zunehmend fehlende<br />

Stärke durch Moral, aber auch das nur verbal<br />

<strong>und</strong> nicht durch unser Verhalten?<br />

Wie steht es um die <strong>europäische</strong> Integration?<br />

Heute herrschte hier klarer<br />

Konsens, dass eine <strong>europäische</strong> Integration,<br />

die sich gegen die USA richtet oder als<br />

Gegengewicht aufgestellt wird, scheitern<br />

muss, weil sie Europa spaltet. Es gibt keine<br />

vernünftige Alternative zur Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> zur Partnerschaft mit den USA.<br />

Das heißt nicht, dass die <strong>europäische</strong><br />

Integration nicht ein Wert an sich ist <strong>und</strong><br />

es nicht auch im Interesse der USA liegt,<br />

dass es ein starkes Europa gibt. Richard<br />

Perle hat darauf hingewiesen. Ich war<br />

früher einmal sein Kollege. Ich hätte mir<br />

damals gewünscht, dass er es in Aktionen<br />

umsetzt. Ich hatte oft den Eindruck, dass<br />

sich die Amerikaner mit der <strong>europäische</strong>n<br />

Integration schwer tun.<br />

Es gab heute hier eine große Übereinstimmung<br />

– das finde ich positiv –,dass<br />

die deutsch-französischen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> die konkrete Zusammenarbeit dieser<br />

beiden Staaten innerhalb der Europäischen<br />

Union <strong>und</strong> innerhalb der atlantischen<br />

Allianz neu justiert werden müssen.<br />

Der Gaullismus als Leitlinie gemeinsamer<br />

Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik muss scheitern.<br />

Der Erfolg der <strong>europäische</strong>n Integration<br />

hängt entscheidend davon ab, dass<br />

vor allem Deutschland, aber auch Frankreich<br />

die Interessen der kleinen Partner in<br />

der EU nicht nur berücksichtigen,sondern<br />

ausdrücklich wahren. Deutschland muss<br />

sich davor hüten, Juniorpartner Frankreichs<br />

zu werden.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen<br />

Deutschland <strong>und</strong> Frankreich war über


PROF. DR. H. C. HORST TELTSCHIK<br />

Jahrzehnte hinweg der Motor der <strong>europäische</strong>n<br />

Einigung. Können oder sollten<br />

wir darauf verzichten? Herr Professor Stürmer<br />

hat zu Recht darauf hingewiesen: Es<br />

ist wirklich eine Ironie, dass diese Zusammenarbeit<br />

im Augenblick Europa schwächt.<br />

Das ist wirklich eine bittere Ironie.<br />

Oder sollten wir entsprechend den<br />

Anregungen von Herrn Glucksmann wieder<br />

gemeinsame Initiativen erarbeiten,die<br />

die Europäische Union gesamthaft voranbringen,<br />

<strong>und</strong> zwar mit dem Ziel <strong>einer</strong> gemeinsamen<br />

<strong>europäische</strong>n Identität?<br />

Herr Bertram hat folgenden Punkt angesprochen,<br />

über den wir nachdenken<br />

sollten. Er hat gesagt: Die USA können für<br />

uns Deutsche keinen <strong>Vor</strong>rang vor Europa<br />

haben. Wenn man das so generell sagt,<br />

stellt sich schon die Frage: Ist das wirklich<br />

richtig? Das wäre ein Paradigmenwechsel.<br />

Früheren Regierungen war es völlig klar,<br />

dass in Fragen der Sicherheit die Amerikaner<br />

für uns die absolute Priorität haben.<br />

Hat sich daran substanziell wirklich so viel<br />

geändert? Welche Anlässe gibt es eigentlich,<br />

diese Priorität infrage zu stellen?<br />

Herr Frankenberger hat einen weiteren<br />

Punkt vorweggenommen, den ich ansprechen<br />

möchte, nämlich die heute immer<br />

wieder angeklungene Frage: Müssen<br />

wir nicht die gemeinsamen Werte stärker<br />

betonen? Wie gemeinsam sind diese Werte<br />

tatsächlich noch? Oder entwickeln wir<br />

uns auch in diesem Bereich immer mehr<br />

auseinander? Erleben wir in Deutschland<br />

<strong>und</strong> in Europa nicht nur einen Wertewandel,<br />

sondern zum Teil die Auflösung von<br />

Werten? Wie weit kann eine solche Entwicklung<br />

der Kitt für die transatlantischen<br />

Beziehungen sein?<br />

Frau Merkel hat zu Recht darauf<br />

hingewiesen, dass wir die gemeinsamen<br />

Interessen definieren müssen. Es gibt<br />

eigentlich viele Themen,die wir in diesem<br />

Zusammenhang vor uns haben:Wie gehen<br />

wir zukünftig mit Diktaturen um? Wenn<br />

die Europäer keinen Krieg wollen,müssen<br />

sie Alternativen aufzeigen, beispielsweise<br />

hinsichtlich des Iraks.<br />

Es gibt heute genügend Diktaturen<br />

auf der Welt. Wie gehen wir zukünftig<br />

nach den Erfahrungen im Irak damit um?<br />

Wie gehen wir als Europäer zukünftig mit<br />

der arabischen Welt um? Es geht ja nicht<br />

nur um das Thema des islamischen F<strong>und</strong>amentalismus.<br />

Es kann morgen eine Krise<br />

in Ägypten geben, in Saudi-Arabien.<br />

Haben wir in Europa eine Strategie, wie<br />

wir mit diesen Regionen umgehen?<br />

Wie verhindern wir eigentlich die<br />

Verbreitung von Massenvernichtungswaffen?<br />

Welches sind in dieser Beziehung die<br />

<strong>europäische</strong>n Überlegungen? Müssen wir<br />

das Völkerrecht weiterentwickeln angesichts<br />

asymmetrischer Bedrohungen <strong>und</strong><br />

angesichts der Auflösung von Staatsgebilden?<br />

Das sind nur wenige Themen, die<br />

aber bereits deutlich machen,dass wir viel<br />

mehr miteinander reden müssen.<br />

Herr Breuer hat heute Morgen darauf<br />

hingewiesen:Wir müssen unseren eigenen<br />

Standpunkt mit Selbstbewusstsein vertreten.<br />

Wir müssen unseren<br />

eigenen Standpunkt<br />

mit Selbstbewusstsein<br />

vertreten.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

96 97


RESÜMEE UND AUSBLICK<br />

Spricht es aber von Selbstbewusstsein,<br />

wenn wir ständig betonen,dass wir selbstbewusst<br />

sein müssen, Selbstbewusstsein<br />

haben müssen? Spricht es von Stärke –<br />

diese Frage ist an die USA gerichtet –,<br />

wenn man ständig betont, dass man so<br />

stark ist? Ich glaube, wenn man selbstbewusst<br />

ist <strong>und</strong> weiß, was man will, dann<br />

kann man sich solche Rhetorik,die die Beziehungen<br />

ebenfalls belastet, eigentlich<br />

sparen.


B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

98 99


Verabschiedung<br />

Dr. Rolf-E. Breuer<br />

Herr Dr.Teltschik,Sie haben sich,wie zu erwarten war,der schwierigen Aufgabe<br />

<strong>einer</strong> Zusammenfassung <strong>und</strong> eines Ausblicks mit Brillanz entledigt. Sie haben per saldo<br />

mehr Fragen gestellt als Feststellungen getroffen.Aber das ist vielleicht ein fairer Schlussstrich<br />

unter den heutigen Tag.Denn natürlich konnten wir nicht alle Fragen beantworten.<br />

Aber zumindest haben wir die meisten wichtigen Fragen erörtert <strong>und</strong> einen intellektuellen<br />

Zugang zu ihnen gesucht. Das ist eine gute Basis für das Bemühen, schlussendlich<br />

zu <strong>einer</strong> Lösung zu gelangen.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, alles geht einmal zu Ende, selbst Schönhauser Gespräche.Das<br />

ist jetzt der Fall.Ich habe Anlass zu danken:unseren Rednern,unseren Moderatoren<br />

Herrn Dr. Barbier <strong>und</strong> Herrn Frankenberger, unserem Beirat, der uns bei der <strong>Vor</strong>bereitung<br />

<strong>und</strong> der Durchführung dieses Forums lebhaft unterstützt hat, <strong>und</strong> vor allen<br />

Dingen Ihnen, meine Damen <strong>und</strong> Herren, dafür, dass Sie zur Diskussion dieses wirklich<br />

schwierigen <strong>und</strong> komplexen Themas beigetragen <strong>und</strong> mit Ihrer Anwesenheit sicher auch<br />

ein Quäntchen Sympathie für die privaten Banken <strong>und</strong> ihren Verband zum Ausdruck gebracht<br />

haben. Bleiben Sie uns gewogen.Wir freuen uns auf Sie im nächsten Jahr.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

100 101


Europa <strong>und</strong> Amerika in <strong>einer</strong> globalisierten Welt<br />

DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />

Dinner Speech anlässlich des <strong>Vor</strong>abendempfangs<br />

der 11. Schönhauser Gespräche<br />

am 5. November 2003 im Hotel Adlon, Berlin<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken 102 103


„Amerika <strong>und</strong> Europa bleiben aufeinander angewiesen.“


Europa <strong>und</strong> Amerika in <strong>einer</strong> globalisierten Welt<br />

DR. WOLFGANG SCHÄUBLE, MDB<br />

Stv. <strong>Vor</strong>sitzender der CDU/CSU-Fraktion<br />

im Deutschen B<strong>und</strong>estag, Berlin<br />

Sehr geehrter Herr Breuer, meine sehr geehrten Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

ich bedanke mich für Ihre so überaus liebenswürdige Einführung, Herr Breuer. Es ist für<br />

mich eine besondere Ehre, Sie alle nun noch eine Weile vom Essen abhalten zu dürfen<br />

<strong>und</strong> Ihren Beratungen <strong>und</strong> Diskussionen morgen vielleicht ein paar Impulse zu geben.<br />

Zunächst zu der Frage,die Sie,Herr Breuer,bei Ihrer Begrüßung,angesprochen haben:<br />

Ob wir nun mit Blick auf das europäisch-amerikanische Verhältnis eher optimistisch<br />

oder eher pessimistisch sein können. Ich glaube – jedenfalls, wenn man politisch tätig<br />

ist – sollte man sich diese Frage gar nicht stellen. Denn ich finde, wir haben gar kein<br />

Recht zum Pessimismus, solange wir politisch tätig sind.Als Politiker müssen wir versuchen<br />

die Dinge zu ändern, wenn sie uns nicht passen. Im Übrigen sind wir immer auch<br />

ein wenig als Pädagogen tätig. Da hilft es auch nicht, pessimistisch zu sein.<br />

Meine erste Bemerkung ist daher auch eher optimistisch: Ich vermute, dass der<br />

Krieg mit dem Irak für das atlantische Verhältnis ein großer „Beschleuniger“ sein wird –<br />

<strong>und</strong> zwar Beschleuniger <strong>einer</strong> positiven Entwicklung. Es sind so viele Fehler auf beiden<br />

Seiten des Atlantiks im <strong>Vor</strong>feld des Krieges <strong>und</strong> der Auseinandersetzungen gemacht worden,<br />

dass die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, aus diesen Fehlern zu lernen <strong>und</strong> manches<br />

schärfer zu erkennen <strong>und</strong> auch besser zu machen.Schon Winston Churchill hat einmal<br />

gesagt: „Die Amerikaner machen jeden Fehler, aber am Ende treffen sie die richtige<br />

Entscheidung.“ Die Europäer machen auch jeden Fehler, es ist nur nicht so ganz sicher,<br />

ob sie am Ende die richtige Entscheidung treffen. Das mag uns unterscheiden. Jedenfalls<br />

müssen diese Auseinandersetzungen Anlass sein, über die Zukunft der transatlantischen<br />

Partnerschaft nachzudenken.<br />

Während vor dem Irak-Krieg die meisten gesagt haben:Eigentlich ist die atlantische<br />

Partnerschaft mit dem Ende des Ost-West-Konflikts eher obsolet geworden, klingt es inzwischen<br />

ganz anders.Der Prager NATO-Gipfel hat jedenfalls eher Mut gemacht <strong>und</strong> daher<br />

glaube ich auch,dass die Auseinandersetzungen wirklich die Chance bieten,zu erkennen,<br />

dass Debatten anders geführt <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Fragen anders beantwortet<br />

werden müssen, als wir sie zuletzt beantwortet haben. Denn man muss daran erinnern,<br />

dass Europa in Amerika wegen mangelnder politischer Handlungsfähigkeit,wegen geringer<br />

werdender militärischer Kapazitäten <strong>und</strong> vor allem wegen der Tendenz zu wirtschaftlicher<br />

Stagnation seit geraumer Zeit als weniger zukunftsrelevant angesehen wird – <strong>und</strong> zwar<br />

völlig unabhängig von den Diskussionen im Zusammenhang mit dem Irak-Konflikt.<br />

Die Financial Times hat – ich glaube es war sogar noch vor dem 11. September 2001 –<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken 104 105


EUROPA UND AMERIKA IN EINER GLOBALISIERTEN WELT<br />

Europa <strong>und</strong> Amerika<br />

teilen ein gemeinsames<br />

Erbe.<br />

Europa beschrieben mit den drei Adjektiven:ageing,rich<br />

<strong>und</strong> risk-averse.Das hat ja<br />

etwas mit der Frage zu tun, ob Europa in<br />

der Zukunft noch relevant sein wird oder<br />

nicht.Amerika hat sich bereits ein ganzes<br />

Stück weit in Richtung anderer Märkte<br />

<strong>und</strong> anderer politischer Zentren in der<br />

globalisierten Welt orientiert.<br />

Umgekehrt ist es auch nicht erst seit<br />

dem Irak-Krieg, dass in Europa die Stimmen<br />

zunehmen, die die Vereinigten Staaten<br />

doch in der Gefahr sehen,überheblich<br />

zu sein <strong>und</strong> sich unfähig zu erweisen, den<br />

Rest der Welt in s<strong>einer</strong> Andersartigkeit<br />

auch nur zu verstehen.Wobei manche das<br />

als paradox empfinden, weil die Amerikaner<br />

in ihrem eigenen Land alles so w<strong>und</strong>erbar<br />

verwirklicht haben: Offenheit, Pluralität,<br />

Toleranz, Integration ganz unterschiedlicher<br />

Dinge. Und sie sind daher in<br />

der Versuchung, zu denken: Wenn alle so<br />

wären wie wir in den Vereinigten Staaten<br />

von Amerika, dann wäre es ja mit der Welt<br />

in Ordnung. Woraus aber die Gefahr erwächst,dass<br />

man möglicherweise die Vielfalt<br />

der Welt <strong>und</strong> die Andersartigkeit nicht<br />

so richtig versteht.Weil diese Gefahren bestehen,<br />

sollte man sich daran erinnern,<br />

dass die atlantische Partnerschaft, also die<br />

Gemeinschaft der Demokratien diesseits<br />

<strong>und</strong> jenseits des Atlantiks,im Kampf gegen<br />

die Totalitarismen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

entstanden ist.<br />

Angesichts der Herausforderungen in<br />

der globalisierten Welt sollten wir die Gemeinsamkeiten<br />

des Westens – bei allen<br />

Differenzen, die es geben mag – nicht<br />

außer Acht lassen. Mit französischen Kollegen<br />

kann man gelegentlich über die Frage<br />

diskutieren, ob es denn überhaupt einen<br />

Westen gibt. Das wird von manchen<br />

bestritten. Doch wenn wir überlegen, was<br />

uns mit anderen Teilen, anderen Zentren<br />

in der Welt wirtschaftlich <strong>und</strong> politisch<br />

verbindet oder trennt,was uns gemeinsam<br />

ist <strong>und</strong> was nicht, dann sind die Gemeinsamkeiten<br />

diesseits <strong>und</strong> jenseits des Atlantiks<br />

so überragend, dass das, was uns unterscheiden<br />

mag,im Gr<strong>und</strong>e wenig ist.Wir<br />

teilen ein gemeinsames Erbe. Die Amerikaner<br />

mögen es mir nicht übel nehmen,<br />

wenn ich gelegentlich sage: Die Amerikaner<br />

sind eigentlich noch Kinder Europas.<br />

Sie sind Träger <strong>europäische</strong>n Erbes.Wobei<br />

man ja weiß, dass einem Kinder oft über<br />

den Kopf wachsen. Das Beispiel ist zu besichtigen.<br />

Aber sie sind dennoch Träger<br />

des <strong>europäische</strong>n Erbes. Wir teilen gemeinsame<br />

Werte.<br />

Ich glaube übrigens, dass Werte nicht<br />

so altmodisch sind oder nur für Sonntagsreden<br />

da sind, wenn Politiker nicht so genau<br />

wissen, was sie machen sollen. Im<br />

Gegenteil: Jede freiheitliche Ordnung<br />

braucht ein gewisses Maß an Wertorientierung<br />

oder Moralität,um nicht in der Hypertrophie,<br />

in der Selbstzerstörung, oder<br />

eben doch in Überregulierung zu enden.<br />

Das eine wie das andere ist übrigens auch<br />

in westlichen Gesellschaften zu besichtigen,<br />

da wir diese gemeinsamen Werte teilen<br />

– von Athen, Rom <strong>und</strong> Jerusalem bis


DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />

zur Reformation, Aufklärung,französischen<br />

Revolution <strong>und</strong> amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.Wie<br />

nahe waren sich die<br />

beiden Antipoden schon vor 200 Jahren.<br />

Menschenrechte, Demokratie, Herrschaft<br />

des Rechts, Toleranz, Offenheit – all dies<br />

eint uns in der atlantischen Partnerschaft.<br />

Wir teilen übrigens auch gemeinsame<br />

Interessen <strong>und</strong> gemeinsame Verantwortung.<br />

Denn im Vergleich zu anderen<br />

sind wir ja immer noch die wirtschaftlich<br />

Wohlhabenden – beati possidentes –, die<br />

deswegen noch mehr zu verlieren haben.<br />

Man sollte es nie ganz aus dem Auge verlieren,<br />

dass diejenigen, die viel haben, an<br />

Stabilität <strong>und</strong> friedlichen Entwicklungen<br />

ein größeres Interesse haben müssen, als<br />

diejenigen, die im Gr<strong>und</strong>e nichts zu verlieren<br />

haben. Aber wir sind nicht nur die<br />

Wohlhabenden <strong>und</strong> die wissenschaftlichtechnisch,<br />

auch politisch Erfolgreichen.<br />

Wir sind auch die größten Verbraucher<br />

von Umwelt <strong>und</strong> Ressourcen. Und wir haben<br />

– Amerika weniger als Europa – demographische<br />

Probleme. Amerika hat eine<br />

andere demographische Entwicklung, die<br />

aber doch auch stärker durch Migration<br />

als durch nachhaltige Geburtenzahlen geprägt<br />

ist. Die Europäer gehören jedenfalls<br />

zum abnehmenden Teil der Weltbevölkerung,die<br />

ansonsten weiterhin rasch wächst.<br />

Der prozentuale Anteil von Amerikanern<br />

<strong>und</strong> Europäern an der Weltbevölkerung<br />

insgesamt ist weiterhin rückläufig. Auch<br />

das schafft Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Gemeinsamkeit.<br />

Wenn man sich mit den Unterschieden<br />

beschäftigt, wenn man danach fragt:<br />

Warum sind wir so unterschiedlich? Wo<br />

kommen diese aktuellen Spannungen<br />

her?, dann drängt sich der Eindruck auf,<br />

dass die Amerikaner – vielleicht auch,weil<br />

sie ein Land von Einwanderern gewesen<br />

sind, immer noch sind – mehr Idealismus<br />

haben, mehr Zukunftsorientierung, mehr<br />

Selbstvertrauen als wir Europäer. Es ist all<br />

das, was sich im „American Dream“ ein<br />

Stück weit wiederfindet. Das meiste, das<br />

man über Amerika sagen kann, ist bei<br />

Toqueville schon ziemlich gut beschrieben.<br />

Er hat damals schon gesagt: „Es gibt<br />

nichts, was der Amerikaner nicht glaubt,<br />

durch diese gemeinsame Kraft – die vereinigte<br />

Kraft der Freien – lösen zu können.“<br />

Und wenn man sich erinnert,wie Kennedy<br />

auf den Sputnik-Schock reagiert hat: „Get<br />

a man to the moon in ten years“, wird das<br />

ebenfalls deutlich. Dass deutsche oder <strong>europäische</strong><br />

Politik auf solche Herausforderungen<br />

mit derartigen Formulierungen<br />

antworten würde, ist ziemlich unwahrscheinlich.<br />

Es ist sogar dazu gekommen,<br />

dass innerhalb von zehn Jahren dann ein<br />

Mann auf dem Mond gewesen ist.Dagegen<br />

sind wir Europäer durch Erfahrungen<br />

skeptischer geworden: Endlose Auseinandersetzungen<br />

über Jahrh<strong>und</strong>erte, Erfolge,<br />

Scheitern, die Kleinräumigkeit Europas,<br />

die Vielfalt der politischen Einheiten, die<br />

dann übrigens auch wieder Gr<strong>und</strong>lage der<br />

<strong>europäische</strong>n Dynamik gewesen ist.<br />

Das alles hat uns, die Europäer, – <strong>und</strong><br />

das betrachte ich jetzt nicht als ein Nega-<br />

Amerika <strong>und</strong> Europa<br />

bleiben aufeinander<br />

angewiesen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

106 107


EUROPA UND AMERIKA IN EINER GLOBALISIERTEN WELT<br />

Europa ist zu klein, um<br />

gestaltenden Einfluss<br />

auf die globalisierte Welt<br />

nehmen zu können.<br />

tivum, sondern als etwas, das wir in diese<br />

atlantische Partnerschaft positiv einbringen<br />

können – ein Stück weit gegen ein<br />

überzogenes Maß an Erwartungen oder<br />

Zuversicht immun gemacht, uns auch vorsichtiger<br />

<strong>und</strong> skeptischer werden lassen.<br />

Wahrscheinlich verfügen die Europäer<br />

nicht zuletzt aus ihrer Geschichte des Kolonialismus<br />

– auch kein Ruhmesblatt <strong>europäische</strong>r<br />

Geschichte – über ein hohes<br />

Maß an unterschiedlichen Beziehungen zu<br />

allen Teilen der Welt.Und sie sind auch wegen<br />

der eigenen Kleinräumigkeit, der Vielfalt<br />

der politischen Einheiten in Europa<br />

stärker als andere in der Verbindung von<br />

Vielfalt <strong>und</strong> Einheit geübt. Das ist es auch,<br />

was wir im <strong>europäische</strong>n Einigungsprozess<br />

wieder <strong>und</strong> wieder leisten müssen:<br />

die Verbindung von Vielfalt <strong>und</strong> Einheit immer<br />

wieder zustande zu bringen. Selbst<br />

wenn das so kompliziert werden kann wie<br />

der Konventsentwurf für eine <strong>europäische</strong><br />

Verfassung oder der Vertrag von Nizza – es<br />

ist ein Modell, auf das die Welt in Zeiten<br />

der Globalisierung nicht verzichten kann.<br />

Amerika <strong>und</strong> Europa bleiben jedenfalls<br />

aufeinander angewiesen. Da bin ich<br />

unerschütterlich in m<strong>einer</strong> Überzeugung.<br />

Bezogen auf Europa ist es ganz einfach:Europa<br />

ist zu klein, um gestaltenden Einfluss<br />

auf die globalisierte Welt nehmen zu können.<br />

Man kann das schon an dem Beispiel<br />

des Verhältnisses zum russischen Nachbarn<br />

sehen. Europa allein ist zu klein, um<br />

den russischen Nachbarn balancieren zu<br />

können. Die Russen selbst sehen das übrigens<br />

auch.Sie wollen natürlich Teil des <strong>europäische</strong>n<br />

Hauses sein, aber nicht nur,<br />

sondern zugleich auch Partner der Weltmacht<br />

Amerika. Sie brauchen eben auch<br />

die atlantische Gemeinschaft insgesamt<br />

oder jedenfalls beide Partner. Darüber<br />

muss man ja nicht noch lange reden, auch<br />

nicht Salz in W<strong>und</strong>en streuen. Die vergangenen<br />

Monate haben eines gezeigt: Wer<br />

Europa gegen die USA zu einen versucht,<br />

wird scheitern. Das Einzige, was er erreichen<br />

wird, ist, dass er Europa spaltet. Man<br />

kann Europa nicht gegen die USA einen.<br />

Die Geschichte der <strong>europäische</strong>n Einigung<br />

wäre ohne amerikanisches Engagement<br />

auch anders verlaufen. Hätten die<br />

Amerikaner sich nach dem Ersten Weltkrieg<br />

nicht zu früh aus Europa zurückgezogen,<br />

wäre das <strong>europäische</strong> Zusammenwachsen<br />

vielleicht damals schon gelungen.<br />

Aber weil sie sich zurückgezogen haben –<br />

nicht zuletzt deswegen – sind die Ansätze<br />

<strong>europäische</strong>r Einigung nach dem Ersten<br />

Weltkrieg gescheitert. Und weil sie nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg sich nicht zurückgezogen<br />

haben, sind sie gelungen. Ohne<br />

Amerika wäre die <strong>europäische</strong> Integration<br />

nicht gelungen.<br />

Das ist nicht eine Frage von altem<br />

<strong>und</strong> neuem Europa. Nein, <strong>europäische</strong> Einigung<br />

<strong>und</strong> atlantische Bindung sind im<br />

Gr<strong>und</strong>e zwei Seiten derselben Medaille.<br />

Weil dies aber so ist, müssen die Amerikaner<br />

die <strong>europäische</strong> Einigung nicht fürchten,<br />

nicht einmal auf dem Felde der Verteidigungspolitik.<br />

Und weil dies so ist,


DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />

brauchen sie auch nicht allzu sehr Sorge zu<br />

haben, dass unter französischer Führung<br />

Europa einen antiamerikanischen oder antiatlantischen<br />

Kurs steuern könnte.Soweit<br />

Europa französische Führung überhaupt<br />

zu akzeptieren bereit ist, wird es nur gehen,wenn<br />

Frankreich diese Führung nicht<br />

antiatlantisch oder antiamerikanisch ausfüllt.<br />

Das eine ist mit dem anderen nicht<br />

vereinbar. Deswegen braucht man französischen<br />

Einfluss nicht zu fürchten. Deswegen<br />

kann man übrigens gegenüber Frankreich<br />

großzügiger sein als man es aktuell<br />

in den Vereinigten Staaten von Amerika ist.<br />

Zumal natürlich <strong>europäische</strong> Einigung –<br />

Amerika will einen starken <strong>europäische</strong>n<br />

Partner – ohne Frankreich oder gegen Frankreich<br />

schlecht gelingt.Weswegen eine kluge<br />

deutsche Politik seit Konrad Adenauer<br />

darauf Wert gelegt hat, enge Beziehungen<br />

zu Frankreich zu balancieren mit engen<br />

Beziehungen zu Amerika, <strong>und</strong> auch nicht<br />

zu <strong>einer</strong> Alternative im Verhältnis zu den<br />

anderen Partnern in Europa werden zu lassen.<br />

Das war eigentlich so klar, dass sogar<br />

wir in zurückliegenden Zeiten, als solche<br />

„Dilettanten“ wie wir im Kanzleramt gewesen<br />

sind, das noch gewusst haben. Es<br />

ist unter der jetzigen B<strong>und</strong>esregierung<br />

kurz aus der Erinnerung geraten. Inzwischen<br />

weiß es die deutsche Politik wieder.<br />

Aber den Schaden, den wir damit bei unseren<br />

französischen Fre<strong>und</strong>en angerichtet<br />

haben, der ist noch nicht ganz überw<strong>und</strong>en.<br />

Denn <strong>einer</strong> solchen Versuchung<br />

konnte die französische Politik nicht widerstehen.Deutschland<br />

alternativlos an s<strong>einer</strong><br />

Seite zu haben, das war das Schlimmste,<br />

was wir der französischen Politik angetan<br />

haben. Deswegen muss auch diese Verletzung<br />

der französischen Fre<strong>und</strong>schaft korrigiert<br />

werden im Interesse atlantischer<br />

Partnerschaft.Ich glaube,das ist ganz wichtig.<br />

In Frankreich sage ich immer, wenn<br />

ich solche lockeren Reden halte: Kommt<br />

zurück in die NATO! Und in Amerika sage<br />

ich immer,wenn ich die Chance dazu habe:<br />

Seid großzügig zu Frankreich. Bestraft<br />

nicht Frankreich! Das macht die Dinge in<br />

Europa nicht leichter. Wir brauchen auch<br />

Frankreich,<strong>und</strong> wir bringen das zusammen.<br />

Soweit die <strong>europäische</strong> Seite – <strong>und</strong><br />

warum wir aufeinander angewiesen sind.<br />

Doch die Amerikaner sind auch auf Europa<br />

angewiesen. Die USA brauchen auch<br />

Partner. Allein werden sie eine stabile Weltordnung<br />

nicht schaffen. Eine unilaterale<br />

Weltordnung spricht gegen alle geschichtlichen<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> noch mehr<br />

spricht gegen alle geschichtlichen Erfahrungen,<br />

wenn man versuchen wollte, auf<br />

militärischer Überlegenheit eine stabile<br />

Weltordnung zu bauen.Wir hatten mal in<br />

Europa einen, der hat auch gemeint, er<br />

könnte so eine neue Ordnung in Europa<br />

dauerhaft sichern.Der hieß Napoleon <strong>und</strong><br />

dem hat sein Außenminister schon gesagt:<br />

„Auf Bajonetten sitzt man nicht gut, Sir.“<br />

Und ob es Bajonette sind,Raketen oder andere<br />

Neuentwicklungen im Rahmen der<br />

„revolution in military affairs“ – es bleibt<br />

immer dasselbe: In <strong>einer</strong> offenen, pluralis-<br />

Eine unilaterale Weltordnung<br />

spricht gegen<br />

alle geschichtlichen<br />

Erfahrungen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

108 109


EUROPA UND AMERIKA IN EINER GLOBALISIERTEN WELT<br />

Die USA werden nicht<br />

das einzige Zentrum<br />

der Weltpolitik bleiben.<br />

tischen Gesellschaft kann sich Führung im<br />

Wesentlichen nicht dauerhaft auf militärische<br />

Überlegenheit stützen. Der Versuch<br />

würde wieder scheitern,wenn er unternommen<br />

werden sollte.<br />

Im Übrigen werden die USA nicht das<br />

einzige Zentrum der Weltpolitik bleiben.<br />

China – wie immer die Prognosen im Einzelnen<br />

auch aussehen mögen –,wird schon<br />

allein wegen s<strong>einer</strong> Bevölkerungszahl <strong>und</strong><br />

wegen seines Wachstums ein wichtiger<br />

Partner sein; Russland wegen der Größe<br />

des Reiches ganz sicher auch,andere kommen<br />

hinzu.Und wenn die Vereinigten Staaten<br />

von Amerika sich nach Partnern in der<br />

Welt umsehen, werden sie wegen der<br />

schon erwähnten Gemeinsamkeiten ganz<br />

sicher auch nicht annähernd einen vergleichbar<br />

so passenden,wertvollen <strong>und</strong> attraktiven<br />

Partner wie Europa finden. Dazu<br />

allerdings muss Europa politisch einiger,<br />

leistungsfähiger, handlungsfähiger werden.Es<br />

muss auch bereit sein,einen größeren<br />

Teil weltpolitischer Verantwortung zu<br />

übernehmen,<strong>und</strong> Europa muss seine wirtschaftliche<br />

Stagnation überwinden.In dem<br />

Maße,in dem wir ein leistungsfähigerer,attraktiverer<br />

Partner sind,bin ich auch überzeugt,<br />

dass es uns gelingen wird, mit allen<br />

Differenzen, die weiterhin bestehen werden,<br />

amerikanische Entscheidungen eher<br />

partnerschaftlich zu beeinflussen <strong>und</strong><br />

nicht den Trend zu unilateralen Entscheidungen<br />

oder in andere Richtungen zu verstärken.<br />

Es liegt also an uns selbst.Oder um es<br />

so zu sagen: Den ersten Fehler als Europäer<br />

in den Auseinandersetzungen um<br />

den Irak hat m<strong>einer</strong> Überzeugung nach in<br />

Europa nicht der deutsche B<strong>und</strong>eskanzler<br />

gemacht. Der hat erst den zweiten gemacht.<br />

Den ersten hat der britische Premierminister<br />

gemacht, der übersehen hat,<br />

dass auch Großbritannien allein nicht<br />

mehr stark genug, bedeutend genug ist,<br />

um einen gestaltenden Einfluss auf die<br />

amerikanische Politik nehmen zu können.<br />

Ein einiges, vereintes Europa, eine gemeinsame<br />

<strong>europäische</strong> Stimme hätte eine<br />

bessere Chance. Deshalb: Wenn Großbritannien<br />

seine atlantischen Bindungen stärken<br />

will – das hat auch der frühere Außenminister<br />

Douglas Hurt gesagt – muss es<br />

seine Kräfte in Europa einbringen,weil ein<br />

stärkeres, einiges Europa auch größere<br />

Möglichkeiten hat. Wenn wir uns, wenn<br />

sich der Westen, wenn sich die atlantische<br />

Partnerschaft als Schicksalsgemeinschaft<br />

begreift,<strong>und</strong> wenn wir unsere Fähigkeiten –<br />

auch unsere unterschiedlichen Potenziale<br />

wie Zukunftsorientierung, Zuversicht, Erfahrung<br />

<strong>und</strong> Weisheit der Europäer – zusammenlegen,<br />

dann werden wir am besten<br />

unseren Interessen, auch unserer Verantwortung<br />

in dieser globalisierten Welt –<br />

für deren Zustand ist der Westen ja mehr<br />

als jeder andere verantwortlich – gerecht<br />

werden können.<br />

Aber dazu werden wir akzeptieren<br />

müssen, dass andere andere Entwicklungen<br />

nehmen wollen. Ich habe kürzlich in<br />

der Afghanistan-Debatte im B<strong>und</strong>estag ge-


DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />

sagt: Es hilft uns alles nichts. Wir müssen<br />

akzeptieren, dass Afghanistan sich anders<br />

organisieren wird, als wir das in Europa<br />

tun.Was aber nicht heißt, dass es nicht bestimmte<br />

Dinge gibt, auf die wir bestehen<br />

müssen. Dass es in Afghanistan keine Ausbildungslager<br />

gibt, wo Terroristen ausgebildet<br />

werden oder dass dort keine Drogen<br />

anbaut werden, um den Rest der Welt<br />

damit zu überschütten – das kann man<br />

schon verlangen.Aber die Unterschiede in<br />

Entwicklung, in kultureller, religiöser Herkunft<br />

müssen wir stärker akzeptieren. Im<br />

Übrigen sollten wir auch begreifen, dass<br />

die Vielfalt ja ein Reichtum ist. Und wir<br />

sollten auch als Westen begreifen, dass es<br />

uns stärken wird, wenn wir unsere eigenen<br />

Probleme aus der Sicht anderer vielleicht<br />

sogar besser erkennen können. Es<br />

ist ja nicht wahr, dass wir im Westen keine<br />

Probleme hätten, wenn es nicht die weltpolitischen<br />

Spannungen mit der islamischen<br />

Welt gäbe. Möglicherweise der Westen<br />

insgesamt, ganz sicher aber wir Deutschen<br />

würden, wenn man uns mit unseren<br />

Problemen allein lassen würde, bald<br />

verrückt werden <strong>und</strong> uns selbst zerstören.<br />

So ist das mit der Hypertrophie von<br />

Entwicklungen. Wir können das an neueren<br />

Beispielen sehen:Als die Entwicklung<br />

am Neuen Markt so richtig kräftige Aufwärtstendenzen<br />

hatte – das muss schon eine<br />

Weile her sein – da haben manche daran<br />

erinnert, dass die Holländer mal mit<br />

Tulpenzwiebeln einen ähnlichen Unfug<br />

gemacht haben. Das war im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert.Ich<br />

bin nicht mehr ganz sicher,ob die<br />

Holländer damals wirklich dümmer waren,<br />

als wir es am Beginn des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

gewesen sind. Dazu brauchte es gar<br />

nicht den Einfluss aus anderen großen<br />

Weltreligionen. Das haben wir allein bei<br />

uns fertig gebracht.Oder wenn Sie sich anschauen,<br />

wie wir in Deutschland – ein<br />

wohlhabendes Land – nicht mehr in der<br />

Lage sind, hinreichend viele Kinder in die<br />

Welt zu setzen <strong>und</strong> großzuziehen, um einigermaßen<br />

das Verhältnis von Alt <strong>und</strong><br />

Jung stabil zu halten. Oder wenn Sie einem<br />

Menschen von einem anderen Kontinent<br />

im Dialog der Kulturen <strong>und</strong> Religionen<br />

den <strong>Vor</strong>zug von Demokratie schildern<br />

müssten, <strong>und</strong> dieser würde zurückfragen,<br />

ob sie damit auch das meinten, wie die<br />

Wahlauseinandersetzungen bei den letzten<br />

Gouverneurswahlen in Californien gelaufen<br />

sind. Wären Sie dann ganz sicher,<br />

dass wir nicht Gr<strong>und</strong> haben, im Lichte der<br />

Fragen anderer die Korrekturbedürftigkeit<br />

unserer eigenen Ordnung wieder <strong>und</strong> wieder<br />

im Sinne von Karl Popper kritisch zu<br />

überprüfen?<br />

Deshalb glaube ich, dass der Respekt<br />

vor anderen Teilen der Welt Gr<strong>und</strong>lage<br />

dafür ist,dass wir in einem Dialog anderen<br />

auch ein Stück weit entgegenkommen. Es<br />

ist für uns eine große Chance, wenn wir<br />

die immer fortwährenden Gefahren für<br />

unsere eigene freiheitliche Ordnung<br />

durch Übertreibungen in jede Richtung<br />

auch immer wieder kritisch überprüfen.<br />

Wenn wir uns in einem stärkeren Maße<br />

Wenn man uns mit<br />

unseren Problemen<br />

allein lassen würde,<br />

würden wir bald<br />

verrückt werden.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

110 111


EUROPA UND AMERIKA IN EINER GLOBALISIERTEN WELT<br />

Dem Westen bietet<br />

sich ein „window of<br />

opportunity“.<br />

globaler Verantwortung stellen, werden<br />

wir nach m<strong>einer</strong> Überzeugung darin auch<br />

Kräfte finden, die uns zur Lösung unserer<br />

eigenen Probleme besser befähigen.<br />

Als mich Edm<strong>und</strong> Stoiber im vergangenen<br />

Jahr zum für Außenpolitik zuständigen<br />

Mitglied seines Kompetenzteams ernannt<br />

hatte, habe ich in <strong>einer</strong> kurzen Rede<br />

gesagt: Eine Gesellschaft, die der Versuchung<br />

zur Introvertiertheit nachgibt, wird<br />

die Kräfte der Stagnation im Inneren stärken.<br />

Wenn wir Deutsche meinen, wir<br />

könnten uns nicht auch noch um andere<br />

kümmern, weil wir selbst so viele Probleme<br />

hätten, dann besteht diese Gefahr.<br />

Denn eine solche Gesellschaft, die dieser<br />

Versuchung nachgibt, wird ihre Besitzstände<br />

in <strong>einer</strong> Weise verteidigen,dass Veränderungen<br />

tatsächlich nicht möglich<br />

sind. Deshalb hängt das eine mit dem anderen<br />

zusammen.<br />

Damit bin ich bei m<strong>einer</strong> letzten Bemerkung:<br />

Einen spaßigen Abend konnte<br />

ich Ihnen heute nicht bieten, aber ich will<br />

doch mit <strong>einer</strong> optimistischen Bemerkung<br />

enden. Ich hatte eingangs angemerkt, dass<br />

die Erfahrungen, die wir mit der Irak-Debatte<br />

gemacht haben, dazu führen, dass<br />

auf allen Seiten die Einsicht wächst.Natürlich<br />

gab es viele Fehleinschätzungen: <strong>Vor</strong><br />

dem Irak-Krieg bin ich beispielsweise von<br />

vielen überzeugt worden – ich glaube,<br />

Richard Perle hat mir das auch gesagt –<br />

dass die Lösung des Israel-Palästina-Problems<br />

besser gelingen wird, wenn Sadam<br />

Hussein beseitigt ist. Das war auch die gemeinsame<br />

Überzeugung der jüdischen<br />

Community – mit wem man auch immer<br />

darüber gesprochen hat. Nun mag es ja<br />

sein,dass die Israelis <strong>und</strong> die Palästinenser<br />

das noch nicht begriffen haben <strong>und</strong> dass<br />

es noch kommt.Aber im Augenblick sieht<br />

es noch nicht danach aus.Trotzdem glaube<br />

ich, dass die Chancen, aus den falschen<br />

Entscheidungen nun die richtigen Lehren<br />

zu ziehen, relativ groß sind.<br />

In diesem Zusammenhang möchte<br />

ich gerne auf einen Punkt aufmerksam machen,<br />

von dem ich finde, dass er zu wenig<br />

bedacht wird.Viele meinen ja, die Vereinten<br />

Nationen <strong>und</strong> der Weltsicherheitsrat<br />

seien schwach <strong>und</strong> man könne sich ihnen<br />

nicht anvertrauen. Ich finde aber, die<br />

Chancen, den Weltsicherheitsrat in vielen<br />

weltpolitischen Fragen zu einem relativ<br />

effizienten Instrument zu machen, sind<br />

heute größer als sie je waren. Denn was<br />

uns derzeit im Weltsicherheitsrat nicht<br />

wirklich droht, ist die Inanspruchnahme<br />

eines Vetos durch Moskau oder durch<br />

Peking. In Sachen Irak ist der Weltsicherheitsrat<br />

zur Handlungsunfähigkeit gebracht<br />

worden durch die Uneinigkeit der Partner<br />

der atlantischen Allianz.Wären die Partner<br />

der atlantischen Allianz einig gewesen,<br />

wäre der Weltsicherheitsrat entscheidungs<strong>und</strong><br />

handlungsfähig gewesen. Dass jetzt<br />

eine einstimmige neue Resolution zum<br />

Irak im Weltsicherheitsrat zustande gekommen<br />

ist, verdanken wir nicht zuletzt<br />

dem vermittelnden Einfluss von Russland,<br />

das schließlich die deutsche Regierung


DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />

<strong>und</strong> den französischen Präsidenten zur Zustimmung<br />

zum amerikanischen Resolutionsentwurf<br />

gebracht hat.<br />

Dieses aber heißt:Dem Westen,wenn<br />

er sich denn als eine Schicksalsgemeinschaft<br />

versteht,bietet sich ein „window of<br />

oportunity“. Es ist sehr ungewiss, ob diese<br />

Chance in zehn oder zwanzig Jahren noch<br />

in dieser Weise bestehen wird, so viele<br />

Stabilisatoren für eine globale Weltordnung<br />

zustande zu bringen, wie das heute<br />

möglich ist. Denn weder Russland noch<br />

China haben augenblicklich ein Interesse<br />

daran, diesen Prozess zu blockieren <strong>und</strong><br />

kaum jemand anderes hat die Möglichkeit<br />

dazu.Ich weiß auch nicht,ob die deutsche<br />

Einheit möglich gewesen wäre, wenn wir<br />

zehn Jahre lang geprüft hätten,ob es nicht<br />

bessere Möglichkeiten gegeben hätte.<br />

Wenn wir ein Gewaltmonopol bei den Vereinten<br />

Nationen hätten – wie im demokratisch<br />

verfassten Rechtsstaat – hätten<br />

wir weniger Probleme, denn dann könnten<br />

wir eine effiziente „Weltpolizei“ realisieren.<br />

Doch davon sind wir noch weit<br />

entfernt. Im Rahmen internationaler Beziehungen<br />

können wir militärische Macht<br />

organisieren – aber wir haben gelernt, sie<br />

möglichst nicht einzusetzen. Denn schon<br />

die Möglichkeit, sie einsetzen zu können,<br />

reicht im Sinne der Abschreckung meist<br />

aus. Die Abschreckung muss auch in Zeiten<br />

der Globalisierung funktionieren –<br />

vielleicht nicht immer, aber doch meistens.<br />

Wir sollten daher den Einsatz militärischer<br />

Mittel nicht zu leicht machen,<br />

aber auf der anderen Seite auch entschlossen<br />

sein, sie einzusetzen, wenn es<br />

notwendig ist. Jede Drohung nutzt nur,<br />

wenn sie auch vollzogen werden könnte.<br />

Aber wir sollten dazu zurückkehren, dies<br />

nur als letztes Mittel zu verstehen <strong>und</strong> alles<br />

daran setzen,militärische Gewalt nicht<br />

einsetzen zu müssen.<br />

Denn militärische Überlegenheit ist<br />

kein Garant für Unverletzlichkeit. Auch<br />

asymmetrische Kriegführung birgt große<br />

Gefahren.Und zwar nicht nur,weil es heute<br />

zu allem entschlossene Selbstmordattentäter<br />

gibt. Wer meint, in unseren modernen<br />

Zeiten enthebe der Klick auf dem<br />

Computer die eigenen Soldaten von dem<br />

Risiko für Leib <strong>und</strong> Leben,der irrt.Mit dieser<br />

Einstellung können wir eine stabile<br />

Weltordnung auch nicht zustande bringen.<br />

Nur wenn wir die Überlegenheit der<br />

westlichen Partner im Sinne von Abschreckung<br />

nutzen, <strong>und</strong> jeder weiß, wenn<br />

er gegen das friedliche Miteinander verstößt,<br />

wird er damit keinen Erfolg haben,<br />

haben wir eine Chance, dass der Einsatz<br />

<strong>und</strong> die Aufwendungen für Verteidigung<br />

<strong>und</strong> Sicherheit auch in der Zukunft die Sicherheit<br />

für unsere Menschen nicht kl<strong>einer</strong>,sondern<br />

größer machen.Das muss das<br />

Ziel der westlichen Gemeinschaft sein.<br />

Denn wie gesagt:Auf Bajonetten sitzt man<br />

bekanntlich nicht gut. Ich hoffe aber, dass<br />

Sie auf Ihren Stühlen gut sitzen <strong>und</strong> wünsche<br />

einen guten Appetit. Herzlichen<br />

Dank.<br />

Die Abschreckung<br />

muss auch in Zeiten<br />

der Globalisierung<br />

funktionieren.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

112 113


Die Redner<br />

Dr. Hans D. Barbier,geboren 1937 in Mönchengladbach, studierte Nationalökonomie<br />

in Saarbrücken <strong>und</strong> fand nach der Promotion zum Journalismus. Fünf Jahren Korrespondententätigkeit<br />

bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgten zwölf Jahre bei der<br />

Süddeutschen Zeitung.1986 kehrte Barbier zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung zurück<br />

<strong>und</strong> leitete bis zum Frühjahr 2002 das Ressort Wirtschaftspolitik.Seit Januar 2002 ist Barbier<br />

<strong>Vor</strong>sitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Der Nationalökonom hat zahlreiche Auszeichnungen<br />

für seine ordnungspolitischen Kommentare erhalten, u. a. die Bernhard-<br />

Harms-Medaille des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik<br />

<strong>und</strong> den Karl-Bräuer-Preis des B<strong>und</strong>es der Steuerzahler.<br />

Dr. Christoph Bertram, geboren 1937 in Kiel, studierte Jura <strong>und</strong> Politische Wissenschaften<br />

an den Universitäten Berlin, Bonn <strong>und</strong> Paris. 1967 begann er seine Laufbahn<br />

beim Internationalen Institut für Strategische Studien in London, das er von 1974 bis<br />

1982 als Direktor leitete.Von dort ging Bertram als außenpolitischer Redakteur zur Wochenzeitung<br />

Die Zeit. Seit April 1998 ist er Direktor des Forschungsinstituts der Stiftung<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Politik,das die B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> den B<strong>und</strong>estag berät.Bertram ist<br />

Gastautor beim Foreign Policy Magazine, Washington D. C. Seine Schwerpunkte sind<br />

<strong>europäische</strong> <strong>und</strong> atlantische Sicherheitspolitik, internationale Ordnungsstrukturen sowie<br />

Rüstungskontrolle.<br />

Dr. Rolf-E. Breuer,geboren 1937 in Bonn, studierte nach <strong>einer</strong> Banklehre Jura an den<br />

Universitäten Lausanne, München <strong>und</strong> Bonn. 1967 Promotion zum Dr. jur. an der Universität<br />

Bonn.Nach <strong>einer</strong> Tätigkeit in der Karlsruher Niederlassung der Deutschen Bank<br />

wechselte Breuer 1969 in die Börsenabteilung in der Frankfurter Zentrale der Bank.<br />

1974 wurde er Leiter <strong>und</strong> Direktor der Börsenabteilung, 1985 Mitglied des <strong>Vor</strong>standes.<br />

1997 folgte die Berufung zum Sprecher des <strong>Vor</strong>standes <strong>und</strong> Chairman des Group Executive<br />

Committees. Seit Mai 2002 ist er <strong>Vor</strong>sitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Bank AG.<br />

Breuer ist seit November 2001 Präsident des B<strong>und</strong>esverbandes deutscher Banken.


Klaus-Dieter Frankenberger,geboren 1955 in Darmstadt,absolvierte an der Universität<br />

Frankfurt am Main das Studium der Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre sowie<br />

Amerikanistik <strong>und</strong> war von 1982 bis 1985 Forschungsassistent am Zentrum für Nordamerika-Forschung<br />

der Universität Frankfurt. Bis 1986 war Frankenberger Congressional<br />

Fellow des Repräsentantenhauses im Kongress der Vereinigten Staaten,Washington<br />

D. C. Seit 1986 ist er Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zunächst für Außen-,<br />

Europa- <strong>und</strong> Internationale Politik,ab Juli 1997 zuständig für die Seite „Die Gegenwart“,<br />

seit Februar 2001 verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik.<br />

Prof. Dr. André Glucksmann, geboren 1937 in Boulogne, Frankreich, arbeitete nach<br />

Abschluss seines Philosophiestudiums in erster Linie publizistisch <strong>und</strong> erhielt Ende der<br />

60er Jahre eine Professur an der Pariser Sorbonne. 1967 erschien sein erstes Buch<br />

„Le discours de la Guerre“ über das amerikanische <strong>Vor</strong>gehen in Vietnam. In Folge der<br />

Pariser Studentenunruhen 1968 entwickelte er eine radikale Totalitarismus- <strong>und</strong><br />

Utopiekritik. Wesentliche Meilensteine seines Wirkens waren die Auseinandersetzung<br />

mit den deutschen Philosophen des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, „Die Meisterdenker“ (1977), die<br />

„Philosophie der Abschreckung“ (1983),der „Krieg um den Frieden“ (1995) sowie „Das<br />

Gute <strong>und</strong> das Böse“ (1997), ein fiktiver Briefwechsel zwischen Berlin <strong>und</strong> Paris.<br />

Dr. Angela Merkel, geboren 1954 in Hamburg, studierte an der Universität Leipzig<br />

Physik <strong>und</strong> wurde 1986 zur Dr. rer. nat. promoviert. Ende 1989 trat Merkel dem Demokratischen<br />

Aufbruch (DA) bei <strong>und</strong> war von März bis Oktober 1990 Stellvertretende<br />

Regierungssprecherin der Regierung de Maizière. Seit Dezember 1990 ist sie Mitglied<br />

des Deutschen B<strong>und</strong>estages. Von Januar 1991 bis November 1994 amtierte sie als<br />

B<strong>und</strong>esministerin für Frauen <strong>und</strong> Jugend, anschließend bis Oktober 1998 als B<strong>und</strong>esministerin<br />

für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit. Von Dezember 1991 bis<br />

November 1998 war Merkel Stellvertretende <strong>Vor</strong>sitzende der CDU Deutschlands, seit<br />

April 2000 ist sie <strong>Vor</strong>sitzende der CDU Deutschlands. Seit September 2002 ist sie auch<br />

<strong>Vor</strong>sitzende der CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

114 115


DIE REDNER<br />

Richard Perle, geboren 1941 in New York City, schloss sein Studium der Politischen<br />

Wissenschaften an der Princeton University ab. Von 1960 bis 1980 arbeitete Perle im<br />

Stab des US-Senats in Washington, von 1981 bis 1987 amtierte er im Verteidigungsministerium<br />

als Berater für Fragen der internationalen Sicherheitspolitik. Seit 1987 ist Perle<br />

Resident Fellow am American Enterprise Institute for Public Policy Research in<br />

Washington D.C. Als Experte in Fragen der nationalen <strong>und</strong> internationalen Sicherheit<br />

veröffentlichte er zahlreiche Beiträge, u. a. in amerikanischen Tageszeitungen, im Daily<br />

Telegraph (London) <strong>und</strong> der Jerusalem Post.<br />

Dr. Wolfgang Schäuble,geboren 1942 in Freiburg, absolvierte das Studium der Rechts<strong>und</strong><br />

Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Freiburg <strong>und</strong> Hamburg; Promotion<br />

1971 zum Dr. jur. Seit 1972 ist er Abgeordneter im Deutschen B<strong>und</strong>estag.Von 1975 bis<br />

1984 war Schäuble Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates <strong>und</strong><br />

der West<strong>europäische</strong>n Union.Von 1984 bis 1989 war er B<strong>und</strong>esminister für besondere<br />

Aufgaben <strong>und</strong> Chef des B<strong>und</strong>eskanzleramtes, von 1989 bis 1991 B<strong>und</strong>esminister des<br />

Innern. Von 1991 bis 2000 war Schäuble <strong>Vor</strong>sitzender der CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion,<br />

seit 1998 auch <strong>Vor</strong>sitzender der CDU Deutschlands. Seit 2000 ist er Mitglied des<br />

Präsidiums der CDU Deutschlands,seit Oktober 2002 Stellvertretender <strong>Vor</strong>sitzender der<br />

CDU/CSU-Fraktion im Deutschen B<strong>und</strong>estag.<br />

Dr. Peter Struck,geboren 1943 in Göttingen, Promotion im Anschluss an sein Studium<br />

der Rechtswissenschaft in Göttingen <strong>und</strong> Hamburg zum Dr. jur. (1971). Danach trat er<br />

als Regierungsrat in die Hamburgische Verwaltung ein.1973 erfolgte die Wahl zum Stadtrat<br />

<strong>und</strong> Stellvertretenden Stadtdirektor der Stadt Uelzen.Seit 1980 ist Struck Mitglied des<br />

Deutschen B<strong>und</strong>estages, 1983 erhielt er seine Zulassung als Rechtsanwalt.Von 1990 bis<br />

1998 war er 1.Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion,von 1998<br />

bis 2002 <strong>Vor</strong>sitzender der SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion. Im Juli 2002 wurde Struck zum<br />

B<strong>und</strong>esminister der Verteidigung ernannt.


Prof. Dr. h. c. Horst M. Teltschik, geboren 1940 in Klantendorf/Sudetenland, absolvierte<br />

ein Studium der Politischen Wissenschaft,Neueren Geschichte <strong>und</strong> des Völkerrechts<br />

an der Freien Universität Berlin. Nach verschiedenen Referententätigkeiten wechselte<br />

er 1982 ins B<strong>und</strong>eskanzleramt <strong>und</strong> wurde 1983 Stellvertreter des Chefs des B<strong>und</strong>eskanzleramtes.<br />

1991 kam Teltschik als Geschäftsführer zur Bertelsmann Stiftung, ging<br />

1993 als <strong>Vor</strong>standsmitglied zur BMW Group. 1996 erfolgte ein Ruf an die Fakultät der<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften an der Technischen Universität München, seit<br />

1999 der Auftrag, die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik zu leiten. Seit Februar<br />

2003 ist Teltschik Präsident der Boeing Deutschland.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

116 117


Die Teilnehmer<br />

5./6. November 2003<br />

Rolf Anders, Chefredakteur, Czerwensky<br />

Intern Kronberger Verlags-GmbH,<br />

Eschborn<br />

Dr. Wolfgang Arnold, Stv. Hauptgeschäftsführer,<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Dr. Hans D. Barbier,<strong>Vor</strong>sitzender,<br />

Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., Bonn<br />

Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker <strong>und</strong><br />

Publizist, Berlin<br />

Dr. Werner Baumann, Botschafter der<br />

Schweiz, Berlin<br />

Markus Becker-Melching, B<strong>und</strong>esverband<br />

deutscher Banken, Berlin<br />

Hans-Jürgen Beerfeltz, B<strong>und</strong>esgeschäftsführer<br />

der FDP, Berlin<br />

Dr. Hans Bellstedt, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter, Plato GmbH, Berlin<br />

Gerd Benrath, Hauptgeschäftsführer,<br />

Arbeitgeberverband des privaten<br />

Bankgewerbes, Berlin<br />

Rolf Berndt, Geschäftsführendes<br />

<strong>Vor</strong>standsmitglied, Friedrich-<br />

Naumann-Stiftung, Potsdam<br />

Dr. Christoph Bertram, Geschäftsführender<br />

<strong>Vor</strong>sitzender, Stiftung Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Politik, Deutsches Institut für Internationale<br />

Politik <strong>und</strong> Sicherheit, Berlin<br />

Rainer Bittermann, Leiter der Abteilung<br />

Wirtschaft, Deutschlandfunk, Köln<br />

Prof. Dr. Charles B. Blankart,<br />

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät,<br />

Institut für Öffentliche Finanzen, Humboldt-Universität<br />

zu Berlin<br />

Dr. Cornelius Boersch,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, ACG Aktiengesellschaft für<br />

Chipkarten <strong>und</strong> Informationssysteme,<br />

Wiesbaden<br />

Karl-Heinz Boos, Hauptgeschäftsführer,<br />

B<strong>und</strong>esverband Öffentlicher Banken<br />

Deutschlands, Berlin<br />

Dr. Rolf-E. Breuer, Präsident, B<strong>und</strong>esverband<br />

deutscher Banken, Berlin, <strong>und</strong><br />

<strong>Vor</strong>sitzender des Aufsichtsrates,<br />

Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main<br />

Elmar Brok, Mitglied des Europäischen<br />

Parlaments, Brüssel/Straßburg<br />

Daniela Bühe, Geschäftsführerin<br />

<strong>und</strong> Gesellschafterin, salaction public<br />

relations GmbH, Hamburg<br />

Dr. h. c. Karl Dietrich B<strong>und</strong>schuh,<br />

Ombudsmann, B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken,Wörth<br />

Dr. Katrin Burkhardt, Mitglied der<br />

Geschäftsführung, B<strong>und</strong>esverband<br />

deutscher Banken, Berlin<br />

Prof. Dr. Wilhelm Bürklin, Mitglied<br />

der Geschäftsführung, B<strong>und</strong>esverband<br />

deutscher Banken, Berlin<br />

Prof. Dr. Hans E. Büschgen,Prof. em.<br />

der Universität zu Köln<br />

Reinhard Bütikofer, B<strong>und</strong>esvorsitzender,<br />

Bündnis ‘90/Die Grünen, Berlin


Hugo Bütler, Chefredakteur,<br />

Neue Zürcher Zeitung, Zürich<br />

Dr. Ulrich Cartellieri, Mitglied des<br />

Aufsichtsrates, Deutsche Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Daniel Ray Coats, Botschafter der<br />

Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin<br />

Dr. Peter Coym, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Lehman Brothers Bankhaus AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Dr. Gert Dahlmanns, Berlin<br />

Leo Dautzenberg, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Hansjörg Döll, Mitglied der Geschäftsführung,<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Prof. Dr. Norbert Eickhof,Wirtschafts<strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaftliche Fakultät,<br />

Universität Potsdam<br />

Dr. Klaus C. Engelen,Wirtschaftsjournalist,<br />

Handelsblatt, Berlin<br />

Tasso Enzweiler, Geschäftsführer,<br />

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft,<br />

Köln<br />

Bernd Euler, Mitglied des Bereichsvorstandes,<br />

I&S BV Industrial Solutions and<br />

Services, Siemens AG, Erlangen<br />

Silvio Fagiolo, Botschafter der Italienischen<br />

Republik, Berlin<br />

Georg Fahrenschon, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Prof. Dr. Jürgen W. Falter, Direktor,<br />

Institut für Politikwissenschaft,<br />

Johannes-Gutenberg-Universität Mainz<br />

Dr. Michael Fernholz, ehem. Mitglied der<br />

Geschäftsleitung, Deutsche Bank AG,<br />

Berlin<br />

Prof. Dr. h. c. Joachim Fest, Publizist,<br />

Kronberg im Taunus<br />

Walter Flecken,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Bankenverband<br />

Niedersachsen e.V., Hannover<br />

Jan Foltín, Botschafter der Slowakischen<br />

Republik, Berlin<br />

Christa Franke, Direktorin, Leiterin Büro<br />

Berlin, BVI B<strong>und</strong>esverband Investment<br />

<strong>und</strong> Asset Management e.V., Berlin<br />

Dr. Jörg Franke,<strong>Vor</strong>sitzender des Börsenrates,<br />

Berliner Wertpapierbörse, Berlin<br />

Klaus-Dieter Frankenberger,Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main<br />

Christian Freiherr von Stetten, Mitglied<br />

des Deutschen B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Prof. Gisela Frick, Berlin<br />

Johannes Friedemann, Leiter der<br />

Unternehmenskommunikation,<br />

comdirect bank AG, Quickborn<br />

Dr. Susanne Gaschke, Die Zeit,<br />

Hamburg<br />

Dr. Lüder Gerken,<strong>Vor</strong>stand, Stiftung<br />

Marktwirtschaft, Berlin<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

118 119


DIE TEILNEHMER<br />

Wolfgang G. Gibowski, Staatssekretär,<br />

Bevollmächtigter des Landes<br />

Niedersachsen beim B<strong>und</strong>, Berlin<br />

Dietmar Girst, Präsident, Deutsche<br />

B<strong>und</strong>esbank, Hauptverwaltung Leipzig<br />

Prof. Dr. André Glucksmann, Philosoph,<br />

Paris<br />

Manfred Göbels, Präsident, Deutscher<br />

Führungskräfteverband ULA, Berlin<br />

Prof. Dr. Manfred Görtemaker,<br />

Historisches Institut, Universität Potsdam<br />

Wilfried H. Graf, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Arab Bank AG, Frankfurt am Main<br />

Dr. Otto Graf Lambsdorff, B<strong>und</strong>esminister<br />

a. D., Ehrenvorsitzender der FDP, Bonn<br />

Dr. Ferdinand Graf von Ballestrem,<br />

Mitglied des <strong>Vor</strong>standes, MAN Aktiengesellschaft,<br />

München<br />

Jürgen Grieger, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Deutsche Hypothekenbank (Aktien-<br />

Gesellschaft), Hannover<br />

Prof. Dr. Dieter Grimm, Rektor,Wissenschaftskolleg<br />

zu Berlin<br />

Karl-Heinz Groß,<strong>Vor</strong>sitzender des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Bankenverband Saarland e.V.,<br />

Saarbrücken<br />

Dr. Christian Grün,Persönlich haftender<br />

Gesellschafter,Weberbank Privatbankiers<br />

KGaA, Berlin<br />

Prof. Monika Grütters, Mitglied des<br />

Abgeordnetenhauses, Stv.<strong>Vor</strong>sitzende der<br />

CDU-Fraktion, Berlin<br />

Dr. Ulrike Guérot, Leiterin Arbeitsstelle<br />

Europa, Forschungsinstitut der<br />

Deutschen Gesellschaft für Auswärtige<br />

Politik, Berlin<br />

Prof. Dr. Helga Haftendorn,<br />

Stv.<strong>Vor</strong>sitzende des wissenschaftlichen<br />

Direktoriums, Deutsche Gesellschaft für<br />

Auswärtige Politik, Berlin<br />

Dr. Jürgen Hambrecht,<strong>Vor</strong>sitzender<br />

des <strong>Vor</strong>standes, BASF AG, Ludwigshafen<br />

am Rhein<br />

Thomas Hanke, Handelsblatt, Berlin<br />

Dr. Thomas Hardieck, Ministerialrat,<br />

Leiter des Referats Geld <strong>und</strong> Kredit,<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Arbeit, Berlin<br />

Hansgeorg Hauser,Parlamentarischer<br />

Staatssekretär a. D., Beauftragter des<br />

<strong>Vor</strong>standes,Verbindungsbüro Berlin,<br />

Commerzbank AG, Berlin<br />

Dr. Frank Heintzeler, Sprecher des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Baden-Württembergische Bank<br />

AG, Stuttgart<br />

Jan A. M. Hendrikx, Geschäftsführer,<br />

EURO Kartensysteme GmbH, Frankfurt<br />

am Main<br />

Horst-Diether Hensen, Ombudsmann,<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken, Berlin<br />

H<strong>einer</strong> Herkenhoff, Mitglied der Geschäftsführung,<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Jürgen Hettinger, Präsident, Deutsche<br />

B<strong>und</strong>esbank, Hauptverwaltung Frankfurt<br />

am Main


Dr. Friedrich W. Hofmann,<strong>Vor</strong>sitzender<br />

des <strong>Vor</strong>standes, Bankenverband Baden-<br />

Württemberg e.V., Stuttgart<br />

Prof. Dr. Gertrud Höhler, Beraterin,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Politik, Berlin<br />

Hanns Michael Hölz, Global Head Public<br />

Relations, Deutsche Bank AG, Frankfurt<br />

am Main<br />

Michael Hultgren, Geschäftsführer,<br />

Bankenverband Hamburg e.V., Hamburg<br />

Dr. Michael Inacker, Leiter der Abteilung<br />

Politik, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,<br />

Berlin<br />

Dieter A. Irion, Geschäftsführer <strong>und</strong><br />

Gesellschafter, salaction public relations<br />

GmbH, Hamburg<br />

Fred B. Irwin, Präsident, American<br />

Chamber of Commerce in Germany e.V.,<br />

Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Anne-Barbara Ischinger,<br />

Vizepräsidentin, Humboldt-Universität<br />

zu Berlin<br />

Prof. Dr. Werner Jann,Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaftliche Fakultät,<br />

Universität Potsdam<br />

Josef Janning, Mitglied der Geschäftsleitung,<br />

Bertelsmann Stiftung, Gütersloh<br />

Dr. Christoph Jessen, Ministerialdirigent,<br />

Auswärtiges Amt, Berlin<br />

Christian Jung, B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Matthias Jung, Sprecher des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Forschungsgruppe Wahlen, Mannheim<br />

Dr. Karl Jüsten, Leiter, Kommissariat der<br />

deutschen Bischöfe, Katholisches Büro<br />

Berlin<br />

Dr. Knut Kage, Präsident, B<strong>und</strong>eswertpapierverwaltung,<br />

Bad Homburg v. d. H.<br />

Dr. Ibrahim Karasu, Mitglied der<br />

Geschäftsführung, B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Dr. Kerstin Kießler, Staatsrätin,<br />

Bevollmächtigte der Freien Hansestadt<br />

Bremen beim B<strong>und</strong>, Berlin<br />

Dr. Richard Kießler, Chefredakteur, Neue<br />

Ruhr Zeitung, Essen<br />

Andreas Kleffel,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Bankenvereinigung Nordrhein-Westfalen<br />

e.V., Düsseldorf<br />

Hans-Ulrich Klose, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Pamela Knapp, Hauptabteilungsleiterin,<br />

Corporate Executive Development CDE,<br />

Siemens AG, München<br />

Bernd Knobloch, Stv.<strong>Vor</strong>sitzender<br />

des <strong>Vor</strong>standes, EUROHYPO AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Dr. Hartmut Knüppel, Bereichsleiter<br />

Presse, Dresdner Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Caio K. Koch-Weser, Staatssekretär,<br />

B<strong>und</strong>esministerium der Finanzen, Berlin<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

120 121


DIE TEILNEHMER<br />

Dr. Christoph Konrad, Mitglied des<br />

Europäischen Parlaments, Brüssel<br />

Hilmar Kopper, ehem.<strong>Vor</strong>sitzender<br />

des Aufsichtsrates, Deutsche Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Volker Kraß,Vice President, Cap Gemini<br />

Ernst & Young Deutschland Holding<br />

GmbH, Dornbach b. München<br />

Hans-Jürgen Krause, Mitglied der<br />

Geschäftsführung, B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Henning Krumrey, Leiter Parlamentsredaktion,<br />

FOCUS Magazin Verlag GmbH,<br />

Berlin<br />

Jean-Pierre Laboureix, Gesandter, Leiter<br />

der Finanz-,Wirtschafts- <strong>und</strong> Handelsabteilung,<br />

Botschaft der Französischen<br />

Republik, Berlin<br />

Dr. Beate Lindemann, Geschäftsführende<br />

stv.<strong>Vor</strong>sitzende, Atlantik-Brücke e.V.,<br />

Berlin<br />

Jürgen Lindlar,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Prüfungsverband deutscher<br />

Banken e.V., Köln<br />

Dr. Nader Maleki, Präsident, International<br />

Bankers Forum e.V., Frankfurt am Main<br />

Dr. Hans-Joachim Massenberg, Mitglied<br />

der Geschäftsführung, B<strong>und</strong>esverband<br />

deutscher Banken, Berlin<br />

Edgar Meister, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Deutsche B<strong>und</strong>esbank, Frankfurt am<br />

Main<br />

Dr. Angela Merkel, B<strong>und</strong>esministerin a. D.,<br />

Mitglied des Deutschen B<strong>und</strong>estages,<br />

<strong>Vor</strong>sitzende der CDU Deutschlands <strong>und</strong><br />

der CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion, Berlin<br />

Heinz Klaus Mertes, Geschäftsführer<br />

<strong>und</strong> Chefredakteur, Forte TV Fernseh<strong>und</strong><br />

Filmproduktion GmbH, München<br />

Sigmar Mosdorf,Parlamentarischer<br />

Staatssekretär a. D., Geschäftsführer,<br />

CNC AG, München<br />

Edgar Most, Mitglied der Geschäftsleitung,<br />

Deutsche Bank AG, Berlin<br />

Dr. Günter Müchler,Programmdirektor,<br />

Deutschlandfunk, Köln<br />

Hildegard Müller, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Mitglied des CDU-Präsidiums,<br />

Berlin<br />

Klaus K. Müller, Büroleiter, Korrespondentenbüro<br />

Berlin, FOCUS Magazin<br />

Verlag GmbH, Berlin<br />

Stefan Müller, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Dr. Hugo Müller-Vogg, Publizist,<br />

Bad Homburg v. d. H.<br />

Klaus Naumann, General a. D.,<br />

Vizepräsident, Deutsche <strong>Atlantische</strong><br />

Gesellschaft e.V., Bonn<br />

Prof. Dr. Paul Nolte,Professor of History,<br />

School of Humanities and Social Sciences,<br />

International University Bremen<br />

Günter Nooke, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin


Dr. Wolfgang Nowak, Staatssekretär a. D.,<br />

Sprecher der Geschäftsführung,Alfred<br />

Herrhausen Gesellschaft für internationalen<br />

Dialog mbH, Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Oberreuter,<br />

Direktor, Akademie für Politische<br />

Bildung,Tutzing<br />

Dr. Jens Odewald,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

Verwaltungsrates, Odewald & Compagnie<br />

GmbH, Berlin<br />

Petter Oelberg, Gesandter, Botschaft des<br />

Königreichs Norwegen, Berlin<br />

Sean O’Huiginn, Botschafter von Irland,<br />

Berlin<br />

Gunnar Ortmann, Botschafter des<br />

Königreichs Dänemark, Berlin<br />

Klaus M. Patig, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Commerzbank AG, Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Stephan Paul,Fakultät für<br />

Wirtschaftswissenschaft, Ruhr-Universität<br />

Bochum<br />

Dr. Martin Peltzer,Peltzer & Riesenkampff,<br />

Rechtsanwälte, Frankfurt am<br />

Main<br />

Richard Perle, Resident Fellow,American<br />

Enterprise Institute, Chevy Chase,<br />

Maryland<br />

Dr. Bernd Pfaffenbach, Ministerialdirektor,<br />

Leiter der Abteilung Wirtschafts-,<br />

Finanz- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik, B<strong>und</strong>eskanzleramt,<br />

Berlin<br />

Dr. Melanie Piepenschneider, Leiterin<br />

der Akademie, Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

e.V., Berlin<br />

Ulrich Preuß, Präsident, Deutsche<br />

B<strong>und</strong>esbank, Hauptverwaltung Berlin<br />

Prof. Dr. Gerhard Prosi, Direktor, Institut<br />

für Wirtschaftspolitik, Universität zu Kiel<br />

Dr. Christian Prosl, Botschafter der<br />

Republik Österreich, Berlin<br />

Dr. Henner Puppel,Sprecher des<br />

<strong>Vor</strong>standes, NATIONAL-BANK Aktiengesellschaft,<br />

Essen<br />

Norbert Quinkert,<strong>Vor</strong>sitzender der<br />

Geschäftsführung, Motorola GmbH,<br />

Wiesbaden<br />

Dr. Lutz R. Raettig,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Morgan Stanley Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Dr. Detlev Rahmsdorf, Leiter Konzernstrategie<br />

Kommunikation, Deutsche Bank<br />

AG,Frankfurt am Main<br />

Jürgen Chr. Regge, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Fritz Thyssen Stiftung, Köln<br />

Joachim Rohr,<strong>Vor</strong>sitzender des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Bankenverband Schleswig-Holstein<br />

e.V., Kiel<br />

Dr. Hergard Rohwedder, Rechtsanwältin,<br />

Liberales Netzwerk, Düsseldorf<br />

Jan Roß, Hauptstadtredaktion, Die Zeit,<br />

Berlin<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

122 123


DIE TEILNEHMER<br />

Hans Dietmar Sauer, Präsident,<br />

B<strong>und</strong>esverband Öffentlicher Banken<br />

Deutschlands, Berlin<br />

Heinz-Udo Schaap, B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis,<br />

Staatssekretär, Ministerium der Finanzen<br />

des Landes Brandenburg, Potsdam<br />

Barbara Schardt,Western Star Mediaproduktion<br />

GmbH & Co KG, Berlin<br />

Prof. Dr. Klaus-Werner Schatz,<br />

Leiter des Hauptstadtbüros, Institut der<br />

deutschen Wirtschaft e.V., Berlin<br />

Dr. Wolfgang Schäuble, B<strong>und</strong>esminister<br />

a. D., Mitglied des Deutschen B<strong>und</strong>estages,<br />

Stv.<strong>Vor</strong>sitzender der CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion,<br />

Berlin<br />

Jörg Schauerhammer, Mitglied der<br />

Geschäftsleitung, Commerzbank AG, Berlin<br />

Dr. Kai M. Schellhorn, Mitglied des<br />

<strong>Vor</strong>standes, BMW Stiftung Herbert Quandt,<br />

München<br />

Albrecht F. Schirmacher, Herausgeber,<br />

Der Platow Brief, Frankfurt am Main<br />

Peter Schmalz, Chefredakteur,<br />

Bayernkurier, München<br />

Dr. Gerhard Schmidt,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Heinz Nixdorf Stiftung,<br />

Paderborn<br />

Peter Schneider, Publizist, Berlin<br />

Prof. Dr. Rupert Scholz, B<strong>und</strong>esminister<br />

a. D., Institut für Politik <strong>und</strong> Öffentliches<br />

Recht, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München<br />

Jörg Schönbohm, Minister des Inneren<br />

des Landes Brandenburg, Potsdam<br />

Dr. Stephan Schuster, Managing<br />

Director, Gr<strong>und</strong>satz Kapitalmarkt,<br />

Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main<br />

Dietrich Schütte, Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

Bankhaus Neelmeyer AG, Bremen<br />

Dr. Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung,<br />

Berlin<br />

Oltmann G. Siemens,World Bank Group<br />

Representative,The World Bank Group,<br />

Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Hermann Simon,<strong>Vor</strong>sitzender<br />

der Geschäftsführung, Simon - Kucher &<br />

Partners, Bonn<br />

Michael Sonnenschein,<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Bankenverband Rheinland-<br />

Pfalz e.V., Mainz<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Joachim Starbatty,<br />

<strong>Vor</strong>sitzender des <strong>Vor</strong>standes, Aktionsgemeinschaft<br />

Soziale Marktwirtschaft,<br />

Tübingen<br />

Shimon Stein, Botschafter des Staates<br />

Israel, Berlin<br />

Stephan Steuer, Stv. Hauptgeschäftsführer,<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

Folker Streib, ehem. Mitglied der Geschäftsleitung,<br />

Commerzbank AG, Berlin


Christian Strenger, Mitglied des<br />

Aufsichtsrats, DWS Investment GmbH,<br />

Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Helmuth Strothmann, Leiter<br />

der Fachrichtung Bank, Berufsakademie<br />

Berlin<br />

Dr. Peter Struck, B<strong>und</strong>esminister der<br />

Verteidigung, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Prof. Dr. Michael Stürmer,<br />

Chefkorrespondent, Die Welt, Berlin<br />

Dr. Walther Stützle, Staatssekretär a. D.,<br />

Berlin<br />

Prof. Dr. h. c. Horst Teltschik, Präsident,<br />

Boeing Deutschland GmbH, Berlin<br />

Carl Tham, Botschafter des Schwedischen<br />

Königreiches, Berlin<br />

Eckhart Thomas,Verleger, P. Keppler<br />

Verlag GmbH & Co. KG, Heusenstamm<br />

Peter Torry, Botschafter des Vereinigten<br />

Königreiches Großbritannien <strong>und</strong><br />

Nordirland, Berlin<br />

Eberhard Tschentke, Geschäftsführer,<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland Finanzagentur<br />

GmbH, Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. George Turner, Senator a. D.,<br />

Berlin<br />

Joao Valera, Botschafter von Portugal,<br />

Berlin<br />

Kurt F. Viermetz, Stv.<strong>Vor</strong>sitzender des<br />

Aufsichtsrates, Bayerische Hypo- <strong>und</strong> Vereinsbank<br />

AG, München<br />

Andreas Vogt, Direktor, Commerzbank<br />

AG, Düsseldorf<br />

Peter von der Heydt, Mitglied des Aufsichtsrates,<br />

Delbrück & Co. AG, Köln<br />

Ulrich von Kenne, Ministerialrat a. D.,<br />

Mitglied der Geschäftsführung, B<strong>und</strong>esverband<br />

deutscher Banken, Berlin<br />

Dr. Levin von Trott zu Solz, Körber-<br />

Stiftung, Hamburg<br />

Rüdiger von Voss, Rechtsanwalt, Generalsekretär,Wirtschaftsrat<br />

der CDU e.V.,<br />

Berlin<br />

Prof. Dr. Hans <strong>Vor</strong>länder, Institut für<br />

Politikwissenschaft,Technische<br />

Universität Dresden<br />

Dr. Klaus M. Wagner, Mitglied des<br />

<strong>Vor</strong>standes, IQ International Incubator AG,<br />

Berlin<br />

Klaus Wagner-Wieduwilt, Geschäftsführer,<br />

Ostdeutscher Bankenverband e.V.,<br />

Berlin<br />

Dr. Christoph Walther,Partner <strong>und</strong><br />

<strong>Vor</strong>sitzender des <strong>Vor</strong>standes, CNC AG,<br />

München<br />

Dr. Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer<br />

<strong>und</strong> Mitglied des <strong>Vor</strong>standes,<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken, Berlin<br />

Olaf Wegner,Partner, Institut für Personal<strong>und</strong><br />

Unternehmensberatung, Köln<br />

Werner Weiß, Ministerialdirigent a. D.,<br />

Ombudsmann, B<strong>und</strong>esverband deutscher<br />

Banken, Berlin<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

124 125


DIE TEILNEHMER<br />

Prof. Dr. Horst-Dieter Westerhoff,<br />

Gruppenleiter 33, B<strong>und</strong>eskanzleramt,<br />

Berlin<br />

Dr. Axel Wiesener, Mitglied der<br />

Geschäftsleitung, Deutsche Bank AG,<br />

Berlin<br />

Dagmar Wöhrl, Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages,Wirtschaftspolitische<br />

Sprecherin der CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion,<br />

Berlin<br />

Dr. Josef Wolf, Botschafter des Fürstentums<br />

Liechtenstein, Berlin<br />

Elke Wülfing,Parlamentarische Staatssekretärin<br />

a. D., Mitglied des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Andreas J. Zehnder, Hauptgeschäftsführer,Verband<br />

der Privaten Bausparkassen<br />

e.V., Berlin


B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

126 127


Die bisherigen Veranstaltungen –<br />

Schönhauser Gespräche<br />

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT<br />

Dr. Hans D. Barbier<br />

Prof. Dr. Arnulf Baring<br />

Dr. Susanne Gaschke<br />

Wolfgang G. Gibowski<br />

Prof. Dr. Paul Nolte<br />

Prof. Dr. Michael Stürmer<br />

1993 Was hält die Deutschen noch zusammen?<br />

Die Wiederentdeckung des Gemeinwohls<br />

Entfremdung zwischen Ost <strong>und</strong> West<br />

Über die psychologischen Schwierigkeiten der Einheit<br />

Monika Maron, Publizistin<br />

Auf dem Weg zur Einheit<br />

Gemeinwohl versus Gruppeninteressen<br />

Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident von Thüringen<br />

Deutschland in der <strong>neuen</strong> Weltordnung<br />

Bedingungen der Handlungsunfähigkeit<br />

Prof. Dr. Michael Stürmer, Leiter des Forschungsinstituts für internationale<br />

Politik <strong>und</strong> Sicherheit, Ebenhausen<br />

Macht die Einheit Deutschland stark?<br />

Deutschlands Wirtschaft aus internationaler Sicht?<br />

Kurt F.Viermetz, Vice Chairman der J. P. Morgan Bank, New York<br />

Haben wir das Gemeinwohl wiederentdeckt –<br />

oder nur die Notwendigkeit der Wiederentdeckung?<br />

Dr. Hanns Christian Schroeder-Hohenwarth, Ehrenvorsitzender des<br />

Aufsichtsrates der Berliner Handels- <strong>und</strong> Frankfurter Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

1994 Sozialstaat <strong>und</strong> Bürgerfreiheit<br />

Müssen Staat <strong>und</strong> Bürger ihr Verhältnis neu bestimmen?<br />

Sonderbarer Sozialstaat<br />

Notizen aus dem gesellschaftlichen Leben<br />

Dr. Renate Merklein, Publizistin<br />

Die konfiszierte Freiheit<br />

Die Krise des Steuerstaates <strong>und</strong> die Grenzen der Machbarkeit<br />

Dr. Otto Graf Lambsdorff, MdB


Die verkannte Wirklichkeit<br />

Opportunismus <strong>und</strong> Selbstbetrug in unserer Gesellschaft<br />

Prof. Dr. Arnulf Baring, FU Berlin<br />

Die Wiederentdeckung der Bürgertugenden<br />

Ein neues Rollenverständnis zwischen Bürger <strong>und</strong> Staat<br />

Prof. Dr. Richard Schröder, Humboldt-Universität, Berlin<br />

Wie geht es weiter?<br />

Dr. Klaus von Dohnanyi, B<strong>und</strong>esminister a. D.<br />

1995 Deutschland im Umbruch<br />

Die politische Klasse <strong>und</strong> die Wirklichkeit<br />

Die deutsche Politik <strong>und</strong> die Wirklichkeit<br />

Realitätsverfehlung als deutsches Erbteil<br />

Dr. Klaus von Dohnanyi, B<strong>und</strong>esminister a. D.<br />

Die Lehre aus der Vergangenheit<br />

Deutschland im Konzert der Welt<br />

Dr. h.c. Helmut Schmidt, B<strong>und</strong>eskanzler a. D.<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Ideologie im Widerstreit<br />

Dr. Eberhard von Kuenheim, <strong>Vor</strong>sitzender des Aufsichtsrates<br />

der BMW AG, München<br />

Der deutsche Geist <strong>und</strong> die politische Realität<br />

Herkunft <strong>und</strong> Wirkung eines Intellektuellen-Stereotyps<br />

Prof. Dr. Hermann Lübbe, Universität Zürich<br />

Wie geht es weiter?<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Prof. Dr. Fritz Stern, Columbia-Universität New York<br />

1996 Europa – warum?<br />

Der alte Kontinent auf der Suche nach Gemeinsamkeit<br />

Wer ist eigentlich Europäer?<br />

Das Problem:Vielfalt in der Einheit<br />

Henryk M. Broder, Publizist<br />

Handlungsfähigkeit für Europa<br />

Weltmacht statt nationaler Ohnmacht<br />

Prof. Dr. Henry A. Kissinger, Außenminister a. D.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

128 129


DIE BISHERIGEN VERANSTALTUNGEN – SCHÖNHAUSER GESPRÄCHE<br />

Stärkt Europa die Wirtschaft?<br />

Erwartungen, Besorgnisse <strong>und</strong> neue Orientierungen<br />

Dipl.-Ing. Jürgen E. Schrempp, <strong>Vor</strong>standsvorsitzender<br />

der Daimler-Benz AG, Stuttgart<br />

Vision Europa<br />

Neue Perspektiven für alte Nationalstaaten<br />

Senator Jean François-Poncet, Paris<br />

Vision & Wirklichkeit<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Dr. Richard von Weizsäcker, B<strong>und</strong>espräsident a. D.<br />

1997 Modell Deutschland: Verlust der Balance<br />

Wie reformfähig ist die B<strong>und</strong>esrepublik?<br />

Deutsche Seelenlagen<br />

Zwischen Traum <strong>und</strong> Katzenjammer<br />

Dr. Cora Stephan, Publizistin<br />

Modell Deutschland<br />

Verlust der Balance oder Modellverschleiß<br />

Prof. Dr.Wilhelm Hennis, Universität Freiburg<br />

Ein neues Bürgerbild<br />

Maßstäbe <strong>und</strong> Imperative für die Gesellschaft<br />

Prof. Dr. Berthold Leibinger, Geschäftsführender Gesellschafter<br />

der TRUMPF GmbH & Co., Ditzingen<br />

Ein neues Leistungsbild<br />

Maßstäbe <strong>und</strong> Imperative für die Wirtschaft<br />

Hilmar Kopper, <strong>Vor</strong>sitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Bank AG,<br />

Frankfurt am Main<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Prof. Dr. Fritz W. Scharpf, Direktor des Max-Planck-Instituts für<br />

Gesellschaftsforschung, Köln<br />

1998 Dem Land Richtung geben:<br />

Führung – Eigenverantwortung – Wettbewerb<br />

Deutschland – ein Verein zur Risikovermeidung?<br />

Peter Schneider, Publizist, Berlin


Führung <strong>und</strong> Wandel: Die Herausforderung annehmen<br />

Peter D. Sutherland, Chairman, Goldman Sachs International, London<br />

Politik braucht Respekt vor Eigenverantwortung<br />

Prof. Dr. Michael Blumenthal, Direktor, Jüdisches Museum, Berlin<br />

Wettbewerb als Lebensform<br />

Dr. h. c.Tyll Necker, Vizepräsident, B<strong>und</strong>esverband der Deutschen Industrie,<br />

Köln<br />

Was zu tun ist: Das Beispiel Arbeitsmarkt – I<br />

Patrick M. Liedtke, Club of Rome, Wirtschaftsbüro Liedtke, Giesheim<br />

Was zu tun ist: Das Beispiel Arbeitsmarkt – II<br />

Prof. Dr. Manfred J. M. Neumann, Direktor, Institut für internationale<br />

Wirtschaftspolitik, Bonn<br />

Am <strong>Vor</strong>abend: The architecture of the Reichstag and German unity<br />

Sir Norman Foster, Foster and Partners, London<br />

1999 Bilanz <strong>und</strong> Ausblick am Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts:<br />

Deutschland auf dem Weg in die „Berliner Republik“<br />

Erfahrungen mit Deutschland<br />

Cees Nooteboom, Schriftsteller, Amsterdam<br />

Bilanz am Ende unseres Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker <strong>und</strong> Publizist, Berlin<br />

Deutschland, was nun?<br />

Dr. Gustav Seibt, Berliner Zeitung, Berlin<br />

Auf dem Weg in die „Berliner Republik“?<br />

Dr. Michael Naumann, Staatsminister für Angelegenheiten der<br />

Kultur <strong>und</strong> der Medien, Berlin<br />

Dr. Josef Joffe, Leiter des Ressorts Außenpolitik, Süddeutsche Zeitung,<br />

München<br />

Dr. Hans D. Barbier, Leiter der Wirtschaftsredaktion,<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Dr. Mathias Döpfner, Chefredakteur, Die Welt, Berlin<br />

Am <strong>Vor</strong>abend: Deutschlands Rolle in der Welt – wie neu, wie wichtig?<br />

Dr. Christoph Bertram, Direktor, Forschungsinstitut der Stiftung<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Politik, Ebenhausen<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

130 131


DIE BISHERIGEN VERANSTALTUNGEN – SCHÖNHAUSER GESPRÄCHE<br />

2000 Handlungsfähigkeit zurückgewinnen:<br />

Deutschland zwischen Globalität <strong>und</strong> nationalen Blockaden<br />

Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht<br />

Dr. h. c. Lothar Späth, Ministerpräsident a. D. <strong>und</strong> <strong>Vor</strong>sitzender des<br />

<strong>Vor</strong>standes, Jenoptik AG, Jena<br />

Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Außenansicht<br />

Dr. Herwig Schlögl, Stv. Generalsekretär, OECD, Paris<br />

Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates<br />

Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt, Deutsche Bank Gruppe,<br />

Frankfurt am Main<br />

Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?<br />

Wolfgang Clement, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen,<br />

Düsseldorf<br />

Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems?<br />

Friedrich Merz, <strong>Vor</strong>sitzender der CDU/CSU-Fraktion, Deutscher B<strong>und</strong>estag,<br />

Berlin<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Stefan Baron, Chefredakteur, Wirtschaftswoche, Düsseldorf<br />

Am <strong>Vor</strong>abend: Parteien – Dinosaurier in der Mediendemokratie?<br />

Dr. Hugo Müller-Vogg, Herausgeber, Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />

Frankfurt am Main<br />

2001 Die Zukunft der Nation:<br />

Wer sind wir Deutschen? Was müssen wir sein?<br />

Impressionen zur Nation<br />

Prof. Dr. Peter Sloterdijk, Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung,<br />

Karlsruhe<br />

Deutschland im postnationalen Zeitalter<br />

Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina,<br />

Frankfurt (Oder)<br />

Deutscher Patriotismus: zulässig, zeitgemäß<br />

Prof. Dr.Arnulf Baring, Historiker <strong>und</strong> Publizist, Berlin<br />

Erwartungen an Deutschland<br />

Brigitte Sauzay, Beraterin des B<strong>und</strong>eskanzlers für die deutsch-französischen<br />

Beziehungen, B<strong>und</strong>eskanzleramt, Berlin


Chancen <strong>und</strong> Grenzen der Nation<br />

Dr. Susanne Gaschke, Die Zeit, Hamburg<br />

Die Deutschen <strong>und</strong> die Nation<br />

Prof. Dr. Jürgen W. Falter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Mainz<br />

Die Medien <strong>und</strong> die Nation<br />

Wolfgang G. Gibowski, Pressesprecher der Stiftungsinitiative<br />

Deutsche Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung <strong>und</strong> Zukunft“, Berlin<br />

Ausblick<br />

Jörg Schönbohm, Minister des Inneren des Landes Brandenburg, Potsdam<br />

Am <strong>Vor</strong>abend: Von unseren Identitäten<br />

György Konrád, Präsident der Akademie der Künste, Berlin<br />

2002 Nach der Wahl: Deutschland im Aufbruch?<br />

Wo steht Deutschland nach der Wahl?<br />

Dr. Klaus von Dohnanyi, B<strong>und</strong>esminister a. D., Hamburg<br />

Erfolgreiche politische Reformen …<br />

Per Westerberg i.V. von Carl Bildt, Ministerpräsident a. D. , Stockholm<br />

Wim Kok, Ministerpräsident a. D. , Den Haag<br />

… <strong>und</strong> ihre Übertragbarkeit auf Deutschland.<br />

Diskussion mit einleitenden Statements<br />

Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Chairman, Roland Berger Consultants, München<br />

Jürgen Peters, Zweiter <strong>Vor</strong>sitzender der IG Metall, Frankfurt am Main<br />

Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin, Institut für Demoskopie, Allensbach<br />

Von der Erkenntnis zur Umsetzung: Die politischen Reformen anpacken!<br />

Prof. Dr. Roman Herzog, B<strong>und</strong>espräsident a. D., München<br />

Diskussion mit einleitenden Statements<br />

Hildegard Müller, MdB, Mitglied des Präsidiums der CDU, Berlin<br />

Nina Hauer, MdB, Berlin<br />

Daniel Bahr, MdB, B<strong>und</strong>esvorsitzender der Jungen Liberalen, Berlin<br />

Alexander Bonde, MdB, Berlin<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen B<strong>und</strong>estages, Berlin<br />

Am <strong>Vor</strong>abend: Europe – unfinished business<br />

Rt. Hon. Peter Mandelson, Member of Parliament, London<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

132 133


Ute Helmbold studierte Kommunikationsdesign<br />

an der Universität Essen (ehemals<br />

Folkwang).Seit 1986 arbeitet sie freiberuflich<br />

als Illustratorin für zahlreiche Verlage, Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Institutionen. Seit 1994 hat sie<br />

die Professur für konzeptionelle Bilderfindung<br />

an der Hochschule für Bildende Künste in<br />

Braunschweig inne. Sie lebt <strong>und</strong> arbeitet in<br />

Essen.<br />

B<strong>und</strong>esverband deutscher Banken<br />

134 135

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!