Katalog - Brandes & Apsel Verlag
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Verleger-Post 2010/2011<br />
Die westlichen industriellen Wissensgesellschaften haben<br />
ein Problem, ein Problem mit der Aggression in ihrem<br />
Innern – und damit mit den Menschen. Wenn ein Bankangestellter<br />
in den 40ern seinen Arzt um eine Verschreibung<br />
von Ritalin drängt, um der Geschwindigkeit der Arbeitsabläufe<br />
noch folgen zu können, dann merken wir, wie die<br />
gesellschaftliche Aggression verinnerlicht ist. Kein Finanzinstitut<br />
dieser Welt kann sich Mitarbeiter – Frauen und<br />
Männer – leisten, die nicht Antreibende und zugleich<br />
Getriebene sind. Dieses Beispiel steht pars pro toto für eine<br />
Arbeitswelt, in der sich Aggressivität und Narzissmus zu<br />
einer durchschlagenden Mischung verschmolzen haben, um<br />
die Welt zu beherrschen und gleichzeitig bis ins Innerste<br />
von ihr beherrscht zu werden. Dies demonstrieren uns die<br />
Erkrankungen der Zeit: narzisstische Krisen, Depressionen<br />
und körperliche Reaktionen – die Betroffenen finden sich in<br />
den Behandlungszimmern ein, ausgelaugt vom jahrelangen<br />
Karrierestreben, tief gekränkt von einem systemlogischen<br />
Scheitern, schwer erreichbar für Therapeuten.<br />
Erfordern die Patientinnen und Patienten des 21. Jahrhunderts<br />
eine neue Sensibilität von den Psychoanalytikern? Ein<br />
neues Nachdenken? Vielleicht sind solche Fragen schon zu<br />
großspurig und folgen damit der beklagten Logik. Doch das<br />
psychoanalytische Forschen hat in der Reflexion der sich<br />
verändernden Lebensverhältnisse erkannt, dass der »flexible<br />
Mensch« (Richard Sennett) von psychischen Erkrankungen<br />
gequält wird, die immer wieder sein Selbstwertgefühl angreifen<br />
bzw. es gar nicht zur Entfaltung kommen lassen.<br />
Um es dem Menschen zu ermöglichen, kritisch über sich<br />
zu reflektieren, bedarf es eines emphatischen Zugangs.<br />
Psychoanalytiker und Psychoanalytikerinnen bieten Ihnen<br />
diesen auf den folgenden Seiten.<br />
Roland <strong>Apsel</strong>, Frankfurt am Main, im Juni 2010