Der Gleichstellungs â Newsletter der Stadt Osterholz-Scharmbeck
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dass eigentlich gar nicht klar ist, ob ich zurückkommen kann«. Nach einem halben Jahr war die Werbefrau<br />
wie<strong>der</strong> zurück im Büro, zweieinhalb Tage pro Woche. Was nicht mehr da war, war ihr Job. Die Aufgaben,<br />
vergeben an externe Berater.<br />
Sie wurde kurzzeitig PR-Managerin, dann für ein paar Wochen Interimsmanagerin im Rheinland, flog jeden<br />
Montagmorgen um sechs Uhr ins Rheinland, kehrte Mittwochnacht zurück. <strong>Der</strong> Säugling? Immer mit dabei<br />
– was keiner in <strong>der</strong> Firma wusste: Im Rheinland leben die Großeltern, und die hüteten das Kind. »Im Nachhinein«,<br />
sagt Stefanie Freier, »glaube ich, dass das Absicht war. Man hat mir Jobs gegeben, die eigentlich<br />
mit Kind nicht machbar waren.« Man wollte sehen, wie lange macht die das mit. Freier machte es ein Jahr<br />
lang mit, dann wurde sie mit dem zweiten Kind schwanger. Wie<strong>der</strong> sagte sie: »Ich komme nach einem halben<br />
Jahr wie<strong>der</strong>.« Doch bevor es so weit war, erhielt sie einen Brief: »Dem Teilzeitantrag kann nicht stattgegeben<br />
werden.« Grund: »betriebsbedingte Umstrukturierungen«.<br />
»Du musst dein Recht auf Teilzeit einklagen«<br />
<strong>Der</strong> Kin<strong>der</strong>gartenplatz war gebucht, das Jüngere bei <strong>der</strong> Tagesmutter eingewöhnt. Stefanie Freier dachte:<br />
»Das kann nicht sein.« Eine Personalerin <strong>der</strong> Firma sagt: »Sobald eine Frau schwanger ist, wird sie in <strong>der</strong><br />
Personalplanung <strong>der</strong> Firma nicht mehr berücksichtigt.« <strong>Der</strong> inzwischen neue Chef bot Freier wie an<strong>der</strong>en<br />
Müttern eine Abfindung an, zog bei einem Treffen den Aufhebungsvertrag aus <strong>der</strong> Tasche, schimpfte auf<br />
»diese verbissenen Frauen«, die immer alles wollten: Kind und Job. Stefanie Freier war fuchsteufelswild.<br />
Perplex. Hilflos. Frustriert. Zettelte einen Ehekrach an. Warf ihrem Mann vor: »Ich habe das bessere Examen,<br />
aber ihr Männer schiebt euch einen Job nach dem an<strong>der</strong>en zu!«<br />
Ihr Mann sagte: »Du hast ein Recht auf einen Teilzeitarbeitsplatz, du musst ihn einklagen.« Sie: »Dann bin<br />
ich raus aus <strong>der</strong> Firma.« Er: »Du bist doch eh raus.« Ihr neuer Chef: »Nehmen Sie die Abfindung an. Sie<br />
werden in diese Firma keinen Fuß mehr setzen – glauben Sie, wir stellen jemanden ein, <strong>der</strong> gegen uns<br />
geklagt hat?«<br />
Trotzdem: sich einfach so abservieren lassen? Stefanie Freier klagt. Auf ihr Recht auf Teilzeitarbeit. Gegen<br />
Diskriminierung. Was sie erreichen will: »Am Anfang wollte ich meinen Job wirklich wie<strong>der</strong>. Aber jetzt sagen<br />
mein Mann und ich: Wir haben Töchter, wir ziehen das durch – exemplarisch für alle an<strong>der</strong>en.«<br />
Weitaus weniger Frauen als noch bei Einführung des Gesetzes 2001 angenommen klagen auf ihren Teilzeitarbeitsplatz,<br />
sagt Michael Eckert, Arbeitsrechtler und Vorstandsmitglied im Deutschen Anwaltverein:<br />
»Meist lässt sich mit gutem Willen auf beiden Seiten eine Lösung finden – das Gesetz nützt, böse gesagt,<br />
denjenigen, die <strong>der</strong> Arbeitgeber nicht weiterbeschäftigen möchte, denn die können dann ihren Teilzeitarbeitsplatz<br />
einklagen.« Genaue Zahlen gibt es nicht. In <strong>der</strong> Kanzlei von Petra Dalhoff, Anwältin mit Schwerpunkt<br />
Arbeitsrecht und Mitglied im Verband berufstätiger Mütter, geht es in etwa 30 Prozent aller Fälle um<br />
den Anspruch auf eine Teilzeittätigkeit.<br />
Ihre Mandanten: überwiegend hoch qualifizierte Frauen. Dalhoff sagt: »Viele Frauen legen sich nicht früh<br />
genug fest, wann und für wie viele Stunden sie zurückkehren wollen. Damit kann kein Arbeitgeber planen.«<br />
Schwierig für Arbeitgeber ist es auch, wenn eine Frau länger als sechs Monate zu Hause bleibt. Ihr Tipp:<br />
möglichst früh, möglichst konkret mit dem Arbeitgeber die Rückkehr planen. Dennoch gebe es seitens <strong>der</strong><br />
Firmen immer noch viele Vorurteile – <strong>der</strong> Verwaltungsaufwand sei hoch, die Arbeit in Teilzeit nicht machbar.<br />
Dabei liegt <strong>der</strong> Grund meist in <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Firma. Cornelia Sengpiel, Geschäftsführerin von Profiplaza,<br />
einer Berufsplattform, die Teilzeitstellen an hoch qualifizierte Mütter vermittelt, sagt: »Vorbehalte gegen Teilzeitarbeit<br />
haben mit <strong>der</strong> Arbeitsorganisation zu tun. Wie sehr ist das Unternehmen bereit, sich zu verän<strong>der</strong>n?<br />
Je traditioneller ein Unternehmen ist und je stärker es auf Präsenzzeiten pocht, desto weniger wird es Teilzeit<br />
akzeptieren.«<br />
Dabei ist wissenschaftlich längst belegt: Wer Teilzeit arbeitet, ist produktiver und besser organisiert als ein<br />
Vollzeitmitarbeiter. Drastisch formuliert: Wer in Teilzeit einstellt, bekommt mehr Leistung für weniger Geld.<br />
Auch Soziologin Jürgens bestätigt: »Fortschrittliche Unternehmen haben erkannt, dass es auf Leistung ankommt,<br />
nicht auf Anwesenheit.« Sie sagt: »Arbeitsmarkt und Beschäftigte sind extrem flexibel. Aber es gibt<br />
Grenzen <strong>der</strong> Anpassungsfähigkeit. Man sollte akzeptieren, dass Familie ein wichtiger Bereich unserer Gesellschaft<br />
ist, dass Zeit zum Leben bleiben muss.«<br />
Anwältin Jutta Wegener und Werbefrau Natascha Pösel gehen mittlerweile ihre eigenen Wege: Sie haben<br />
sich selbstständig gemacht. Die eine bekam ein zweites, die an<strong>der</strong>e ein zweites und ein drittes Kind. Es gab<br />
ja niemanden mehr, für den das ein Problem gewesen wäre.<br />
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