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Der Gleichstellungs – Newsletter der Stadt Osterholz-Scharmbeck

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stieg trennte er sich von <strong>der</strong> Freundin. Kurz nach dem Einstieg in den neuen Job waren auch alle an<strong>der</strong>en<br />

freundschaftlichen Bindungen futsch. »Ich habe mich auf die Arbeit konzentriert, die Mails von Freunden<br />

fehlten, die Anrufe fehlten, die Treffen mit ihnen, das Feierabendbier, und ich habe es noch nicht mal gemerkt.«<br />

So redet einer, dem sich die Schlinge um den Hals zugezogen hat. Seit drei Wochen verbringt Kern<br />

seine Tage nicht mehr zwischen E-Mails und Präsentationen, son<strong>der</strong>n in Gruppenübungen in <strong>der</strong> Heiligenfeld<br />

Klinik in Bad Kissingen. Hier werden Menschen mit psychischen Erkrankungen behandelt, bei Kern ist<br />

es ein Burn-out. »Man fällt sehr hart«, sagt er, obwohl er eigentlich gerade lernt, »ich« zu sagen, statt<br />

»man«.<br />

In einer entgrenzten Arbeitswelt hält die absolute Hingabe an den Beruf nicht nur Frauen fern, weil sie eben<br />

auch noch Kin<strong>der</strong> bekommen – sie macht auch zunehmend krank, und das verursacht Kosten. Wer mit einer<br />

psychischen Erkrankung zu Hause bleibt, tut das länger als jemand mit Husten.<br />

In <strong>der</strong> hellen Vorhalle <strong>der</strong> Westdeutschen Landesbank in Düsseldorf strebt Maren Lorth dem Empfang entgegen,<br />

gleich um 18 Uhr hat sie noch einen weiteren Kundentermin. Lorth ist 38 Jahre alt und weit gekommen.<br />

Seit 2006 ist sie als Executive Director bei <strong>der</strong> WestLB, sie berät seit 12 Jahren für verschiedene Investmentbanken<br />

Unternehmen bei <strong>der</strong> Gewinnung von Eigenkapital, etwa bei Börsengängen. In <strong>der</strong> Finanzund<br />

Versicherungsbranche bleibt sie Exotin.<br />

Zwar sind Frauen in <strong>der</strong> Gesamtbelegschaft, wo die Arbeitszeiten planbar sind, mit über 50 Prozent vertreten.<br />

Doch in den oberen Etagen wird es wie immer dünn. <strong>Der</strong> Führungskräftemonitor des Deutschen Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung zählt nur gut zwei Prozent Frauen in Führungspositionen bei den größten Unternehmen<br />

in diesem Sektor.<br />

Lorth ficht das nicht an. »Ich wollte Karriere machen. Es ist manchmal eine gute Idee, zu wissen und zu machen,<br />

was man will.« Als sie auf einem Kapitalgipfel auf dem Podium saß, kam eine Studentin zu ihr und<br />

sagte, dass es ihr viel gegeben hätte, eine Frau da vorne zu sehen. Da wurde Lorth noch einmal bewusst,<br />

dass sie erst in ihrer Zeit in London auf weibliche Vorbil<strong>der</strong> in Führungspositionen getroffen war.<br />

Lorth glaubt, dass Kunden die Beratung durch Frauen schätzen, weil sie ihnen nicht eine Meinung aufdrängen,<br />

son<strong>der</strong>n erst zuhören, was für Wünsche <strong>der</strong> Kunde überhaupt hat. Sie spricht von einer an<strong>der</strong>en Sensibilität<br />

<strong>der</strong> Frauen – einer, die sich auszahlt. Studien <strong>der</strong> Unternehmensberatungen McKinsey und Accenture<br />

zeigen, dass Unternehmen mit beson<strong>der</strong>s gut gemischten Teams erfolgreicher arbeiten als die mit den einsamen<br />

Wölfen an <strong>der</strong> Spitze. Es sind auch harte wirtschaftliche Gründe, die für die Frauen sprechen – und<br />

die Frauen sind genau wie Männer bereit, für eine Karriere viel zu leisten.<br />

Allerdings ist Lorths Erfahrung, dass Frauen eher auf eine angemessene Balance zwischen Beruf und Privatem<br />

achten. Denn sie kennt auch Beispiele von Managern, <strong>der</strong>en einziger Lebensmittelpunkt die Arbeit war,<br />

und sie hat erlebt, wie Kollegen in <strong>der</strong> Krise den Job und damit jegliche private und berufliche Bodenhaftung<br />

verloren.<br />

Sie ist sich sicher, dass Frauen von Männern viel lernen können – »aber eben auch umgekehrt«. Dass es<br />

bei Besprechungen nicht darum gehen muss, wessen Idee verhandelt wird, son<strong>der</strong>n dass über die beste<br />

Idee verhandelt wird, dass es nicht darum geht einen Dienstwagen zu fahren, son<strong>der</strong>n zum Dienst zu fahren<br />

– und dass manche Wochenenden einfach Wochenenden sind.<br />

Frauen wie Maren Lorth, wie Elisabeth von Szczepanski, wie Karina Metzdorf zeigen, dass etwas in Bewegung<br />

ist, ein Prozess aus <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft, dessen Ergebnis schwer zu prognostizieren ist.<br />

Klar ist, dass er zu Verunsicherungen führt, dass Männer und Frauen ihre Rollenbil<strong>der</strong> neu finden müssen –<br />

und doch könnte sich <strong>der</strong> Aufstieg <strong>der</strong> Frauen für alle, selbst für die Männer, als Segen erweisen.<br />

Denn die Bildungserfolge <strong>der</strong> Frauen fallen in eine Phase, in <strong>der</strong> das Angebot an gut ausgebildeten Arbeitskräften<br />

in vier Jahren um 250.000 Menschen zurückgegangen ist und in <strong>der</strong> viele Männer gern kürzer und<br />

ein Großteil <strong>der</strong> Frauen gern länger arbeiten würde.<br />

»Wenn die teilzeitbeschäftigten Frauen ihre Verlängerungswünsche verwirklichen könnten, entspräche das<br />

einem Potenzial von fast einer Million Arbeitsstellen«, sagt Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarktund<br />

Berufsforschung. Wenn dazu Bereiche wie die Gesundheitsbranche, in denen Frauen schon heute sind,<br />

wichtiger werden, dürften sie dort auch aufsteigen.<br />

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