Der Gleichstellungs â Newsletter der Stadt Osterholz-Scharmbeck
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Richtig spannend aber wird es beim Blick auf die Details: Was unterscheidet diese Berufe, in denen Frauen<br />
schon heute in <strong>der</strong> ersten Reihe stehen, von an<strong>der</strong>en, in denen sie sich noch immer hinten anstellen müssen?<br />
Welche Bedingungen müssen in einem Beruf herrschen, damit mehr Frauen sich für ihn entscheiden?<br />
Und wie verän<strong>der</strong>t sich im Gegenzug die Arbeitswelt, wo Frauen sie erobern?<br />
Denn so wie sich die Wirtschaft wandelt, Dienstleistungsberufe wichtiger werden und Unternehmen die<br />
Frauen öffentlichkeitswirksam für sich entdecken, lässt sich auch etwas lernen aus diesen Berufen, die die<br />
Frauen anziehen. Darüber, wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen wird: Ein Prozess ist in Gang gekommen,<br />
von dem noch nicht ganz klar ist, wohin er führen wird. Aber in welche Richtung es geht, dafür gibt es<br />
Anhaltspunkte, Muster, die sich wie<strong>der</strong>holen.<br />
Einige finden sich im Leben von Elisabeth von Szczepanski. Eine Ausbildung sah ihr Vater für seine Tochter<br />
vor, »etwas Internationales, Kaufmännisches«. Sie setzte sich durch, verzichtete auf einen Teil <strong>der</strong> Unterhaltsansprüche,<br />
die Kin<strong>der</strong>n geschiedener Eltern zustehen – und studierte Jura. Von Szczepanski wollte sich<br />
viele Wege offenhalten, am Verwaltungsgericht gefiel ihr, dass es relativ leicht ist, sich abordnen zu lassen,<br />
also etwa einmal einen Ausflug in die Verwaltung zu machen. Ihr zweites Kind bekam sie während <strong>der</strong> Erprobung<br />
für die Beför<strong>der</strong>ung. Ohne zu wissen, dass sie schwanger war, hatte sie sich um die Stelle im Justizministerium<br />
bemüht, die ihr am Ende den Vorsitz ihrer Kammer einbringen sollte. Direkt nach <strong>der</strong> Geburt<br />
arbeitete sie weiter, in Teilzeit. »Jedes Kind war mit einem beruflichen Kürzertreten verbunden, entwe<strong>der</strong><br />
von mir o<strong>der</strong> von meinem Mann«, sagt sie. Was von Szczepanski immer machte: Sie bestand darauf, dass<br />
das zwischenzeitliche reduzierte Arbeiten mitnichten bedeutete, dass sie nun beruflich weniger Ambitionen<br />
hätte. Und so sitzt sie heute in Vollzeit in ihrem Büro hinter Kommentaren zum Asylrecht und unter einem<br />
Bild mit einem Pferd darauf. Das hat ihre Tochter gemalt, »für Mama«. Vor allem zwei Gründe scheinen<br />
dafürzusprechen, dass an Gerichten und vor allem an Amtsgerichten heute viele Richterinnen arbeiten: Die<br />
Sicherheit <strong>der</strong> konjunkturunabhängigen Arbeitsplätze und die Souveränität, selbst über seine Zeit entscheiden.<br />
Im Altonaer Kin<strong>der</strong>krankenhaus wurde Janneke Ohlhoff 2005 mit einer Teilzeitstelle Assistenzärztin. Inzwischen<br />
ist sie Fachärztin und nicht die einzige, die mit Familie und reduzierter Stelle beruflich vorwärtsgekommen<br />
ist. In <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>heilkunde in Hamburg-Altona arbeiten zwei Assistenzärzte und 23 Ärztinnen, davon<br />
neun in Teilzeit.<br />
Es ist lange her, da war <strong>der</strong> Arzt noch <strong>der</strong> stets einsatzbereite Helfer, Einzelkämpfer, ob in <strong>der</strong> Praxis als<br />
Unternehmer o<strong>der</strong> während <strong>der</strong> Nachtschicht im Krankenhaus. Heute gehen Krankenhausärzte für angemessene<br />
Bezahlung und geregelte Dienstzeiten auf die Straße – bei gleichzeitigem Ärztemangel. Es ist<br />
eine Marktsituation entstanden, in <strong>der</strong> angehende Mediziner sich die Stellen aussuchen können. Und unter<br />
ihnen sind eben immer häufiger junge Frauen. 2008 haben sie rund 61 Prozent <strong>der</strong> bestandenen Staatsprüfungen<br />
in Medizin abgelegt. Die Medizin zieht Frauen an, das war schon immer so in den helfenden und<br />
heilenden Berufen – das Neue ist, dass sie Bedingungen for<strong>der</strong>n können, die ihnen entgegenkommen.<br />
Fortbildung in Teilzeit ist eines <strong>der</strong> Stichworte, eigene Kin<strong>der</strong>tagesstätten mit beson<strong>der</strong>en, dem Krankenhausalltag<br />
angepassten Öffnungszeiten sind ein zweites. Wie dabei die Sphären von Arbeit, Familie und<br />
Freizeit zu kombinieren sind, ist aber in jedem einzelnen Fall ein Experiment.<br />
Janneke Ohlhoff ist Teil eines erfin<strong>der</strong>ischen Teams. Während des praktischen Jahres, des letzten Teils des<br />
Medizinstudiums, wurde sie schwanger. Sie vereinbarte mit ihrem Mann, dass sie sich mit <strong>der</strong> Betreuung<br />
abwechseln würden. Und als Janneke Ohlhoff gut ein Jahr nach <strong>der</strong> Geburt ihres jüngsten Sohnes Lelio<br />
nicht mehr so sicher war, ob sie nun wirklich wie<strong>der</strong> anfangen sollte zu arbeiten, war es ihr Mann, <strong>der</strong> sie<br />
fragte, ob sie wahnsinnig sei: »Das war so abgemacht, jetzt will ich zu Hause bleiben.« Karsten Ohlhoff,<br />
selbst Internist, ging während ihrer Arzt-im-Praktikum-Zeit also auf eine halbe Stelle – und sein damaliger<br />
Chef war schier entsetzt. Ohlhoff solle doch aus seinem Vertrag ausscheiden. Ein Mann mit Familienambitionen,<br />
das war ungewohnt.<br />
Mittlerweile ist es ein Muster, das sich verbreitet: Wenn Männer ihren Anspruch auf das Sorgerecht gerichtlich<br />
durchsetzen, auch wenn sie nicht mit <strong>der</strong> Mutter des Kindes verheiratet sind, wenn Männer ganz selbstverständlich<br />
in Elternzeit gehen, wandeln sich die Familien – auch wenn Männer sich nach <strong>der</strong> Brigitte-<br />
Studie 2009 immer noch längere Arbeitszeiten wünschen, wenn sie Kin<strong>der</strong> haben.<br />
Und so gehört gerade hier, wo gut ausgebildete Frauen sich ihr Terrain erobern, zum Gesamtbild ein Mann,<br />
<strong>der</strong> mitmacht. »Wir hatten eine Abmachung, dass immer <strong>der</strong>jenige, für den es beruflich gerade weitergeht,<br />
die Chancen auch wahrnehmen darf«, sagt die Richterin Elisabeth von Szczepanski. Solche Beziehungen<br />
sind idealtypisch – noch, denn berufliche Übereinkünfte werden wichtiger, wenn Frauen mehr als die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Hochschulabschlüsse machen, die Geschlechter gleich gut ausgebildet sind. Und wenn bei vielen Paa-<br />
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