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April - Juni 2009 - Kulturwerk Schlesien

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wickelte, das den Namen Grunau schließlich in die ganze<br />

Welt trug. Das „Baby“ wurde schon bald zum Inbegriff<br />

von sicherem und gutmütigem Flugverhalten bei hoher<br />

Leistungsfähigkeit und geringen Herstellungskosten. Mit<br />

geschätzten 5.000 Exemplaren auch der verbesserten<br />

Typen II, IIb und III ist es das wohl meistgebaute Segelflugzeug<br />

aller Zeiten. Die hochmoderne Segelfluganlage<br />

war zu dieser Zeit die einzige ihrer Art im Deutschen<br />

Reich, an der auch Ausländer an den Schulungen teilnehmen<br />

durften. Auch Frauen beteiligten sich an den Lehrgängen,<br />

darunter die Hirschbergerin Hanna Reitsch, eine<br />

der erfolgreichsten deutschen Fliegerinnen des 20. Jahrhunderts.<br />

Sie flog über 40 Rekorde in allen Klassen und<br />

Flugzeugtypen, wie den Höhenweltrekord von 2200<br />

Metern im Februar 1934 mit einem Grunau Baby.<br />

Ende der Zwanziger Jahre errichteten auch die oberschlesischen<br />

Segelflieger ein Fliegerheim: Das „Segelfliegerheim<br />

Oberschlesien“ auf dem Steinberg bei Nieder-Ellguth<br />

am nördlichen Teil des Annaberges erlangte im<br />

damaligen deutschen Osten große Bedeutung. Mitte der<br />

1920er Jahre setzte auch die brauchbare Luftbildfotografie<br />

ein. Das Aerokartographische Institut in Breslau<br />

ließ dazu gezielte Bildflüge durchführen. Ein Teil seiner<br />

Aufnahmen ist durch die Nachfolgefirma 'Hansa Luftbild'<br />

erhalten und befindet sich im Marburger Herder-Institut.<br />

Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 wurden<br />

die an vielen Orten entstandenen Luftsport- und Flugzeugmodellbauvereine<br />

zum Deutschen Luftsportverband<br />

(DLV) zusammengefaßt. Dieser war Vorläufer der Luftwaffe,<br />

die im Geheimen aufgebaut wurde. Im Deutschen<br />

Reich entstanden zahlreiche Ausbildungsstellen, darunter<br />

auch in Breslau, Görlitz und Liegnitz. Sie wurden nach<br />

Wegfall der Tarnung 1935 weiter ausgebaut. Im Jahre<br />

1937 wurden alle DLV Gruppen in das Nationalsozialistische<br />

Fliegerkorps eingegliedert.<br />

Umfassende Luftfahrtgeschichte<br />

Auch in <strong>Schlesien</strong> entstand die ganze Brandbreite von<br />

Militärbauten, so Fliegerhorste oder Munitionsfabriken<br />

und Luftwaffenlazarette. Aus der Luftkriegsschule Schöngarten<br />

wurde später neben seinem militärischen Teil der<br />

heutige Flughafen Wrocław-Strachowice. Die deutsche<br />

Lufthansa hatte damals Breslau-Gandau und Gleiwitz in<br />

ihren Flugplan integriert. Flugrouten führten ab 1927 von<br />

Berlin über Breslau und Gleiwitz nach Prag und Wien.<br />

Sogar Flüge nach Budapest, Belgrad und Konstantinopel<br />

kamen hinzu. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />

endete jedoch der zivile Luftverkehr.<br />

<strong>Schlesien</strong> wurde erst spät vom Luftkrieg heimgesucht.<br />

Im Sommer 1944 kam Oberschlesien in den Radius<br />

der US-Air Force. Von Süditalien aus starteten die<br />

Langstreckenbomber B-17 und B-24 und Jäger der 15.<br />

US-Luftflotte. Hauptangriffsziele waren die um Blechhammer,<br />

Heydebreck und Odertal/Deschowitz konzentrierten<br />

großen und modernen chemischen Werke. Dort wurde<br />

kriegswichtiges synthetisches Benzin hergestellt. Der<br />

erste Großangriff von 555 Bombern mit 1.130 Tonnen<br />

Spreng- und Brandbomben fand am 7. Juli 1944 statt.<br />

13 von 18 Luftangriffen auf Oberschlesien galten bis zum<br />

russischen Einmarsch diesem Industriegebiet nahe der<br />

Oder. Allein das IG Farben Werk Heydebreck wurde mit<br />

ca. 4.000 Tonnen Bomben belegt und weitgehend zerstört.<br />

Viele Bombenteppiche verfehlten z. B. wegen<br />

schlechten Wetters die Ziele und zerstörten die umliegenden<br />

Ortschaften. Von den rund 4.400 eingesetzten<br />

Bombern wurden ca. 220 von der massierten deutschen<br />

Flak abgeschossen. Deutsche Abfangjäger gab es kaum,<br />

trotz zahlreicher nahe gelegener Flugplätze wie Grottkau,<br />

Groß Stein, Ottmuth, Roßweide, Stubendorf und Woisselsdorf.<br />

Eine wirkungsvolle Reichsverteidigung gab es<br />

nicht.<br />

Der Flugverkehr in und nach <strong>Schlesien</strong> kam nach dem<br />

Krieg erst zögerlich wieder in Gang. Heute gibt es wieder<br />

den Segelflug am Riesengebirge, Sportflugbetrieb in Gleiwitz<br />

und Hirschberg sowie Fallschirmabsprung in Rosenthal<br />

nahe dem Zobten. Der vom sowjetischen Militär mit<br />

langen Landesbahnen ausgebaute Flugplatz Groß Stein<br />

wartet auf eine intensivere regelmäßige Nutzung. Die<br />

Areale des ehemaligen Liegnitzer Luftschiffhafens und<br />

des Flieghorstes Brieg sind zu Gewerbegebieten geworden.<br />

Die Flughäfen Breslau und Kattowitz werden hingegen<br />

mit leistungsfähigen Terminals ausgebaut. Günstige<br />

Fluggesellschaften haben in den letzten Jahren zu einem<br />

erheblich gestiegenen Fluggastaufkommen geführt.<br />

Die Sonderausstellung „Adler über <strong>Schlesien</strong>. Ereignisse<br />

und Pioniere der Luftfahrtgeschichte“ ist vom 8.<br />

November <strong>2009</strong> bis 21. Februar 2010 im Oberschlesischen<br />

Landesmuseum in Ratingen (Hösel) zu sehen. Sie<br />

informiert umfassend über die Geschichte von Luftfahrt,<br />

Luftsport und Luftkrieg von den Anfängen bis heute. Flugpioniere,<br />

Flugzeuge, Flugtage und Flughäfen werden in<br />

Erinnerung gebracht. Im Mittelpunkt sollen ein Grunau-<br />

Baby und die EC-3 Pou Plume, ein erfolgreiches kleines<br />

Motorflugzeug mit ganz besonderen Tragflächen aus dem<br />

Bestand des Luftfahrtmuseums Krakau, stehen.<br />

Begleitend zur Ausstellung erscheint das Buch „Adler<br />

über <strong>Schlesien</strong>. Aus der Geschichte der Luftfahrt in<br />

<strong>Schlesien</strong>“ von Klaus Christian Kaspar aus Bonn. Der<br />

Leser begibt sich auf die Spuren der schlesischen Luftschiffer<br />

und Flieger von den Anfängen bis 1945, vom<br />

Roten Baron bis Hanna Reitsch. Illustriert mit mehr als<br />

450 historischen Bildern, lädt es ein zu einem Streifzug<br />

zu schlesischen Flughäfen, zur Segelflugschule in Grunau<br />

und hinauf zu der geheimnisvollen Moazagotl-Wolke im<br />

Riesengebirge. Charlotte Dietrich, Stephan Kaiser<br />

Postkarte „Gleiwitz<br />

Flughafen“. Foto:<br />

Oberschlesisches<br />

Landesmuseum.<br />

Zeppelin, vermutlich<br />

über Gleiwitz, 1930er<br />

Jahre. Foto: OberschlesischesLandesmuseum.<br />

Schlesischer Kulturspiegel 44, <strong>2009</strong> 27

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