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Kultur<br />
Pulsierende Kreativität, sich selbst im Visier<br />
Picasso-Ausstellung im Clemens-Sels-Museum über das Mysterium des künstlerischen Schaffens<br />
’aime que ça continue”, so<br />
“J Pablo Picasso einmal darauf,<br />
ob er lieber etwas beginne oder<br />
beende. „Ich liebe das, was weiterführt“,<br />
war seine Antwort und<br />
die lässt sich auf sein gesamtes<br />
Schaffen projizieren. Blickt man<br />
nur auf seine letzten Lebensjahre,<br />
erstaunt einen die ungeheuere<br />
Bilderflut, die in diesem Zeitraum<br />
entstand. In der Pariser Galerie<br />
Leiris wurden 1972 allein 172<br />
Zeichnungen aus dem Ausstellungsjahr<br />
und dem Vorjahr präsentiert.<br />
Ein Jahr später, Picassos<br />
Todesjahr, zeigt die gleiche Galerie<br />
nochmals 154 Druckgrafiken aus<br />
der Zeit von 1970 bis 1972. Picasso<br />
wurde 91 Jahre, sein Schaffensdrang<br />
begleitete ihn bis zum<br />
Schluss. „Für mich gibt es in der<br />
Kunst weder Vergangenheit noch<br />
Zukunft. Wenn ein Kunstwerk nicht<br />
immer lebendig in der Gegenwart<br />
lebt, kommt es überhaupt nicht in<br />
Betracht…“ – seine Bekenntnisse<br />
waren deutlich, seine Kunst war<br />
spontan, wahr und klar – auch natürlich.<br />
Leere, tote Abstraktion ist<br />
seinen Werken fremd.<br />
Nicht jeden, auch wenn er seinen<br />
Namen kennt, vermag diese<br />
Kunst begeistern: zu exzentrisch,<br />
entstellt oder gar abstoßend<br />
empfinden sie seine Werke. Aber<br />
Picasso war Zerstörer und Schöpfer<br />
der Form in einem: Gestaltung<br />
und Umgestaltung; Verwandlung,<br />
die ebenso realistisch wie phantastisch<br />
ist. Meisterhaft spürt er<br />
dem Wesen und der Welt hinterher,<br />
hält ihnen den Spiegel vor.<br />
Er versteckt sich nicht hinter der<br />
Schönheit, wenngleich er stets<br />
auf ihren Fersen ist. Überall fin-<br />
24 StattBlatt 11.<strong>2008</strong><br />
det man tragische Personen - der<br />
Harlekin und der Stierkämpfer,<br />
genauso wie der Stier und die<br />
Frau. Entsetzen und Erstaunen<br />
liegen dicht beieinander. Eine Malerei,<br />
angereichert mit entlarvenden<br />
Masken, die durchsichtig sind.<br />
Es ist die Magie gespenstischer,<br />
gauklerischer Wirklichkeit.<br />
Arbeitswut bis an die Grenzen<br />
der Besessenheit<br />
Picassos Arbeit, das ist pulsierende<br />
Kreativität, die unterwegs<br />
ist, das Geheimnis des Lebens zu<br />
lüften. Dies in einer Art Gewaltakt,<br />
wie es Seinesgleichen sucht, aber<br />
nicht ohne Anmut daherkommt.<br />
Gern wird sie als „wunderbare Gewalttätigkeit“<br />
beschrieben und das<br />
trifft es gut. Sein Schaffensdrang<br />
war gekennzeichnet durch eine<br />
bis zur Besessenheit gesteigerte<br />
Arbeitswut. Die Zahl der Gemälde,<br />
Zeichnungen und Grafiken – gerade<br />
in späteren Jahren – lässt sich<br />
Bataverstr. 78 - 41464 Neuss - Tel: 021313 / 55 060<br />
Suite Vollard (Blatt 93, Zustand III von III) von Pablo<br />
Picasso, 1933; kalte Nadel, 300 x 370 mm (Platte);<br />
Grafikmuseum Pablo Picasso Münster<br />
jeweils nur in Hunderten messen.<br />
Und immer dabei ist das Thema<br />
der Selbstdarstellung. Fast inquisitorisch<br />
geht er das Alter an,<br />
setzt es ohne Peinlichkeit, jedoch<br />
schonungslos ins Licht. In der Betrachtung<br />
des Greises studiert er<br />
alle Grimassen, ob in lächerlicher,<br />
verzerrter oder melancholischer<br />
Pose, setzt sich über den autobiografischen<br />
Antrieb, Eitelkeit und<br />
Resignation hinweg.<br />
Picasso drang mit einer Wucht<br />
in seine Bilder und ins Leben,<br />
dass seine Präsenz als Mensch<br />
und Künstler nicht verwundert.<br />
„Seine Unerbittlichkeit, mit der<br />
er das Schöne suchte, änderte<br />
alles in der Kunst“, so sein Dichterfreund<br />
Guillaume Apollinaire.<br />
Er hinterließ<br />
einen labyrinthischen<br />
Urwald<br />
eines riesigen<br />
Werkes, das immer<br />
wieder neue<br />
Wege zeigt, Welt<br />
vorzustellen. Er<br />
schuf eine Gestalt<br />
als neue Ineinanderfügung<br />
ihrer Elemente<br />
und Einzelheiten,<br />
destruktiv und<br />
konstruktiv zugleich.<br />
Ein Oeuvre,<br />
in dem er dem<br />
Mensch, dem<br />
Werden und dem<br />
Sein nachspürt, sich – den Maler<br />
– immer eingeschlossen.<br />
Jetzt widmet das Clemens-Sels-<br />
Museum seinem künstlerischen<br />
Selbstverständnis eine Ausstellung:<br />
„Pablo Picasso – Kreativität<br />
und Schaffensdrang“, die unter<br />
der Schirmherrschaft seines<br />
Sohnes Claude Picasso läuft. Beginnend<br />
mit der Illustration zur<br />
Balzac-Novelle „Le chef-d’oeuvre<br />
inconnu“ aus dem Jahre 1927 visualisiert<br />
Picasso mit der ’Alter<br />
Ego’-Figur des Malers und Bildhauers<br />
seine Selbsteinschätzung<br />
als permanent kreativer Künstler.<br />
Die Reflexion über sein Werk, die<br />
Zerrissenheit der Künstlernatur<br />
und die mit viel Selbstironie präsentierte<br />
Neigung zum Voyeurismus<br />
werden ebenso thematisiert<br />
wie Picassos Ambition, das Mysterium<br />
der Kreativität zu entschlüsseln<br />
und die Auswirkungen des<br />
Alterns nachzuvollziehen.<br />
Neben mehr als 100 Grafiken<br />
sind über 50 Fotografien von<br />
Edward Quinn, Dora Maar und<br />
Douglas Duncan zu sehen, die in<br />
Picassos Ateliers entstanden.<br />
Dokumentarische wie inszenierte<br />
Aufnahmen, die offenbaren, welche<br />
Aspekte seines Schaffens<br />
der Künstler an die Öffentlichkeit<br />
tragen wollte. Zudem werden<br />
Sprachzeugnisse an zwei Hörstationen<br />
und ein umfangreiches Begleitprogramm<br />
mit Workshops,<br />
Führungen und Konzerten geboten.<br />
Zur Schau ist ein Katalog erschienen.<br />
Ausstellung „Pablo Picasso –<br />
Kreativität und Schaffensdrang“<br />
vom 16.11.08 bis zum 08.02.09,<br />
Di. bis Sa. von 11 bis 17 Uhr, sonn-<br />
u. feiertags bis 18 Uhr. Nähere<br />
Informationen unter www.clemens-sels-museum.de<br />
und Tel.<br />
02131-904141 Clemens-Sels-Museum<br />
Neuss, Am Obertor<br />
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