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Stadt<br />
Hoppeditz erwacht – und der <strong>Neusser</strong> Sitzungskarneval?<br />
Wenn am „Elften im Elften“ unsere<br />
Narren wiederholt die<br />
Besinnlichkeit der Jahreszeit und<br />
das Gedenken an St. Martin auf den<br />
Kopf stellen, fällt kaum auf, dass er,<br />
der Karneval kränkelt. Zumindest<br />
partiell, ist doch der Sitzungskarneval<br />
stark im Rückzug. Zumindest<br />
lokal. Und zumindest quantitativ.<br />
Warum das so ist, wollte ich von<br />
zwei Kennern des <strong>Neusser</strong> Karnevals<br />
wissen. Uwe Ziegler, Vizepräsident<br />
der Brauchtums- und<br />
Kanevals-Gruppe innerhalb der<br />
„Heimatfreunde Neuss e.V.“ und<br />
Heinz Langlitz, Baas (neudeutsch<br />
Boss) der Karnevals-Künstler-Vereinigung<br />
„Kappesköpp e.V.“. Vorweg:<br />
Beide liegen in ihrer Analyse<br />
nicht weit auseinander.<br />
Heinz Langlitz, ruhelos im Dienst der<br />
<strong>Neusser</strong> Humoristen<br />
Man sagt, hier und da frisches<br />
Blut, wie auch der personell erneuerte<br />
Vorstand des Karnevalsausschusses,<br />
kurz KA, strahle<br />
Harmonie über die örtlichen Jecken<br />
aus. Diese Dach-Organisation der<br />
Vereine kann mit den organisierten<br />
Aktiven die Freude über stetig steigendes<br />
Interesse am Straßenkarneval<br />
teilen. Die Open-Air Veranstaltungen<br />
mit ihrem Höhepunkt, dem<br />
Kappessontagszug vor bis zu 100<br />
000 Besuchern, sprechen für sich.<br />
Doch die Entwicklung im Sitzungskarneval<br />
sieht leider anders<br />
aus. Von den ehemals 12 bis 15<br />
großen Sitzungen sind gerade noch<br />
drei oder vier geblieben. Wo früher<br />
jeder Karnevals-Verein Sitzungen<br />
abhielt, blieben just noch die Großveranstaltungen<br />
der Blauen Funken<br />
im Swissôtel und der „Nüsser<br />
Ovend“ der Heimatfreunde<br />
in der Stadthalle.<br />
Eine Ursache für das<br />
Sitzungssterben sehen<br />
unsere Experten in der<br />
Sättigung durch die TV-<br />
Sitzungen. Langlitz hat<br />
über 20 in einer Session<br />
gezählt. Dazu gönnt sich<br />
die „Event-Generation“,<br />
wenn überhaupt, eine<br />
Sitzung in Köln mit Brauhausbesuch<br />
und Altstadtbummel.<br />
Wenn schon,<br />
denn schon.<br />
Kalkulatorisch haben es<br />
die Veranstalter schwer,<br />
wenigstens mit einem blauen Auge<br />
davon zu kommen. Saalmieten<br />
sind astronomisch gestiegen, die<br />
Nordstadthalle weggefallen.<br />
Überhaupt sind alle Kosten<br />
inklusive Gagen gestiegen.<br />
Aber man will die Eintrittspreise<br />
möglichst schmerzfrei<br />
halten. Und man kann<br />
folgendes Phänomen beobachten:<br />
Die Gäste haben<br />
immer weniger „Sitzfleisch“<br />
und mögen sich nicht lange<br />
auf das Bühnenprogramm<br />
konzentrieren. Sie wollen<br />
sich lieber selbst feiern.<br />
Nachvollziehbar daher, dass<br />
viele Traditionsvereine Partys<br />
mit DJ und Tanz als Höhepunkt<br />
ihres Vereinswesens<br />
bevorzugen.<br />
Doch unbeirrt, wenn auch<br />
nicht frei von diesen Problemen,<br />
sticht das Flaggschiff<br />
des <strong>Neusser</strong> Karnevals, der<br />
„Nüsser Ovend“ im nächsten<br />
Februar bereits zum 81sten Mal in<br />
See. „Es wird nicht einfacher für<br />
uns, ein qualitativ hochwertiges<br />
Programm zu erschwinglichen<br />
Preisen anzubieten“, berichtet Ziegler.<br />
„Wir haben das Glück, auf engagierte<br />
und talentierte <strong>Neusser</strong> mit<br />
exklusiven Beiträgen zurückzugreifen.<br />
Deshalb müssen wir nicht Programm<br />
zukaufen, mal abgesehen<br />
von den Top-Bands, die aber wiederum<br />
Publikum ziehen. Man kann<br />
sich auf niveau- und humorvolle<br />
Betrachtungen lokaler Ereignisse<br />
freuen, denke ich zum Beispiel an<br />
unseren Prologius Christoph Kleinau,<br />
den Hoppeditz Peter Rüttgers,<br />
Sabine Leuker oder das ABC Trio<br />
(Ackermann, Barken & C. Hüsch),<br />
um nur einige zu nennen.“<br />
Ein wenig anders, mehr aus<br />
der Sicht der Künstlervereini-<br />
Ulrich Ziegler, Vize-Präsident der BKG<br />
schützt hier als Trapper Joe den (Ex-)Konsul<br />
Ernst Freistühler und die geheimnisvolle<br />
Squaw Halbes-Doppeltes-Lottchen<br />
gung, stellt sich die Gewichtung<br />
für Langlitz dar. Die beste und<br />
wichtigste Sitzung findet für ihn<br />
am 16. Januar im Thomas-Morus-<br />
Haus statt, nämlich „Nüsser vör<br />
Nüsser“. „Sie werden viel Spass<br />
haben und überrascht sein, wie<br />
ebenbürtig <strong>Neusser</strong> Redner, Duos<br />
und Musiker den TV Karnevalisten<br />
sind! Nur dass man hier nicht<br />
wie im Gürzenich einen Kredit für<br />
Eintritt und Getränke aufnehmen<br />
muss.“ Wer damit nicht genug hat<br />
oder es lieber etwas mondäner<br />
mit den Stars aus dem Fernsehen<br />
bevorzugt, solle sich getrost den<br />
Weg nach Köln sparen und die Veranstaltungen<br />
der Blauen Funken<br />
besuchen. Das sieht übrigens auch<br />
Uwe Ziegler so, dessen „Nüsser<br />
Ovend“ immerhin auf Platz drei<br />
der Langlitz-Sitzungs-Charts rangiert.<br />
(Langlitz stand dort einst als<br />
„Würstchen vom Lande“ selbst auf<br />
der Bühne.)<br />
Im Hier und jetzt freuen sich<br />
„Ex-Würstchen“ Langlitz und seine<br />
„Kappesköpp“ besonders auf<br />
etwas, was sie erst unlängst ins<br />
Leben riefen: Kneipensitzungen!<br />
Vier von diesen urigen Frühschoppen-Events<br />
finden bereits in der<br />
kommenden Session statt. Sie<br />
scheinen damit den Nerv der Zeit<br />
getroffen zu haben. Halten sie<br />
danach Ausschau auf www.kappeskoepp.de,<br />
besuchen sie Veranstaltungen<br />
der www.blaue-funken-neuss.de<br />
und verpassen sie<br />
nicht den Nüsser Ovend der www.<br />
bkg-heimatfreunde.de. Dreimal<br />
kräftig Helau! Und Abmarsch.<br />
robawolf<br />
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