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Ingfried Hoffmann - Tobias van de Locht

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Wer? Wie? Was?<br />

Hommage an <strong>de</strong>n Komponisten <strong>de</strong>r Sesamstraße: <strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong><br />

von <strong>Tobias</strong> <strong>van</strong> <strong>de</strong> <strong>Locht</strong><br />

Fotos mit freundlicher Genehmigung von <strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong><br />

46 | cinema musica 23


<strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong><br />

Völlig zu recht in aller Mun<strong>de</strong> ist zur Zeit <strong>de</strong>r große Christian<br />

Bruhn, frisch geehrt für sein Lebenswerk auf <strong>de</strong>r SoundTrack_<br />

Cologne. Es gibt jedoch noch ein paar an<strong>de</strong>re verdienstvolle<br />

Komponisten, die ebenfalls Stücke zum “Soundtrack unserer<br />

Jugend” beisteuerten wie Karel Svoboda, Hans Posegga - o<strong>de</strong>r:<br />

<strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong>. Selbst wenn man <strong>de</strong>n Namen noch nie gehört<br />

hat, seine Musik kennt je<strong>de</strong>r, und wer nicht, <strong>de</strong>r möge weiter<br />

suchen und fragen, <strong>de</strong>nn “wer nicht fragt, bleibt dumm...”<br />

<strong>Tobias</strong> <strong>van</strong> <strong>de</strong> <strong>Locht</strong> hat <strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong> in <strong>de</strong>ssen<br />

Villa direkt am Rhein in Köln-Ro<strong>de</strong>nkirchen<br />

besucht, wo <strong>de</strong>r Komponist auch sein beeindrucken<strong>de</strong>s<br />

Tonstudio unterhält: „Eine Million DM hat<br />

<strong>de</strong>t damals gekostet“, verrät er in leichtem Berliner<br />

Schnod<strong>de</strong>rton. Dort wuchs <strong>de</strong>r in Stettin geborene<br />

<strong>Hoffmann</strong> als Sohn <strong>de</strong>utsch-schwedischer Eltern<br />

(daher <strong>de</strong>r skandinavische Vorname) und Bru<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s berühmten Konzertpianisten Ludwig <strong>Hoffmann</strong><br />

auf, und zwar während <strong>de</strong>s Kriegs. „Berlin, <strong>de</strong>t waren<br />

Ruinen. Wir hatten nicht viel damals. Mein Bru<strong>de</strong>r<br />

war älter und gab schon Konzerte. Einmal brachte er<br />

<strong>de</strong>n [später berühmten Pianisten Friedrich] Gulda<br />

mit nach Hause. Und <strong>de</strong>r setzte sich ans Klavier und<br />

spielte eine Musik, die wir noch nie gehört hatten,<br />

die sogar verboten war: Jazz. Da war es um mich geschehen.“<br />

<strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong> übte fleißig und sollte<br />

tatsächlich in <strong>de</strong>n 60er Jahren <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche<br />

Jazzpianist und Hammond-B3-Organist wer<strong>de</strong>n,<br />

einer <strong>de</strong>r bekanntesten in <strong>de</strong>r europäischen Szene.<br />

„Mit Klaus Doldinger war ich auf Welttournee damals<br />

– von einem Goethe-Institut zum nächsten,<br />

das war Klaus‘ I<strong>de</strong>e. Der hatte immer schon einen<br />

Geschäftssinn.“ Den kann man <strong>Ingfried</strong> <strong>Hoffmann</strong><br />

auch nicht absprechen, wenn man sein Haus und<br />

seine mit Erstausgaben gepflasterte Bibliothek bestaunt<br />

(„eins meiner Hobbies“). „Mit Jazz war kein<br />

Blumentopf zu gewinnen. Ich schleppte meine Hammond-Orgel<br />

von einer Kneipe zur nächsten, für 75<br />

Mark Gage. Da wandte ich mich ans Fernsehen.“<br />

Eine kluge I<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>nn hier konnte <strong>de</strong>r Meister seine<br />

unwi<strong>de</strong>rstehlichen Klänge konservieren und kommerziell<br />

nutzen lassen. Immer noch erfreuen sich<br />

seine Fernsehmusiken wie Robbi, Tobbi und das<br />

Fliewatüt ungebremster Beliebtheit. Dann kam eine<br />

Serie aus <strong>de</strong>n USA zu uns herüber, die alles verän<strong>de</strong>rn<br />

sollte und das Kin<strong>de</strong>rfernsehen revolutionierte:<br />

Sesamstraße. „Die Musik, die die Amis darin hatten,<br />

fand ich größtenteils scheiße. Und ich hatte <strong>de</strong>n Mut,<br />

<strong>de</strong>n Leuten hier zu sagen: Laßt mich mal was völlig<br />

Neues dazu komponieren. In Wahrheit war die<br />

Musik <strong>de</strong>r Amis zum Teil gut, was mich jedoch wie<strong>de</strong>rum<br />

beflügelte, es noch besser machen zu wollen.<br />

Sie ließen mich erst ein instrumentales Demo einspielen.<br />

Ich grübelte, Kin<strong>de</strong>rserie... Eine Musik, die<br />

kindlich, spielerisch klingen sollte. Ich improvisierte<br />

auf <strong>de</strong>m Klavier so‘n bißchen im Mozart-Stil. Dann<br />

holte ich mir eine Piccolotrompete dazu, und fertig<br />

war das Hauptthema <strong>de</strong>r Sesamstraße, das dann<br />

für 2000 Folgen so übernommen und beibehalten<br />

wur<strong>de</strong>!“ Ja, richtig gelesen: 2000 Folgen Sesamstraße<br />

hat <strong>Hoffmann</strong> in 20 Jahren vertont, je<strong>de</strong> mit 10-<br />

15 Minuten neuer Musik exklusiv für die <strong>de</strong>utsche<br />

Fassung versehen. „Der wohl größte Fernseh-Job,<br />

<strong>de</strong>n je jemand hatte.“ Der Nachteil: Viel Zeit, etwas<br />

an<strong>de</strong>res zu komponieren, blieb in dieser Ära nicht.<br />

Dabei hätte er gerne so schöne Sachen weiterbetrieben<br />

wie <strong>de</strong>r Musikalische Leiter <strong>de</strong>s legendären Hasen<br />

Cäsar zu sein o<strong>de</strong>r seine eigenen Kurzfilme zu<br />

produzieren. Dies wur<strong>de</strong> erst nach <strong>de</strong>r Sesamstraße<br />

und Hallo Spencer möglich. Jetzt hat <strong>Hoffmann</strong><br />

nach langen Jahren (zuletzt schrieb er in <strong>de</strong>n 1980er<br />

Jahren eine an<strong>de</strong>re Musical-Version als Lloyd Webber<br />

zum Phantom <strong>de</strong>r Oper) wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Auftrag eines<br />

Opernhauses angenommen: Für die Kin<strong>de</strong>roper<br />

Köln schrieb er die erste Jazz-Oper für Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Musikgeschichte: Vom Fischer und seiner Frau. Eine<br />

geniale Mischung aus Märchen, Theater, Oper, Jazz,<br />

Klassik und <strong>de</strong>m unverkennbaren <strong>Hoffmann</strong>-Sound.<br />

„Die I<strong>de</strong>e war, Jazz-Gesang à la Ella Fitzgerald mit<br />

abendländischen Praktiken wie Rezitativ und Arie<br />

zusammen zu bringen.“ Das Stück lief so erfolgreich,<br />

dass es <strong>de</strong>m Autor dieses Artikels zweimal nicht gelang,<br />

trotz Fürsprache durch <strong>de</strong>n Komponisten selber,<br />

mit einer Klasse einer Kölner Schule, die er in<br />

Musik unterrichtete, und mit seiner Kompositionsklasse<br />

an <strong>de</strong>r Musikschule Kaarst Gruppentickets<br />

für die Oper zu bekommen. Möglicherweise wird<br />

die umjubelte Produktion in <strong>de</strong>r nächsten Spielzeit<br />

wie<strong>de</strong>r aufgenommen – falls <strong>de</strong>m so ist: versuchen,<br />

Tickets zu erhaschen!<br />

❘❙<br />

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