Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC
Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC
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40 Jahre DGPRÄC 2.2.2 <strong>Plastische</strong> und Rekonstruktive Mikrochirurgie<br />
Mit dem Ziel, einen 24stündigen Replantationsdienst<br />
aufzubauen, war zunächst nach dem Vorbild in Wien versucht<br />
worden, die Kooperation der beiden Münchener<br />
Universitätsklinika zu organisieren. Dies scheiterte leider<br />
an Alleingängen, so dass ein Zentrum im Rechts der Isar<br />
etabliert wurde, wo bis September 1977 insgesamt 307<br />
Replantationen an der Hand durchgeführt wurden –<br />
eine weltweit einzigartige Serie.<br />
An mehreren Abteilungen und Kliniken für Hand- und<br />
plastische <strong>Chirurgie</strong> wurden nun flächendeckend ebenfalls<br />
Replantationsdienste eingerichtet. Regelmäßige<br />
Kurse mit Operationen am Versuchstier sorgten für die<br />
rasche Verbreitung der Techniken. Besonders erfolgreich<br />
waren hierbei das Klinikum rechts der Isar der TUM mit<br />
zwischenzeitlich über 25 Kursen und auch die Klinik für<br />
<strong>Plastische</strong> <strong>Chirurgie</strong> an der MH Hannover, nachdem<br />
dort A. Berger mit seinen Erfahrungen aus Wien die<br />
Leitung übernommen hatte, ferner seit 1975 die handchirurgische<br />
Abteilung an der BG-Klinik in Hamburg<br />
unter D. Buck-Gramcko. Zu nennen sind an weiteren<br />
Aktivitäten die Transplantation einer Großzehe zum<br />
Daumenersatz 1976 durch E. Biemer und 1977 durch P.<br />
Brüser, ferner die Deckung von Stumpf- und Tumor-<br />
Resektionsdefekten durch freie Leistenlappen 1978 sowie<br />
experimentelle und klinische Dünndarmtrans plan ta -<br />
tionen interdisziplinär ab 1979 an der Frankfurter<br />
Universitätsklinik (H.U. Steinau, J. Reuther).<br />
Als Spenderstellen wurden neben dem Leistenlappen,<br />
der Temporalislappen und Deltoideopectorallappen<br />
beschrieben und verwendet, 1975 fügte McCraw den<br />
Dorsalis-pedis-Lappen hinzu. Bereits 1976 empfahl N.<br />
Olivari den von Tansini um die Jahrhundertwende eingesetzten<br />
Latissimus dorsi zur Deckung von Thorax -<br />
wanddefekten. Mit diesem konstanten Gefäßsystem entstand<br />
ein mikrovaskuläres Spendergebiet, das bis heute die<br />
Amputation bei ausgedehnten Unterschenkel frak turen<br />
oder Tumorresektionsdefekten verhindern hilft. Als weitere<br />
wichtige Transplantate konnten Rippen, die Fibulae,<br />
Beckenkamm, Omentum, Rectus abdominis und der aus<br />
China stammende Unterarmlappen eingesetzt werden.<br />
Neben der Mikrogefäß- und Mikroneurochirurgie entwickelten<br />
sich Techniken zur Lymphgefäß rekonstruk tion,<br />
die in Deutschland insbesondere von R. G. Baumeister und<br />
G. Ingianni weiterentwickelt und eingesetzt wurden.<br />
1980 zeichnete die Deutsche Gesellschaft für <strong>Chirurgie</strong><br />
die Ergebnisse der Münchener Arbeitsgruppe mit dem<br />
„Erich Lexer-Preis“ für E. Biemer und W. Duspiva aus.<br />
Einen orientierenden Leistungskatalog, der die Verän -<br />
derung des klinischen Leistungsspektrums einer Abtei lung<br />
für <strong>Plastische</strong> <strong>Chirurgie</strong> aufzeigt, ergibt die Auf stellung der<br />
mikrochirurgischen Replantationen und Tran splan -<br />
tationen am Klinikum rechts der Isar 1975 bis 1991:<br />
Replantationen N = >2500<br />
Leistenlappen N= 62<br />
Deltoideuslappen N = 4<br />
Laterale Oberarmlappen N = 6<br />
Filetlappen obere Extremität N = 3<br />
Modif. freie Borggreve N = 9<br />
Osteocutane Lappen (Rippe, Fibula, Becken) N = 15<br />
Pulpa, Wrap around N = 39<br />
Zehen, Doppelzehentransplantate, Fussrücken N = 81<br />
MP II Gelenk N = 6<br />
Musculocutane (Latissimus, Gracilis, Rectus, Glutaeus) N = 665<br />
Parascapulare Lappen N = 41<br />
Unterarmlappen (auch osteokutan) N = 71<br />
Dünndarmtransplantate N = 52<br />
Zum Gedankenaustausch, der kritischen Evaluation<br />
und zur Fortbildung wurden national die „Deutsch -<br />
sprachige AG für Mikrochirurgie der peripheren Nerven<br />
und Gefäße“, 1977 in Erlangen bei dem VDPC-Jahres -<br />
kongress etabliert. Gemeinsame Tagungen mit den anderen<br />
europäischen Kollegen und Fachgesellschaften förderten<br />
eine intensive Diskussion. Überregional formierte<br />
sich 1977 in San Francisco die „International Society<br />
of Reconstructive Microsurgery“ die aus den Tagungen<br />
bei Hanno Millesi in Wien 1972/1973 hervorgegangen<br />
war. Die Anerkennung der Leistungen deutscher<br />
<strong>Plastische</strong>r Chirurgen wurde durch die Wahl Edgar<br />
Biemers als Sekretär, Schatzmeister und schließlich<br />
Präsident zum Ausdruck gebracht.<br />
Heute gilt die rekonstruktive Mikrochirurgie als<br />
wesentlicher Bestandteil der plastisch-chirurgischen<br />
Weiterbildung. Darüber hinaus besteht ein ausgedehntes<br />
Internationales Netzwerk, das für junge plastische<br />
ChirurgInnen sowohl klinische als auch experimentelle<br />
Fellowships mit mikrochirurgischen Inhalten anbietet.<br />
Der rege Austausch sorgt dafür, dass neue Entwicklungen<br />
auf hohem Niveau wechselseitig übernommen werden.<br />
Nur durch diese kontinuierlichen experimentellen und<br />
klinischen Aktivitäten werden wir die Reputation beibehalten,<br />
die im Alltag die Zuweisung von Patienten mit<br />
komplexen rekonstruktiven Problemen sichert und unsere<br />
Position in der interdisziplinären Konkurrenz stärkt.�<br />
Edgar Biemer, München<br />
Hans-Ulrich Steinau, Bochum<br />
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<strong>Plastische</strong> <strong>Chirurgie</strong> 8 (Suppl. 2) � <strong>2008</strong>