Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC

Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC

17.11.2012 Aufrufe

2.1 Rekonstruktion/Konstruktion 40 Jahre DGPRÄC Transpalpebrale Dekompression bei endokriner Orbitopathie (Exophthalmus): Die Olivari-Methode Erfahrung nach über 3000 Operationen in 20 Jahren Neven Olivari Das Schicksal der Patienten mit endokriner Orbitopathie (EO) ist nicht leicht. Die Grund - erkrankung, also die Immunhyperthyreose, kann durch einen chirurgischen Eingriff (Strumektomie), thyreostatische Medikation oder Radiojodtherapie in über 95 % zur Heilung gebracht werden. Therapieerfolge bei EO sind bescheiden. Die konservative Therapie bessert in dem akuten Stadium die Veränderungen im Weich teil - bereich der Lider, hat aber kaum Einfluss auf die Protrusio bulbi, den Visus und die Augenmotilität. Bei optimistischen Schätzungen bildet sich der Exophthalmus in 10 % spontan zurück. Wahrscheinlich liegt die Remission bei 5 %, aber nur in den ersten 6 bis12 Monaten. Spätestens nach einem Jahr ist die Protrusio stabil und durch Medikation unbeeinflussbar. Es gibt kaum eine Therapie einer nichtmalignen Erkrankung mit kleinerer Erfolgs - quote als bei der EO. In Deutschland leben wahrscheinlich ca. 160000 Patienten mit diesem Problem. Außer durch die oben genannten Symptome sind diese Patienten in erheblichem Grad psychologisch belastet. Pathogenese der endokrinen Orbitopathie Die endokrine Ophthalmopathie ist wie die Immun - hyperthyreose nach heutigen Erkenntnissen eine autoimmune Erkrankung. Die Frage ist bis heute nicht beant- 84 Plastische Chirurgie 8 (Suppl. 2) � 2008 wortet, ob es sich um eine eigenständige Erkrankung handelt oder ob die EO eine Manifestation der Immun - hyperthyreose ist. Die Meinung erscheint daher logisch, dass eine gemeinsame Noxe (Antigen) bestehen muss; doch ist diese bisher noch nicht verifiziert worden. Ein eindeutig auslösender Faktor für die EO wurde noch nicht gefunden. Die These geht davon aus, dass sich zirkulierende T -Zellen an Adhäsionsmoleküle binden und dadurch in den retrobulbären Raum Zugang haben. Dadurch kommt es zur Infiltration der Orbita und selten (1–4 %) der prätibialen Subcutis. Die T -Zellen reagieren mit den Fibroblasten. Dies führt dazu, dass Zytokine in das Gewebe abgegeben werden. Durch die Zytokine wird die Expression von HLA-DR-Molekülen stimuliert und der Autoimmunprozess in Gang gesetzt. Außerdem wird die Produktion von Glykosaminoglykanen in den Fibroblasten angeregt. Die starke Hydrophilie der Glykosaminoglykane bewirkt die Schwellung der befallenen Muskeln sowie des Fettes (muzinöses Ödem). Es kommt zu einer intraorbitalen Volumenvermehrung mit folgendem erhöhten intraorbitalen Druck und Protrusio. Indirekt entsteht eine venöse sowie lymphatische Stasis, welche zusätzlich den intraorbitalen Druck erhöhen.

40 Jahre DGPRÄC 2.1.3 Exophthalmus – Olivari-Methode Pathohistologische Veränderungen In der extraokulären Muskulatur sowie dem Fett findet man folgende inflammatorischen Infiltrationen (Bulbus bleibt intakt): � Antigene � T-Zellen, B-Zellen � Makrophagen � Lymphozytäre Infiltration � Glykosaminoglykane � HLA-DR � Dendrale Zellen und Zytokine � und viel mehr Klassifikation der EO Klassifikation nach Werner Grad I Oberlidretraktion (Dalrymplesches Phänomen), Zurückbleiben des Oberlides bei Blicksenkung (Graefe), Konvergenzschwäche Grad II Bindegewebsbeteiligungen (Lidschwellungen, Konjunktivitis, Chemosis, Tränenträufeln, Photophobie) Grad III Protrusio bulbi sive bulborum (pathol. Hertel- Werte, mit und ohne Lidschwellungen) Grad IV Augenmuskelparesen (Unscharf- und Doppel - tsehen) Grad V Hornhautaffektionen (meistens Lagophthalmus mit Trübungen, Ulzerationen) Grad VI Sehausfälle bis Sehverlust (Beteiligung des N. opticus) Diagnose Die Anamnese und klinische Untersuchung sowie die genaue Abklärung der Schilddrüsenfunktion stehen am Anfang der Diagnostik. Alle Patienten, die zu uns in Behandlung kamen, wurden von Endokrinologen, Ophthalmologen und Nuklearmedizinern mehrmals gründlich untersucht und vorbehandelt. Bis auf 2 Patienten waren alle euthyreot. Präoperativ ist ein CT oder MR der Orbita notwendig. Epidemiologie der endokrinen Orbitopathie Schilddrüsenerkrankungen sind häufig; ca. 20 Millionen Deutsche haben eine behandlungsbedürftige Struma, 120000 werden jährlich operiert (Strumektomie). Eine Immunhyperthyreose tritt bei ca. 0,5 % der deut- schen Bevölkerung, d.h. bei 400 000 Patienten auf 40 bis 60 % der Patienten mit einer Immunhyperthyreose entwickeln eine endokrine Orbitopathie (160000). Exakte statistische Daten existieren nicht. Lokale symptomatische Therapie Der lokalen Therapie kommt vor allem in der akuten Phase der Erkrankung eine große Bedeutung zu. Eine starke Keratokonjunktivitis und Lagophthalmus müssen entsprechend therapiert werden. Diese Therapie gehört in die Hände eines Ophthalmologen. Orale Glukokortikoid-Therapie: Die Therapie einer EO in der Akutphase mit Kortikosteroiden ist eine sinnvolle Behandlungsmaßnahme. Es wird angenommen, dass die Kortikosteroide neben einer antiinflammatorischen auch eine immunsupressive Wirkung besitzen. Außerdem ist bekannt, dass sie eine inhibitorische Wirkung auf die Synthese von GAG-Fibroblasten haben. In der Spätphase der EO, mit schon aufgetretenen fibrotischen Veränderungen, ist die Therapie mit Gluko - kortikosteroiden wenig wirksam. Orbitabestrahlung: Die pathophysiologische Vorstellung geht davon aus, dass durch die lokale Bestrahlung die infiltrierenden Lymphozyten im retrobulbären Raum geschädigt werden, so dass dadurch lokal eine antiinflammatorische Wirkung erreicht wird. Außerdem soll der Strahleneffekt antiproliferativ auf die Fibroblasten und die Produktion von Glykosaminoglykanen sein. Kurz - zeitergebnisse sind in der akuten Phase als gut beschrieben; Langzeitergebnisse sind weniger überzeugend. Gute Resultate in Bezug auf Protrusio, Diplopie und Visus sind fraglich. Langzeitbefunde über eventuelle Strahlen - schäden existieren nicht. Die Orbitabestrahlung bewirkt keine Heilung, verstärkt die Fibrosierung und ist daher nicht indiziert. Chirurgische Therapie Eine Tarsorrhaphie, von vielen Autoren empfohlen, bringt keine Besserung und ist abzulehnen. Ossäre Dekompression Mediale Dekompression: Die mediale Dekompression bringt eine Korrektur der Proptosis um ca. 2–3 mm, verursacht jedoch häufig Diplopie bzw. Strabismus convergens. Es handelt sich jedoch um einen guten Zugang für 85 Plastische Chirurgie 8 (Suppl. 2) � 2008

2.1 Rekonstruktion/Konstruktion 40 Jahre DGPRÄC<br />

Transpalpebrale Dekompression<br />

bei endokriner Orbitopathie<br />

(Exophthalmus): Die Olivari-Methode<br />

Erfahrung nach über 3000 Operationen in 20 Jahren<br />

Neven Olivari<br />

Das Schicksal der Patienten mit endokriner<br />

Orbitopathie (EO) ist nicht leicht. Die Grund -<br />

erkrankung, also die Immunhyperthyreose, kann<br />

durch einen chirurgischen Eingriff (Strumektomie), thyreostatische<br />

Medikation oder Radiojodtherapie in über 95<br />

% zur Heilung gebracht werden. Therapieerfolge bei EO<br />

sind bescheiden. Die konservative Therapie bessert in<br />

dem akuten Stadium die Veränderungen im Weich teil -<br />

bereich der Lider, hat aber kaum Einfluss auf die Protrusio<br />

bulbi, den Visus und die Augenmotilität. Bei optimistischen<br />

Schätzungen bildet sich der Exophthalmus in 10 %<br />

spontan zurück. Wahrscheinlich liegt die Remission bei<br />

5 %, aber nur in den ersten 6 bis12 Monaten. Spätestens<br />

nach einem Jahr ist die Protrusio stabil und durch<br />

Medikation unbeeinflussbar. Es gibt kaum eine Therapie<br />

einer nichtmalignen Erkrankung mit kleinerer Erfolgs -<br />

quote als bei der EO. In Deutschland leben wahrscheinlich<br />

ca. 160000 Patienten mit diesem Problem. Außer<br />

durch die oben genannten Symptome sind diese Patienten<br />

in erheblichem Grad psychologisch belastet.<br />

Pathogenese der endokrinen Orbitopathie<br />

Die endokrine Ophthalmopathie ist wie die Immun -<br />

hyperthyreose nach heutigen Erkenntnissen eine autoimmune<br />

Erkrankung. Die Frage ist bis heute nicht beant-<br />

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<strong>Plastische</strong> <strong>Chirurgie</strong> 8 (Suppl. 2) � <strong>2008</strong><br />

wortet, ob es sich um eine eigenständige Erkrankung handelt<br />

oder ob die EO eine Manifestation der Immun -<br />

hyperthyreose ist. Die Meinung erscheint daher logisch,<br />

dass eine gemeinsame Noxe (Antigen) bestehen muss;<br />

doch ist diese bisher noch nicht verifiziert worden.<br />

Ein eindeutig auslösender Faktor für die EO wurde<br />

noch nicht gefunden. Die These geht davon aus, dass sich<br />

zirkulierende T -Zellen an Adhäsionsmoleküle binden<br />

und dadurch in den retrobulbären Raum Zugang haben.<br />

Dadurch kommt es zur Infiltration der Orbita und selten<br />

(1–4 %) der prätibialen Subcutis. Die T -Zellen reagieren<br />

mit den Fibroblasten. Dies führt dazu, dass Zytokine in<br />

das Gewebe abgegeben werden. Durch die Zytokine wird<br />

die Expression von HLA-DR-Molekülen stimuliert und<br />

der Autoimmunprozess in Gang gesetzt. Außerdem wird<br />

die Produktion von Glykosaminoglykanen in den<br />

Fibroblasten angeregt. Die starke Hydrophilie der<br />

Glykosaminoglykane bewirkt die Schwellung der befallenen<br />

Muskeln sowie des Fettes (muzinöses Ödem). Es<br />

kommt zu einer intraorbitalen Volumenvermehrung mit<br />

folgendem erhöhten intraorbitalen Druck und Protrusio.<br />

Indirekt entsteht eine venöse sowie lymphatische Stasis,<br />

welche zusätzlich den intraorbitalen Druck erhöhen.

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