Schiffbruch als Metapher

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Der Schifffahrt als Inbegriff des Wagens und Suchens ist stets auch die Gefahr des Scheiterns mit eingeschrieben. Der Schiffbruch, das ‚naufragium’, ist das immer gegenwärtige Risiko des Untergangs. Die Folgen sind im schlimmsten Fall der Tod durch Ertrinken oder Verbrennen, wenn ein Schiffsbrand der eigentlichen Katastrophe voran ging. In einer etwas besseren Situation befinden sich die, die sich auf ein Boot oder ein Floß retten konnten. Doch auch hier sind die Schiffbrüchigen weiteren Gefahren wie Sturm, Wellen und Witterungseinflüssen, aber auch den unberechenbaren Reaktionen ihrer Leidensgenossen ausgesetzt. 19 Ist es den Schiffbrüchigen gelungen, den rettenden Strand zu erreichen, ist eine vollständige Rettung zwar noch lange nicht gewährleistet, doch zumindest die unmittelbare Gefahr des Wassertodes ist vorerst gebannt. Ein glückliches Ende kann der erlittene Schiffbruch finden, wenn es einer Gruppe von Rettern gelingt, die Schiffbrüchigen lebend zu bergen. Die Verbindung zwischen Elementarem und Existentiellem im Zeichen der Schifffahrt hat die Gedankenwelt der Menschen seit jeher angeregt. „Der Schiffbruch als überstandener betrachtet, ist die Figur einer philosophischen Ausgangsbetrachtung.“ 20 Die Verwendung und Deutung des Schiffbruchs als Bild für die Situation des Scheiterns aber auch des möglichen Neuanfangs nach dieser ‚tabula rasa’ bildet den metaphorischen Rahmen zum Nachdenken über Grundfragen zu Mensch und Welt. 2.3 Die Metapher 2.3.1 Definition und Kritik Der Begriff „Metapher“ stammt aus der griechischen Antike und kann mit „Übertragung“ (von gr. metà phérein: „anderswohin tragen“) übersetzt werden. Aristoteles formuliert in seiner ‚Poetik’ 21 eine erste Definition der Metapher, in der die Tropen Synekdoche, Metonymie und Metapher zusammengefasst sind. Nach Aristoteles ist die Metapher „die Übertragung eines fremden Nomens und zwar entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie.“ 22 Dieses Übertragen heißt, dass ein ganzes 19 Gefährdungen wie sie beispielsweise Jean Baptiste Savigny nach dem Schiffbruch des französischen Schiffes ‚Medusa’ am 2.7. 1816 auf der Arguin Bank 40 Seemeilen vor Afrika beschreibt: Savigny war einer der anfangs 115 Schiffbrüchigen die sich auf dem Floß befanden. Nur 15 Menschen konnten schließlich gerettet werden. „Diese ganze Nacht kämpften wir mit dem Tode und hielten uns fest an den Stricken, auf die wir uns so ziemlich verlassen konnten. Durch die Wogen bald vor-, bald rückwärts geschleudert, zuweilen ins Meer gestürzt, schwebend zwischen Tod und Leben, wehklagend über unser Unglück, gewiss umzukommen, und doch mit dem verderblichen Elemente, das uns zu verschlingen drohte, gleichsam noch einen Atemzug ringend; das war unsere Lage bis zu Tagesanbruch.“ Savigny, Jean-Baptiste; Corréard, Alexandre: Der Schiffbruch der Fregatte Medusa. Mit einem Vorwort von Michel Tournier, einem Nachwort von Johannes Zeilinger und einem Bildessay zu Théodore Géricaults ‚Floß der Medusa’ von Jörg Templer. Berlin 2005, S. 53. 20 Blumenberg 1997, S. 15. 21 Fuhrmann, Manfred (Hg.): Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch. Stuttgart 1982. 22 Aristoteles in Fuhrmann, S. 69.

Spektrum an Bedeutungen freigesetzt wird und so gegen die vermeintliche Eindeutigkeit von sprachlich-semantischen Regeln verstoßen wird, indem ein Begriff für einen anderen gesetzt wird. Aufgrund des Strebens nach einer möglichst reinen Argumentation ist die Metapher als uneigentliche Redeweise in der Philosophie umstritten. „Im Kontext normativer, empiristischer und rationalistischer Theorien galten (und gelten) Metaphern ihren Kritikern im besten Fall als bloß stilistisches Schmuckelement, meist jedoch als emotional-suggestive, kognitiv und linguistisch unbedeutsame Abweichung des Sprachgebrauchs, die keine logische Norm zu erfüllen vermögen.“ 23 Die figürliche Rede wird als Teil der Rhetorik gesehen, die bereits Platon in seiner Schrift ‚Gorgias’ als ‚Kunst der Illusion’ bezeichnet hatte. Die Liste der Antagonisten der Metapher lässt sich im historischen Verlauf über Descartes, Hobbes und Locke bis hinein in die Gegenwart verfolgen. In der heutigen Situation ist „die metaphernkritische Diskussion weniger durch eine schroffe Ablehnung als durch Ignoranz gekennzeichnet,“ 24 doch „neben der Ignoranz gibt es freilich auch in der Gegenwart noch die strikten Gegner der metapherologischen Perspektive.“ 25 2.3.2 Moderne Theorien Die moderne Metaphernforschung teilt sich auf in kognitive und nicht-kognitive Metapherntheorien. Für erstere steht die bewußtseinssteuernde Funktion der metaphorischen Sprache im Zentrum der Aufmerksamkeit: „Über die Wirkung auf semantische Strukturen hinausgehend, können Metaphern gemäß der Kognitivitätsthese das Bewusstsein verändern, indem sie Geschehnisse sprachlich neu objektivieren, unartikulierte Erfahrungen ausdrücken und Sachverhalte analog wiedergeben, die keine begriffliche Entsprechung haben.“ 26 Die Aufgabe beschränkt sich also nicht nur auf die ornamentär-rhetorische Funktion. Die nicht-kognitiven Theorien lassen sich ihrerseits in Vergleichs- und Substitutionstheorien differenzieren. Die Grundlage für die Vergleichstheorie, die die Metapher als einen durch das Weglassen des Partikels ‚wie’ verkürzten Vergleich beschreibt, lieferte der bereits erwähnte Aristoteles in seiner Poetik, aber auch Heinrich Lausberg als Vertreter der moderneren literarischen 23 Haefliger, Jürg: Imaginationssysteme. Erkenntnistheoretische, anthropologische und mentalitätshistorische Aspekte der Metapherologie Hans Blumenbergs. Frankfurt/M. 1996, S. 27. 24 Ders., S. 38. 25 Ders., S. 41. 26 Haefliger, S. 44.

Spektrum an Bedeutungen freigesetzt wird und so gegen die vermeintliche Eindeutigkeit von<br />

sprachlich-semantischen Regeln verstoßen wird, indem ein Begriff für einen anderen gesetzt wird.<br />

Aufgrund des Strebens nach einer möglichst reinen Argumentation ist die <strong>Metapher</strong> <strong>als</strong><br />

uneigentliche Redeweise in der Philosophie umstritten. „Im Kontext normativer, empiristischer und<br />

rationalistischer Theorien galten (und gelten) <strong>Metapher</strong>n ihren Kritikern im besten Fall <strong>als</strong> bloß<br />

stilistisches Schmuckelement, meist jedoch <strong>als</strong> emotional-suggestive, kognitiv und linguistisch<br />

unbedeutsame Abweichung des Sprachgebrauchs, die keine logische Norm zu erfüllen<br />

vermögen.“ 23 Die figürliche Rede wird <strong>als</strong> Teil der Rhetorik gesehen, die bereits Platon in seiner<br />

Schrift ‚Gorgias’ <strong>als</strong> ‚Kunst der Illusion’ bezeichnet hatte. Die Liste der Antagonisten der <strong>Metapher</strong><br />

lässt sich im historischen Verlauf über Descartes, Hobbes und Locke bis hinein in die Gegenwart<br />

verfolgen. In der heutigen Situation ist „die metaphernkritische Diskussion weniger durch eine<br />

schroffe Ablehnung <strong>als</strong> durch Ignoranz gekennzeichnet,“ 24 doch „neben der Ignoranz gibt es freilich<br />

auch in der Gegenwart noch die strikten Gegner der metapherologischen Perspektive.“ 25<br />

2.3.2 Moderne Theorien<br />

Die moderne <strong>Metapher</strong>nforschung teilt sich auf in kognitive und nicht-kognitive<br />

<strong>Metapher</strong>ntheorien. Für erstere steht die bewußtseinssteuernde Funktion der metaphorischen<br />

Sprache im Zentrum der Aufmerksamkeit: „Über die Wirkung auf semantische Strukturen<br />

hinausgehend, können <strong>Metapher</strong>n gemäß der Kognitivitätsthese das Bewusstsein verändern, indem<br />

sie Geschehnisse sprachlich neu objektivieren, unartikulierte Erfahrungen ausdrücken und<br />

Sachverhalte analog wiedergeben, die keine begriffliche Entsprechung haben.“ 26 Die Aufgabe<br />

beschränkt sich <strong>als</strong>o nicht nur auf die ornamentär-rhetorische Funktion.<br />

Die nicht-kognitiven Theorien lassen sich ihrerseits in Vergleichs- und Substitutionstheorien<br />

differenzieren. Die Grundlage für die Vergleichstheorie, die die <strong>Metapher</strong> <strong>als</strong> einen durch das<br />

Weglassen des Partikels ‚wie’ verkürzten Vergleich beschreibt, lieferte der bereits erwähnte<br />

Aristoteles in seiner Poetik, aber auch Heinrich Lausberg <strong>als</strong> Vertreter der moderneren literarischen<br />

23 Haefliger, Jürg: Imaginationssysteme. Erkenntnistheoretische, anthropologische und mentalitätshistorische Aspekte<br />

der <strong>Metapher</strong>ologie Hans Blumenbergs. Frankfurt/M. 1996, S. 27.<br />

24 Ders., S. 38.<br />

25 Ders., S. 41.<br />

26 Haefliger, S. 44.

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