Schiffbruch als Metapher
Schiffbruch als Metapher
Schiffbruch als Metapher
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auch das Aufbranden der Kriege.“ 67 Aus dem ursprünglichen Traum ist für die, die f<strong>als</strong>che Mittel<br />
anwandten, ein Albtraum geworden.<br />
Im Film werden zwei weitere Modelle zur Umsetzung politischer Träume gezeigt: Der Verleger<br />
Klaus erscheint <strong>als</strong> Idealist, doch die filmische Darstellung seiner Figur <strong>als</strong> ‚menschliches Wrack’<br />
lässt für diesen Weg keine positive Deutung zu. Auch der Lehrer, der die gewaltlose Alternative zur<br />
Erreichung seiner politischen Ziele, den langen ‚Marsch durch die Institutionen’, gewählt hat,<br />
erscheint ausgebrannt und desillusioniert. Stellvertretend für den Opportunismus hingegen steht der<br />
inzwischen erfolgreiche Anwalt, der seine früheren Ideale vollständig aufgegeben hat.<br />
Wolfgang Petzold beschreibt in „Die Innere Sicherheit“ die Schwierigkeit, den politischen Traum<br />
der 68er Generation real werden zu lassen und bietet keine positive Lösung an. Dies wird auch an<br />
dem Titellied „How can you hang on to a dream? “ 68 deutlich. Es stammt von Tim Hardin und gilt<br />
<strong>als</strong> “Hymne der 68er Generation.” 69 Vielmehr wird die Generation der Eltern <strong>als</strong> resigniert oder<br />
ratlos gezeigt. Eine eindeutige Absage an das Mittel der Gewalt lässt sich jedoch aus dem Tod der<br />
Eltern herauslesen. Während ihre Altersgenossen sich der schwierigen Realität gestellt haben und<br />
Abstriche an ihren Träumen machten, entwickelten Clara und Hans keine neuen Perspektiven. Sie<br />
haben es nicht geschafft, aus den Trümmern ihres Begriffsschiffs ein tragfähiges Floß zu bauen, das<br />
sie an neue Ufer bringen kann. 70 Der Film vermittelt dem Rezipienten, der die Rolle des Zuschauers<br />
einnimmt, ex negativo, dass der Weg der Gewalt in den Untergang führt. Am Ende wird Jeanne die<br />
Zerstörung des ‚Mutterschiffs’, des Autos, in einem metaphorischen Meer, einem Feld 71 , <strong>als</strong><br />
Einzige überleben.<br />
2.5.7 Überleben, aber wie? Retrograde Seetüchtigkeit <strong>als</strong> Aufgabe der<br />
Generationen<br />
Während die Eltern aus eigenem Antrieb heraus die Gesetze verletzten, gestaltet sich die Situation<br />
für Jeanne anders. Sie ist die Erbin der zerbrochenen Träume der Eltern und war bisher aufgrund<br />
ihrer kindlichen Unselbständigkeit unfreiwillig ‚an Bord’. Ihre Figur verkörpert die moderne<br />
Auslegung der <strong>Schiffbruch</strong>smetapher, sie ist bereits Zeit ihres Lebens ‚eingeschifft’. Die Frage<br />
„How can you hang on to a dream?“ bedeutet für sie etwas anderes <strong>als</strong> für die Eltern. Sie ist<br />
heimatlos und muss ihre Heimat erst finden. Sie und die Generation der Kinder der 68er werden <strong>als</strong><br />
wenig politisch interessiert beschrieben. Jeannes Bedürfnis ist nicht das einer Revolution, sondern<br />
67<br />
Ders., 1997, S. 33.<br />
68<br />
Harding, Tim: How can we hang on to a dream? Polydor 1994 ( Aufnahmejahr: 1967).<br />
69<br />
Die Zeit.<br />
70<br />
Ihre Flucht sollte per Flugzeug, für das der antiquierte Begriff ‚Luftschiff’ existiert, in Brasilien glücklich enden.<br />
71<br />
Zur metaphorischen Verwendung des Felds <strong>als</strong> Meer vgl. Viera Gasparikova: Schwimmen im Flachsfeld. In:<br />
Brednich, Rolf Wilhelm u.a. (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden<br />
Erzählforschung, begründet von Kurt Ranke. Berlin 1975 (ff.), Bd. 12, Spalte 444-447.