Schiffbruch als Metapher
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Portugal, wo sich Jeanne etwas zu trinken kauft. Heinrich wird <strong>als</strong> Mitglied einer Gruppe<br />
jugendlicher Wellenreiter eingeführt und Hans und Klara sitzen am Strand 55 . Bei dem nächtlichen<br />
Treffen mit Heinrich ist im Hintergrund das Meer zu sehen und er erzählt Jeanne von seiner Mutter,<br />
die sich im Pool ihrer Villa ertränkt habe. Die folgende Flucht vollzieht sich parallel der Küste<br />
entlang. Neben den Gezeiten, die mit dem Leben, das die Figuren führen, korrespondieren: neben<br />
den Zeiten.<br />
Die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich wird nicht nur durch die jeweiligen Flaggen,<br />
sondern auch durch den <strong>als</strong> Grenzfluss fungierenden Rhein symbolisiert. 56 Die aus der<br />
Vogelperspektive gezeigte Autobahn, auf der sich das Familienauto bewegt, erscheint nicht nur <strong>als</strong><br />
Symbol für Deutschland, sondern auch wie ein erstarrter Fluss. 57 Die Tankstelle wirkt wie eine<br />
Insel, zumal Jeanne auf dem WC, dem Wasserklosett, gezeigt wird. 58 Nicht nur in ihrer Kleidung<br />
findet sich die Farbe des flüssigen Elements wieder, der gesamte Film erhält eine kühle Atmosphäre<br />
durch blaustichige Bilder. Auch die (unter einer Brücke) ausgegrabenen Geldscheine sind blau, was<br />
in einer Großaufnahme gezeigt wird. Da die Scheine längst ungültig sind, bleibt der Familie die<br />
Teilnahme an der Gegenwart weiterhin verschlossen. Blau sind auch die Zigarettenschachteln der<br />
Marke Gauloises und Gitanes, die die ganze Familie raucht. Weniger deutlich erkennbar, aber auch<br />
ein weiterer Hinweis auf den Stellenwert des Wassers, ist das Schiff, das auf dem Grabstein<br />
abgebildet ist, neben dem Hans nach weiterem Geld und einer Pistole gräbt. Hier ist die sepulkrale<br />
Symbolik von Schiffsdarstellungen, wie sie aus der Bibel und der griechischen Mythologie bekannt<br />
ist, erkennbar. Die Tankstelle, an der das Treffen mit dem Verleger Klaus stattfindet, ist blau<br />
beleuchtet, der Name der Firma „Aral“ verweist im Sinne einer Homophonie auf den gleichnamigen<br />
See. 59 Der nautische Mythos vom fliegenden Holländer klingt an, wenn die Familie mit ihrem (im<br />
übertragenen Sinne) <strong>als</strong> Schiff funktionierenden Auto an der Raststätte nicht ‚anlegen’ kann. Dass<br />
sie auch von diesem ‚Hafen’ vertrieben werden, erinnert an die Sage vom Schiffskapitän, der Gott<br />
und den Kräften der Natur zu trotzen versuchte und daher dazu verdammt wurde, für immer auf den<br />
Weltmeeren in seinem Geisterschiff zu befahren. 60<br />
Zur Gestaltung von Wassergeräuschen im Film: Wolff, Harald: Geräusche und Film: Materialbezogene und<br />
darstellerische Aspekte eines Gestaltungsmittels. Frankfurt/M. 1996.<br />
Sowie: Flückiger, Barbara: Sound Design. Die virtuelle Klangwelt des Films. Marburg 2002.<br />
55<br />
Vgl. Abb. 1 im Anhang Screenshots „Die Innere Sicherheit“.<br />
56<br />
Vgl. Abb. 2 ebd.<br />
57<br />
„Der Fluss, der vielfach <strong>als</strong> Bild einer Wandlung oder <strong>als</strong> Zeichen der Gefühlskräfte und –energien des einzelnen<br />
erscheint, kann außerdem das Symbol einer Landschaft oder eines Volkes sein.“ Selbmann, S. 114.<br />
58<br />
Vgl. Abb. 3 im Anhang Screenshots „Die Innere Sicherheit“.<br />
59<br />
Die Herkunft des Wortes ‚Aral’ ist jedoch „eine simple Kombination der Anfangsbuchstaben von zwei Gruppen der<br />
Kohlenwasserstoffe, den Aromaten (Benzol) und Aliphaten (Benzin)“ und insofern das Produkt einer Wortkürzung.<br />
Vgl.: http://www.aral.de/_struktur/inside.cfm?si_id=1040. 15.04. 2006.<br />
60<br />
Über die Genese des Stoffs von Sir Walter Scott über Wilhelm Hauff, Heinrich Heine, Richard Wagner bis Franz<br />
Kafka vgl.: Frank, Manfred: Die unendliche Fahrt. Die Geschichte des Fliegenden Holländers und verwandter Motive.<br />
Leipzig 1995.